Förderung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens, dargestellt an einer Unterrichtseinheit "Achsensymmetrie" (2. Schuljahr)

Unter besonderer Berücksichtigung des entdeckenden Lernens


Examensarbeit, 2005

86 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

1.Einleitung

2. Zum Konzept des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens
2.1. Räumliches Vorstellungsvermögen
2.1.1. Definition
2.1.2. Räumliches Vorstellungsvermögen und Intelligenz
2.1.3. Teilkomponenten des räumlichen Vorstellungsvermögens
2.2. Visuelle Wahrnehmungsfähigkeit

3. Entwicklung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens
3.1. Erkenntnistheorie nach Piaget
3.1.1. Entwicklungsstufen nach Piaget
3.1.2. Kritik an Piaget
3.1.3. Folgerungen für die Unterrichtsplanung
3.2. Repräsentionsformen nach Bruner
3.2.1. Folgerungen für die Unterrichtsplanung
3.3. Stufenmodell nach van Hiele
3.3.1. Folgerungen für die Unterrichtsplanung

4. Konsequenzen für die Unterrichtspraxis
4.1. Prinzipien zur Gestaltung des Geometrieunterrichts
4.2. Prinzip des aktiv-entdeckenden Lernens

5. Planung der Unterrichtseinheit zum Thema Achsensymmetrie
5.1. Planung und Aufbau der Einheit
5.2. Intentionen und Lernziele der Einheit
5.3. Situation der Lerngruppe
5.4. Inhaltliche Lernvoraussetzungen
5.5. Sachinformationen
5.6. Didaktische Begründungen
5.7. Methodische Begründungen
5.7.1. Arbeits- und Sozialform
5.7.2. Medien
5.7.3. Differenzierung

6. Dokumentation der Unterrichtseinheit
6.1. Die 1. Unterrichtsstunde
6.1.1. Thema der Stunde
6.1.2. Lernziel der Stunde
6.1.3. Inhaltliche Lernvoraussetzungen
6.1.4. Sachinformationen
6.1.5. Didaktische Begründungen
6.1.6. Methodische Begründungen
6.1.7. Verlaufsplanung
6.1.8. Reflexion der Stunde
6.2. Die 2. Unterrichtsstunde
6.2.1. Thema der Stunde
6.2.2. Lernziel der Stunde
6.2.3. Verlaufsplanung
6.2.4. Reflexion der Stunde
6.3. Die 3. Unterrichtsstunde
6.3.1. Thema der Stunde
6.3.2. Lernziel der Stunde
6.3.3. Inhaltliche Lernvoraussetzungen
6.3.4. Sachinformationen
6.3.5. Didaktische Begründungen
6.3.6. Methodische Begründungen
6.3.7. Verlaufsplanung
6.3.8. Reflexion
6.4. Die 4. Unterrichtsstunde
6.4.1. Thema der Stunde
6.4.2. Lernziel der Stunde
6.4.3. Verlaufsplanung
6.4.4. Reflexion der Stunde
6.5. Die 5. Unterrichtsstunde
6.5.1. Thema der Stunde
6.5.2. Lernziel der Stunde
6.5.3. Inhaltliche Lernvoraussetzungen
6.5.4. Sachinformationen
6.5.5. Didaktische Begründungen
6.5.6. Methodische Begründungen
6.5.7. Verlaufsplanung
6.5.8. Reflexion der Stunde
6.6. Die 6. Unterrichtsstunde
6.6.1. Thema der Stunde
6.6.2. Lernziel der Stunde
6.6.3. Verlaufsplanung
6.6.4. Reflexion der Stunde
6.7. Die 7. Unterrichtsstunde
6.7.1. Thema der Stunde
6.7.2. Lernziel der Stunde
6.7.3. Verlaufsplanung
6.7.4. Reflexion der Stunde

7. Schlussreflexion

8. Literaturverzeichnis

Versicherung

1.Einleitung

„Wie kann man es denn verantworten, Fähigkeiten des Kindes vier Jahre lang brach liegen zu lassen, die sich im Vorschulalter schon entwickelten? Das Kind hat gebaut, gelegt, experimentiert und auf diese Weise im Raum Erfahrungen gesammelt, die fortgesetzt werden müssen“[1]

Genau diese Aussage von H.Besuden beschreibt in eindrücklicher Art und Weise meine Motivation, die Schüler mit geometrischen Inhalten zu konfrontieren. So konnte ich die Schüler meiner Lerngruppe beobachten, wie sie sich stets voller Begeisterung und Konzentration mit geometrischen Inhalten beschäftigten. Diese Begeisterung zeigte sich u.a. im Rahmen der zu Beginn des 2.Schuljahres durchgeführten Unterrichtseinheit zum Thema „Tangram“ (vgl. 5.4.Inhaltliche Lernvoraussetzungen). Ferner beschäftigten sich viele Schüler in den letzten Wochen mit dem Erstellen von Papierflugzeugen, wobei sie sehr viel wert darauf legten, ihre Arbeiten zunehmend exakter und präziser durchzuführen. An dieser Stelle konnten sie bereits die Bedeutung und Notwendigkeit der Symmetrie für die Erschließung ihrer unmittelbaren Lebensumwelt unbewusst erfahren. Diese gegebene Lernmotivation möchte ich nutzen um die Schüler für den geometrischen Inhaltsbereich der Achsensymmetrie zu sensibilisieren und ihnen eine fachliche geometrische Kompetenz zu ermöglichen. Dadurch erhalten sie die Chance, ihre natürliche Umgebung bewusst wahrzunehmen, indem sie Strukturen und Phänomene entdecken, diese analysieren und zueinander in Beziehung setzen.

Die Symmetrie gehört zu den fundamentalen geometrischen Ideen, die uns in unzähligen Stellen in der Natur, der Technik und der Kunst begegnen. Wie alle wichtigen mathematischen Ideen liegt ihre Wurzel nicht dort, wo mathematische Sätze formal hergeleitet werden, sondern in den konkreten Handlungserfahrungen. Den Schülern diese konkreten Handlungserfahrungen zu ermöglichen ist meine übergeordnete Intention.

Untersuchungen haben gezeigt, dass das Erkennen symmetrischer Eigenschaften ein Grundstein des räumlichen Vorstellungsvermögens ist (vgl. Radatz/ Schipper 1998). Diese Form des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögen ist für den Menschen und seine gesamte kognitive Entwicklung von entscheidender Bedeutung. „Nach Angaben von S. Bloom (1971) entwickeln sich bis zum 9./ 10.Lebensjahr 50% und bis zum 12./ 14.Lebensjahr rund 80% der Raumvorstellungsfähigkeit.“[2] Schüler, die im Grundschulalter in diesem Bereich nicht gefördert und gefordert werden, weisen im Erwachsenenalter Defizite in der Raumvorstellung, die eng mit der menschlichen Intelligenz verbunden ist, auf.

Daraus schließe ich, dass eine unterrichtliche Begegnung mit der Symmetrie so früh wie möglich geschaffen werden sollte. Diese Erkenntnisse spiegeln sich auch in nahezu allen Rahmenrichtlinien wieder, welche der Geometrie im Allgemeinen eine wichtige Rolle im mathematischen Grundschulcurriculum zuweisen. Trotz dieser Einsichten konnte ich in meiner bisherigen Unterrichtspraxis beobachten, dass geometrische Unterrichtsinhalte eher peripher behandelt werden. Dies offenbarte sich mir u.a. durch einen Blick auf den schulinternen Stoffverteilungsplan, dessen Fokus eindeutig auf der Behandlung arithmetischer Inhalte liegt. Gleiches lässt sich für den Aufbau der Inhalte des mathematischen Schulbuches „Welt der Zahl“ sagen, mit dem die Schüler meiner Lerngruppe arbeiten. Hier werden geometrische Inhalte auf wenigen Seiten isoliert und zusammenhanglos abgehandelt. Außerdem erscheinen mir die angebotenen Aufgaben zum Thema Achsensymmetrie wenig ergiebig für eine angemessene Auseinandersetzung.

So wird es eines meiner Ziele sein, anspruchsvolle sowie kindgerechte Arbeitsmaterialien zu erstellen und den Schülern anzubieten, damit sie in angemessener und effektiver Form ihre Fähigkeiten im Bereich des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens ausbilden können. Dabei ist es mein besonderes Anliegen, die Materialien so zu gestalten, dass die Schüler vielfältige Gelegenheiten zum Forschen und Fragen, Untersuchen und Entdecken, Ordnen, Vergleichen, Analysieren sowie Dokumentieren erhalten. Im Zentrum der Einheit stehen demnach konkrete Handlungserfahrungen, auf deren Grundlage die Schüler ihr räumliches Denken abstrahieren und ausbilden können.

Um den Aufbau der Inhalte sowie der Methoden dieser Unterrichtseinheit zielgerichtet auf meine Lerngruppe abzustimmen, werde ich mich im ersten Teil dieser Hausarbeit mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögen auseinandersetzen.

Dazu möchte ich in Kapitel 2 zunächst der Frage nachgehen, aus welchen Komponenten sich das geometrische Denk- und Vorstellungsvermögen zusammensetzt. In diesem Zusammenhang werde ich einige Forschungsergebnisse zum räumlichen Vorstellungsvermögen (vgl. Besuden 1973 und Gardner 1991) sowie der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit (vgl. Frostig 1978) darstellen.

In Kapitel 3 werde ich spezielle Erkenntnisse der Lern- und Entwicklungspsychologie beleuchten. Hierzu stelle ich zunächst J.Piagets (1971) Erkenntnistheorie zur Entwicklung des räumlichen Denkens vor. Daran anschließend werde ich mich mit den Forschungen J.Bruners (1972), der Piagets Ansatz aufgenommen und weitergeführt hat, auseinandersetzen. Abschließen werde ich dieses Kapitel mit der Präsentation eines Stufenmodells, welches vielen Ländern als Grundlage für die Gestaltung eines schulischen Geometrie-Curriculums dient. Das Ehepaar van Hiele (1978) entwickelte ein Modell, welches in eindrucksvoller Art und Weise die verschiedenen Entwicklungsstufen des geometrischen Denkens veranschaulicht.

Im 4.Kapitel werde ich dann der Frage nachgehen, welche praktische Konsequenzen sich für die Planung der Unterrichtseinheit ergeben. Dazu werde ich zunächst grundlegende Prinzipien zur Gestaltung des Geometrieunterrichts in der Grundschule vorstellen. Auf der Basis dieser Erkenntnisse möchte ich das 4.Kapitel mit der Analyse eines konkreten didaktischen Unterrichtsprinzips abschließen, welches sich meiner Meinung nach ausgezeichnet dazu eignet, die theoretischen Erkenntnisse der Wissenschaft mit den praktischen Möglichkeiten des Schulunterrichtes zu verbinden. Meine Intention ist es, herauszuarbeiten, welche Möglichkeiten das Prinzip des aktiv-entdeckenden Lernens bietet, um das geometrische Denk- und Vorstellungsvermögen der Schüler meiner Lerngruppe effektiv auszubilden.

Aus diesen Intentionen heraus ergeben sich für mich zwei zentrale erkenntnisleitende Fragen, die ich im Rahmen einer praktischen Auseinandersetzung mit diesem Thema versuchen möchte, zu beantworten.

1. Wie lassen sich zum Thema Achsensymmetrie in einem 2.Schuljahr geometrische Denk- und Vorstellungsprozesse der Schüler fördern? bzw. Inwiefern sind die von mir gewählten Methoden, didaktischen Prinzipien sowie Unterrichtsinhalte für die Entwicklung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögen der Schüler förderlich?
2. Wie vollzieht sich beim Schüler der Übergang vom praktischen Handeln mit konkreten Materialien zum theoretischen Handeln in der abstrakten Vorstellung?

Kapitel 5 leitet dann den praktischen Teil meiner Hausarbeit ein. An dieser Stelle dokumentiere ich die konkrete Planung sowie den Aufbau der Unterrichtseinheit zum Thema Achsensymmetrie unter Beachtung methodischer sowie didaktischer Aspekte.

Das 6.Kapitel dient der ausführlichen Dokumentation der Unterrichtseinheit. Hierzu erfolgen Kurzbeschreibungen der einzelnen Unterrichtsstunden, indem die jeweiligen Lernziele sowie Unterrichtsinhalte dargestellt werden. Am Beispiel von drei ausgewählten Unterrichtsstunden werde ich in detaillierter Art und Weise in Form eines ausführlichen Unterrichtsentwurfes verschiedene Möglichkeiten aufzeigen, wie man das geometrische Denk- und Vorstellungsvermögen der Schüler im Unterricht gezielt fördern kann. Darüber hinaus wird jede Stunde unter Berücksichtigung der eingangs formulierten Frage- und Problemstellungen analysiert und reflektiert.

In der Schlussreflexion in Kapitel 7 möchte ich eine zusammenfassende Einschätzung der Unterrichtseinheit abgeben und die Lernergebnisse der Schüler unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieser Hausarbeit kritisch auswerten.

Der Anhang der Arbeit dient einer transparenten sowie bildhaften Dokumentation des Unterrichtsgeschehens. Hierzu liegen zu jeder Unterrichtsstunde aussagekräftige sowie prägnante Dokumente in Form von Fotos sowie Arbeitsblättern vor.

2. Zum Konzept des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens

Da der Bereich des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens sehr allgemein gefasst ist und viele Teilbereiche beinhaltet, möchte ich ihn im Hinblick auf das Thema Achsensymmetrie meiner geplanten Unterrichtseinheit ein wenig eingrenzen. Dazu werde ich im Folgenden das räumliche Vorstellungsvermögen, als zentrale Komponente des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens ausführlich beleuchten.

2.1. Räumliches Vorstellungsvermögen

Zentrales Ziel des Geometrieunterrichts in der Grundschule ist die Schulung des räumlichen Vorstellungsvermögens. Darüber hinaus bildet es die Voraussetzung für schulisches Lernen überhaupt (vgl. Franke 2000).

2.1.1. Definition

Räumliches Vorstellungsvermögen umfasst nach Besuden (1973 und 1988) alle Fähigkeiten, die notwendig sind um im zwei- und dreidimensionalen Raum in der Wirklichkeit sowie in der Vorstellung handeln zu können. Wesentliche Voraussetzung dieser Fähigkeiten ist die räumliche Wahrnehmungsfähigkeit, die sich auf das Erfassen räumlicher Gegenstände und Beziehungen durch die Sinnesorgane bezieht.

Palzkill und Schwirtz (1971) präzisieren in ihrer Definition die für räumliches Vorstellungsvermögen bedeutsamen Fähigkeiten: "Im Einzelnen bedeutet Raumanschauung die Fähigkeit, Lagebeziehungen zwischen und an Gegenständen sowie geometrischen Grundformen an Gegenständen erkennen, sich vorstellen und beschreiben können."[3] Dem Erkennen von Lagebeziehungen gehen Handlungen an wirklichen Objekten oder in der Vorstellung voraus.

In beiden Definitionsansätzen wird sowohl der Raum als auch die Vorstellungsebene miteinbezogen.

Rost (1977) hingegen definiert räumliches Vorstellungsvermögen als "Fähigkeit, mit zwei- und dreidimensionalen Objekten auf der Vorstellungsebene zu operieren."[4] Von zentraler Bedeutung ist für ihn das Vorstellen und Bewegen, also das gedankliche Handeln und Hantieren mit räumlichen Objekten, Begriffen und Relationen.

Alle Definitionsansätze unterscheiden zwischen räumlichem Vorstellungsvermögen und Wahrnehmungsfähigkeit.

2.1.2. Räumliches Vorstellungsvermögen und Intelligenz

Thurstone (1937) stellte als einer der ersten fest, dass räumliches Vorstellungsvermögen ein bedeutender Faktor der menschlichen Intelligenz ist. Dies konnte in den nachfolgenden Jahren von den meisten Intelligenzforschern bestätigt werden. So stellt die Räumliche Intelligenz beispielsweise in Gardners (1991) Intelligenzmodell einen wichtigen Faktor dar.

Bei beiden Wissenschaftlern setzt sich die Intelligenz aus verschiedenen Teilkomponenten zusammen, wobei jeweils das räumliche Vorstellungsvermögen eine dieser Komponenten repräsentiert. Gardner unterteilt zum Beispiel in folgende Bereiche:

- Linguistische Intelligenz
- Musikalische Intelligenz
- logisch-mathematische Intelligenz
- räumliche Intelligenz
- körperlich-kinästhetische Intelligenz
- intra- und interpersonale Intelligenz

Die räumliche Intelligenz beschreibt er mit den Teilfähigkeiten "… die visuelle Welt richtig wahrzunehmen, die ursprüngliche Wahrnehmung zu transformieren und zu modifizieren und Bilder der visuellen Erfahrung auch dann zu reproduzieren, wenn entsprechende physische Stimulierungen fehlen."[5]

Somit betrachtet Gardner das räumliche Vorstellungsvermögen als Sammlung mehrerer Fähigkeiten. Diese Teilkomponenten werde ich in der Folge detaillierter beleuchten.

2.1.3. Teilkomponenten des räumlichen Vorstellungsvermögens

Man .findet in der Literatur eine Fülle empirischer Untersuchungen zum räumlichen Vorstellungsvermögen. Der Begriff wird dabei nicht einheitlich definiert. Da der Intelligenzfaktor räumliches Vorstellungsvermögen sehr komplex ist, hat man versucht, ihn über mehrere Teilkomponenten zu charakterisieren. Ich möchte an dieser Stelle drei nicht voneinander unabhängige Teilaspekte vorstellen (vgl. Besuden 1973):

(1) Räumliches Orientieren beschreibt die Fähigkeit, sich real oder gedanklich im Raum zurechtfinden zu können (z.B. als Fußgänger). Dies erfordert die räumliche Einordnung der eigenen Person in eine räumliche Situation.
(2) Räumliches Vorstellen ist als Fähigkeit zu verstehen, die es uns ermöglicht, Objekte oder Beziehungen in der Vorstellung reproduzieren zu können (vgl. 6.2. Die 2.Unterrichtsstunde).
(3) Räumliches Denken repräsentiert die Fähigkeit, mit Vorstellungsinhalten gedanklich zu operieren. Das bedeutet, ihre Lage bzw. Beziehung zueinander in der Vorstellung zu verändern (z.B. das gedankliche Ergänzen einer achsensymmetrischen Figur; vgl. 6.5. Die 5.Unterrichtsstunde).

Für eine umfangreiche Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens ist die Ausbildung visuell-räumlicher Wahrnehmungsfähigkeiten von ausschlaggebender Bedeutung.

2.2. Visuelle Wahrnehmungsfähigkeit

Visuelle Wahrnehmung ist die Fähigkeit, visuelle Reize zu erkennen, zu unterscheiden und sie durch frühere Erfahrungen und Assoziationen zu integrieren.
Dadurch wird sie zu einem aktiven Prozess, der sich vom reinen Sehen durch das Auge unterscheidet. Der Wahrnehmungsprozess ist fest mit weiteren Funktionen verbunden. Hierzu zählen Gedächtnis, darin gespeicherte Erfahrungen, Vorstellungen, Denken sowie Sprache (vgl. Franke 2000, S.38).

Visuelle Wahrnehmungsfähigkeit spielt nicht nur in der Geometrie eine entscheidende Rolle, sie ist auch beim Lesen- und Schreibenlernen sowie in der Arithmetik, etwa beim Erkennen und Operieren mit den vielen Darstellungen und Veranschaulichungen relevant. Teilleistungsschwächen beim Operieren, Erkennen und Speichern visueller Informationen können fatale Folgen für das Verstehen in vielen Unterrichtsfächern haben (vgl. Radatz/ Rickmeyer 1991, S.15). Nach Frostig (1978, S.120) lassen sich fünf Bereiche der visuellen Wahrnehmung unterscheiden. Ihre Funktion und Bedeutung für die Mathematik möchte ich nun im Folgenden erläutern.

(1) Visumotorische Koordination ist die Fähigkeit, das Sehen mit den Bewegungen des Körpers oder Teilen des Körpers zu koordinieren. Diese Fähigkeit wird beispielsweise beim Ausschneiden von geometrischen Formen deutlich (vgl. 6.1. Die 1.Unterrichtsstunde). Sehr oft ist zu beobachten, wie Schüler mit dem ganzen Körper "schneiden", wobei sich die Bewegungen nicht nur auf Hände und Arme beschränken. Weiter lässt sich die visumotorische Koordinationsfähigkeit beim Hantieren mit geometrischen Formen (vgl. 6.5. Die 5.Unterrichtsstunde) sowie beim genauen Falten (vgl. 6.3. Die 3.Unterrichtsstunde) beobachten. Für den Mathematikunterricht ist die visumotorische Koordination eine entscheidende Teilfähigkeit. Sie ist unumgänglich für das Erfassen und Begreifen mathematischer Begriffe, vermittelt ein Vorstellungsbild durch Handhabung, hilft Formen, Objekte und deren Merkmale sowie Zusammenhänge zu erkennen und ist auf der enaktiven Ebene (vgl. 3.2. Repräsentationsformen nach Bruner), dem Ausgangspunkt allen mathematischen Tuns (wie zum Beispiel: ordnen, zuordnen, zählen), unbedingt notwendig. Durch sie erschließen wir unsere Umwelt und sie hilft uns, eine Raumvorstellung zu entwickeln.
(2) Die Figur-Grund-Diskrimination ist die Fähigkeit, aus einem komplexen Hintergrund bzw. einer Gesamtfigur, eingebettete Teilfiguren zu erkennen und zu isolieren (vgl. 6.5. Die 5.Unterrichtsstunde). Im Mathematikunterricht ist die Figur-Grund-Diskrimination notwendig für das Erkennen von Ziffern in der Anordnung mehrstelliger Zahlen, beim Stellenwert, bei Reihenfolgen, bei räumlichen Begriffen, bei der Orientierung auf einer Buchseite und beim Erkennen des Tafelbildes. Ein Mangel in der Figur-Grund-Diskrimination kann bereits im pränumerischen Bereich das Strukturieren von und das Umgehen mit Mengen erschweren sowie Lücken in der Raumorientierung hinterlassen.
(3) Die Wahrnehmungskonstanz befähigt uns Menschen, Gegenstände und Objekte trotz eingetretener Veränderung (Größe, Anordnung, räumliche Lage, Färbungen) als dieselben wieder zu erkennen und von anderen Figuren zu unterscheiden (vgl. 6.5. Die 5.Unterrichtsstunde). Voraussetzung dafür ist die vorherige taktile und visuelle Erfassung des Gegenstandes.
(4) Die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen ist die Fähigkeit, Objekte im Raum in Beziehung zu setzen und deren Lage zueinander erkennen und beschreiben zu können. Formen, Muster, Linien und Geradenstellungen können analysiert werden (vgl. 6.6. Die 6.Unterrichtsstunde). Für den Mathematikunterricht ist diese Teilfähigkeit sehr wichtig, da sie es ermöglicht, das Verhältnis von Mengen und Objekten zueinander zu erkennen. Gleich oder ungleich, größer oder kleiner, mehr oder weniger sind Begriffe, die dadurch leichter zugeordnet werden können.
(5) Die Wahrnehmung der Raumlage, ist die Fähigkeit, die Lage von zwei oder mehr Gegenständen in Bezug zu sich selbst und zueinander wahrzunehmen (vgl. 6.5. Die 5.Unterrichtsstunde). Zum Erkennen der Lage im Raum muss die Vertikale als eine Bezugsrichtung zur Schwerkraft für die Orientierung im Raum ausgebildet, ein Bewusstsein für die zwei Körperhälften, die horizontale Rechts-Links-Achse und in einem weiteren Schritt die Bevorzugung einer Hand entwickelt sein. Für den Mathematikunterricht ist vor allem das Richtungsempfinden für das Schreiben von Zahlen und Zeichen wichtig, aber auch ein gesichertes Bezugssystem für die Lage von Objekten im dreidimensionalen Raum.

Sind die genannten Entwicklungsprozesse abgeschlossen, kann man den Raum durchaus als erobert betrachten. Sind Teilbereiche aber unzureichend angeeignet worden, so kann das zu mathematischen Problemen führen, die nur durch Nachreifung dieser Basisfunktionen und spezielle Förderung wettgemacht werden können.

Mein Ziel muss es sein, herauszufinden, wie ich im Rahmen der Unterrichtseinheit zum Thema Achsensymmetrie möglichst viele Bereiche der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit fördern und ausbilden kann (vgl. 5.6. Didaktische Begründungen und 5.7. Methodische Begründungen).

3. Entwicklung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens

Ziel dieses Kapitels ist es, darzustellen, wie sich bei den Schülern die Entwicklung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens vollzieht. Dazu werde ich exemplarisch einige zentrale Theorien vorstellen sowie praktische Konsequenzen für den Unterricht in meiner Lerngruppe aufzeigen.

3.1. Erkenntnistheorie nach Piaget

Jean Piaget stellte eine umfassende Erkenntnistheorie zur Entwicklung des räumlichen Denkens auf. Für das Verständnis geometrischen Lernens bilden seine Untersuchungsergebnisse bis heute die bedeutendsten Erkenntnisgrundlagen. "Für Piaget kann die Entwicklung geometrischer Begriffe nicht durch ein Ablesen von Eigenschaften erfolgen, sondern nur über Handlungserfahrungen an Materialien oder im realen Raum."[6]

Piaget hatte eine aktivistische Grundvorstellung vom Lernen. Darauf basierend entwickelte er die Äquilibrationstheorie. Sie geht davon aus, dass das Individuum in einer Umwelt lebt, die Zwänge und Kräfte ausübt und sich ständig verändert. Dadurch ist das Individuum zur Auseinandersetzung mit der Umwelt gezwungen. Für diese Auseinandersetzung baut das Individuum so genannte Schemata auf. Nach Wittmann (1987) ist ein Schema ein "Operations-, Denk- oder Erklärungsmuster, das in die kognitive Gesamtorganisation des Individuums integriert ist und die Aktivitäten des Individuums steuert."[7]

Das Individuum ist nach Meinung Piagets immer bestrebt, dass zwischen Umwelt und den eigenen Erklärungsmustern ein Gleichgewicht herrscht. Ist dieser Zustand erreicht, so lebt das Individuum im Einklang mit seiner Umwelt. Sind Umwelt und Schema jedoch nicht in Einklang, so besteht das Bestreben, diesen Einklang herzustellen (Adaption). Dies kann auf zwei Arten geschehen:

1. Assimilation: Das Individuum versucht, sein Schema beizubehalten und möglichst viele Erscheinungen diesem Schema unterzuordnen.
2. Akkomodation: Das Individuum verändert die ihm zur Verfügung stehenden Schemata oder baut neue Schemata auf.

Während bei der Assimilation das Schema konstant bleibt und die Erscheinungen variieren, wird bei der Akkomodation die neue Erscheinung festgehalten, und die inneren Erklärungsmuster (Schemata) werden variiert (vgl. Lauter 1997).

Bezogen auf die Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens, erkannte Piaget, dass räumliche Beziehungen schrittweise aufgebaut werden. Das Kind empfängt diese Beziehungen nicht passiv nur aufgrund von Wahrnehmung, sondern es konstruiert diese ausgehend vom konkreten Handeln mit räumlichen Gegenständen. Nachdem das Kind etwas wahrgenommen hat, folgt ein Prozess der inneren Nachahmung, des Handelns mit Vorstellungsbildern. So erfolgt eine Abstraktion vom simplen sensomotorischen Tun zum inneren systematischen Operieren mit geometrischen Objekten auf einer höheren Stufe (vgl. 6.3.8. Reflexion der 3.Unterrichtsstunde). Entscheidend ist im Sinne Piagets eine handlungsorientierte, verinnerlichte Vorgehensweise, welche den Übergang von effektiver Handlung zu vorgestellter Handlung bewusst fördern möchte.

3.1.1. Entwicklungsstufen nach Piaget

Piagets Theorie ist vor dem Hintergrund zur Entwicklung der Intelligenz zu sehen. Anhand seiner Beobachtungen und Interviews mit Kindern stellte er eine Stufentheorie der Intelligenzentwicklung auf. Dabei lassen sich folgende fünf aufeinander folgende Entwicklungsstufen unterscheiden (vgl. Lauter 1997):

- Stufe der sensomotorischen Intelligenz (bis ca. 2 Jahre)
- Stufe des symbolischen und vorbegrifflichen Denkens (ca. 2 – 4 Jahre)
- Stufe des symbolisch-anschaulichen Denkens (ca. 4 – 7 Jahre)
- Stufe des logisch konkreten Denkens (ca. 7 – 11 Jahre)
- Stufe des formalen Denkens (ab 12 Jahre)

Die ersten drei Stufen werden auch zum präoperatorischen Stadium zusammengefasst. Stufe vier bezeichnet Piaget auch als konkret operatorisches Stadium, Stufe fünf als formal operatives Stadium.

Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsfortschritte der Kinder sollten die Altersangaben nur als grobe Orientierung verstanden werden. Für meine Lerngruppe sind die Stufen des symbolisch-anschaulichen Denkens, die Stufe des logisch konkreten Denkens sowie der Übergang zwischen diesen beiden Stufen von Bedeutung (vgl. 5.4. Inhaltliche Lernvoraussetzungen).

Im präoperatorischen Stadium erwirbt das Kind auf der Grundlage sensomotorischer Aktionen räumliche Schemata, die zunehmend mobiler und strukturierter werden. Am Ende dieses Stadiums zeigen sich Ansätze der Transformation. Im Alter von 7 bis 8 Jahren wird die operationale Stufe der Entwicklung des räumlichen Denkens erreicht. In dieser Phase sind die Aktionen der Kinder mobil, reversibel und in konkrete Operationen transformierbar (vgl. Radatz/ Rickmeyer 1991, S.12). "Das Kind ist jetzt zu weit mehr aktiven Manipulationen an Bildern und Objekten im räumlichen Bereich fähig. Es kann jetzt durch reversible mentale Operationen einschätzen, wie Objekte für jemanden aussehen, der einen anderen Standort einnimmt.“[8] Der Begriff Operation kann vereinfacht als verinnerlichte Handlung verstanden werden.

Die wichtigsten Eigenschaften von Operationen sind:

(1) Die Kompositionsfähigkeit, d.h. Operationen lassen sich zu ganzen Operationssystemen, so genannten Gruppierungen, zusammensetzen.
(2) Assoziativität, d.h. bei der Zusammensetzung von Operationen kommt es nicht auf die Reihenfolge an.
(3) Reversibilität, d.h. eine Operation lässt sich umkehren. Zu jeder Operation gibt es eine entgegen gesetzte Operation. Dies ist die Eigenschaft, die am leichtesten zur Identifizierung von Operationen beiträgt (vgl. 6.3.8. Reflexion der 3.Unterrichtsstunde).

Im Stadium der formalen Operation gelangt die Anschauung zu ihrer Vollendung und der Jugendliche ist fähig, mit abstrakten Räumen oder formalen Raumgesetzen umzugehen (vgl. Maier 1994).

3.1.2. Kritik an Piaget

Es gibt zahlreiche Kritiken an der Theorie Piagets. An dieser Stelle möchte ich aber nur einige wenige aufzählen und mich verstärkt auf die Erkenntnisse berufen, die ich aus seinen Ergebnissen für meine Unterrichtsplanung ziehen kann. Folgende Punkte gilt es dabei aber kritisch zu beachten (vgl. Maier 1994):

- Aus heutiger Sicht sind die durchgeführten Tests nicht hinreichend empirisch abgesichert. Freudenthal (1981) macht auf die starke verbale Komponente in den Testaufgaben aufmerksam. In vielen Fällen hätten die Schüler die Fragen nicht verstanden.
- Die Altersangaben sind höchstens als grobe statistische Anhaltspunkte einzuschätzen.

3.1.3. Folgerungen für die Unterrichtsplanung

Die wichtigste Konsequenz ist sicher die Förderung des operativen Denkens als zentrales Ziel des Mathematikunterrichts in der Grundschule (vgl. 5.6. Didaktische Begründungen). Hier ist vor allem den konkreten Handlungen, aus denen sich erst Operationen entwickeln, Beachtung zu schenken. Eine Verinnerlichung geometrischer Begriffe muss im Grundschulalter über Handlungserfahrungen sowie den Umgang mit vielfältigen konkreten Materialien und Modellen erfolgen (vgl. Radatz/ Rickmeyer 1991, S.12). In diesem Zusammenhang wurde das so genannte operative Prinzip abgeleitet, welches die Begründung für die Verwendung von Arbeitsmaterial für die Hand des Schülers gibt. Eine weitere Folgerung ist die Beachtung reversibler Aufgabenstellungen, wo immer sie möglich sind um operatives Denken weiter ausbilden zu können (vgl. Lauter 1997, S.19).

Da das Verständnis grundlegender geometrischer Begriffe sehr früh abgeschlossen ist, erachte ich es als notwendig, dass die Schüler in der Grundschule räumliche Handlungserfahrungen sammeln können. Eine gründliche Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens ist Voraussetzung für die Umwelterschließung und kognitive Entwicklung des Kindes (vgl. 5.6. Didaktische Begründungen).

Aus Piagets Ergebnissen bezüglich seiner Äquilibrationstheorie folgere ich, dass sich das Lernen der Schüler dadurch aktivieren lässt, indem ich bei ihnen ein inneres Ungleichgewicht erzeuge. Piaget spricht in diesem Zusammenhang auch von einem kognitiven Konflikt. Meiner Meinung nach eignet sich das Prinzip des Entdeckenden Lernens (vgl. 4.2. Prinzip des aktiv-entdeckenden Lernens) hervorragend um den Lernprozess nach Piagets Vorstellung effektiv voran zu treiben.

3.2. Repräsentionsformen nach Bruner

J.S. Bruner hat den Ansatz von Piaget aufgenommen und weitergeführt. Seine provozierende Ausgangshypothese lautet: "Jedes Kind kann auf jeder Entwicklungsstufe jeder Lehrgegenstand in einer intellektuell ehrlichen Form erfolgreich gelehrt werden.“[9] Für mich als Lehrer hat diese Hypothese zu Folge, dass ich im Unterricht die Struktur des Gegenstandes so darstellen muss, wie das Kind diese sieht und wahrnimmt. Ähnlich wie Piaget geht Bruner nämlich davon aus, "…dass das Kind auf jeder Entwicklungsstufe eine charakteristische Art und Weise hat, die Welt zu betrachten und für sich selbst zu erklären.“[10]

Im Unterschied zu Piaget betont Bruner die folgenreichen Auswirkungen der jeweiligen Kultur, in der ein ganz bestimmtes motorisches, sensorisches und reflektierendes Verhalten herrscht. Diese Auswirkungen würden seiner Ansicht nach die kognitive Entwicklung des Kindes maßgeblich beeinflussen. Der Sprache billigt Bruner hierbei eine zentrale Rolle zu (vgl. 5.6. Didaktische Begründungen). An diesem Punkt wird der Unterschied zu Piaget deutlich, da für Piaget die Sprache gegenüber der Handlung nur eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. Lauter 1997).

Bruner geht davon aus, dass es in der Art und Weise wie Kinder sich die Welt darstellen, drei aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen gibt. Im Laufe der kindlichen Entwicklung kommt es zu Verschiebungen des Schwerpunktes zwischen diesen Darstellungsformen.

Im Folgenden möchte ich diese einzelnen Repräsentationsformen ausführlich vorstellen:

1. Enaktive Repräsentationsform

In dieser Entwicklungsstufe setzt sich das Kind mit einem Gegenstand handelnd auseinander. Dabei sind Handlungen des Greifens, des Zum-Munde-Führens, des Haltens usw. die Mittel mit denen das Kleinkind die Welt erschließt. Durch eine wiederholende Beschäftigung mit dem Gegenstand, wird das Kind befähigt diesen im Geiste zu bewahren.

2. Ikonische Repräsentationsform

Ausgehend von der elementaren Phase der Handlungen, entwickelt sich schrittweise die bildhafte (ikonische) Darstellungsform. Sie greift auf Vorstellungsbilder der Kinder zurück. Diese sind nun in der Lage, sich von konkreten Handlungen zu lösen und die Welt flexibler zu erfassen. Dabei muss man jedoch beachten, dass die Wahrnehmung der Kinder, im Gegensatz zu der der Erwachsenen, immer egozentriert ist. Trotzdem bewirkt die ikonische Darstellungsform eine größere Distanzierung des Kindes von seiner Umwelt und ist somit abstrakter als die enaktive Repräsentationsform.

3. Symbolische Repräsentationsform

Diese Darstellungsform bildet die abstrakteste Stufe der kognitiven Entwicklung. Anstatt von Handlungen oder Bildern werden nun Zeichen und Symbole verwendet. Die Wurzel der symbolischen Darstellungsform geht nach Bruner auf das urmenschliche Verhalten zurück, Dinge mit Namen zu belegen. Er ist der Meinung, dass Denken verinnerlichte Sprache sei.

Alle drei Repräsentationsformen sind grundlegend für den Aufbau kognitiver Systeme beim Kind. "Jede dieser Darstellungsformen prägt das geistige Leben des Menschen in verschiedenen Altersstufen, und die Wechselwirkung ihrer Anwendungen bleibt Hauptmerkmal des intellektuellen Lebens des Erwachsenen.“[11]

3.2.1. Folgerungen für die Unterrichtsplanung

Zur Förderung der kognitiven Entwicklung des Kindes müssen die Repräsentationsformen enaktiv – ikonisch – symbolisch in den Unterricht übernommen werden. Entscheidend dabei ist, dass man die drei Darstellungsformen nicht isoliert voneinander betrachten sollte, sondern die zahlreichen Übergänge zwischen ihnen beachtet und pflegt. Übergänge in die ikonische Darstellung werden als Ikonisierung bezeichnet. Den Übergang zur symbolischen Form nennt man Symbolisierung, wobei dem Übertritt zum sprachlichen Darstellungssystem, bezeichnet als Verbalisierung, eine besondere Rolle zugebilligt wird. Allgemein spricht man bei der Übertragung von einer Repräsentationsform in eine andere von einem "Intermodalen Transfer" (Bauersfeld 1972a, S.244). Meine Aufgabe als Lehrer ist es, im Unterricht diesen intermodalen Transfer ständig und intensiv zu fördern.

Förderlich für dieses Vorhaben hat sich das didaktische Prinzip der Curriculum-Spirale erwiesen. Das so genannte Spiralprinzip besagt, man solle "…denselben Lerngegenstand auf verschiedenen Stufen der Entwicklung aufgreifen, ihn dort mit dem den Kind zur Verfügung stehenden Mitteln bis zu einem vorläufigen Abschluss entwickeln und ihn später wieder aufgreifen.“[12]

Neben der Piagetschen Erkenntnistheorie zur Entwicklung geometrischer Begriffe und Beziehungen sowie Bruners Theorie der Repräsentationsformen möchte ich im Folgenden ein weiteres Modell des holländischen Ehepaares Dina van Hiele-Geldof und Pierre Marie van Hiele (1978) vorstellen, um verschiedene Aspekte der visuellen Wahrnehmungsentwicklung zu veranschaulichen.

3.3. Stufenmodell nach van Hiele

Die Forschungsergebnisse des Ehepaares van Hiele wurden durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt (z.B. Clements/ Batista 1992) und dienen in vielen Ländern als Grundlage der Gestaltung eine schulischen Geometrie-Curriculums. In ihren Überlegungen gehen sie davon aus, "…dass Piagets Ergebnisse zu wichtigen Schlussfolgerungen führen können, wenn man sie mit dem Verlauf eines kontrollierbaren Lernprozesses in Zusammenhang bringt.“[13] Das von ihnen entwickelte Modell, welches sich weitgehend an den Fähigkeiten älterer Schüler orientiert, gliedert sich in fünf Denkebenen, die der Entwicklung des geometrischen Denkens inhärent sind. Ihrer Meinung nach, kann das Erreichen der verschiedenen Niveaustufen durch geeignete unterrichtliche Maßnahmen gefördert werden (vgl. Franke 2000). Im Vergleich zu Piaget sehen van Hieles die Entwicklung des Kindes nicht als Reifeprozess sondern als Lernprozess, den der Lehrer durch eine sinnvollen Auswahl von Methoden und Materialangeboten im Unterricht fördern und beschleunigen kann. Jede Niveaustufe hat ihre eigenen Begriffe und Symbole. Aus diesem Grund sind auf jeder Stufe die Begriffe neu zu behandeln und dem jeweiligen Denkniveau der Schüler anzupassen (vgl. Radatz/ Rickmeyer 1991). Im Folgenden werde ich die von van Hiele für Geometrie gekennzeichneten Niveaustufen vorstellen, wobei ich den Schwerpunkt auf die Stufen lege (Niveaustufe 0,1 und 2), welche von den Schülern meiner Lerngruppe durchlaufen werden (vgl. Radatz/ Rickmeyer 1991):

Niveaustufe 0: Anschauungsgebundenes Denken:

Die Schüler erfassen räumliche Beziehungen ausschließlich in ihrer unmittelbaren Umgebung. Geometrische Figuren werden dabei als Ganzheiten gesehen und noch nicht in ihren Bestandteilen und Eigenschaften erkannt. Die Schüler können verschiedene Figuren identifizieren sowie geometrische Bezeichnungen und Namen erlernen. Außerdem sind Unterscheidungen zwischen ebenen Figuren und Körperformen möglich, allerdings ohne, dass spezifische Eigenschaften miteinander verglichen werden. Das Denken und geometrische Arbeiten ist auf dieser Niveaustufe weitgehend an Hantieren mit Material gebunden. Abstrakte Vorstellungsbilder können erst durch das Gewinnen von Erkenntnissen über Handlungserfahrungen (vgl. 6.1.4. Reflexion der 1.Unterrichtsstunde) aufgebaut werden.

Niveastufe 1: Analysieren geometrischer Figuren und Beziehungen

In dieser Denkebene beginnt die Analyse geometrischer Objekte. Durch genaues Betrachten und Handlungserfahrungen können die Schüler Einzelheiten und Eigenschaften geometrischer Figuren wahrnehmen und unterscheiden. Außerdem nehmen sie eine feinere Klassifizierung vor. Beispielsweise können die Schüler Spiegelachsen in Figuren durch Falten und Legen herstellen bzw. bestimmen (vgl. 6.3. Die 3.Unterrichtsstunde) oder erkennen, dass die Seiten beim Quadrat gleich lang sind. Die Beziehungen zwischen den Figuren (z.B. zwischen Rechteck und Quadrat) und Eigen2schaften oder Größen sind jedoch noch nicht einsehbar.

Für die geplante Unterrichtseinheit würde das Überprüfen einer geometrischen Form auf Achsensymmetrie dieser Niveaustufe entsprechen (vgl. 6.3. Die 3.Unterrichtsstunde).

Niveaustufe 2: Erstes Ableiten und Schließen

Auf dieser Stufe ist der Schüler fähig, Beziehungen zwischen den Eigenschaften einer Figur und den Eigenschaften verwandter Figuren festzustellen. Die Schüler verstehen nicht nur Klassifikationen, sondern auch Klasseninklusionen sowie geometrische Definiti2onen. Sie können Argumente ableiten und erste logische Schlüsse ziehen. Beispielsweise können die Schüler ein gleichschenkliges Dreieck bestimmen, indem sie erkennen, dass durch Spiegeln/ Falten beide Seiten/ Winkel aufeinander fallen und gleich groß sind. Hier wird deutlich, dass dieses Verständnis nicht über geometrische Axiome, sondern über experimentelle Erfahrungen erwächst. Mit dieser Stufe vollzieht sich der Übergang vom Geometrielernen in der Grundschule zur Sekundarstufe.

Die folgenden zwei Niveaustufen sind für meine Lerngruppe nicht relevant, sollen der Vollständigkeit halber jedoch aufgeführt werden.

Niveaustufe 3: Geometrisches Schließen/ Deduktion

Die Schüler erfassen logische Schlussfolgerungen als Basis eines geometrischen Systems und setzen diese gezielt ein. Die Bedeutung von geometrischen Axiomen, Definitionen, Sätzen und Beweisen wird erkannt.

Niveaustufe 4: Strenge, abstrakte Geometrie

In dieser Niveaustufe werden geometrische Sätze zu Axiomensystemen zusammengefasst, die ihrerseits miteinander verglichen werden. Dieses Niveau wird selbst in der gymnasialen Oberstufe nicht von allen Schülern erreicht.

3.3.1. Folgerungen für die Unterrichtsplanung

Da jede Niveaustufe ihre eigenen Begriffe und Symbole hat, ist es für mich als Lehrer von zentraler Bedeutung, dass ich Unterrichtsgespräche auf der Denkebene der Schüler führen muss, damit überhaupt eine Verständnisgrundlage herrscht. Hierzu ist es notwendig, die von mir ausgewählten Begrifflichkeiten so auszuwählen, dass sie mit den Vorstellungen der Schüler harmonieren. Aus diesem Grund werde ich den Begriff Symmetrieachse schrittweise variieren (Faltlinie – Spiegellinie – Symmetrielinie – Symmetrieachse) und an dem konkreten Entwicklungsstand der Schüler anpassen (vgl. 5.7. Methodische Begründungen).

Des Weiteren stellt auch van Hiele die Bedeutung konkreter Handlungserfahrungen für das Sammeln von geometrischen Erkenntnissen deutlich hervor (vgl. Niveaustufe 0). Dies kann nur durch Auseinandersetzung mit konkreten Materialien erfolgen. Diese Materialien sollten nicht als Spielzeuge angesehen werden, sondern das denkende Handeln der Schüler aktivieren. Ziel meiner Unterrichtseinheit wird es sein, bei den Schülern die Niveaustufe 0 ausführlich auszubilden und einen fließenden Übergang in die Niveaustufe 1 zu schaffen. Im Sinne des spiralen Curriculums können dann in den folgenden Schuljahren Niveaustufe 1 und ansatzweise Niveaustufe 2 entwickelt werden (vgl. 5.6. Didaktische Begründungen).

4. Konsequenzen für die Unterrichtspraxis

Neben den in Kapitel drei beschriebenen Folgerungen für meine Unterrichtsplanung (vgl. Kapitel 3.1.3., 3.2.1. und 3.3.1.), möchte ich im Folgenden weitere Konsequenzen für die Unterrichtspraxis aufzeigen und ein didaktisches Prinzip vorstellen, welches sich meiner Meinung nach sehr gut eignet, das geometrische Denk- und Vorstellungsvermögen der Schüler meiner Lerngruppe effektiv zu fördern.

4.1. Prinzipien zur Gestaltung des Geometrieunterrichts

Ich als Lehrperson muss (sollte)…

- den Schülern ermöglichen, Handlungserfahrungen zu sammeln, indem ich ihnen konkrete Materialien und praktische Tätigkeiten (Malen, Zeichnen, Legen, Falten, Kleben, Schneiden u.v.a.m.) anbiete (vgl. 3.1. Erkenntnistheorie nach Piaget).
- die jeweilige kognitive Entwicklung der Schüler beachten. Das bedeutet, dass ich bei den Aufgabenstellungen darauf achte, dass diese nach Möglichkeit an reale Erfahrungen der Schüler aus ihrer Umwelt anknüpfen (vgl. Radatz/ Rickmeyer 1991).
- den Unterricht so gestalten, dass ein Wechsel stattfindet zwischen offener Unterrichtsgestaltung zur Weckung von Eigenitiative und Fantasie und zielgerichteter Aufgabenstellung, um das Problemlöseverhalten der Schüler zu stärken (vgl. 3.3. Stufenmodell nach van Hiele).
- das geometrische Lernen spielerisch sowie sozial als Partner- bzw. Gruppenarbeit organisieren (vgl. 6.7. Die 7.Unterrichtsstunde).
- aufgrund der unterschiedlich ausgeprägten Entwicklungsstufen der Schüler (vgl. 3.1.2. Entwicklungsstufen nach Bruner) eine Binnendifferenzierung schaffen sowie individuelle Lernfortschritte ermöglichen.
- den Schülern über den Unterricht hinaus Lern- und Handlungserfahrungen ermöglichen, indem ich ihnen geometrische Spiele und Materialien in der Matheecke des Klassenraums zur Verfügung stelle (vgl. 6.7. Die 7.Unterrichtsstunde). Diese Materialien sollten auch ästhetischen Grundkriterien entsprechen, so dass sie die Motivation der Schüler über einen längeren Zeitraum aktivieren können. So kann geometrischen Lernen über das ganze Schuljahr erfolgen und sich nicht nur auf wenige Stunden beschränken.
- den Schülern Anregungen und Erfahrungen ermöglichen, damit sie ihr so genanntes "Sehverstehen" differenziert fördern und ausbilden können (vgl. 2.2. Visuelle Wahrnehmungsfähigkeit).

Piaget hat in seiner Äquilibrationstheorie sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das Lernen ein aktiver Prozess ist, der sich bei jedem Schüler in einer ganz individuellen Auseinandersetzung mit seiner Umwelt vollzieht. Da nicht jeder Schüler meiner Lerngruppe die gleichen Schemata sowie dieselbe Vorstellung seiner unmittelbaren Umwelt gebildet hat, erachte ich es für notwendig, ein Unterrichtsprinzip zu wählen, welches Lernen als komplexen, aktiven und selbst gesteuerten Prozess versteht. Im Folgenden möchte ich hierzu das didaktische Prinzip des aktiv-entdeckenden Lernens näher erläutern.

"Die Geometrie in der Grundschule ist ein Experimentierfeld, deshalb ist entdeckendes Lernen angebracht.“[14]

4.2. Prinzip des aktiv-entdeckenden Lernens

Entdeckendes Lernen zielt in der Grundschule nach Aebli darauf ab, dass der Schüler Wissen, Ordnungen oder Beziehungen erwirbt, die für ihn von subjektiver Neuartigkeit sind, die er eigenständig erworben hat und ihm nicht durch einfache Wissensvermittlung aufgesetzt wurden (vgl. Keck/ Sandfuchs 1994).

In der Auseinandersetzung mit anderen konstruiert und strukturiert sich jedes Individuum sein geometrisches Vorstellungsvermögen selbst, anstatt eine vorfabrizierte Ansammlung von Regeln und Fakten zu rezipieren. Phasen der Unklarheit und das Gefühl, scheinbar nicht weiterzukommen, bilden das Herzstück allen Lernens (vgl. 3.1. "kognitiver Konflikt"). Die Lösungswege sind dabei grundsätzlich offen. Da jeder neue Weg die Einsicht in die Struktur vertieft, wird sogar eine Vielfalt an Lösungswegen angestrebt. Unsicherheiten, Fehler, Engpässe, vergebliche Versuche sind wesentliche Bestandteile des Lernprozesses (vgl. Wittmann 1995).

Da es für den Lehrer kaum möglich ist, Wissen unmittelbar zu vermitteln, sollte er ein Angebot für eigenständiges Lernen machen und den Prozess des Wissenerwerbs mehr oder weniger begünstigen. Unterricht nach dem Prinzip des aktiv-entdeckenden Lernens wird demzufolge nicht als Transport stabiler Informationen, sondern als zielgerichtete Anregung von Erfahrungen angesehen. Je angemessener der Lehrer die Lernbedingungen arrangiert, umso wahrscheinlicher wird der Unterricht Erfolge zeigen können: "Angemessener heißt allgemein: Akzeptieren, dass Lernen eigenaktiv und konstruktiv ist, und Gestalten der Bedingungen des Lernens nach diesen Prinzipien als einen offenen Lernraum, nicht als linearen und kleinschrittig programmierten Lehrgang.“[15]

Das bedeutet gleichzeitig, wie auch immer man als Lehrer agiert, man kann Lernerfolge nicht erzwingen; auch noch so ausgefeilte Lernarrangements können nicht garantieren, dass Lernen stattfindet. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen, dass sich Lernen ereignet, wenn man sich an der Konstruktivität menschlichen Lernens orientiert. Daher sollte man den Schüler hinreichend viel Zeit und Raum für ein selbst gesteuertes Lernen auf eigenen Wegen geben (vgl. Selter 1994).

Die Aufgabe der Lehrperson ist also keinesfalls hinfällig, aber ihr Charakter wandelt sich grundlegend. Der Lehrer muss dem Kind sinnvolle, intellektuell herausfordernde Probleme aufzeigen und es zum Weiterdenken bzw. zur Reflexion über die eigenen Lernprozesse anregen. Die Bereitstellung ergiebiger Arbeitsmittel und die Gestaltung herausfordernder Situationen ist dabei eine der Hauptaufgaben, die dem Lehrer bei der Organisation des Unterrichts zukommt. Die Kinder können vor allem dann individuelle Lösungsansätze und Strategien entwickeln, wenn sie mit Fragestellungen und herausfordernden Situationen konfrontiert werden, für die sie noch kein stabiles Lösungsschema besitzen.

Allerdings beschränkt sich die Organisation der Lernaktivitäten keineswegs nur auf die äußere Steuerung des Unterrichts, sondern schließt auch inhaltliche Beiträge des Lehrers ein (vgl. 6.1.5. Didaktische Begründungen). Insbesondere müssen vom Lehrer Informationen eingebracht werden, die von den Schülern prinzipiell nicht entdeckt werden können. Hierzu gehören Sprech- und Schreibweisen, Formulierungen sowie prägnante Zusammenfassungen der Ergebnisse (vgl. 5.6. Didaktische Begründungen). Beiträge (Lösungen oder Lösungsansätze) der Schüler sollte der Lehrer für seine weiteren Impulse nutzen (vgl. Wittmann 1995).

Insgesamt setzt der aktiv-entdeckende Unterricht auf eine viel größere Selbständigkeit der Schüler als der traditionelle Unterricht. Diese Befähigung zu selbständigen Arbeiten kommt den Forderungen der modernen Berufswelt entgegen. Da sich die Bedingungen am Arbeitsplatz ständig und immer schneller verändern, wird lebenslanges Lernen zur Regel. Indem ich schulisches Lernen als Modell für lebenslanges Lernen auffasse, kann ich die Schüler auf die zukünftigen Anforderungen einstellen. Im Zentrum steht also die Entwicklung der Fähigkeit des selbständigen Herangehens an Probleme (vgl. Wittmann 1995).

Im Folgenden möchte ich einige Gründe aufzählen, warum ich aktiv-entdeckendes Lernen als produktive Unterrichtsmethode für meine Lerngruppe ansehe:

- Die Schüler können sich mit ihrer eigenen Denkleistung in den Unterricht einbringen.
- Sie lernen, Hindernisse selbständig aus dem Weg zu räumen. Dadurch werden das Bewusstsein und die Verantwortung für das eigene Lernen gefördert. Die Schüler lernen aus eigener Kraft, mit gelegentlicher Hilfestellung des Lehrers oder der Mitschüler, Probleme zu bewältigen und Lösungen zu entwickeln. Dadurch wird ihr Selbstvertrauen nachhaltig gestärkt und sie werden zusätzlich angeregt, sich mit anderen Themen aktiv auseinander zu setzen.
- Es erfolgt eine natürliche Differenzierung, so dass leistungsstarke sowie lernschwache Schüler nach ihren jeweiligen Möglichkeiten gefördert werden.
- Die natürliche, intrinsische Motivation der Schüler wird aktiviert. Sie bildet den Rahmen für ein soziales, sinn erfülltes Lernen (vgl. Wittmann 1990, S.159).

Um im Rahmen dieses Unterrichtsprinzips effektives Lernen zu ermöglichen, müssen gewisse Grundvoraussetzungen gegeben sein. Damit die Schüler sich überhaupt mit Problemen aktiv auseinandersetzen können, müssen sie eine Grundorientierung bzw. -information im jeweiligen Lernbereich haben (vgl. Keck/ Sandfuchs 1994, S.86f.). Ebenso ist das Erstellen eines Plans, um die Vorgehensweise beim Problemlösen zu beschreiben, sinnvoll. Die Schüler müssen wissen, dass sie ihre Arbeitsergebnisse im Hinblick auf die anfängliche Fragestellung überprüfen und gegebenenfalls korrigieren müssen (vgl. 6.3. Die 3.Unterrichtsstunde).

Des Weiteren muss der Lehrer eine entspannte Arbeitsatmosphäre schaffen, in der es gewisse Regeln gibt. Er muss bei den Schülern Selbstvertrauen und Mut zum Risiko aufbauen. Erst so entsteht ein konstruktives Verhältnis zu Fehlern. Das bedeutet, es wird gemeinsam nach Fehlerursachen gesucht und besprochen, welche Möglichkeiten sich anbieten, Lösungsansätze zu verändern und zu verbessern. Kein Schüler sollte Angst haben, einen Vorschlag zu machen. Sachliche Kritik ist ein Merkmal des Vertrauens.

Intuitives Argumentieren und Vermuten sollten durch den Lehrer angeregt werden (vgl. Abele 1994, S.162). Außerdem sollte er den Lernprozess der Schüler ständig beobachten, um eingreifen zu können, wenn ein Schüler mit der Problemstellung absolut überfordert ist. In diesem Fall bietet er ihm Lernhilfen an, damit der selbständige Lernprozess erfolgreich zu Ende geführt werden kann (vgl. Wilde 1984, S.20).

Ausgangspunkt einer Unterrichtsstunde, die sich an diesem Prinzip orientiert, sind folglich problemhaltige Situationen. Diese Probleme können im Idealfall in der Umgebung der Kinder entstanden, können aber auch vom Lehrer erfunden und arrangiert sein (vgl. 6.1. Die 1.Unterrichtsstunde). Abele (1994, S.161) unterscheidet zwei Arten von Entdeckungen: die Entdeckung aus eigenem Antrieb und die vom Lehrer gelenkte Entdeckung. Bei der gelenkten Entdeckung muss die Selbständigkeit der Schüler immer noch vorhanden sein. Voraussetzung ist, dass sie einen Anlass zum Forschen geben. Nach der Problemdarstellung erfolgt durch die Schüler das Herausarbeiten von Lösungsansätzen. In der nächsten Stufe erfolgen das Herausstellen der Ergebnisse und das Verbinden dieser mit dem vorhandenen Wissen. Dieser Zusammenhang muss operativ durchgearbeitet werden, um ihn zu verinnerlichen. Im Anschluss sollte dann eine Reflexion über den Lösungsweg stattfinden (vgl. 6.1.6. Methodische Begründungen). Beim Vorstellen, Besprechen und Bewerten eigener Lösungswege erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass Kommunikation und Kooperation wechselseitig hilfreich ist. (vgl. Winter 1987, S.17).

"Es ist somit festzuhalten, dass es das Konzept des aktiv-entdeckenden Lernens ermöglicht, Kinder im gesamten Leistungsspektrum zu fördern und in den Unterricht zu integrieren – ein klarer Beweis für die pädagogische Leistungsfähigkeit dieses Konzepts.“[16]

[...]


[1] Besuden 1973

[2] Dorothee, Knapstein, Spiegel 2002. S.4

[3] Palzkill und Schwirtz 1971, S.13

[4] Rost 1977, S.20

[5] Gardner 1991, S.163

[6] Radatz/ Rickmeyer 1991, S.11

[7] Wittmann 1987

[8] Gardner 1991, S.168

[9] Bruner 1972

[10] Lauter 1997, S. 21

[11] Bruner 1972, S.21

[12] Lauter 1991, S.24

[13] Hiele 1964, S.106

[14] Besuden 1988, S.5

[15] Brüggelmann 1997

[16] Wittmann 1995, S.20

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Förderung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens, dargestellt an einer Unterrichtseinheit "Achsensymmetrie" (2. Schuljahr)
Untertitel
Unter besonderer Berücksichtigung des entdeckenden Lernens
Hochschule
Studienseminar Hameln für die Lehrämter an Grund-, Haupt- u. Realschulen
Veranstaltung
Examensarbeit für das 2.Staatsexamen für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
86
Katalognummer
V45608
ISBN (eBook)
9783638429801
ISBN (Buch)
9783638690799
Dateigröße
2443 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wichtiger Hinweis: Der im Text mehrfach erwähnte Anhang ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Lieferumfang enthalten!
Schlagworte
Förderung, Denk-, Vorstellungsvermögens, Beispiel, Unterrichtseinheit, Thema, Achsensymmetrie, Schuljahr, Examensarbeit, Staatsexamen, Lehramt, Grund-, Haupt-, Realschulen
Arbeit zitieren
Benjamin Gill (Autor:in), 2005, Förderung des geometrischen Denk- und Vorstellungsvermögens, dargestellt an einer Unterrichtseinheit "Achsensymmetrie" (2. Schuljahr), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45608

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