Europas Raumfahrtstrukturen im Wandel - Die EU will abheben


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Principal-Agent-Modell in der Politikwissenschaft

3. Die institutionelle Annäherung zwischen EU und ESA

4. Europa geeint ins All: Zusammenarbeit von EU und ESA

5. Zusammenfassung, Schlussbetrachtung und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Vision, die antreibt, und Wirklichkeit, die Nutzen stiftet - Raumfahrt ist beides zugleich. Raumfahrttechnik bereichert das Leben in vielerlei Hinsicht. Raumfahrttechnik schafft Infrastrukturen im All, die, erst im Verbund genutzt, ihr volles Potential entfalten.

Zur Realisierung gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Ziele erfordern diese Welt-rauminfrastrukturen Kooperation und Arbeitsteilung in Europa. Um den harten internationalen Wettbewerb zu bestehen, ist eine europäische Raumfahrtstrategie von Nöten. Demzufolge ist eine Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Weltraum-organisation ESA (european space agency) und der Europäischen Union unverzichtbar.

Drei weise, erfahrene und hochgeschätzte Männer aus verschiedenen Teilen Europas sagten einmal:

„A Europe without a clear space policy and a clear commitment to space as an integral part of its other policies will be a Europe that limits its own possibilities of success.“[1]

Im Jahr 2000 setzten sich diese „wisemen“, der ehemalige schwedische Ministerpräsident Carl Bildt, der französischer Finanzfachmann und Bankmanager Jean Peyrelevade und der deutsche CDU-Politiker Lothar Späth, in ihrem Report „Towards a Space Agency for the European Union“ für eine gemeinsame Weltraumstrategie der EU ein. Weiter heißt es da:

„We must thus integrate space fully in our over-all policy efforts. This is the difference between a Europe willing also to lead and a Europe only capable of following.“[2]

Demzufolge eröffnet eine gemeinsame Weltraumpolitik der EU die Möglichkeit, sich auf dem Markt für Weltraumtechnologien zu positionieren und die Entwicklung eigener Systeme durch andere Weltraumnationen zu verhindern.

Heute werden die europäischen Weltraumaktivitäten maßgeblich von der ESA und der EU zusammen gestaltet.

Die vorliegende Arbeit soll den Weg dahin rekonstruieren. Die ESA und die EU werden auf ihrem Weg ihrer Annäherung, der europäischen Weltraumpolitik betreffend, begleitet. Dabei helfen die Antworten auf folgende Fragen: Wie wurde die europäische Weltraumpolitik früher und wie wird sie heute gestaltet? Wie hat sich die europäische Weltraumpolitik bis heute entwickelt? Gab es einen Wandel in der Akteurstruktur? Wenn ja, warum? Kann man bereits von einer europäischen Weltraumpolitik sprechen, an der sich alle Mitgliedstaaten beteiligen oder verfolgt noch immer jeder einzelne EU-Mitgliedstaat nationale Raumfahrtprojekte?

Die Beantwortung der Frage, nach der Notwenigkeit der Kooperation zwischen ESA und EU, im Hinblick auf eine europäische Weltraumpolitik, wird die Arbeit abrunden. Es ist zu vermuten, dass eine Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten in dem hier betrachteten Politikfeld „Space Policy“ sinnvoll, effektiv und demzufolge erstrebens-wert ist.

Der hier zu untersuchende Zeitraum umfasst eine Periode von knapp fünfzehn Jahren. Er beginnt mit der institutionellen Annäherung zwischen der ESA und der EG im Jahr 1988, als die Europäische Kommission erstmals eine umfassende Raumfahrtstrategie formuliert hat, läuft weiter mit der Veröffentlichung des Reports „Towards a Space Agency for the European Union“ der „wisemen“ im Jahr 2000, geht über die Bekanntgabe des Green Paper „European Space Policy“ im Januar 2003 und endet mit der Präsentation des Aktionsplans, dem so genanntem White Paper „Space: A new European frontier for an expanding Union“, durch die Europäische Kommission im November 2003. Auf dessen Grundlage sollen Vertreter der Europäischen Kommission und der ESA bis Ende 2004 eine europäische, und damit gemeinsame, Weltraum-strategie entwerfen.

Auf die Entwicklung der europäischen Weltraumpolitik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis Ende der 1980er Jahre wird hier nur sehr kurz eingegangen.

Nach den einführenden Überlegungen im ersten Kapitel wird im zweiten Kapitel die Prinzipal-Agent-Theorie kurz erläutert. Sie untermauert die Problemstellung in unserem Fall theoretisch.

Im dritten Kapitel wird die Entwicklung der institutionellen Annäherung zwischen dem Prinzipalen EU und dem Agenten ESA dargestellt. Der Betrachtungszeitraum beginnt im Jahr 1988 und endet im Jahr 2003. In dieser Zeitspanne werden die wichtigsten Etappen der europäischen Weltraumpolitik, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aufgeführt.

Im vierten Kapitel werden zwei europäische Weltraumprojekte, das europäische Satellitennavigationsprogramm GALILEO sowie das Erdbeobachtungsprogramm GMES (Global Monitoring for Environment and Security), vorgestellt. Sie sind richtungweisend für die weitere Entwicklung der europäischen Kooperation im Weltraum.[3]

Das fünfte und letzte Kapitel fasst die Erkenntnisse zusammen und bietet einen kleinen Ausblick.

2. Das Principal-Agent-Modell in der Politikwissenschaft

Ein maßgebliches Modell aus der Disziplin der Internationalen Beziehungen ist das so genannte Principal-Agent-Modell. Es baut auf der Denkschule des Institutionalismus auf. Wie jedes Modell versucht auch dieses Modell, die Komplexität zu erfassen und mittels der Unterscheidung zwischen dem Prinzipalen und Agenten, ein handhabbares Abbild der Realität zu entwerfen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Abbildung: Grundidee der Principal-Agent-Theorie[4]

Der Prinzipal, in unserem Fall die Mitgliedstaaten der EU in Ausübung der Europäischen Kommission, legt seine Kompetenzen zusammen (das so genannte „pooling“) und überantwortet deren Ausübung einem oder mehreren Agenten, meist einer supranationalen Institution, um Kollektivprobleme besser lösen und mithin ihr Kollektivwohl steigern zu können. Der Prinzipal kalkuliert und handelt demnach rational. Der Agent ist in unserem Fall die ESA.[5]

Kurz zusammengefasst heißt das, dass der Agent das Kollektivhandeln des Prinzipals ermöglichen und fördern soll. Zu diesem Zweck übernimmt der Agent bestimmte Aufgaben, welche vom Prinzipal nicht mit gleicher Effektivität ausgeführt werden kann.

Dabei ist zu bedenken, dass der Prinzipal über das Handeln des Agenten nur unvollständig informiert ist. Dieses Problem wird „moral-hazard“ genannt. Es besteht also eine asymmetrische Informationsverteilung zu Lasten des Prinzipals. Um den Agenten zu kontrollieren, bedarf es Überwachungskosten, den so genannten Transaktionskosten.

Ein weiteres Problem stellen die so genannten „unvollständigen Verträge“ dar. Während der Gründungsphase der ESA war es wichtig, dass sich die EU über die substanzielle Rolle und institutionelle Gestalt der sich neu herausgebildeten Europäischen Weltraumbehörde einig war. Die EU, in Funktion der Europäischen Kommission, einigte sich zunächst nur auf ein unvollständiges Vertragswerk, um ein Kooperationshindernis zu überwinden. In diesem so genannten „incomplete contract“ formulierten sie allgemeine Ziele und konkretisierten nur solche Kooperationsprojekte, über die bereits Konsens erzielt werden konnte. Weiterhin legte die Europäische Kommission darin Regeln für Entscheidungen in nicht vorhergesehenen oder vorhersehbaren Situationen fest. Die ESA hat das Mandat, diesen unvollständigen Vertrag nach und nach detailliert zu ergänzen und im Falle künftig auftretender Kollektivprobleme Vorschläge zur Vertragsrevision zu machen. Man spricht dann von dem so genannten Initiativrecht oder der agenda-setting-Befugnis. Damit kann einer kollektiven Handlungsunfähigkeit oder einem Rückfall in Alleingänge vorgebeugt werden.[6]

Im nun folgenden Kapitel wird die Entwicklung des Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses hinsichtlich einer Europäischen Weltraumpolitik zwischen EU und ESA nachgezeichnet.

3. Die institutionelle Annäherung zwischen EU und ESA

Um in Europa wissenschaftliche Weltraummissionen durchführen und ein eigenes Trägersystem entwickeln zu können, wurden 1964 die ELDO (European Launcher Development Organization) und die ESRO (European Space Research Organization) gegründet.

Am 31. Mai 1975 wurden diese Organisationen zur ESA zusammengeführt. „Formal begann damit ein neues Kapitel der Europäischen Raumfahrt.“[7] Ziel war es, eine „long-term European space policy“ auszuarbeiten und durchzuführen und damit Europa zu einer autonomen Nutzung des Weltraums zu verhelfen.[8]

In der ESA-Konvention bot die Zweckbestimmung in Art. II einigen Interpretations-freiraum.

„Zweck der Organisation ist es, die Zusammenarbeit europäischer Staaten für ausschließlich friedliche Zwecke auf dem Gebiet der Weltraumforschung, der Weltraumtechnologie und ihrer weltraumtechnischen Anwendungen in Hinblick auf deren Nutzung für die Wissenschaft und für operationelle Weltraumanwendungs-systeme sicherzustellen und zu entwickeln (...).“[9]

„Friedlich“ muss nicht gleichbedeutend mit „nicht militärisch“ sein. Eindeutig war aber, dass jedwedes Militärische auszuschließen war.

Die ESA sollte vier Aufgaben erfüllen. Zum einen sollte sie die langfristige europäische Weltraumpolitik ausarbeiten und durchführen und die Weltraumzielsetzungen der Mitgliedstaaten[10] in Einklang bringen. Zum anderen sollte sie eigenständige Weltraum-programme ausarbeiten und dabei eine Integrations-, Koordinations- und Umsetzungs-funktion ausüben. Eine gemeinsame Industriepolitik sollte das Gelingen ihrer Vorhaben begünstigen.[11]

Die ESA behielt, ungeachtet ihrer integrativen Anstrengungen, einen rein kooperativen Charakter. Mit supranationalen Vollmachten wurden ihre Organe, der ESA-Rat und der ESA-Generaldirektor, nicht versehen.

[...]


[1] Bildt, Carl / Peyrelevade, Jean / Späth, Lothar: Towards a Space Agency for the European Union (Paris 2000): 2.

[2] ebd.: 7.

[3] Vgl. dazu Reinke, Niklas: Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik. Konzepte, Einflussfaktoren und Interdependenzen 1923-2002 (München 2004), S. 398.

[4] Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Principal-Agent-Theorie.

[5] Vgl. dazu Schmidt-Tedd, B.: Rechtliche Implikationen der gemeinsamen ESA/EU-Raumfahrtstrategie, in: Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht, 2001 (50/2), S. 203.

[6] Vgl. dazu Rittberger, Volker/Zelli, Fariborz: Europa in der Weltpolitik: Juniorpartner der USA oder antihege-moniale Alternative? (Tübingen 2003), S. 3-4.

[7] Reinke, Niklas: Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik. Konzepte, Einflussfaktoren und Interdependenzen 1923-2002 (München 2004): 161.

[8] Vgl. dazu Schrogl, Kai-Uwe: Die Raumfahrtpolitik der Europäischen Union aus deutscher Sicht, in: Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht, 1998 (47/1), S. 59.

[9] Konvention der Europäischen Weltraumagentur ESA von 1975, Artikel II.

[10] Gründungsmitglieder der ESA waren Belgien, die BRD, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Schweden, die Schweiz und Spanien; Irland unterzeichnete die Konvention im Dezember 1975; Österreich und Norwegen traten 1987 bei, Finnland 1995 und Portugal 2001. Kanada ist seit 1979 enger Kooperationspartner der ESA.

[11] Vgl. dazu Reinke, Niklas: Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik. Konzepte, Einflussfaktoren und Interdependenzen 1923-2002 (München 2004), S. 162.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Europas Raumfahrtstrukturen im Wandel - Die EU will abheben
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Hauptseminar: Internationale Weltraumpolitik
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V45238
ISBN (eBook)
9783638426725
ISBN (Buch)
9783640099047
Dateigröße
637 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europas, Raumfahrtstrukturen, Wandel, Hauptseminar, Internationale, Weltraumpolitik
Arbeit zitieren
Tina Dutschmann (Autor:in), 2004, Europas Raumfahrtstrukturen im Wandel - Die EU will abheben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45238

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