Ira et anxius moliri. Die Rolle der Natur des Menschen in Sallusts "Bellum Iugurthinum"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Sallust und der numidische Diadochenkrieg
1.2 Forschungsstand

2. Das Leben des Sallust

3. Corpus et Animus

4. Jugurtha als Antagonist im Bellum Iugurthinum
4.1 Tapferkeit und großer Geist - Jugurtha als Held Numidiens
4.2 Hass und Feindseligkeit - Jugurtha im numidischen Erbstreit
4.3 Von Lucius bis Bestia - der Römisch-Jugurthinische Krieg
4.4 Der Verrat Bomilcars - Jugurthas Abstieg in die Paranoia
4.5 Die Flucht nach Mauretanien und der finale Verrat

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Als Sallust im Jahre 35/34 vor unserer Zeitrechnung1 in Rom stirbt, ist die Transformation der Spätrepublik2 in einen autokratisch geführten Staat, das römische Kaisertum, fast komplett vollzogen. Sowohl in den letzten Atemzügen der Republik als auch im Frühling der Kaiserzeit wurden von den Bewohnern des Reiches zahlreiche Überlegungen und Spekulationen angestellt, wie es zu dem Verfall der Republik hat kommen können. Es verwundert daher nicht, dass auch Sallust selbst die letzten Jahre der Republik aufmerksam verfolgt, und versucht, sich aus diesen in seinen Augen sicherlich dramatischen Veränderungen einen Begriff zu machen.

1.1 Sallust und der numidische Diadochenkrieg

Die Meinung, dass nicht Götterzorn, sondern die Taten von Individuen zu dem Kollaps der Republik geführt haben können, ist ein Alleinstellungsmerkmal von Sallust und seinen Schriften; in seinen Erzählungen bestimmt das Wesen des Menschen und eine strikte Dichotomie von Körper und Geist das Handeln der auftretenden Personen,3 und damit den Lauf der Geschichte.

Von diesem Bild geprägt, versucht Sallust historiographisch aktiv zu werden:

Mit dem Tod des Numiderkönigs M1C1PSA im Jahre 118 v.u.z. werden eine Reihe von Ereignissen ins Rollen gebracht, die sich unter der Bezeichnung ״Jugurthinischer Krieg" zusammenfassen lassen; Sallust wählte, ein gutes halbes Jahrhundert nach dem Geschehen, diesen Konflikt aus, um an ihm beispielhaft die inneren Probleme der Republik seinen Zeitgenossen und der Nachwelt anschaulich zu machen. Sein zweites großes Werk4 Bellum Iugurthinum ist eine der bekanntesten Schriften Sallusts, und wird von einigen Historikern mit Thukydides' Beschreibung des peloponnesischen Krieges5 verglichen.6

Unabhängig vom Erzählstil Sallusts ist es jedoch eindeutig, dass seine Vorstellung von Körper und Geist den Verlauf der von ihm erzählten Geschichte bestimmen. Doch oftmals ist es so, dass in antiken Historiographien, ja sogar noch bis in die Spätantike, Feinde als eindimensional böse dargestellt werden. Wenn der Mensch in Sallusts Gedankenwelt jedoch inhärent von zwiegespaltener Natur ist, lässt sich dann diese Zweidimensionalität auch in der Darstellung der Handlungen und Motive der Gegenspieler Roms wiederfinden? Kurzgefasst:

Wie wirkt sich das Menschenbild von Sallust auf die Darstellung der Antagonisten im Bellum Iugurthinum aus?

Um diese Frage beantworten zu können, wird zunächst versucht, die Gedankenwelt Sallusts und seine Vorstellung des menschlichen Daseins zu entschlüsseln; da diese auch von seinen persönlichen Erfahrungen geformt sein werden, lohnt es sich im ersten Kapitel die Biographie Sallusts anzuschauen und herauszufinden, welche Stationen seines Lebens Sallust wohl am meisten geprägt haben.

Anschließend wird der Antagonist7 im Jugurthinischen Krieg genauer untersucht; Findet eine Entwicklung des Charakters statt? Spiegelt sich das Menschenbild Sallusts in Jugurtha wider? Wenn ja; Worin wird diese Entwicklung begründet? Um diese Fragen beantworten zu können, wird vor Allem der erste Teil des Bellum Iugurthinum untersucht, da dieser für den Charakter des Jugurtha am aussagekräftigsten erscheint.

1.2 Forschungsstand

Neben Scanlon haben sich viele andere Historiker mit Sallust und dem Bellum Iugurthinum befasst.8 Der ״Klassiker" unter den Werken, die sich mit dem ersten lateinischen Historiographen befassen, ist wohl immer noch das Werk ״Sallust" von Ronald Syme9 - dieses wurde 1964 in Kalifornien veröffentlicht und ist eins der am meisten zitierten Werke im Themenkomplex.

Stéphane Gsell hat 1928 mit seiner Histoire ancienne de l'Afrique du Nord eine Reihe ins Leben gerufen, in welcher sich der siebte Band ״La république romaine et les rois indigènes" ebenfalls intensiv mit Numidien und der rei publicae auseinandersetzt.10 Der Themenkomplex rund um die Kontroverse von Cirta, bei der die Massenexekution zahlreicher italischen Händler den Kriegseintritt Roms verursacht haben soll, wird von vielen Forschern abgedeckt. Dabei stechen drei Namen besonders heraus: So beschäftigt sich Josef Löffl in seiner Monographie ״Negotiatores in Cirta"11 mit Sallusts Version, bezieht aber ebenfalls lateinische und griechische Parallelübersetzungen mit ein. Robert Morstein-Marx12 hingegen stellt die Glaubwürdigkeit der überlieferten Ereignisse von Cirta generell in Frage, die Untersuchung von Saumagne13 ist dabei ausschlaggebend für die moderne Geschichtswissenschaft; schon 1966 geht er von der These, die auch Morstein-Marx teilt, aus.

2. Das Leben des Sallust

Sallust wird ״in den 80ern"14 v.u.z. entweder in der Sabinerstadt Amiternum oder in Rom selbst geboren; wenig ist uns über seine Kindheit bekannt, vieles wird spekuliert, klar ist jedoch das c. Sallustius Crispus als Kind der wohlhabenden Sallustii, einer italischen Ritterfamilie, geboren wird. Schon als junger Mann geht Sallust nach Rom (oder bleibt dort, abhängig davon, wo er geboren wurde), dort erhält er eine qualifizierte politische und rhetorische Ausbildung und absolviert in den 60er Jahren dann sein tirocinium fori15. Nur kurze Zeit später, von einer luxuria angesteckt, ist er gezwungen sein Stadthaus zu verkaufen; der Ruin, den ihm seine Verschwendungssucht bringt, ist etwas, was Sallust nachhaltig prägt; in fast allen seinen Werken prangert er diese Sucht bei sich und anderen an, und warnt davor, ihr zu verfallen.

Als Angehöriger der équités16 macht ihn sein politisches Streben zu einem homo novus, durch seine vermutlich frühe Wahl zum Quaestor 54 v.u.z. wird er ein bekanntes Gesicht in Rom.17 Unklar ist, ob er hierbei den Regeln des cursus honorum folgt, oder es stattdessen durch seinen Ehrgeiz und sein Geschick schafft, Ämter frühzeitig zu besetzen.18

Sallust ist in seinem jungen Erwachsenenalter keine unumstrittene Person (so wird er beispielsweise von T. Annius Milo beim Ehebruch mit dessen Frau, Fausta, erwischt); später wird er den Grund für sein Fehlverhalten allerdings in den Menschen um ihn herum finden.

So schreibt er in seinem ersten Werk de coniuratione Catilinae in dem Proemium über diese Zeit:

״Sėd ego adulescentulus initio, sicuti plerique, Studio ad rem publicam latus sum, ibique mihi multa advorsa fuere, nam pro pudore, pro abstinentia, pro virtute audacia, largitio, avaritia vigebant.”19

Als Befürworter der Populäres bekleidet Sallust dann als Quaestor das erste politische Amt20 und wird in den Senat aufgenommen. Wahrscheinlich durch die Nähe zu c. Iulius Caesar, welcher ab 50 v.u.z. im Konflikt mit einem Großteil des Senats und der Republik steht, wird Sallust 50 v.u.z. von Appius Claudius Pülcher aus dem Senat verbannt.21 Daraufhin schließt sich Sallust offiziell der Seite Caesars an, und kämpft ab 49 v.u.z. gemeinsam mit ihm gegen den republikanischen Senat, welcher unter der Führung von Caesars ehemaligem Verbündeten Cn. Pompeius steht - auch wenn die Rohe Sallusts im Bürgerkrieg von 49-45 v.u.z. so nebensächlich zu sein scheint, dass er im Commentarli de Bello Civili keine Erwähnung findet.22

Fest steht, dass Sallust von 49-46 v.u.z. strikt im Dienste Caesars steht; er befehligt Legionen in Illyricum, ist im Jahre 48 v.u.z. wieder einmal Quaestor23 ^ und nimmt 46 v.u.z. am Africafeldzug Caesars teil. Noch im selben Jahr erlangt Sallust dann das Prokonsulat über die neu erworbene provincia Africa Nova.24 Wahrscheinlich ist es genau diese Phase, in der er als Magistrator Africas die Quellen über den numidischen Diadochenkrieg, der zwei Generationen vorher stattgefunden hatte, sichtet und ordnen kann.25

Mit dem Idus Mártii 44 v.u.z. kommt plötzlich das jähe Ende von Sallusts Karriere; der starke Befürworter Caesars ist offensichtlich von dessen Mord erschüttert. Von der Tat seiner collegarum angewidert zieht sich Sallust zurück. In der Quellenedition schreibt BÜCHNER:

[...]


1 Der Verfasser hat sich dazu entschlossen, in der nachfolgenden Arbeit die Jahreszahlen weder in ״vor Christus" [v.Chr.], noch in ״ab urbe condita" [а.и.c.] anzugeben. Stattdessen werden die Jahreszahlen in dem in Frankreich üblichen (aber sich mittlerweile auch im englischen Sprachgebrauch verbreiteten - siehe ВСЕ und CE] ״vor unserer Zeitrechnung" [v.u.z.] und ״nach der Zeitenwende"(n.Z.] angegeben, was von den Jahreszahlen an sich gleichbedeutend mit vor oder nach Christus ist.

2 Im nachfolgenden Text verwendet der Verfasser die Bezeichnung ״Republik" für das Römische Reich vor 30 V.U.Z., auch wenn der Ausdruck res publica selbst nicht direkt mit Demokratie, Aristokratie o.ä. Herrschaftsformen zu verbinden ist; für das Reich nach 30 v.u.z. wird die Bezeichnung ״Kaiserreich" oder, simpler, ״Reich" verwendet.

3 Siehe Kap. 2: Corpus et Animus.

4 Sallusts erstes großes Werk de coniuratione Catilinae behandelt die Verschwörung Catilinas, ebenfalls eine Analyse der Innenpolitik Roms. Zwei andere Werke sind vor Catil. entstanden, unklar ist jedoch ob diese tatsächlich von Sallust stammen; zum einen ist dies Invectiva in M. Tullium Ciceronem, ein Pamphlet als Antwort auf eine Rede Ciceros, und Epistulae ad Caesarem senem de re publica, zwei Briefe an Caesar, die auf 51-46 v.u.z. datiert sind und Caesar loben, aber auch zur Mäßigung ermahnen. Vgl.: SCHMIDT, Peter L: Art. Sallustius, [II3] c.s. Crispus, II. Werke, DNP. Siehe auch: Ps.-Sall., in Tull; Ps.-Salt, rep..

5 Kein Originaltitel vorhanden; Thuk., Geschichte des Peloponnesischen Krieges.

6 So sieht beispielsweise Thomas Francis Scanlon in seiner Dissertation Parallelen zwischen Konzepten wie superbia und Αυχημα, venaba und Κεραδαλέον, oder dem röm. dissensio civilis vgl. mit der griechischen Στάσις. Siehe: Scanlon, Thomas Francis: The Influence of Thucydides on Sallust, Dissertation, Ohio State University 1978, online vfg. unter: https://etd.ohiolink.edu/! etd.send_file?accession=osul487081821616579&disposition=inline (Zuletzt abgerufen am 12.08.18J.

7 Jugurtha selbst.

8 So baut Lydia Spielbergs Artikel auf den Erkenntnissen Scanlons auf: Spielberg, Lydia: Language, Stasis and the Role of the Historian in Thucydides, Sallust and Tacitus, in: The American Journal of Philology 138, Nr. 2 (2017], s. 331-373.

9 Syme, Ronald: Sallust, University of California 1964.

10 Gsell, Stéphane: La république romaine etles rois indigènes, in: Histoire ancienne de l’Afrique du Nord Bd. VII, Paris/Hachette 1928.

11 Löffl, Josef: Negotiatores in Cirta. Sallusts Iugurtha und der Weg in den jugurthinischen Krieg, Berlin 2014.

12 Morstein-Marx, Robert: The Alleged ״Massacre" at Cirta and Its Consequences (Sallust Bellum Iugurthinum 26-27], in: Nooter, Sarah (Hrsg.J: Classical Philology 95, Nr. 4 (2000].

13 Saumagne, Charles: La Numidie et Rome: Masinissa et Jugurtha, Paris 1966.

14 Hinweise auf das Geburtsdatum Sallusts gibt uns Hieronymus' Temporum Uber (oder auch Chronicori), welches ungefähr 380 n.z. in Konstantinopel verfasst wurde; demnach soll Sallust 86 v.u.z. geboren worden sein. Ronald Syme plädiert für 87 V.U.Z., vgl.: Syme, Ronald: Sallust (1964], s. 13; Der Neue Pauly hingegen geht vom 1. Oktober 86 v.u.z. aus, vgl.: FONDLING, Jörg; Eck, Werner; Schmidt, Peter L; Portmann, Werner: Art. Sallustius, s.v. II3 c.s. Crispus, DNP Online (2006], Online vfg. u.: http://dx.doi.org/10.1163/1574-9347_dnp_el028230 (zuletzt abgerufen am 27.07.18].

15 Die politische Lehrzeit, wortwörtlich übersetzt die "forensische Rekrutenzeit”, ist eine meist einjährige Ausbildung bei bekannten Rednern, Politikern und Anwälten, und meist den Söhnen der Oberschicht Vorbehalten. Vgl.: Ede, Walter: Art. Tirocinium fori, DNP Online.

16 D.h. als Angehöriger des Ritterstandes.

17 Aus dieser Zeit stammt auch die als Senatsrede gehaltene oder aber fingierte Schrift gegen Cicero: Ps.-Sall., in Tull..

18 Wobei das Brechen der Regeln des cursus honorum in der Spätrepublik keine Seltenheit ist, und niemandem wirklich aufgefallen wäre.

19 ״Ich nun wurde als ganz junger Mann wie die meisten zuerst aus Neigung in das Staatsleben getrieben; in diesem aber war mir vieles widerwärtig. Denn nicht Gewissen, nicht Redlichkeit, nicht Geisteskraft, nur Frechheit, Bestechungslust, Habsucht galten. Sali., Catil., 3(4].

20 Der genaue Zeitpunkt der Quaestur ist umstritten; entweder bekleidet er das Amt ab 55 oder ab 54 v.u.z., vgl.: Schmidt, Art. Sallustius, DNR

21 Hier sind die Epistulae ad Caesarein von großer Relevanz für die moderne Forschung; falls diese Briefe an Caesar authentisch sind, könnten sie einen Grund für den Ausschluss Sallusts aus dem repub./pompeiischen Senat bilden. Siehe: Ps.-Sall., rep..

22 Siehe: Caes., civ; vgl. auch: Syme, Sallust 1964, s. 36.

23 Im darauffolgenden Jahr, 47 v.u.z., wird Sallust von Aufständischen in der Nähe Roms bedrängt, und kann nur knapp mit dem Leben davonkommen, wie Appian und Cassius Dio beschreiben: App., civ, 92; Cass. Dio, XLII, 52.

24 Siehe: Schmidt, Art. Sallustius, DNP; sowie: Syme, Sallust 1964, s. 37.

25 Zu der Quellenlage Sallusts: LÖFFL, Negotiatores 2014, Kapitel 2.3 Sallusts Quellen und ihre Handhabe, s. 25-31.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ira et anxius moliri. Die Rolle der Natur des Menschen in Sallusts "Bellum Iugurthinum"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Marius und Sulla - Die Spätrepublik
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V452731
ISBN (eBook)
9783668851320
ISBN (Buch)
9783668851337
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugurtha, Sallust, Antagonismus, Rom, Iugurtha, Jugurta, Numidien, Cirta, Bellum, Iugurthinum, Thukydides, Marius, Sulla, Mauretania
Arbeit zitieren
Johann B. Hasler (Autor:in), 2018, Ira et anxius moliri. Die Rolle der Natur des Menschen in Sallusts "Bellum Iugurthinum", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452731

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ira et anxius moliri. Die Rolle der Natur des Menschen in Sallusts "Bellum Iugurthinum"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden