Tourismussatellitenkonten - ein Quantensprung für die Tourismusstatistik?


Diplomarbeit, 2001

135 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Einleitung und Grundlagen
I. Generelle Anmerkungen
1. Bibliographische Vorbemerkung
2. Zum Thema
II. Konzept und Definitionen
1. Die Problematik der Tourismusstatistik
2. Zugrundeliegende Definitionen
3. Die Entwicklung von TSA – Ein historischer Abriß

B. Das TSA – Konzept
I. Anwendung und Methodik
1. Ansprüche die an die TSA gestellt werden
2. Gründe für die Implementierung von TSA
3. Der nachfrageorientierte Ansatz
a) Sonderfälle bei der Bestimmung
4. Der angebotsorientierte Ansatz
II. Die Schritte zur Aufstellung von TSA
1. Das Herz der WTO-OMT Methodik: Tabelle 6

C. Tourismussatellitenkonten – Die Folgen
I. Die Bewertung der Bedeutung des Tourismus in der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
1. Die Betrachtung: „Konventionell“ und mittels TSA
a) Die konventionelle Sichtweise und die Kritik
b) Die „neuen“ Erfahrungen und Möglichkeiten
c) Konzeptionelle Kritik
2. Die Situation heute
3. Visionen und Perspektiven

D. Deutschland
I. Die Situation in Deutschland

E. Schlußbetrachtung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung A.1:

Entwicklung der internationalen Ankünfte und der Tourismus Einnahmen

Abbildung B.1:

Die Klassifizierung des Besucherkonsums

Abbildung B.2:

Ausschnittsvergrößerung aus Tabelle 6 der WTO-OMT Methodik

Abbildung B.3:

Ausschnittsvergrößerung aus Tabelle 6 der WTO-OMT Methodik

Abbildung B.4:

Ausschnittsvergrößerung aus Tabelle 6 der WTO-OMT Methodik

Abbildung C.1:

Das „Eisberg-Modell“ des WTTC

Abbildung C.2:

Die indirekten Auswirkungen des Tourismus in einer Volkswirtschaft („flow-through“-Effekt)

Abbildung C.3:

Anteil der Tourismusindustrie an der Tourismuswirtschaft

Abbildung C.4:

Anteil der Tourismuswirtschaft am globalen BSP

Abbildung C.5:

Beschäftigte in der Tourismuswirtschaft

Abbildung C.6:

Die Problematik de Bandbreite

Abbildung D.1:

Entwicklung des Anteils des Tourismus am BSP in Deutschland

Abbildung D.2:

Ergebnisse der für Deutschland vorgenommenen Studien des WTTC und DIW

Tabellenverzeichnis

Tabelle B.1:

Der Besucherkonsum („Visitor Consumption“)

Tabelle C.1:

TSA Ergebnisse 2001

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung und Grundlagen

A.I. Generelle Anmerkungen

A.I.1. Bibliographische Vorbemerkung

Die in der vorliegenden Arbeit verwandte Zitierweise ist der sogenannte Kurzbeleg, immer bezugnehmend auf die laufende Nummer im anhängigen Literaturverzeichnis.

A.I.2. Zum Thema

Tourismus ist heute einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige, und die Messung seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ist zunehmend – zumindest seit Beginn der 80er Jahre – von großer Bedeutung für die nationalen Statistiken, gerade auch wenn es darum geht, Abhängigkeiten zwischen dem Tourismus auf der einen und den übrigen Wirtschaftszweigen auf der anderen Seite zu erkennen.

Welche Bedeutung dieser Erkenntnis beigemessen wird erkennen wir zum Beispiel daran, daß am 15. Januar dieses Jahres der amerikanische Kongreß USD 200.000 für die Tourismusforschung bewilligt hat.[3]

Zur Begründung tat man kund, daß “die wirtschaftliche Bedeutung der Tourismusbranche bisher mangels zuverlässiger Daten nicht ausreichend gewürdigt worden sei”. Ein Kritikpunkt der bereits seit geraumer Zeit immer wieder zu hören war. So stellte zum Beispiel das Strategische Informationszentrum der PATA im Rahmen des Internet Forums „Hotel Online“[4] schon im Juli 1999 fest, daß eine der größten Schwächen des Tourismussektors das Fehlen solider, verständlicher und einheitlicher Informationen über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus auf einzelne Volkswirtschaften sei. Die statistische Information die uns heute zur

Verfügung steht sei überwiegend zentriert auf einfache Berechnungen auf der Basis der internationalen Ankünfte für einzelne Länder, und dies ohne die wirtschaftlichen Einflüsse des Sektors auf Volkswirtschaften oder die zunehmenden Globalisierungstendenzen auch nur in Betracht zu ziehen. Auch die PATA stellte im selben Report die Implementierung von sogenannten „Satellitensystemen zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“[5] als Lösungsweg dar.

Liest man die Prognosen über die Entwicklung des Tourismus, so ist dieses zunehmende Interesse das dem Tourismus und seinem makroökonomischem Einfluß entgegengebracht wird, sehr gut nachzuvollziehen. Sowohl Ankünfte, als auch die aus dem Tourismus stammenden Einnahmen welt­weit, machten vom Jahr 1998 bis zum Jahr 1999 einen Sprung. (siehe Abbildung A.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung A.1:

Die Ankünfte stiegen weltweit auf einen Höchststand von 664 Millionen.[6] Dies wiederum führte zu direkten Einnahmen aus dem Tourismus in Höhe von USD 455 Mrd., oder aber USD 685 pro Ankunft. Offensichtlich ist aber auch, daß damit nicht jegliche ökonomischen Auswirkungen des Tourismus erfaßt wurden, es verdichtete sich in den letzten Jahren der Verdacht, daß das wahre Volumen der Tourismuswirtschaft viel größer sei, ja sogar den Tourismus zu einer der bedeutendsten Industrien des Planeten machte.

Über das Thema wurde in Foren und Konferenzen viel debattiert, ehe man sich, knapp einen Monat vor dem erscheinen des zitierten Artikels, vom 15 – 18. Juni 1999, in Nizza zur Enzo Paci Weltkonferenz über die Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus traf[7]. Diese führte letztlich zur Vorstellung und Weiterentwicklung eines Gesamtkonzeptes von Satellitenkonten für den Sektor Tourismus. Zweifelsohne ein entscheidender Impuls für die Tourismusforschung. Das von der WTTC und WTO vertretene Modell wurde der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen in New York als Richtlinie vorgeschlagen, und nahezu ein Jahr später, am 1 März 2000, wurde diesem Vorschlag auch stattgegeben.

Aber worum handelt es sich nun bei dieser „Wunderwaffe“? Was sind Tourismussatellitenkonten, und wie kam es zu Ihrer Entwicklung und Implementierung? Im Rahmen einer Einführung in Methodik und die wichtigsten Aspekte dieses neuartigen Konzeptes soll diese Frage in den ersten Kapiteln dieser Arbeit beantwortet werden. Die Folgekapitel werden sich dann mit der Kernfrage auseinandersetzen, ob die Tourismussatellitenkonten wirklich einen Quantensprung für die Tourismusindustrie darstellen und ob die TSA zu einer Neubewertung der Bedeutung der Tourismuswirtschaft geführt haben oder noch führen werden.

Im Rahmen dieser Arbeit soll, mittels der Methodik der Analyse, Beobachtung und unter Zuhilfenahme qualitativer Interviews, geprüft werden, ob dem Tourismus generell und in Deutschland ein gerechter Stellenwert beigemessen wird und welche Folgen die Einführung von Tourismussatellitenkonten für die einzelnen Beteiligten haben könnte. Die Erwartungen weltweit waren und sind jedenfalls sehr groß, und die Größe der vorgenommen Investitionen mit dem Ziel der Implementierung des Systems ist beeindruckend. So gab zum Beispiel Australien für die volle Entwicklung und Implementierung eines System von TSA rund 1 Million australische Dollar aus[8] und stellte am 16.Oktober des Jahres 2000 erstmalig ein System von Tourismussatellitenkonten vor. Neben Australien haben oder hatten schon seit längerem die folgenden Staaten die Entwicklung und den Aufbau eines Systems von Tourismussatellitenkonten abgeschlossen:

Die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Norwegen.

Inzwischen wurden die Tourismussatellitenkonten (TSA) von einigen weiteren Ländern, wie zum Beispiel Neuseeland, in die jeweilige volkswirtschaftliche Gesamtrechnung implementiert und führte zu wichtigen neuen Erkenntnissen. Einige weitere Länder, darunter auch solche touristisch bedeutenden wie zum Beispiel Frankreich, bereiten die Implementierung von TSA in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zur Zeit vor.

A.II. Konzept und Definitionen

Um die Grundproblematik, die historische Entwicklung und die treibenden Kräfte, die zur Entwicklung der TSA Methodik führten darzustellen, ist es erforderlich, die Entwicklung der Tourismusstatistik insgesamt zu betrachten, da diese untrennbar mit den TSA verbunden ist. Die jeweiligen Kernerrungenschaften, die für die Entwicklung des Konzeptes TSA von Bedeutung sind, nebst den anerkannten und relevanten Definitionen darzustellen, soll die Aufgabe dieses Kapitels und des anhängigen Definitionsverzeichnisses sein.

A.II.1. Die Problematik der Tourismusstatistik

In der Vergangenheit war die Tourismusforschung hauptsächlich bemüht, bestimmte Charakteristika von Reisenden herauszufinden, oft zu vergleichenden statistischen Zwecken, oder aber um z.B. Attraktivitätsfaktoren von Destinationen isolieren zu können. Von Interesse waren dabei z.B. Reisebedingungen, Einkommensniveau oder aber Reisezweck. Da der größte Teil dieser Informationen über die Reisenden selbst zu beziehen war, genügte den staatlichen Tourismusstatistiken lange Zeit ein simples Ermitteln der Ankünfte mittels Standort- oder Grenzmethodik, also bei der Ankunft im betreffenden Beherbergungsbetrieb, bzw. bei der Grenzüberschreitung, also der Aus- oder Einreise bei internationalem Tourismus[9]

Heutzutage, im Zeitalter von Globalisierung und Tourismusplanung, hat sich diese Denkweise verändert. Zunehmend mißt man dem Tourismus und der Tourismusforschung eine größere Bedeutung bei, und dies nicht nur in Ländern die eine sehr große Abhängigkeit vom

Tourismus haben, sondern auch in Nationen, in denen der Tourismus als Wirtschaftszweig – zumindest auf den ersten Blick –

peripher erscheint. Mehr und mehr betrachtet man das Phänomen Tourismus analytisch und möchte neben den deskriptiven Informationen über Touristenströme und die Bedingungen die sie im Empfängerland vorfinden, nun auch verläßliche Angaben über die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus erhalten. Die Hauptgründe für dieses Interesse sind die folgenden:

1. Erhalt von Planungsgrundlagen für die Tourismuspolitik auf allen Ebenen
2. Erkennen von Schwachpunkten der Tourismuspolitik
3. Erhalt von verläßlichen Indikatoren als Basis für strategische Entscheidungen der Unternehmen

Daraus resultieren die folgenden Ansprüche, denen die TSA entsprechen sollten:[10]

- Sie sollten einen statistischen Charakter besitzen und regelmäßig veröffentlicht werden, und zwar sowohl auf Basis von Benchmarks als auch auf der von Indikatoren
- Schätzungen müssen auf der Basis statistischer Quellen vorgenommen werden,
- Es sollten sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite mittels – nach Möglichkeit - voneinander unabhängiger Prozeduren untersucht werden können
- Die Daten sollten innerhalb einer Nation zeitlich vergleichbar sein, vergleichbar mit anderen Nationen, sowie vergleichbar mit anderen Feldern wirtschaftlicher Aktivität
- Die Daten sollten inhaltlich beständig sein und auf internationaler Ebene anerkannt sein
Die nächste Frage, die es zu klären gilt, ist, welche Daten für eine Bestimmung der wirtschaftlichen Bedeutung erforderlich sind. WTO-OMT sagt hierzu:[11]
- Erforderlich sei eine Analyse der touristisch motivierten Nachfrage innerhalb eines Wirtschaftsraumes, aus anderen Wirtschaftsräumen im Referenzwirtschaftsraum oder aber aus dem Referenzwirtschaftsraum hinein in andere Wirtschaftsräume
- Erforderlich sei eine Klassifizierung der erhaltenen Daten nach den Charakteristika der Reisenden selber, ihrer Reisen, sowie der nachgefragten Güter und Dienstleistungen
- Erforderlich sei weiterhin eine Analyse des Einflusses solchen Konsums auf die volkswirtschaftlichen Grundkennzahlen und Beziehungen zwischen einzelnen wirtschaftlichen Aktivitäten

Auf die obigen Daten stützen sich dann tiefergehende Analysen der Beschäftigung, der Kapitalbildung, der Investitionen, der Ex- und Importe und ihrer Auswirkungen auf die Zahlungsbilanzen, der Effekt den Tourismus auf das Staatseinkommen hat, sowie Generierung von Arbeitsplätzen und Auswirkungen auf das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung.

Wenn man diese Ansprüche betrachtet, stellt sich natürlich die Frage, wieso dies alles so neu ist, denn grundsätzlich ist Tourismus - wie andere Aktivitäten auch - ein integraler Bestandteil der Wirtschaft, dessen Auswirkungen natürlich auch in den nationalen Zahlungsbilanzen auftauchen. Waren und Dienstleistungen, produziert und angeboten von Herstellern und gekauft von Touristen, wie auch Investitionen sind Bestandteil der nationalen Konten. Obwohl dies außer Frage steht, taucht der Tourismus als Wirtschaftssektor in den meisten nationalen Zahlungsbilanzen einfach nicht auf. Das was in verschiedenen Zahlungsbilanzen „Reisen“ bezeichnet wird, sind lediglich von Besuchern mit einer Aufenthaltsdauer im Gastland von unter einem Jahr, konsumierte Güter und Dienstleistungen. Schon die Beförderung hingegen, wird getrennt betrachtet und in der Transportbilanz ausgewiesen.[12]

Der Grund erscheint nichtsdestotrotz plausibel: Während man konventionelle Wirtschaftssektoren wie zum Beispiel die Landwirtschaft, Bergbau, oder die Herstellung von Gütern meist klar einem Sektor der Angebotsseite zuordnen kann, lassen sich touristische Leistungen, die am Markt erbracht – und konsumiert -werden, nicht einer klar definierten Gruppe von Produzenten zuordnen[13].

Es liegt in der Natur des Tourismus, daß sehr viele verschiedene Wirtschaftszweige Güter und Leistungen produzieren, die, zumindest zu einem Teil, von touristischer Nachfrage verbraucht werden. Das Phänomen Tourismus erzeugt Nachfrage in nahezu allen Wirtschaftssektoren, von Benzin, über Marmelade, bis hin zu Zeltbahnen. Während Zeltbahnen aber nahezu ausschließlich touristischen Zwecken dienen, ist das Problem mit den beiden erstgenannten die Abgrenzung dieser durch Tourismus verursachten Leistungen von den Leistungen die durch lokale Nachfrage verursacht werden, denn z.B. Marmelade wird auch von Anwohnern zu nicht touristischen Zwecken erworben. In anderen Worten: Die Leistungen und Produkte, die hier durch touristisch motivierte Nachfrage konsumiert werden, wurden nicht in jedem Falle explizit für die touristische Nachfrage hergestellt.

Der Konsum von Reisenden kann also weit über den Konsum charakteristisch touristischer Güter hinausgehen, entscheidend ist hierbei nur noch, das die Konsumenten Reisende sind, sich also außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes aufhalten. Folgerichtig kann man den Tourismussektor auch nicht auf der Angebotsseite messen, sondern benötigt ein alternatives Instrumentarium, daß den Charakteristiken der Käufer touristischer Produkte und Leistungen mehr Bedeutung beimißt.

Diesem Tatbestand wurde in der Vergangenheit Tribut gezollt, indem man Tourismus nicht als Wirtschaftssektor, sondern als Aktivität betrachtet hat, die sektorenübergreifende Nachfrage auslöst[14].

Das heißt also, daß der Tourismus Güter verschiedener Industriesparten gleichzeitig nachfragt. Wie bereits erwähnt, hat sich diese Sichtweise aber – wohl motiviert durch die immer noch rasanten Zuwachsraten im Tourismus – im Laufe der Zeit verändert, und man hat begonnen, einigen Produkten und Dienstleistungen einen touristischen Charakter anzudenken. Daraus ergibt sich eine weitere Problematik; nämlich die, der Verschiedenheit dieser nachgefragten Güter und Dienstleistungen in Art und Menge.

All dies muß bei der Analyse des Tourismus als wirtschaftlichem Phänomen zwingend in Betracht gezogen werden.

Ein Beispiel verdeutlicht sehr schnell die Problematik: Woran kann man erkennen wie viele Pfund Butter die in einem Supermarkt eines Urlaubsortes verkauft werden, auf die Nachfrage von Reisenden zurückgeführt werden können? Und – ist Butter ein für den Tourismus charakteristisches nachgefragtes Gut?

Hinzu kommt, daß man auch Anlageinvestitionen der Industrie, und Investitionen der öffentlichen Hand die von Reisenden konsumiert oder genutzt werden, in die Betrachtung mit einbeziehen muß. Dies beginnt bei ärztlicher Grundversorgung und geht bis hin zu Erweiterungsinvestitionen in die Infrastruktur. Dieser Aspekt wird im nächsten Kapitel noch näher untersucht werden.

Die hier benötigten Daten können, aufgrund der bereits angesprochen Betrachtungsweise von der Angebotsseite, aus den Systemen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht entnommen werden. Daher ist es erforderlich, ein sogenanntes „Satellitensystem zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ (TSA) an die Zahlungsbilanzen anzuhängen, das die Effekte touristischer Aktivitäten auf Produktion, Wohlstand, Beschäftigung und Volkseinkommen einer Nation mißt, und dies mittels einer Methodik die kompatibel ist zu jener Methodik mit der eben diese Einflüsse anderer Wirtschaftssektoren auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung gemessen werden. Das heißt also, die Tourismussatellitenkonten (TSA) sind Tabellen die überwiegend auf ausgewählte Daten aus den Zahlungsbilanzen aufbauen und diese in neue Tabellen einfügen, um neue Zusammenhänge aufzuzeigen und zu begründen. Wichtig hierbei ist, daß die Kompatibilität mit den Grundlagen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (dies betrifft vor allem die Definitionen und Methoden des entsprechenden Kontensystems, hier SNA93) gewahrt bleibt, und trotzdem eine Abgrenzung des Tourismus, sowie eine individuelle Analyse möglich wird. Nur dadurch wird eine generelle Vergleichbarkeit der Daten (z.B. mit anderen Wirtschaftssektoren) gewahrt.

Dieses System ist offen, deswegen auch die Formulierung „die überwiegend auf ausgewählten Daten aus den Zahlungsbilanzen aufbauen“. Sehr wohl gibt es einige Tabellen der TSA, für die es nötig ist Primärerhebungen durchzuführen, diese brauchen aber bei einer Erstimplementierung von TSA noch nicht berücksichtigt zu werden.

So erklärt sich auch der verwandte Terminus „Satellitenkonten“: Man griff ihn auf um auf die Natur der Methodik hinzuweisen. Aufbauend auf den statistischen Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liefert sie Daten die dieser nicht direkt entnommen werden können, nimmt aber immer wieder auf die eigentlichen Zahlungsbilanzen Bezug. Metaphorisch kann man sagen, daß sie wie Satelliten um einen Planeten, um die nationale Kontenführung kreist.

Hierbei wird weiterhin schnell deutlich, inwieweit die Tourismusstatistik von Definitionen abhängig ist (Was ist eigentlich ein Reisender? Was versteht man unter dem gewöhnlichen Aufenthaltsort?). Der Absatz „Zugrundeliegende Definitionen“ wird dies im folgenden vertiefend aufgreifen. Alle verwandten Definitionen wird der Leser im übrigen im anhängigen Definitionsverzeichnis finden.

A.II.2. Zugrundeliegende Definitionen

Kernstück dieses Instrumentariums ist das Nationale Kontensystem 1993[15], im folgenden SNA93, welches aufgrund des Spielraums den

die Erstellung von funktionalen TSA den entwickelnden Parteien[16] ließ den zentralen Rahmen bilden sollte. Das SNA93 beinhaltete auch Satellitensysteme zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Damit wurde das neueste und bis dato effizienteste Gesamtkonzept für die Erstellung einer nationalen Buchführung auch gleichzeitig die Grundlage für ein System von Satellitenkonten. Das heißt, daß die Kernstücke des SNA93 (wie z.B. der Terminus „Bruttosozialprodukt“) gleichzeitig Schlüsselbegriffe bei der Entwicklung der TSA bleiben sollten. Man braucht also kein grundlegend neues Konzept und gewährleistet darüber hinaus zu einem sehr hohen Grade die Kompatibilität; ein gerade in der Statistik enorm wichtiger Punkt.

Grundsätzlich kann man zwei Dimensionen von Daten ausmachen, deren Erhalt die Anwendung von Tourismussatellitenkonten ermöglicht.

Die wichtigsten Daten der ersten Dimension die wir extrahieren können sind die folgenden[17]:

- Touristische Wertschöpfung
- Die touristische Wertschöpfung als Prozentsatz des Bruttosozialproduktes
- Die einzelnen touristischen Komponenten der Wertschöpfung (Lufttransport, Hotellerie etc.)
- Die Ausgaben von Besuchern aus dem Ausland und von Bürgern einer Nation im Ausland
- Die Gesamtausgabe von Haushalten (tourismusmotivierte Reisen) und Unternehmen (Geschäftsreisen) für den Tourismus
- Löhne und erwirtschaftete Überschüsse, der mit dem Tourismus verbundenen Unternehmen
- Der touristisch motivierte Verbrauch von Leistungen und Produkten (wie zum Beispiel Mahlzeiten, Übernachtungen), klassifiziert nach Typ der herstellenden Industrie
- Netto-Steueraufkommen aufgrund touristischer Nachfrage
- Einfuhren von Produkten und Dienstleistungen die von Besuchern gekauft wurden

In der zweiten Dimension wird darüber hinaus eine Analyse auch zu physischen Daten ermöglicht. Dies könnten zum Beispiel die folgenden sein:

- Anzahl der Besucher
- Anzahl der internationalen Ankünfte und Ausreisen
- Beschäftigtenzahlen für die Tourismuswirtschaft
- Beschäftigtenprofile der im Tourismus Beschäftigten
- Anzahl der verfügbaren Hotelzimmer

Durch Anwendung derselben Methodik weltweit würde es möglich werden, die nationalen Volkswirtschaften im einzelnen zu vergleichen, m.E. eine unerläßliche Notwendigkeit im Zeitalter einer immer schneller voranschreitenden Globalisierung und einer damit verbundenen größeren Kapitalverflechtung.

A.II.3. Die Entwicklung von TSA – Ein historischer Abriß

Die Entwicklung von TSA ist untrennbar mit der Entwicklung der Statistik im allgemeinen und der Tourismusstatistik im besonderen verbunden. Diese Arbeit, wie auch die TSA Methodiken selber, bauen auf den 1991 entstandenen „Recommendations on tourism statistics“[18] und dem Rahmenwerk SNA93[19] auf, die sich inzwischen zu weltweiten Standards entwickelt haben.

In diesem Kapitel geht es auch nicht darum, die verwandten Begriffe eingehendst zu erläutern. Diesen Zweck erfüllen das anhängige Definitions- sowie das Abkürzungsverzeichnis.

Zweck des Kapitels soll es vielmehr sein, einen generellen Überblick über die Entwicklung der Tourismusstatistik zu geben um aufzuzeigen auf welchen Wegen man letztendlich zu der Erkenntnis kam, daß die Anwendung von Satellitensystemen zu den besten Ergebnissen führt und damit eine Notwendigkeit darstellt.

In den 30er Jahren war man bestrebt für statistische Zwecke eine gemeinsame Definition für den Terminus „internationaler Tourist“ zu finden. Bereits 1937 wurde durch den Völkerbund eine einheitliche Definition empfohlen. Diese wurde in den folgenden Jahren allerdings weiterentwickelt und 1950 mit leichten Veränderungen auch von der IUOTO (International Union of official Travel Organizations) auf einer Konferenz in Dublin empfohlen. 1953 schließlich gipfelten diese Aktivitäten in dem von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen vorgeschlagenen Konzept des „internationalen Besuchers“ (international visitor). Diesem Konzept wurde dann auch weiterhin gefolgt, und auf der VN-Konferenz über internationale Reisen und Tourismus in Rom im Jahre 1963 wurden die von der IUOTO vorgeschlagenen Definitionen für „Besucher“, „Tourist“ und „Ausflügler“ akzeptiert und auch von den Vereinten Nationen empfohlen. Schließlich, im Jahre 1968, hat auch die statistische Kommission der Vereinten Nationen die Verwendung dieser Definitionen gebilligt.

Auf der 19ten Sitzung der statistischen Kommission der VN billigte diese im Jahre 1976 die „Provisional Guidelines on Statistics of international Tourism“, die eine einheitliche statistische Behandlung des Phänomens Tourismus vorschlug. Mit der Veröffentlichung dieses Werkes unter diesem Titel betonten die VN, den provisorischen Charakter dieser Richtlinien und forderten internationale Organisationen wie die WTO-OMT auf, die Arbeiten an der Entwicklung einheitlicher und verläßlicher Tourismusstatistiken fortzusetzen.

Eine eigenständige Suche nach Möglichkeiten der Beschreibung touristischer Aktivitäten innerhalb des empfohlenen Rahmens zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wiederum, begann erst im Jahre 1983, mit dem Erscheinen eines Berichtes der die verschiedenen Möglichkeiten sondierte.

Der nächste Meilenstein in der Entwicklung der TSA findet sich dann im Jahr 1987, dem Jahr, in dem Statistics Canada eine Feasibility Studie über die Anwendbarkeit von Satellitensystemen zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im Tourismus veröffentlichte.

Im Jahre 1991 luden in Ottawa die WTO-OMT und die kanadische Regierung zu einer internationalen Konferenz über die Reise und Tourismusstatistik ein, die Vertreter statistischer Ämter, Vertreter der Tourismuswirtschaft, Regierungsvertreter und Fachleute internationaler Organisationen an einen Tisch brachte. Bei dieser Konferenz wurden auch für die TSA einige wichtige Weichenstellungen vorgenommen; unter anderem wurden auch die Ergebnisse der Statistics-Canada-Studie präsentiert, und die WTO-OMT stellte ein touristisches Gesamtkonzeptes, einschließlich der notwendigen Klassifikationen und Definitionen vor. Im selben Jahr

noch forderte die Statistische Kommission der Vereinten Nationen die WTO auf, auf der nächsten Sitzung offiziell über die Bedeutung der Tourismusstatistik zu berichten.

Im selben Jahr stellte auch die OECD ihre auf dem SNA68 (System of national accounts 1968) basierenden Tourism Economic Accounts (TEA) vor. Das Thema der wirtschaftlichen Folgen des Tourismus begann langsam an Bedeutung zu gewinnen. Die OECD sammelte auch in den Folgejahren Information über Grundzüge des Tourismus als Wirtschaftssektor.

Drei Jahre später, 1994 wurden die WTO/VN Empfehlungen für die Tourismusstatistik veröffentlicht. Auch diese war von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der TSA, da sie ein in der Praxis anwendbares Gesamtkonzept darstellten.

EUROSTAT beschäftigte sich gleichzeitig mit der Entwicklung einer gemeinsamen Methodik zur Tourismusstatistik, die sich um Kompatibilität mit VN/WTO-OMT Standards bemühte. Diese Methodik wurde im Jahre 1995 dann offiziell von der VN anerkannt.

Statistics Canada veröffentlichte dann im Jahre 1994 die ersten Ergebnisse aus ihrer Entwicklung und Implementierung von TSA.

Zu diesem Zeitpunkt war auch schon der World Travel and Tourism Council in der Entwicklung von TSA involviert. Dort beschäftigte man sich mit der Entwicklung mathematischer Modelle, die eine

Quantifizierung sowohl des touristischen Konsums (Besucherkonsums) als auch der gesamten touristischen Nachfrage. Im Juni 1999 schließlich präsentierte die WTO-OMT auf der historischen Enco Paci Weltkonferenz zur Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus ihr Konzept, welches, ergänzt um bestimmte Ergebnisse anderer Organisationen (wie zum Beispiel das Beschäftigungsmodul der OECD), ein knappes halbes Jahr später von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen als konzeptioneller Rahmen zur Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus anerkannt wurde.

B. Das TSA Konzept

B.I. Anwendung und Methodik

Ziel der folgenden Kapitel ist es, die Methodik der TSA im einzelnen und anhand von Beispielen zu veranschaulichen. Der Zweck ist nicht nur die Verdeutlichung des Systems an sich, sondern vor allem auch die Aufzeigung der Möglichkeiten, die innovative Instrumente wie „Satellitensysteme zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ generell und für die einzelnen Teilnehmer im Wirtschaftssektor Tourismus bieten. Thema dieses Kapitels sind die Grundlagen, Voraussetzungen, und die Ziele von TSA. Außerdem werden anhand einer Betrachtung beider Ansätze (Angebots- und Nachfrageansatz) die einzelnen notwendigen Schritte bis hin zur Implementierung eines TSA in eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung dargestellt.

Allerdings ist zu erwähnen, daß im Rahmen dieser Arbeit nicht jeder der obigen Punkte bis in die Tiefe abgehandelt werden kann, da der Schwerpunkt auf den Folgen der Applikation der TSA liegen soll.

B.I.1. Ansprüche, die an die TSA gestellt werden

Wie bereits erwähnt, ist der Zweck von Tourismussatellitenkonten der, einen über die simple Betrachtung von Angebot und Nachfrageeffekten hinausgehenden Rahmen für die Betrachtung von

Kapitalbildung, Einkommen, Investitionen und finanziellen Transaktionen zu schaffen.

Dies kann allerdings nur dann erreicht werden, wenn ein TSA auf den nationalen Zahlungsbilanzen basiert. Einige wichtige Gründe[20] dafür sind:

- Die Zahlungsbilanzen werden weitgehend anerkannt und verwendet und ermöglichen eine zusammenhängende Betrachtung von Volkswirtschaften eines Landes, ohne die Notwendigkeit der Betreibung weitergehender Primärforschung. Das Grundkonzept bleibt also gleich, und die Kosten vergleichsweise gering
- Durch die Verbindung mit der nationalen Zahlungsbilanz wird das Glaubwürdigkeitsproblem gelindert, an dem die Tourismusstatistik leidet
- Und es kann der aus dem Tourismus stammende Beitrag zur Volkswirtschaft leicht mit anderen Sektoren verglichen werden
- Die Kompatibilität der Daten und Erhebungsmethoden bleibt gewährleistet

B.I.2. Gründe für die Implementierung von TSA

Wie bereits im ersten Kapitel angeschnitten wurde, existiert immer noch eine Informationsknappheit bezüglich der Rolle des Tourismus in den Volkswirtschaften weltweit. Gerade aber im Zeitalter der Globalisierung und eines Zusammenwachsens von Volkswirtschaften zu immer größeren Einheiten ist es natürlich wichtig, hier den jeweiligen Einfluß des Tourismus isolieren zu können und vor allem die isolierten Daten auch in vergleichbarer Form mit anderen Märkten / Teilmärkten vorliegen zu haben.

Hat man einmal sicherere Informationen über die Konsequenzen touristischer Einflüsse auf die Volkswirtschaften gewonnen, bieten diese die Möglichkeit einer angepaßteren Tourismuspolitik, und dies sowohl auf lokalem und regionalen als auch auf nationalem und supranationalem Niveau. Einmal abgesehen von politischen Maßnahmen und Programmen ermöglicht das Vorliegen genauer Informationen über den Tourismus die Verifikation und Anpassung von Strategien der einzelnen Unternehmungen oder Kooperationen auf einem umkämpften Markt.

Die Ziele, die mit der Implementierung der TSA verfolgt werden sind unter anderem die folgenden[21]:

- das Wissen über die Interrelationen des Tourismus zur Gesamtwirtschaft einer Nation zu vergrößern
- ein Instrument zu schaffen welches die Einleitung effizienterer politischer Maßnahmen unterstützen kann
- ein Bewußtsein unter den nicht direkt im Tourismussektor aktiven Marktteilnehmern über die quantitative Bedeutung des Tourismus zu schaffen und zu stärken

Die Basis auch für Tourismussatellitenkonten sind statistische Daten die von den Statistischen Ämtern der jeweiligen Nationen zur Verfügung gestellt werden. Allerdings werden für die Aufstellung von TSA in den fortgeschritteneren Stadien, d.h. zur Extraktion von Daten in der zweiten Dimension auch weitere Quellen benötigt. Hierbei wären zu nennen:

- Die nationalen Tourismusämter
- Die Nationalbanken
- Die Tourismusunternehmen oder deren Dachverbände
- Die Reisenden selber

Die Entwicklung hin zu einem funktionsfähigen TSA wurde in der letzten Dekade von einigen namhaften Institutionen vorangetrieben, darunter sind vor allem der „World Travel and Tourism Council“ (WTTC), die Welttourismusorganisation (WTO) oder auch die „Organization for economic Co-operation and Development“ (OECD) zu nennen. Heute zählen wir zwei bereits in der Praxis eingesetzte TSA Systeme, die zwar auf den selben Grundsätzen aufbauen aber nicht identisch sind. Dies sind die Methodik der Welttourismusorganisation auf der einen, sowie die der OECD auf der anderen. Der WTTC hält sich bei seinen Berechnungen strikt an die Methodiken der WTO-OMT.

Die von den Vereinten Nationen ratifizierte und überwiegend propagierte Methodik ist die der WTO. Diese wurde allerdings um das Beschäftigungsmodul der OECD ergänzt, um damit eine Komplettlösung anbieten zu können. Ich werde die nun folgenden Erklärungen der Prinzipien der TSA allerdings allgemein halten, Beispiele werden wechselweise aus beiden Methodiken entnommen werden, allerdings immer unter Hinweis auf die jeweils betreffende. Ein Modul zur exakten Bestimmung der Beschäftigung z.B., wurde von der WTO-OMT nie entwickelt, es wurde das von der OECD entwickelte übernommen. Ansonsten ist die Grundidee der verwandten Methodiken identisch, und auch die einzelnen Schritte sind grundsätzlich gleich.

B.I.3. Der nachfrageorientierte Ansatz

Wenn wir bei der quantitativen Messung des Tourismus von einem nachfrageorientierten Ansatz ausgehen, heißt das, das Tourismus – ökonomisch gesehen – alle Konsumausgaben von Nichtanwohnern Besuchern)[22] umfaßt. Diese werde ich im folgenden als „Besucherkonsum“ (Visitor Consumption)[23] bezeichnen. Dieser Besucherkonsum betrachtet die Aktivitäten eines Besuchers als Endverbraucher, und zwar ausschließlich, also müssen alle Erwerbungen dieses Personenkreises, die anderen Zwecken als dem Endverbrauch dienen, daraus eliminiert werden. Der Besucherkonsum setzt sich nach der WTO aus den folgenden Bestandteilen zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung B.1:

Wie in Abbildung B.1 zu erkennen, haben wir in diesem Modell zuerst einmal die Ausgaben eines Besuchers. Diese können sowohl in bar erfolgen, als auch mittels Sachleistungen. (Tauschhandel, Konsum aus Eigenproduktion, Ausgabe von Lohn- oder Gehaltsersatz). Die Summe all dieser Ausgaben nennen wir „Gesamte Konsumausgaben des Besuchers).

Ebenfalls in den Besucherkonsum mit einzubeziehen, sind allerdings die „Sozialen Transferleistungen“, die vom jeweiligen Besucher konsumiert werden. So nennt man jegliche Arten von sozialer Unterstützung (wie zum Beispiel die medizinische Grundversorgung, wenn diese in einem Land frei ist).

Betrachten wir einmal den Besucherkonsum aus Sicht der Zahlungsbilanzstatistik. Hier würde die Aufteilung folgendermaßen aussehen:[24]

1. Touristische Konsumausgaben der Haushalte
Teil der Konsumausgaben der Haushalte

2. Ausgaben der Einrichtungen (öffentlicher und privater Natur)
Teil des Zwischenkonsums

3. Ausgaben der Nicht-Anwohner
Teil der Exportbilanz

Man kann klar erkennen, daß eine Tourismusstatistik die den Anspruch einer größtmöglichen Exaktheit stellt, nicht so einfach aufzustellen ist. Das TSA greift grundsätzlich Zahlenmaterial aus sehr verschiedenen Bereichen der Zahlungsbilanzstatistik auf. Und auch die dort befindlichen Daten bedingen – um vergleichbar zu sein – zumindest ähnliche Erhebungsmethodiken. Dies ist im übrigen ein Problem, mit dem sich die europäische Kommission Mitte der 90er Jahre intensivst beschäftigte:

Nach Prüfung der Situation der Erhebungsmethodiken auf Gemeinschaftsebene, wurde die Richtlinie des Rates 95/57/EG vom 23. November 1995 ausgearbeitet.[25] Ihr Ziel ist, die Erhebungs­methodik gemeinschaftsweit anzugleichen und zu optimieren.

Exkurs: Zwischenkonsum

Der Zwischenkonsum in der Wirtschaft generell meint die Verwertung von Vorprodukten. Im Bereich des Tourismus könnte Zwischenkonsum z.B. dann entstehen, wenn ein bei einer Hotelkette Beschäftigter sich dienstlich in einem Hotel der selben Kette an einem anderen Ort aufhält. Er ist also Besucher. Das Hotel wird – obwohl er Leistungen konsumiert – darüber keine Nachweise führen. Obwohl theoretisch notwendig die Leistungen im TSA zu erfassen, mag eine Messung nicht realisierbar sein.[26]

B.I.3.a) Sonderfälle bei der Bestimmung

Soziale Transferleistungen und subventionierte Produktion

Diese sozialen Transferleistungen haben eigene Charakteristiken, die sie von anderen Serviceleistungen unterscheiden[27]:

- Sie werden gleichzeitig an alle Mitglieder einer Gemeinschaft oder aber einer bestimmten Zielgruppe abgegeben
- Die Inanspruchnahme einer solchen Dienstleistung erfordert keinen Vertrag und keine spezielle Übereinkunft, sie wird für gewöhnlich automatisch erfolgen
- Die Versorgung eines Individuums mit einem Gemeinschaftsdienst reduziert nicht die Verfügbarkeit dessen für andere (kein Akquisitionswettbewerb)

In dem Moment, in welchem eine solche Leistung von einem Besucher konsumiert wird, ist sie zu erfassen. Diese Dienstleistungen wurden bisher als kollektiver Konsum behandelt (sie werden gekauft vom Hersteller, z.B. der Regierung). Das SNA93 bietet eine Alternative zu dieser Interpretation, man spricht nun vom individuellen Konsum von Staat und NPISHs[28]

Die Definition „Individueller Konsum von Staat und NPISHs“ bezieht sich auf all den Konsum der in direkter Verbindung mit dem Endverbraucher steht (z.B. öffentliches Gesundheitssystem)[29]. Damit versuchte man Differenzen in den Gesundheitssystemen der Staaten untereinander zu umgehen, die zum Teil privat und zum Teil öffentlich sind. Beim kollektiven Konsum verbleiben weiterhin Faktoren wie öffentliche Verwaltung und Verteidigung, diese können keinem Individuum als Leistungsempfänger direkt zugeordnet werden)[30]

Im Tourismus fallen nun Institutionen wie Museen und öffentliche Bibliotheken in Auge. Diese werden im TSA der ersten Kategorie zugeordnet. Es verbleibt aber die Unsicherheit über den Anteil der Nutzung dieser Institutionen von Besuchern und Nicht-Besuchern. Hierzu ist eine Primärerhebung unabdingbar.

Auch Fremdenverkehrsbüros, und Organisationen, deren Aufgabe eine Vergrößerung des Gästevolumens und die Promotion des Referenzlandes im Ausland ist (wie z.B. die DZT)[31], verursachen Kosten und bieten Leistungen die konsumiert werden. Allerdings werden ihre Leistungen nicht immer direkt von Besuchern konsumiert. Werbung zum Beispiel ist als Maßnahme zu sehen, die eine Verhaltensänderung beim Adressaten bewirken kann[32] (Die wiederum Besucherkonsum in einem späteren Urlaub verursachen kann). Aber auch hier sagt man, daß die Ausgaben von Verursacher konsumiert werden, damit werden diese Ausgaben ebenfalls nicht als dem Besucherkonsum zugerechnet.

Neben den „sozialen Transferleistungen“ existieren noch eine ganze Reihe anderer Sonderfälle, bei denen es schwierig wird, diese einzuordnen.

Nichtinanspruchnahme

Normalerweise versteht sich die Erbringung einer touristischen Leistung als direkte, physische Tätigkeit, d.h. ein Service wird bereitgestellt und von dem Adressaten direkt physisch genutzt.[33] Es gibt aber auch Sonderfälle, wie zum Beispiel, der Kauf eines Flugtickets und die spätere Nichtnutzung (No-Show), die in der Statistik berücksichtigt werden müssen. Da der Service (Leerflug) hier trotzdem bereitgestellt wird, ist man hier der Ansicht, daß diese Fälle in den Besucherkonsum mit eingeordnet werden müssen.

Erwerb von Zweitwohnungen

[34] Auch der Erwerb von Immobilien und die daraus bezogenen Mieteinnahmen sind ein Streitpunkt. Zum Beispiel erworbene Ferienwohnungen sind nicht der erste Wohnsitz, und mögen – zumindest zum Teil - für touristische Zwecke genutzt werden. Diese Nutzung kann sowohl durch den Besitzer erfolgen, als auch durch Dritte denen der Besitzer diese umsonst oder gegen Entgelt überläßt. Weiterhin könnten sie sowohl für Urlaubs- aber auch für zum Zwecke der Freizeit genutzt werden. Um in Rahmen der TSA zu passen, müßten sich Zweitwohnungen aber außerhalb des ständigen Wohnsitzes befinden und touristisch genutzt werden. Eine klare Trennung ist hier sehr schwierig. Anhang 9 zeigt die Kategorisierung nach OECD Methodik.

Generell rechnet man den Erwerb von Zweitwohnungen den touristischen Anlageinvestitionen zu, wobei die gezahlten Mieten für die Nutzung dieser, dem Besucherkonsum entsprechen[35]. Parallel würde man Verfahren, wenn es sich um ein sogenanntes „Time-Sharing“-Objekt handelt, also um eine Wohnung die von vielen Nutzern gemeinsam erworben wurde, und wo das Wohnrecht für jeden Teilhaber sich auf einen festen Zeitraum des Jahres beschränkt.[36]

Touristische Anlageinvestitionen

Die touristischen Anlageinvestitionen werden logischerweise auch nicht dem Besucherkonsum hinzugerechnet, da dieser lediglich einen mit dem Anlagegut erbrachten Service in Anspruch nimmt (Beispiel: Erwerb eines Flugcoupons führt zu Recht auf Beförderung).

[...]


[1] WTTC: (34), S.3

[2] WTTC: (34), a.a.O.

[3] Verlag Dieter Niedecken (33), Email Newsletter vom 15.01.2001

[4] Hotel Online Special Report (31), Juli 1999, S. 1-6

[5] im folgenden TSA (kurz für: Tourism Satellite Accounts, engl.)

[6] WTO (48), 11.Juni 2001

[7] Massieu (30), S.1

[8] Industry Science Resources Australia (32), Juli 2000

[9] vgl. Mundt (11), S.13

[10] WTO-OMT (21), Madrid, 1999, Seiten 3-6

[11] WTO-OMT (21), Madrid, 1999, a.a.O

[12] WTO-OMT, UNESCAP (48), S.2

[13] Commonwealth of Australia (32), S.1

[14] vgl.Mundt, (11), München/Wien 1998, S. 355ff.

[15] Kommission der Europäischen Gemeinschaften, IWF, OECD, VN und Weltbank (9), Brüssel/Luxemburg, New York, Paris, Washington D.C. 1993

[16] Das waren das “WTO Steering Committee” und die “OECD Statistical working party” des Komitees für Tourismus

[17] Hotel Online,(31), Juli 1999, a.a.O.

[18] VN: (17)

[19] Kommission der Europäischen Gemeinschaften, IWF, OECD, VN und Weltbank (9)

[20] OECD (12): S.14 ff.

[21] WTO-OMT (19): Ordnungspunkt 2.2

[22] siehe Definitionsverzeichnis

[23] siehe Definitionsverzeichnis

[24] OECD (12): S.27

[25] Kommission der europäischen Gemeinschaften: (10), Brüssel, 2001, S.4

[26] vergl. OECD (12): S.28

[27] WTO-OMT,UNESCAP (38), Seite 5

[28] siehe Definitionsverzeichnis

[29] OECD (12): S.35

[30] OECD: (12), S.35

[31] siehe Definitionsverzeichnis

[32] OECD: (12), a.a.O.

[33] vgl. OECD (12), Paris, 2000, S.17

[34] OECD: (12), S.31

[35] vergl. OECD (12), S.33

[36] vergl. OECD (12), S.31

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Tourismussatellitenkonten - ein Quantensprung für die Tourismusstatistik?
Hochschule
University of Hertfordshire  (Cologne Business School)
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
135
Katalognummer
V4561
ISBN (eBook)
9783638128001
Dateigröße
8274 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Touristik, Tourismus, wirtschaftliche Bedeutung, WTO
Arbeit zitieren
Achim Clemens (Autor:in), 2001, Tourismussatellitenkonten - ein Quantensprung für die Tourismusstatistik?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4561

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