Wie erfolgreich waren Ansätze politischer Planung in der bundesdeutschen Ministerialverwaltung in den späten 1960er bis Mitte 1970er Jahre?


Hausarbeit, 2018

16 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

2. Grundfagen
2.1 Historischer Kontex:t
2.2 Institutioneller KontexL
2.3 Theoretische und gesellschaftl iche Grundlagen

3. Ansiitze planungsorientierter Reformen der bw1desdeutschen politischen Verwalnmg
3.1 Vorschl age und MaBnahmen
3.2 Probleme in der Praxis

4. Zusammenfassung und Bewenung
4.1.Kurze Zusammenfassung wesentl icher Ergebnisse
4.2 Bewertung

Literaturverzeichni

l.Einleitung

In der vorliegenden Arbeit stelle ich. die Frage, welchen Erfolg die Ansatze politischer Planung im Sinne einer umfassenden pol itischen Steuerung in der Zeit zwischen den spaten 1960er Jahren und Mitte der 1970er Jahre beziigli ch der westdeutschen Ministerialverwaltungen des Bundes aus heutiger Sicht batten. Hierzu werde ich mich mit den Debatten beschiiftigen, die in der besab'ten Zeit iiber eine Modernisienmg der Strukturen der Ministerialverwaltung auf Bundesebene hin zu einer proaJ..t:iv handelnden, planenden und Zusammenhange berucksichtigenden politischen Verwaltung gefUhrt wurden. Unter Handeln der Yerwaltungen der Bundesministerien soll im Folgenden in erster Linie Politikformul ierung beziehungsweise Programmentwicklung verstanden werden. Damit soli nicht geleugnet werden, dass die Bundesministerien durchaus noch andere Kompetenzen haben, jedoch gehoren diese .tu Themen, die nicht in dieser Hausarbeit fokussiert werden soilen.

Die zugrundeliegenden systemtheoretischen Oberlegungen und die Diskussionen tiber die Machbarkeit, Notwendigkeit und ihre Ausgestaltung politischer Planung sollen vorgestellt werden und in Bezug zur bundesdeutschen l'vlinisterialbiirokratie gesetzt werden. Das heiJ3t, nach einer historischen und institutionellen Kontextualisierung der eben erwahnten Debatten wenden wir uns systemtheoretischen Ansatzen aus der Verwaltungswissenschaft und Soziologi e zu. Dabei wird auch der Planungsbegriff zu definieren sein. Die Koharenz von Systemtheorie und politischer Planung wird herauszuarbeiten sein und in Bezug zur politischen Verwaltung zu setzen sein.

AnschlieBencl werden die Versuche, entsprechende Ansiitze in der bundesdeutschen Ministerialverwaltung umzusetzen, eingehender betrachtet und die Probleme dargelegt, die sich in diesem Zusammenhang stellten.

Gegen Ende der Arbeit werden Kempunkte dieser Arbeit kurz rekapit1.1liert und schliel3lich eine Antwort auf die dieser Hausarbeit zugrundeliegende Frage formuliert werden, ob und inwieweit entsprechende Ansatze zur Reformierung der Ministerialbiirokratie als erfol greich oder gescheitert anzusehen sind.

Die Beschaftigung mit diesem Them a erscheint aus zwei GrUnden interessant: Zum Einen erscheint der Gedanke eines proaktiven Staates, also einem, der nicht auf Probleme reagiert, sondern die Herausforderungen der Zukunft in der Gegenwart antizipiert und vorausschauend handelt, reizvoll. So wird beispielsweise der bundesdeutschen Burokratie eine rein reaktive Vorgehensweise in der Umweltpolitik attestiert und zum Vorwurf gemcht. Zum Anderen wird heute wie damals ein zu Starkes Denken i n Ressortzustandigkeiten an der politischen Verwaltung bemangelt. Der Umweltschutz beispielsweise wird als eine mehrere Ressorts betreffende Aufgabe angesehen, der erhohte Prioritat gegeniiber anderen Politikfeldem zugemessen werden musste und von den unterschiedlichen Ressorts gemeinsam bearbeitet werden miisste (Hucke 2001: 77-80). Dabei heiBt es in der Gerneinsamen Geschaftsordnung der Bundesministerien im fiinften Kapi tel, Zusammenarbeit, im ersten AbscJmitt, Zusammenarbei t innerhal b der Bundesregienmg, in §19, Absatz l, dass in Angelegenheiten, die die Kompetenzen mehrerer Ministerien betreffen, selbige zusarnmenarbeiten und sieht auch die Rolle eines im jeweiligen Fall federfiihrenden Ministeriums vor (Gerneinsame Geschaftsordnung der Bundesministerien 2011). Zurnindest zwischen den Ministerien sieht die Gemeinsarne Geschaftsordnung also eigentlich eine gemeinsame Bearbeitung von Politikfelder iibergreifenden Themen vot. Wie noch zu zeigen sein wird. konnten die folgenden Ansatze dern einen oder anderen Leser zumindest auf den ersten Blick als suffiziente Mittel gegen die genannten Obel erscheinen.

Betreffend die Form mochte ich darauf hinweisen, dass ich aus Gtiinden der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung der femininen und maskulinen Sprachform verzichte.

2. Grundlagen

2.1 Historischer Kontext

Die erste Koalition aus SPD und CDU/CSU im Bund von 1966 bis 1969 und die mit ihr verbundenen 11ehrheitsverhaltnisse im Deutschen B undestag erlaubte erstmals seit GrUndung der Bundesrepublik grof3ere Veriindemngen im Geftige der politischen Verwaltung. In ihre Zeit flillt die Gtiindung der Projektgmppe Regiemngs- und Verwaltungs reform bei m Bun desmin ist eri um des Jnn e ren. Sie solite als Querschnittsinst i tu tion Themen de r Refor m pol i tik i n d as System d er Ministerialverwaltungen implementieren. Dies wird womoglich auch daran deutlic.h, dass si e aus Vertretern der Bundesministerien bestand . Als probl ematische Eingangsbedingungen in Deutschland erachteten die :Mitglieder der Projektgmppe die unzureichende Beachtung der langfristigen Folgen von Gesetzen, erhebliche Defizite in der Effektlvitiit politlscher Programme und das Febe!n eines Gesamtkonzeptes der politischen Steuemng (Veith 2010: 61 f.; vgl. auch Schatz 1974: 28} lmmerhin war bereit In der Gemeinsamen Geschaftsordnung von 1960 vorgeschrieben, dass die zu envartenden Kosten eines neuen Gesetzes in dessen Begtiindung zu beschreiben sind und dass diese unter Hervorhebung der voraussichtlichen Mehr- und Mindereinnabmen u. a. fiir den Bund darzustellen sind (Veith 2010: 63). Die genannten Probleme wurden mit einer unzureichenden Planung der Policies auf Bundesebene in Verbindung gebracht, die Planung des Bundes als in Wahrheit reakti ves Verhalten angesehen (Naschold 1971: 170 f).

2.2 InstitutiOiteller Kolltext

Der Verwaltung der deutschen Bundesministerien kommt eine gewichtige Rolle in der Bildung des politischen Willens und der Programmentwicklung zu (Mayntz 1978: 181 f.). Die Struktur deutscher Bundesministerien lass! sich in Form eines Organigramms gut denken und tei lt sich in die politische Leitungsebene, mittlere Leitungsebene und die Ebene der Basiseinheiten auf, wobei die Ebenen in sich ebenfalls geglieden sind. In der politischen Leitungsebene steht der Minister an der Spitze, ihm folgen die verbeamteten und die in dieser Zeit von der GroJ3en Koalition eingefuhnen Parlamentarischen Staatssekretare, die nach politischen Erwa.gungen aus den Mitgliedem des Bundestags ausgewahlt werden. Unterstiltzend wirken auf dieser Ebene das Ministerburo sowie personliche und Pressereferenten. Die mitt!ere Leitungsebene umfasst die Abteilungsleiter und eventuell Unterabteilungsleiter. Unterabteil ungen sind in solchen Abteilungen ublich, die sehr viele Referate umfassen. Zur Untersrutzung sind hier Sekretariate vorzufinden (Mayntz 1980'. 1338). Diese ist von der Zahl des Personals uberschaubar und verfugt entsprechend tiber keine groJ3e .'Arbeitskapazitat (Mayntz 1978: 189). Die Basiseinheiten schliel3lich bilden in der Regel die Referate, welche eine vergleichsweise uberschaubare GroJ3e haben. Sie konstituieren sich aus dem Referenten, dem Hilfsreferenten und dem Sachbearbeiter. Formell unterstehen beide auf gleicher Hohe dem Referenten, tatsachlich bildet sich haufig die dreigliedrige Hierarchie Referent > Hilfsreferent > Sachbearbeiter heraus. Eine Unterstiltzung stellt gegebenenfalls ein Sekretar dar.

Grundsatzlich kann der 'Minister jede Entscheidung in seinem Haus zur Chefsache macben, ansonsten regelt der Geschiiftsverteilungsplan, welche Abteilung welche Zustandigkei t hat. Neben den Fach- gibt es auch Zentralabteilungen, die Querschnittsaufgaben wie Personal und Organisation verantwotten.

Die Programmentwicklung ist als eine wesentliche Tiitigkeit der Ministerialverwaltung zu sehen, auf die sie ungefahr die Halfte ihrer Arbeitszeit verbringt. Die Initiative zur Entvliicklung eines politischen Programms wiederum stammt zu einem GroJ3teil aus den Referaten, die sie in der Hierarchie nach oben weitergeben. Gleichwohl kommen Initiativen in einem Teil der Faile aus der politischen Leitungsebene, die dann die hierarchisch unter ihr liegende Burokratie urn eine entsprechende Ausarbei tung bittet. Insoweit ist auch von einem Dialog die Rede, in dem die mittlere Leitungsebene eine Vermittlerrolle einnimmt Sie antizipiert den politischen Willen der politischen Leitung und die fachliche Orientierung der Basiseinheiten. Dabei ist darauf hinzuweiseu, dass der besagte Wille sich nicht von Anfang fertig gegeben darstellt, sondem sich aus dem Augenblick heraus wahrend der Abwagung der Vorschlage vetfasst. An dieser Stelle soli auf die Bedeutung der Bundesministerien zur Entwicklung politischer Programme auch im Zusamm engang mit dem politischen System der Bundesrepublik hingewiesen werden: Obwohl dem Bundestag die Fiihigkeit hierzu i.rn Pri nzip zugestanden wird, spielen entsprechende VorstoJ3e aus der Bundesregierung die deutlich wichtigere Rolle (.Mayntz 1980: 1338 f.). Von einer dementsprechenden Bedeutung der Ministerialblirokratie auf Bundesebene ist daher auszugehen.

2.3 Tlteoretische und gesellscltaftliclte Grundlllgen

In der Bundesrepublik wurde in dem hier interessierenden Zeitraum von den spiiten 1960er b!s .Mitte 1970er Jahre ein proaktiver Staat angestrebt. Dieser sollte mit politischen Entscheidungsprozessen arbeiten, die wissenschaftlich rationalisiert sind. .A.ngestrebt v,urde eine stiirkere Beachtung langtiistiger Folgen von Gesetzen, eine hohere Wirkung von politischen Programmen und der Autbau eines Gesamtkonzeptes zur politischen Steuerung. Zusatzlich sollte der Staat aus Erfahrungen Iemen und hohere Summen an positiven Ergebni.ssen beziehungsweise Problemlosungen durch das Zusammenv,irken von Arbeitseinheiten heben konnen (Veith 2010: 62). Dabei wurde nunmehr von der Untrennbarkeit von Pol itik und Verwaltung ausgegangen und eotsprechend der Begriff des politisch-administrativen Systems gepriigt lm Fokus stand die Erhohung der Kapazitat der Regierung und Verwaltung, Informationen und Probleme zu verarbeitcn. Durch einen, sozusagen hOh eren Intellekt der Regier ungsbiirokratie und damit auch der Mi nisteri al verwaltung sollte eine zielstrebige Politik ermoglicht werden, die irt Abgrenzung zu einer reaktiven, schrittweisen zu verstehen ist. Innere Reformen und somit Reformen der biirokratischen Strukturen v,urden gefordert, urn so dM MaJ3, in dem das politisch-administrative System zur politischen Steuerung in der Lage ist, zu erhittien. Ebenfalls erwahnt werden sollte, dass im Zeitraurn der 1960er Jahre verstarkt von der Notwendigkeit des Staates, etwa in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen einzugreifen, ausgegangen wurde. Uberdies wurde dem Staat in geradezu optimistisch-euphorischer Weise die grundsatzliche Fahigkeit zugetraut, die Gesellschaft in erheblicher und nachhaltiger Weise zu beeinflussen. (Jann 2010: 179).

In theoretischer Hinsicht kniipfen die oben erwahnten Vorstellungen an David Fastons Systemtheorie von der politischen Steuemng an. Demzufolge vollzieht sich poli tische Steuerung als linear -kausal verlaufender Prozess der Planung bzw. Problemverarbeitungsprozess und impliziert ein hierarchisches Verhaltnis des steuemden Staates gegeniiber dem Objekt der Steuerung. Demzufolge gibt die Gesellschaft von ihr artikulierte Probleme als Input in das politisch-administrative System ein, welches unter dem Stichwort conversion in politische Programme transformiert und schlieJ3Iich als Output wieder in die Gesellschaft gibt. Dabei kann noch der Output selbst in Form von Gesetzen und Verordnungen, den ihm nachfolgenden Impact, also die Veranderung, die durch den Output bei den Adressaten eintritt und schlieJ3\ich der Outcome als letztliche Auswirkung auf alle Betroffenen unterschieden werden. Dieses Konzept wurde Zyklus weiterentwickelt, in dem der Outcome zu iner Bewertung, anschlief3end zu einem politischen Lemen und schlief31ich zu einer erneuten Wahmehmung von Problemen, also einem emeuten Input fiihrt (Lauth/ Thiery 2012: 275 f.)

Am Ende dieses Unterkapitels soli auf den Begriff der Planung eingegangen werden. Die in dieser Arbeit venl!endete Definition soli sich an der damaligen Planungsdiskussion in Westdeutschland orientieren, da sie schlieB!ich unseren Untersuchungsgegenstand beruhrt. Die Kommission fUr wirtschaftlichen und sozialen Wandel beschliftigt sich in ihrem 27. Band, ,,Politische Planung im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland", mit den uns interessierenden Themen (vgl. Schatz 1974) und ַurde aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung 1970 berufen (Herlt 1977). In besagtem Band wird politische Planung als der Versuch verstanden, den politischen Prozess der Formulierung gesellschaftlicher Bedurfhisse sowie der Bestimmung und Realisierung der, so wortlich, offentlich wal1rzunehmenden Aufgaben zu systematisieren und auf gesamtgesellschaftliche Nutzenkriterien auszurichten. Politische Planung stellt demzufolge eine Steigerung der Rationalitat und Versachlichung des politischen Entscheidungsprozesses dar. Somit wird der Prozess der Planung und der der Entscheidung zu einem einzigen vereinigt. Der Begriff wird zu einem willkdrlich im politischen Entscheidungsprozess einsetzbaren, isolierten Mittel abgegrenzt (Schatz 1974: 2).

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wie erfolgreich waren Ansätze politischer Planung in der bundesdeutschen Ministerialverwaltung in den späten 1960er bis Mitte 1970er Jahre?
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Politische Wissenschaften)
Veranstaltung
Die Rolle der Ministerialverwaltung im politischen Entscheidungsprozess
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V452161
ISBN (eBook)
9783668874299
ISBN (Buch)
9783668874305
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politikfelder Politische Verwaltung Ministerialverwaltung bundesdeutsch
Arbeit zitieren
Marc Colin Hanstein (Autor:in), 2018, Wie erfolgreich waren Ansätze politischer Planung in der bundesdeutschen Ministerialverwaltung in den späten 1960er bis Mitte 1970er Jahre?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452161

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