Das Leib-Seele-Problem. Aspekte der Problementwicklung in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten


Hausarbeit, 2005

37 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Die Geschichte des Problems
1.1 Von den Ägyptern zu den Israeliten
1.2 Die Griechen benannten das Problem
1.3 Platon und Aristoteles
1.4 Die Stoiker
1.5 Aurelius Augustinus
1.6 Der Kartesische Dualismus als solides Fundament auf sumpfigem Grund

2. Die Reduktionen des John Pinel

3. Zusammenfassung

4. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung beschäftigt sich mit dem Problem der Synthese von Seele und Geist. Dabei besteht die Intention des Autors darin, den Fokus auf bestimmte Aspekte der Problementwicklung im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zu legen, um anzudeuten, dass jede psychologische Theorie sich auf eine philosophische Tradition zurückführen lässt, die niemals umhinkommt, zu diesem Problem Stellung zu beziehen.

Es wird in großen Schritten der Weg des Problems von den Alten Ägyptern über Rene´ Descartes bis zu John Pinel skizziert. Dabei mussten viele bedeutende Personen und ihre wichtigen Beiträge unerwähnt bleiben. Allein ihre bloße Aufzählung würde jeden Rahmen sprengen. Um Raum zu sparen und um nicht der Versuchung zu erliegen, eigenes Halbwissen hinter einem eklektischen Wall fremder Worte zu verschanzen, habe ich Zitate nur an den wirklich notwendigen Stellen sparsam eingeflochten und mich ansonsten auf das beschränkt, was als wissenschaftliches Allgemeingut gilt.

Viele der heute etablierten Theorien stehen auf tönernen Füßen. So ist wohl keine Theorie des Temperaments bekannt, an deren Stammbaum nicht auf halber Höhe die Säftelehre des Galenos zu finden wäre. Auch die Aufteilung des Kortex in Brodman- Areale kann ihre Verwandtschaft zu der aus heutiger Sicht untauglichen Phrenologie Galls kaum verleugnen und zeigte der Welt, dass sich wissenschaftliche Theorien auch wissenschaftlich falsifizieren lassen (vgl. Fluegel, 1933/1948, S. 34-39).

Der Pfarrerssohn Gustav Theodor Fechner suchte akribisch den Übergang von der Seele zum Leib auf einem Graphen, der wohl nicht ohne Grund Asymptote -die Unerreichbare- heißt. Der Weg auf der Suche nach dem Substrat des Seelischen, den man sich wie eine mäandernde Spirale vorstellen kann, führte weiter zu William Stern, der, mit Baruch Spinoza im Ranzen es jenseits der Scheidung von Leib und Seele in der Person vermutete und darum im Adjektiv suchte. (vgl. Revers, 1960, S. 405- 411)

Während sich die der empirischen Forschung zugänglichen Paradigmen jedoch durch gezielte Falsifikationen evolutionär entwickeln konnten, sodass die Wissenschaft stets den derzeitigen Stand des Irrtums repräsentierte, blieb das psychophysische Problem hartnäckig und unlösbar.

Welche Brisanz die Bedeutung der Beantwortung der uns hier interessierenden Frage nach der Wechselwirkung von Geist und Materie haben muss, wurde in der DDR an dem unausgesprochenen Tabu deutlich, den größten Logikbruch im vulgär- materialistischen Paradigma zu thematisieren: „…Es ist nicht das Bewußtsein der

Menschen, daß ihr Sein, sondern ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt…“ (Engels. 1886/1925, S. 114) Wenn jedoch der Rückweg vom Bewusstsein zum Sein versperrt ist, so drängt sich eigentlich die Frage auf, warum die Bürger der sozialistischen Länder dann mit allgegenwärtiger Agitation und Propaganda behelligt wurden?

Der Standpunkt zum psycho- physischen Problem scheint eher von den mit der Sozialisation verbundenen Bildungsinhalten als vom Grad der Fähigkeit sich diese anzueignen abhängig zu sein.

Seneca, der der Schule der Stoa zuzurechnen ist, obwohl er sich vom monistischen Pantheismus ab- und Platons Seelen- Dualismus zuwandte zitierte in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts in einem Brief an Serenus, den Canus, der in Erwartung seiner Hinrichtung witzelte, „…Warum seid ihr betrübt … Ihr forschet noch, ob die Seele unsterblich sei; ich werde es gleich wissen…“ (Seneca. S. 82)

Wie auch immer man sich dazu stellen mag, vielleicht liegt die Antwort tatsächlich in einer anderen Welt. Eine logisch konsistente Begründung für das eine oder andere fehlt, muss fehlen.

Die Bibel beginnt mit den Worten: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde … und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser…“ Wer das bereits anzweifelt, ist auch auf den restlichen Seiten nicht zu bekehren. Dies ist eine von zwei zwangsläufig spekulativen Antwortfamilien auf die Grundfrage der Philosophie, der Mutter jeder Wissenschaft. Es ist die „Gretchen- Frage“ nach der letzten Konsequenz und dem absoluten Beginn. War zuerst die Materie oder doch der Geist zugange? „…Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?...“ (Goethe, S. 92).

1. DIE GESCHICHTE DES PROBLEMS

1.1 Von den Ägyptern zu den Israeliten

Die alten Ägypter ließen den Leib- Seele- Konflikt gar nicht erst aufkeimen, indem sie einfach keinen Unterschied zwischen Leib und Seele machten. Das Gehirn war für sie ein unwichtiges Organ, der Verstand tat ihrer Meinung nach seinen Dienst im Herzen. Das Weiterleben nach dem Tode, welches sie keineswegs in Frage stellten, war somit an die Unversehrtheit des Leibes gebunden. Diese versuchten sie durch Mumifizierung zu gewährleisten. Da das Leben im Jenseits mehr oder weniger eine Fortsetzung des diesseitigen darstellte, was die Befriedigung irdischer Bedürfnisse einschloss, gab man dem Toten seine ebenfalls konservierten Sklaven und die Dinge, die ihm wichtig waren, mit auf den Weg. Für den Fall, dass die Mumie einmal beschädigt wurde, stellte man dem Verblichenen eine tönerne Statue als Ersatzkörper bei. Falls auch diese irgendwann durch mechanische Einwirkung ihre Form verlor, schrieb man den Namen des Toten an die Wände der Gruft, denn der Name selbst sollte notfalls schon als Seelengefäß fungieren können.

Ich denke, dass dieser Dreischritt vom materiell Konkreten zum verbal Abstrakten über das plastische Symbol aus rein pragmatischen Gründen, im Angesicht der Erkenntnis, dass auch die höchstentwickelte Technologie ehemals belebte Materie nur bedingt in optisch ansprechender Form über die Zeit zusammenhalten kann, erfolgte. An dieser Stelle ließe sich das Postulat des sowjetischen Philosophen Lenin einstreuen, nachdem sich das Denken in der Wandlung vom Konkreten zum Abstrakten nicht von der Wahrheit entferne, sondern sich dieser annähere, wenn der Begriff der Wahrheit in diesem Zusammenhang nicht etwas überdehnt würde. Wäre Gunther von Hagens Technik der Plastination schon verfügbar gewesen, hätte man auf diesen Kunstgriff sicher verzichten können. Die Vorstellung, dass über einen Zeitraum von dreitausend Jahren Leichen der Oberschicht erfolgreich dem Prozess der Verwesung entzogen worden wären, ist aber eher unappetitlich und soll deshalb auch nicht weitergesponnen werden.

Damit die Götter wussten, mit wem sie es zu tun hatten, wurden manche Toten mit guten schriftlichen Referenzen ausgestattet. Es gab für jeden Anlass eine passende Gottheit, allerdings waren sie der Überlieferung nach alle doch im Grunde Erscheinungen ein und desselben Gottes.

Bis zur Vereinigung Ägyptens gab es zahlreiche Götter, die schon wegen der unentwickelten informativen Infrastruktur nur lokale Bedeutung hatten. Beispielhaft sei hier Amun erwähnt, der ursprünglich in Theben verehrt wurde und unter dem bestimmenden Einfluss der dortigen Pharaonen zum Reichsgott avancierte, bevor er mit dem Sonnengott Re zu Amun- Re mit zusätzlichen Fruchtbarkeitsaufgaben verschmolzen wurde. Er bildete gemeinsam mit seiner Frau Mut und ihrem Sohn Chons die Thebener Göttertriade. Amun, der zumeist in Widdergestalt daherkam, wurde allerdings wie alle anderen Götter von Echnaton zugunsten von Aton, dem Gott der Sonnenscheibe, gestürzt. Sein prominenter Nachfolger Tutenchamun stellte jedoch rasch wieder die alten Verhältnisse her.

Solange der Mensch aber über die Welt ging, glaubte man, dass mit seinem Leib die drei geistigen Kräfte Ka, Ba und Ach verbunden seien.

Ka ist Ausdruck der Lebenskraft, verliehen von den Göttern, geerbt von den Vorfahren und Bestandteil alles Lebendigen. Es bildet eine Art alter ego, das den Menschen auf Schritt und Tritt begleitet und zu dem sie nach dem Tode zurückkehren.

Der Ba wird in der Regel als Vogel mit Menschenkopf verbildlicht, der den Körper im Grabe verlassen kann. Er verkörpert die einzigartige Basis der menschlichen Seele, gespeist vom Genie eines Königs oder Gottes.

Der Begriff des Ach bedeutet auch „Jenseits“ und fasst jenen Teil der Seele zusammen, der mit dem geistigen

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Details

Titel
Das Leib-Seele-Problem. Aspekte der Problementwicklung in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten
Hochschule
Universität Potsdam
Autor
Jahr
2005
Seiten
37
Katalognummer
V45424
ISBN (eBook)
9783638428323
ISBN (Buch)
9783638657990
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schriftart Courier (entspricht etwa 30 Seiten bei Times New Roman)
Schlagworte
Leib-Seele-Problem, Aspekte, Problementwicklung, Kontexten
Arbeit zitieren
Heiko Böttcher (Autor:in), 2005, Das Leib-Seele-Problem. Aspekte der Problementwicklung in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45424

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