Die Gamification des Liebesmarktes durch Datingapps


Hausarbeit, 2016

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Der Bedeutungswandel der Liebe - Konsum und Romantik im Kapitalismus
2.1. Der Konsum der Romantik - Das Verhältnis zwischen
Kapitalismus und romantischer Liebe
2.2. Die Entwicklung des Kapitalismus am Beispiel USA

3. Dating mit Tinder & Co.

4. Wie der Liebesmarkt durch Datingapps gamifiziert wird
4.1. Was ist Gamification?
4.2. Die Gamification des Liebesmarktes durch Datingapps wie Tinder

5. Fazit

1. Einleitung

Der Liebesmarkt hat in den letzten Jahren einen Wandel durchlaufen. Die romantische Liebe und die Partnersuche werden heutzutage stark von der Entwicklung des Kapitalismus, des Konsums von Romantik und mit ihr verbundenen Produkten, der fortschreitenden Technologisierung und dem Internet geprägt. Wo die Ehe in früheren Jahren noch einen hohen Wert genossen hat, steht heute die Unverbindlichkeit und die Individualisierung im Vordergrund. Seit der Entwicklung des Kapitalismus ist auch die Liebe zu einem riesigen, unerschöpflichen Markt des Überangebots geworden, der immer schnelllebiger und größer wird. Die romantische Liebe wird heute oft mit Konsum und Konsumsituationen verbunden - ein Date findet im Kino oder beim Essen gehen statt, Schönheitsprodukte machen einen attraktiv und das Verspeisen einer Tiefkühlpizza wird als das ultimative romantische Erlebnis zu zweit präsentiert. Romantik und romantische Liebe werden mit Produkten und Aktivitäten verknüpft, die verkauft werden wollen. Liebe ist zu Massenmarkt für Konsum geworden, wie auch Eva Illouz in ihrem Buch Der Konsum der Romantik (2003) feststellt: Der Massenkonsum ist auf dem Liebesmarkt angekommen.

Dies wird heutzutage vor allem durch diverse modernen Datingapps wie Tinde, Happn und Co. für Smartphones deutlich. Hier kann man sich durch ein Überangebot an potentiellen Partner klicken. Es herrscht ein „Massenliebesmarkt“, auf dem man vermeintliche romantische Liebe mit einem Klick erleben kann. Der Single von heute ist über sein Smartphone ständig und überall verfügbar und hat eine riesige Auswahl an Möglichkeiten, um potentielle Partner kennenzulernen. Romantische Liebe wird hier zu einem Produkt gemacht, welches ständig verfügbar und konsumierbar ist.

Um dem Überangebot auf dem Liebesmarkt gerecht zu werden und den Konsum der Liebe zu vereinfachen und zu kontrollieren, etablieren sich immer mehr Datingapps. Durch das Überangebot auf dem Liebesmarkt werden die Optionen zwar mehr, die Suche aber dadurch auch immer schwieriger, da man aus einem riesigen Pool an potentiellen Partnern wählen kann. Datingapps bedienen sich zur Lösung dieses Problems unter anderem auch an Elementen von Spielen, die mit diesem eigentlich spielfremden Bereich des Datings verknüpft werden. Es kommt zur sogenannten Gamification des Liebesmarktes. Bei Tinder geht es hauptsächlich um das Sammeln von sogenannten Matches. Ein Match hat man dann, wenn man einen Partnervorschlag mit „gefällt mir“ markiert hat und derjenige es einem gleichgetan hat. Es kommt zu einem Match und der Chat ist frei geschaltet. Durch die Fülle an Partnervorschlägen und die schnelle Aussortierung von gefallenden und nicht gefallenden Profilen geht es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr unmittelbar darum, sich gewissenhaft einen entsprechenden Partnervorschlag anzuschauen - der User sammelt stattdessen so viele Matches wie möglich. Durch die Bestätigung und Erfolgserlebnisse, die man durch die Matches bekommt, bergen solche Datingapps ein genau so hohes Suchtpotenzial, genau wie klassische Computerspiele. Auch die Aufmachung erinnert eher an eine Gamingapp als an eine Datingapp - wischt man nach links ist es ein Nein, wischt man nach rechts ist es ein Ja. Ein Ende hat dieses Spiel nicht und so wächst das Bedürfnis nach dem Konsum von Erfolgerlebnissen und Bestätigung des anderen Geschlechts durch die Datingapp immer weiter. Liebe wird zum Massenmarkt und zum Konsumgut, welches durch Datingapps sofort verfügbar, konsumierbar und kontrollierbar gemacht wird. Die Gamification dient dabei den Interessen der User, da Dating vereinfacht wird, und durch ihr Suchtpotenzial den Appentwicklern, da die App so häufig wie möglich genutzt werden soll. Der Konsum von Liebe und die Partnersuche werden durch Datingapps gamifiziert, marktfähig gemacht und dadurch in die Schnelllebigkeit des heutigen Kapitalismus integriert.

2. Der Bedeutungswandel der Liebe - Konsum und Romantik im Kapitalismus

Der Liebesmarkt hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewandelt. Die Ehe hat einen anderen Stellenwert eingenommen. Während die Ehe in früheren Jahren noch einen hohen Wert genossen hat, steht heute die Unverbindlichkeit im Vordergrund. Die Liebe ist zu einem Markt geworden, der niemals genug hat und sich nicht festlegt und damit immer schnelllebiger und größer wird. Online Datingportale haben an Beliebtheit gewonnen. Aus der Liebe wird ein Geschäft gemacht; Parship, Elitepartner und Apps wie Tinder, Lovoo und Once sind hoch im Kurs. Auf der Suche nach einem Partner könnte hier immer noch ein besserer Partner dabei sein und man gibt sich oftmals nicht mit dem bestehenden Partner zufrieden. Als User dieser Services hat man ein ständig verfügbares Angebot an potentiellen Partnern, die man verpassen könnte, wenn man sich für einen einzigen Partner entscheiden sollte. Das Überangebot von potentiellen Partnern, die einem auf den Online Portalen oder Gamingapps vorgestellt werden, führt zu einem extremen Wettbewerb unter möglichen Lebenspartnern. Man kann sich seinen Partner frei aussuchen und hat ein riesiges Angebot - nicht selten überfordert einen dies und führt zu einem hohen Druck, wettbewerbsfähig zu bleiben, um auf dem Liebesmarkt zu bestehen zu können. Man muss schön, attraktiv, fit bleiben und anziehend auf das andere Geschlecht wirken und sich ständig selbst optimieren. Der Liebesmarkt wird sozusagen ökonomisiert, indem es immer mehr Möglichkeiten, schnellere Verfügbarkeit und dadurch aber auch viel mehr Konkurrenz gibt. Die Liebe selbst wird immer mehr zu einem Produkt gemacht, welches man auf Abruf konsumieren kann und von dem es vermeintlich ein Überangebot gibt. Zumindest wird einem dies suggeriert. Die Entwicklung von Liebe hin zu einem Produkt, welches man teuer an den Kunden verkauft und es damit mit einer Konsumsituation verbindet, ist nicht unerheblich vom Aufkommen und der Entwicklung des Kapitalismus beeinflusst. Der Einfluss des Kapitalismus auf die romantische Liebe soll im Folgenden skizziert werden.

2.1. Der Konsum der Romantik - Das Verhältnis zwischen Kapitalismus und romantischer Liebe

Um die Veränderungen und Zusammenhänge der Liebe im Kapitalismus zu verstehen, ist es zunächst hilfreich sich die Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus anzuschauen. Eva Illouz untersucht in ihrem Buch Der Konsum der Romantik (2003) das Verhältnis von Liebe und Konsum und zieht dafür die Entstehung des Kapitalismus in Amerika heran. Die zentrale Fragestellung, die Illouz in ihrer Untersuchung dabei stellt, ist, „welche Rolle (...) das kulturelle Motiv der romantischen Paarbeziehung bei der Entstehung von Massenmärkten für den Konsum“ spielte und wie sich umgekehrt „romantische Praktiken in die ökonomischen Praktiken des Marktes“1 einfügten. Dabei geht es Illouz darum „(...) die Mechanismen zu verstehen, mittels derer die romantische Liebe und der Markt tatsächlich zusammenwirken, das heißt, wie die Erfahrung romantischer Liebe sich in ökonomische Praktiken auf die Gefühlsstruktur übertragen“2 hat. Außerdem gilt es „(...) zu erklären, wie sich romantische Zweisamkeit und der kapitalistische Markt in den späteren Phasen seiner Ausbreitung miteinander verbanden, als der Markt sich auf die massenhafte Herstellung von Waren ausrichtete.“3

Die Ehe und ihre Perspektive unterlag immer mehr dem Freizeitdruck und dem Konsum.4 Illouz legt besonderes Augenmerk auf die Art, wie sich die Bedeutung von Liebe mit Konsum, Waren und Freizeittechnologien vermischte.5 Ihre Untersuchung macht die „komplizierten Überschneidungen sichtbar (...), an denen ein Gefühl - die Liebe - auf die kulturelle und ökonomische Sphäre des Konsums trifft. Zu dieser Überschneidung kommt es durch zwei Prozesse: die Romantisierung der Waren und die Verdinglichung der romantischen Liebe. Romantisierung der Waren heißt, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Filmen und Werbeanzeigen Waren eine romantische Aura bekamen. Verdinglichung der Liebesromantik andererseits betrifft die Art und Weise, in der sich romantische Praktiken zunehmend mit dem Konsum von Freizeitgütern und Freizeittechnologien verbanden, die vom wachsenden Massenmarkt angeboten wurden.“6 Die Entwicklung des Kapitalismus, das Aufkommen von Massenmärkten, die Kommerzialisierung der Freizeit und die Auswirkung dieser Entwicklungen auf das romantische Liebesbild erläutert Illouz am Beispiel Amerika.

2.2. Die Entwicklung des Kapitalismus am Beispiel USA

Beim näheren Blick auf die Entstehung des Kapitalismus in Amerika lässt sich feststellen, dass dort zwischen 1870 und 1900 die Gesamtbevölkerung immens anwuchs und sich damit neue Märkte entwickeln konnten. Die Industrialisierung und dem Bau der Eisenbahn bewirkten einen beträchtlichen ökonomischen Austausch, die Entwicklung großer Unternehmen und eine Umorientierung der Arbeiterklasse weg von der Landwirtschaft hin zu industriellen, städtischen Berufen. Die Zeit zwischen dem Bürgerkrieg und dem Börsencrash von 1929 wurde daher auch als das goldene Zeitalter des Kapitalismus bezeichnet, mit dem auch die Nachfrage nach Massen- und Luxusprodukten immer weiter anstieg.7 „Die enorme Ausweitung ökonomischer Produktion und ökonomischen Austauschs ging einher mit einer Veränderung der Muster du der Intensität des Konsums.“8 Ein Arbeitstag von bis zu 8 Stunden war in den USA in den 20er Jahren weit verbreitet und es wurde zum Ausgleich immer mehr Geld für Freizeitaktivitäten ausgegeben, vor allem im großstädtischen Bereich. Erheblichen Einfluss auf diese Entwicklung hatte auch die Tatsache, dass es im Zuge des Kapitalismus immer mehr Werbung für kommerzielle Vergnügungen gab und damit die Nachfrage danach wuchs.9

Das Bildungsniveau der Frau und die wachsende Beteiligung an der Arbeitswelt, eine veränderte Sexualmoral und zunehmende Entwicklung zur Gleichstellung von Mann und Frau- all diese Punkte wirkten sich außerdem darauf aus, wie die Freizeit verbracht wurde und Männer und Frauen hatten nach und nach die gleichen Freizeitbeschäftigungen. Zwischen 1880 und 1890 wuchs die Anzahl von Tanzlokalen, Kinos und Vergnügungsparks allmählich an und die Freizeitgestaltung wurde immer mehr kommerzialisiert.10

„Diese kulturellen, sozialen und ökonomischen Veränderungen trugen dazu bei, dass sich die Bedeutung von Liebe veränderte, als sie zunehmend in die entstehenden Massenmärkte und die Kultur der Massenmedien einbezogen wurde.“ (Illouz (2003): 31)

Nach Illouz veränderte sich die Bedeutung von Liebe mit der Entwicklung des Kapitalismus seit Ende des 19. Jahrhunderts durch folgende Aspekte

- die Befreiung der Liebe von der Religion
- die zunehmende Bedeutung des Themas Liebe in der Massenkultur, vor allem in Film und Werbung
- die Verherrlichung des Liebesthemas als höchstem Wert und die Gleichsetzung von Liebe mit Glück
- die Assoziation von Liebe und Konsum, genauer: die Romantisierung der Waren
- die Einbeziehung von „Intensität“ und „Spaß“ in die neuen Definitionen von Liebesromantik, Ehe und häuslichem Leben.11

Auch die Werbebranchen assoziierten romantische Liebe mit Konsum, Freizeit und körperlicher Attraktivität.12 Produkte, die in der Werbung dargestellt wurden, wurden bis in die 20er Jahre hinein mit häuslichem Komfort, „ich-expressiven“ Werten und der Steigerung des Selbstwertgefühls assoziiert.13 „Durch Liebesromantik werden Konsumakte unsichtbar vervielfacht und nachhaltig bestärkt. Das heißt Liebe ist der Ausgangspunkt für vielfältige Konsumakte (...).“14

Dabei gibt es offenen und verborgenen Konsum - verborgener Konsum stellt hierbei beispielsweise Erfahrungen und Interaktionen zwischen Menschen dar, die nicht offensichtlich als Konsumhandlung erkannt werden und dadurch „verborgenen“ Konsum darstellen. Das Kino und das Tanzen stehen beispielsweise für Intimität, Auto fahren für ein romantisches Abenteuer - der Konsum und der ökonomische Aspekt, der dahinter steckt, rückt hierbei in den Hintergrund.

Illouz bringt zur Verdeutlichung das Beispiel einer Waschmittelwerbung aus dem Jahre 1930 an, in der es in der Zeitschrift Photoplay heißt:

„Warum glauben so viele Mädchen, dass man in der Liebe nur auf den richtigen Augenblick warten muss? Dass Mondschein, Musik, Atmosphäre dabei eine wichtige Rolle spielen? Romantik ist überall - Nachmittage am Strand, Wandern - ein einfaches Picknick - überall ist Gelegenheit dazu. Aber Sie müssen immer darauf achten, dass sie so gut wie möglich aussehen!“ (Illouz (2003): 44)

[...]


1 Illouz (2003): 28

2 ebd.: 27

3 ebd.: 27f.

4 Vgl. ebd: 28

5 Vgl. ebd: 27

6 Illouz (2003): 28

7 Vgl. ebd.: 29

8 ebd.: 29

9 Vgl. ebd: 29

10 Vgl. ebd: 30

11 Vgl. Illouz (2003): 31

12 Vgl. ebd.: 38

13 Vgl. ebd.: 39

14 ebd.: 44

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Gamification des Liebesmarktes durch Datingapps
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Kulturwissenschaften - Culture, Arts and Media)
Veranstaltung
Game Studies. Ludologische, ikonische und performative Aspekte von Computerspielen
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V454235
ISBN (eBook)
9783668864054
ISBN (Buch)
9783668864061
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gamification, computerspiele, datingapp, tinder, happn, liebesmarkt, liebe, onlineliebe, online, internet, computer, dating, date, markt, game, spiel
Arbeit zitieren
Maleen Junge (Autor:in), 2016, Die Gamification des Liebesmarktes durch Datingapps, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454235

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