Plastik in der Risikogesellschaft

Einordnung des Werkstoffs in das Konzept der Risikogesellschaft des Soziologen Ulrich Beck


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

44 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitang

2. Plastik
2.1 Ursprung und Entstehung
2.2 Technologie der Kunststoffe
2.2.1 Allgemeines
2.2.2 Additive
2.3. Auswirkungen von Plastik auf den menschlichen Körper
2.4. Umweltbelastungen durch Plastik

3. Risikogesellschaft
3.1. Grundthese des Konzepts der Risikogesellschaft
3.2. Zentrale Merkmale der Risikogesellschaft
3.2.1. Universalität/Intemationale Ungleichheiten/Bumerang-Effekt
3.2.2. Irreversibilität
3.2.3. Unsichtbarkeit/Wissensabhängigkeit
3.2.4. Unzuständigkeit
3.3. Umweltpolitik zur Risikobewältigung?
3.4. Fehlender Einfluss von Macht in Becks Konzept der Risikogesellschaft?

4. Plastik als Werkstoff in der Risikogesellschaft?
4.1. Allgemeingültigkeit des Plastikrisikos
4.2. Plastik als irreversible Umweltbelastung
4.3. Wissensabhängigkeit und Plastik - ein unsichtbares Problem
4.4. Verortung von Plastik in der Unzuständigkeit der Risikogesellschaft
4.5. Grenzwerte bei Kunststoffen - Beck über Grenzwerte
4.6. Zwischenfazit
4.7. Plastik im Globalen Süden und der Unterschicht

5.Schluss

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Am 4. Juni 2015 kam es in Accra, der Hauptstadt Ghanas, zu einer Katastrophe, bei der mehr als 150 Menschen ihr Leben verloren.1 Das Abwassersystem wurde dem rapiden Anstieg der Bevölkerung nicht angepasst2 ; die ausgehobenen Gräben am Straßenrand waren aufgrund mangelnder Waste-Management-Infrastruktur von Plastikflaschen und -tüten verstopft.3 Nach tagelangen Regenfällen war die Stadt überflutet und viele Menschen suchten Schutz an einer Tankstelle.4 Aus weiterhin ungeklärten Ursachen trat öl aus und führte zu einer verheerenden Explosion. Durch die Überflutung trat Wasser in die Öltanks der Tankstelle ein und erhöhte die Reichweite des Feuers, sodass ein benachbartes Gebäude ebenfalls Feuer fing.5

Der Soziologe Ulrich Beck sieht Risiken als ungewollte Nebenwirkungen von Moderni sierungsprozessen.6 Im Schatten dieser Katastrophe lohnt es sich einen genaueren Blick auf die Rolle des Plastiks in diesem Konstrukt zu werfen.

Welche Risiken beinhaltet die Verwendung von Plastikprodukten? Lassen sich diese Risiken in Becks Konzept der Risikogesellschaft sinnvoll einordnen? Ist Plastik, als omnipräsenter Werkstoff, eventuell sogar exemplarisch für die Risikogesellschaft? Eine Welt ohne Plastik scheint, bedenkt man, dass jede Kabelisolierung aus Kunststoff ist, in der technologiebasierten Moderne nicht mehr möglich zu sein. Wird die Weltgesellschaft durch Kunststoffe zu Becks Risikogesellschaft?

Die Verwendung von Kunststoff steigt kontinuierlich an und wird nicht grundlegend hinterfragt. Langsam gelangt die Debatte um Plastik in die Öffentlichkeit, allerdings sind die Gefahren kaum erforscht, es besteht ein hoher Bedarf zur Forschung, um unbeantwortete Fragen zu klären.7 Es zeigen sich trotz weltweiter Studien zahlreiche Wissenslücken. Die Meeresforschung nimmt eine Vorreiterrolle ein; es gibt eine Vielzahl von regionalen Ergebnissen, aber bereits im Bereich der Süßwasserforschung ist die Faktenlage spärlicher und es finden sich nur beispielhafte Forschungen.8 Es gibt eine Vielfalt an Problemfeldem mit unterschiedlichen Akteuren, was Plastik zu einem weiten Untersuchungsfeld macht.9 Untersuchungen zu Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gelangen noch zu keinem klaren Ergebnis.10 In Versuchen konnten Auswirkungen von Zusatzstoffen in Plastik auf Nager, Insekten, Schnecken und Weichtiere nachgewiesen werden; ob diese Einflüsse auch für den Menschen gelten, bleibt vage.11

Seit 2016 forschen die Goethe-Universität Frankfurt am Main, das Max-Planck-Institut für Polymerforschung und das Institut für sozial-ökologische Forschung gemeinsam im Forschungsprojekt ״PlastX“ nach den Möglichkeiten eines nachhaltigen Umgangs mit Plastik. Johanna Kramm, eine Leiterin des Projekts, spricht von Verursachern, die bei den global vernetzten Risiken durch Plastik auch Betroffene sind.12 Diese Wechselwirkung wird, wenn auch in anderem Zusammenhang, von Beck als Bumerang-Effekt bezeichnet.13 Auch die angesprochene Globalität von Risiken ist eine zentrale These von Becks Risikogesellschaft.14 Es ergibt sich folglich eine inhaltliche Überlappung zwischen der Forschung zu Risiken von Plastik und Becks Risikogesellschaft. Diese Schnittstelle soll im Folgenden untersucht werden.

Dazu wird zunächst der Werkstoff Plastik ausführlich untersucht. Die Entstehung und im Anschluss daran bekannte, gesundheitliche und ökologische Auswirkungen werden dargestellt. Das darauf folgende Kapitel erläutert Ulrich Becks Konzept der Risikogesellschaft und stellt ausgewählte Merkmale dieser Theorie vor. Im letzten Teil der Arbeit werden Eigenschaften des Materials Plastik mit diesen Merkmalen in Verbindung gebracht und auf Gemeinsamkeiten untersucht.

Die Arbeit wurde mithilfe unterschiedlicher Literatur vefasst. Es wurde Sekundärliteratur in Form von Monografien, Sammelbänden, Zeitschriften- und Zeitungsartikeln verwendet. Zusätzlich wurden Studien, beispielsweise vom Umweltbundesamt, zu Rate gezogen. Im Falle von Becks Risikogesellschaft dient das Buch in der ersten Auflage von 1986 als Primärquelle, ergänzt durch spätere Analysen und Besprechungen dieser Idee. Durch die Ausgewogenheit von Quellen soll eine vielseitige Betrachtungsweise eines vielseitigen Problems gewährleistet werden. Es werden unterschiedlichste Aspekte verschiedener Autorinnen und Forscherinnen zusammengetragen. Diese ergänzen sich, sind aber nur eine Auswahl an Informationen. Der weiter oben genannten Forschungslage zur Plastikproblematik geschuldet, kann auch so kein umfassendes Bild skizziert werden, die erwähnte Literatur bleibt eine umfassende Auswahl nach subjektivem Maßstab.

2.Plastik

Wenn im Folgenden von ״Plastik“ die Rede ist, geht es um Kunststoffe - Werkstoffe, die durch von Menschen ausgeführte, chemische Reaktionen entstanden sind.8 Sie kommen nicht in der Natur vor und können nicht von ihr abgebaut werden. ״Plastik“ ist ein umgangssprachlicher Begriff, der sich außerhalb der Werkstoffwissenschaften für dieses Material durchgesetzt hat.9

2.1 Ursprung und Entstehung

Die Geschichte der Kunststoffe beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Grundlage waren zunächst Naturstoffe wie Cellulose, Eiweißstoffe und Kautschuk.10 Charles Goodyear gilt dabei laut Baubiologin Schröder als ״Urvater des Plastiks“.11 Er entwickelte, durch die Mischung von Kautschuk und Schwefel, Gummi. Fast ein Jahrhundert später veröffentlichte Hermann Staudinger eine Arbeit über Polymere und die rapide Verbreitung von Plastik als Allzweckmaterial der Gesellschaft beginnt.12 Er erhielt 1953 den Nobelpreis für Chemie für sein Lebenswerk.13 Dem Franzosen Hilaire Bernigaud Graf gelang 1889 die Herstellung von Kunstseide, dem Amerikaner Roy Plunkett 1938 die von Teflon.14

Diverse Erfindungen, die simultan in unterschiedlichen Teilen der Welt gemacht wurden, läuteten gemeinsam ein neues Zeitalter ein: ״Nach der Steinzeit, der Bronze- und der Eisenzeit haben wir jetzt die Plastikzeit.“15

2.2 Technologie der Kunststoffe

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, sollen an dieser Stelle der Vollständigkeit halber die Grundlagen der chemischen Reaktionen bei der Herstellung von Plastik erläutert werden.

Wie bereits erwähnt, wurden Kunststoffe zunächst aus Naturstoffen hergestellt. Heute ist der wesentliche Ausgangsstoff zur Erzeugung Erdöl, aber auch Erdgas und - in seltenen Fällen - Kohle finden Verwendung.16 In fast allen Fällen handelt es sich also um fossile, nicht nachwachsende Rohstoffe. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission werden 400 Millionen Tonnen C02 durch die Herstellung von Plastik aus fossilen Rohstoffen freigesetzt.17 Nicht nur die Mobilität und Energieerzeugung, auch ein Großteil von Alltagsgegenständen und technischen Errungenschaften sind folglich von konfliktgeladenen Materialien abhängig und leisten ihren Beitrag zum Klimawandel. Industrielle Verarbeitung geht mit hohem Energieverbrauch einher, Transportwege sind häufig lang und werden ebenfalls mithilfe fossiler Brennstoffe vollzogen.

Da nur etwa 5% des geförderten Erdöls zur Plastikherstellung verwendet werden18, soll an dieser Stelle nicht auf die damit direkt verbundenen Konflikte bei der Beschaffung, Förderung und dem Handel, sowie die damit verbundenen ökologischen Konsequenzen bei dessen Verwendung, eingegangen werden. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Problematiken des fertigen Materials Plastik; der dunkle Schatten der Erdölnutzung wird daher nur erwähnt und nicht weiter ausgeführt. Katastrophen, wie der Austritt von 780 Millionen Liter Rohöl in Mexiko 2010, bei der das Ökosystem nachhaltig geschädigt wurde19, Stehen jedoch ebenfalls im Zusammenhang mit dem omnipräsenten Material und dies zu erwähnen, soll nicht vernachlässigt werden.

2.2.1 Allgemeines

Bei der Herstellung in den Produktionsanlagen der Kunststoffmdustrie werden viele kleine Moleküle (Monomere) zu großen Makromolekülen (Polymeren) verknüpft. Makromoleküle sind Moleküle, die aus 1000 Atomen oder mehr bestehen. Aus den Ausgangsstoffen (Erdöl) werden durch chemische Umwandlung und Reaktionen Kunststoffrohstoffe in Form von Pulver, Granulat, Lösungen oder Dispersionen erzeugt; durch Einwirkung von Druck und/oder Wärme werden im nächsten Schritt Plastikteile geformt. Unzählige Patente machen die Vielfalt in der Herstellung deutlich.20

Grob untergliedern lässt sich Plastik in drei Gruppen:

- Thermoplaste

Sie sind wiederholt schmelzbar und lassen sich erneut verformen. Es handelt sich um lineare oder wenig verzweigte Makromoleküle, die durch Wärme eine dickflüssige Gestalt annehmen und mit Druck verformt werden können. Nach dem Abkühlen erstarren die Moleküle und behalten die entsprechende Gestalt.

- Duroplaste

Duroplasten hingegen sind nicht einschmelzbar. Durch Vernetzung einzelner Ketten von Molekülen bilden sich Makromoleküle; Lösungsmittel haben keine Wirkung und Schmelzverfahren zerstören die Verbindung. Die Dichte des Netzes bestimmt die Beschaffenheit des Stoffs: diese engmaschig vernetzten Polymere gelten als hart.

- Elastomere

Elastomere hingegen sind weitmaschig vernetzte Makromoleküle. Sie sind gummiartig und dehnbar.21 Verwendet werden sie als Dichtungsmaterial, Gummistiefel, Autoreifen oder Schnuller.22

2.2.2 Additive

Mit dem wertneutralen Begriff ״Ausgangsstoffe“ ist nicht nur das eingangs erwähnte Erdöl gemeint: ohne Kunststoff-Additive gäbe es keine Kunststoffe.23 Diese Zusatzstoffe beeinflussen die Eigenschaften des Materials hinsichtlich seiner Anwendungsfelder. Lediglich durch deren Einsatz ist die vielfältige Erscheinungsform des Materials möglich. Je nach Eigenschaft erleichtern sie die Verarbeitung, stabilisieren das Endprodukt gegen thermischen oder UV-induzi eiten Abbau, die Farbgebung und Gestalt. Zugesetzt werden sie jedoch in jedem Fall.24

Viele der zur Plastikherstellung notwendigen Chemikalien sind giftig. Da es keine Garantie gibt, dass diese Chemikalien im Plastik gebunden bleiben, können sich gesundheitsgefährdende Zusatzstoffe mit der Zeit durch Abrieb oder auch Wärme lösen. Die Umwelt und der menschliche Körper sind dann in der Lage diese Stoffe aufzunehmen. Besonders Weichmacher, BPA und Flammschutzmittel gelten als gefährlich.32 Anders als bei Zusatzstoffen in Lebensmitteln fehlt bei Plastikprodukten die Kennzeichnung der Inhaltsstoffe für den Verbraucher, auch wenn Lebensmittel mit ihnen in Kontakt kommen. Die Zusammensetzung bleibt Betriebsgeheimnis der Plastikindustrie. Diese beruft sich auf gesetzliche Vorgaben und die Sicherheit durch Prüfung der Produkte. Doch selbst die Hersteller der fertigen Produkte wissen wenig bis nichts über die Inhaltsstoffe - sie bekommen Pellets geliefert, die sie selbst nur weiterverarbeiten. Martin Wagner und Jörg Oehlmann prüften 2013 verschiedene Mineralwasser in Plastikflaschen. In ihrer Studie an der Goethe­Universität Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde konnten sie Spuren von mehreren Tausend Chemikalien, darunter sogenannte Weichmacher, nachweisen.33 Weichmacher werden als Zusatzstoffe verwendet, um Plastikprodukte biegsamer oder geschmeidig zu machen. Verwendung finden sie unter anderem in Lebensmittelverpackungen, Regenkleidung und Bodenbelägen. Polyvinylchlorid (kurz: PVC) enthält in seiner weichen Erscheinungsform 10-50% Weichmacher. Gebräuchlich sind Phthalate als Weichmacher: etwa eine Million Tonnen davon werden allein in Westeuropa jährlich hergestellt, 90% davon in der Weich-PVC-Produktion zur Erreichung der Elastizität im Endprodukt.34 Der TÜV Rheinland untersuchte 25 aufblasbare Schwimmartikel im Jahr 2009, 21 davon enthielten hohe Konzentrationen von Phthalaten.35

Die weltweit am häufigsten produzierte Industriechemikalie ist Bisphenol A, kurz: BPA. Sie wird als Weich- oder Hartmacher in vielen Gegenständen des täglichen Bedarfs verwendet.36 Jährlich werden 3,8 Millionen Tonnen davon produziert, allein ein Drittel davon in Europa mit Wachstumsraten von etwa 8% jährlich. Das weltweite Produktionsvolumen entspricht 100.000 Vierzigtonner-LKWs. Diese würden eine 1900km lange Schlange bilden, was der Strecke Hamburg-Rom entspricht.37 Verwendet wird die Chemikalie zum Beispiel in Polycarbonat (PC) und für die Beschichtung im Inneren von Konserven- und Getränkedosen.38 Entwickelt wurde BPA 1936 von britischen Biochemikern, die auf der Suche nach synthetischen Alternativen für die medizinische Östrogen-Therapie waren. Allerdings war die Gewinnung und die geringe Wirkung nicht wirtschaftlich genug für einen Einsatz in der Pharmazie und BPA wurde zur massenhaft in der Kunststoffindustrie vorkommenden Chemikalie.39 865.000 Tonnen davon werden im Jahr in Europa zur Herstellung des Kunststoff PC (Polycarbonat) verwendet. Produkte aus PC sind beispielsweise Mikrowellengeschirr, CD-Hüllen, CDs und DVDs, Trinkflaschen, beschichtetes Thermopapier (beispielsweise bei Kassenbons) und Zahnfüllungen40

2.3. Auswirkungen von Plastik auf den menschlichen Körper

Laut Plastik- und Verpackungsindustrie gelten Kunststoffe als sicher.41 Wissenschaftliche Studien widersprechen dem jedoch zunehmend. Weichmacher sind im Plastik nicht haltbar und können herausgelöst werden. Je nach Produkt und Verwendung geschieht dies durch Erhitzung, Auswaschung, Abrieb oder Sonneneinstrahlung. Die in Kapitel 2.2.2. genannten Phthalate sind überall nachweisbar, im Hausstaub und Blut fast jedes Menschen. Die Chemikalien können auf unterschiedlichem Weg aufgenommen werden, über:

- die Atmung:

Ein Beispiel für die Ausdünstung von Chemikalien ist der typische Neuwagengeruch, der auf den in Armaturen verwendeten Gebrauch von PVC zurückzuführen ist. Durch mechanischen Abrieb von PVC, etwa bei Fußbodenbelägen, gelangen Zusatzstoffe in den Hausstaub und letztendlich auch in die menschlichen Lunge.42

- die Nahrung:

Hauptsächlich in Lebensmitteln mit hohem Fettgehalt wie Käse und Wurst lagern sich Weichmacher ab. Lebensmittel aus Konserven mit beschichteten Innenwänden, wie etwa Erbsen, enthalten 5-38 pg/kg BPA, fleischhaltige Konserven teilweise noch mehr43 Verarbeitete Lebensmittel, die im Prozess durch PVC-Schläuche transportiert wurden oder sich in verschweißten Verpackungen befinden, weisen eine noch höhere Belastung durch Weichmacher auf.44

die Haut:

Kosmetika enthalten teilweise Phthalate und Silikone, die bei Gebrauch in den Blutkreislauf übergehen können. Auch direkter Körperkontakt, wie bei der Verwendung von Schwimmartikeln (vgl. 2.2.2), lässt den Körper die Weichmacher aufnehmen.

- pharmazeutische Produkte:

Intensive medizinische Behandlungen erhöhen die Belastung durch BPA, insbesondere Dialysebehandlungen stellen ein Risiko dar.25 Blutbeutel, Schläuche, Katheter, aber auch überzogene Tabletten bringen Chemikalien in den Körper.26

- den Mund:

Kleinkinder in der oralen Phase können durch Nuckeln an Kunststoffgegenständen Additive aufnehmen. Intensiviert wird die Aufnahme durch die mittlerweile in Deutschland verbotenen PC-Babyfläschen. Dieses Verbot gilt ausschließlich für Milchfläschchen, nicht für Schnuller und andere Gegenstände mit denen Babies und Kleinkinder in Kontakt geraten können. Die in 2.2.2. erwähnte Studie zum Gehalt von Chemikalien in Plastiktrinkflaschen spricht dafür, dass auch Erwachsene der Gefahr durch orale Aufnahme ausgesetzt sind.

Die gesundheitlichen Auswirkungen durch die Aufnahme sind so vielfältig wie die dem Kunststoff beigemischten Chemikalien. Eine Vielzahl von ihnen lässt sich unter dem Begriff endokrine Disruptoren zusammenfassen. Sie greifen in das Hormonsystem ein, welches alle Stoffwechselprozesse des Körpers lenkt. Wie natürliche Hormone docken die Stoffe an Rezeptoren an und hemmen oder aktivieren diese, wodurch Prozesse gehindert oder ausgelöst werden können, die von der Natur so nicht vorgesehen waren.

Besonders Kleinkinder sind empfänglich für hormonell wirksame Chemikalien. Missbildungen von Geschlechtsorganen, Unfruchtbarkeit, Frühreife, Brustkrebs, Allergien und Asthma treten in den letzten Jahren gehäuft auf und können in Verbindung mit hormonellen Stoffen Stehen. Tierversuche zeigen Störungen der Sexualfunktion und Fruchtbarkeit, weshalb Phthalate durch die Europäische Union als fortpflanzungsschädigend eingestuft wurden. Bisphenol A greift bereits in geringen Mengen in den Hormonhaushalt ein.47 Die weite Verbreitung von PC durch die vielseitige Einsetzung bringt nahezu jeden Menschen mit BPA in Kontakt.48 Dieter Swandulla, Physiologe an der Universität Bonn, geht davon aus, dass 90% der Menschen in industrialisierten Staaten chronisch mit BPA belastet sind, nahezu jede Urinprobe enthalte eine nennenswerte Konzentration. Im Weiteren bringt er auch Fettleibigkeit und, damit verbunden, Herzkreislauferkrankungen, mit der Chemikalie in Verbindung.49

2.4. Umweltbelastungen durch Plastik

Nicht nur bei der unmittelbaren Verwendung von Plastik kommt es, wie im vorherigen Kapitel dargestellt, zu Komplikationen. Auch Plastikmüll hat zudem gravierende Auswirkungen auf die Umwelt.

Die vorgestellten Additive entfalten ihre Funktion als endokrine Disruptoren auch bei anderen Lebewesen, wenn sie als Plastikmüll in Ökosysteme gelangen. Fische, Frösche und Schnecken werden bereits bei geringer Konzentration von BPA in ihrem Fortpflanzungsverhalten beeinflusst. Das Umweltbundesamt vermutet, dass Risiken von BPA für Organismen von der Europäischen Union unterschätzt werden.50

Das weitaus offensichtlichere Problem stellt die Verschmutzung der Umwelt mit Plastikmüll dar. Die Langlebigkeit des Materials, gepaart mit der Menge des Konsums, stellt die Gesellschaft vor eine große Herausforderung. Eine Plastikflasche oder eine Einwegwindel benötigen nicht weniger als 450 Jahre, um zersetzt zu werden, eine Angelschnur sogar 600 Jahre.51 Zu beachten ist, dass von Zersetzung, nicht Abbau die Rede ist. Bisher sind keine Mikroorganismen bekannt, die in der Lage sind, die jährlich produzierte Menge an Plastik abzubauen. Die Produkte verkleinern sich stetig weiter zu kleiner werdendem Mikroplastik und reichern sich an.52 Wenn Greenpeace also sagt, dass ״every single piece of plastic ever made still exists“53, stimmt das, wenn auch die ursprüngliche Form nicht mehr auffindbar ist.

[...]


1 BBC (British Broadcasting Corporation)(Hg.) (03.07.2015): Ghana floods and fire disaster: Pictures of Accra recovery, in: BBC, online unter: <http://www.bbc.com/news/world-africa-33366017> (Abgerufen am 22.01.2018).

2 Dailymail (Hg.) (17.05.2017): Dredging the drains: the race to stop floods in Accra, in: Daily Mail, online unter: <http://www.dailymail.co.uk/wires/alp/article-4514538/Dredging-drains-race-stop-floods-Accra.html> (Abgerufen am 22.01.2018).

3 Brakopowers, Austin (15.10.2017): Plastic waste ?crisis“ partly contributed to June 3 disaster - Report, in: Joy Online, online unter: <https://www.myjoyonline.com/news/2017/October-15th/ghanas-plastic-waste- partly-caused-june-3-disaster-report.php> (Abgerufen am 22.01.2018).

4 Dailymail (2017).

5 Mpoke Bigg, Mattew/Kpodo, Kwasi (04.06.2015): Ghana petrol station, blast, flooding leave estimated 150 dead, in: reuters, online unter: <https://www.reuters.com/article/us-ghana-blast/ghana-petrol-station-blast- flooding-leave-estimated-150-dead-idUSKBN0OK0KA20150604> (Abgerufen am 22.01.2018).

6 Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, suhrkamp, s. 25.

7 VDI (Verein deutscher Ingenieure) Technologiezentrum GmbH (Hg.) (2015): Plastik in der Umwelt Quellen, Senken und Lösungsansätze. Mögliche Handlungsfelder für die Forschung,w. Bertelsmann Verlag, s. 6.

8 Ebd. (ebenda) s. 4.

9 Ebd. s. 5.

10 Ebd. s. 27.

11 Umweltbundesamt (2010): Bisphenol A. Massenchemikalie mit unerwünschten Nebenwirkungen, Dessau: Umweltbundesamt, s. 9f.

12 Institut für sozial-ökologische Forschung (Hg.) (2016): Neues Forschungsprojekt ?PlastX“: Wie ist ein nachhaltiger Umgang mit Plastik möglich? Frankfurt am Main: Institut für sozial-ökologische Forschung, online unter: <http ://www. isoe. de/wissenskommunikation/aktuelles/news-single/neues-forschungsproj ekt- plastx-wie-ist-ein-nachhaltiger-umgang-mit-plastik-moeglichA (Abgerufen am 22.01.2018).

13 Beck (1986): s. 48.

14 Ebd. s. 28.

15 Braun, Dietrich (2003): Kunststofftechnik für Einsteiger, Carl Hanser Verlag, s. 3.

16 Schröder, Heike (2017): Plastik im Blut. Wie wir uns und die Umwelt täglich vergiften, VAK Verlag, s. 12.

17 Braun (2003), S.3.

18 Schröder (2017), s. 17.

19 Ebd. s. 17f.

20 Braun (2003), s. 2.

21 Froböse, Rolf/Jopp, Klaus (2006): Fußball, Fashion, Flachbildschirme. Die neuste Kunsstoffgeneration, WILEY-VCH, S? lf.

22 Werner Boote in ?Plastic Planet“, zitiert nach Schröder (2017), s. 12.

23 Braun (2003), s. 1.

24 Simon, Nils/Schulte, Maro Luisa (2017): Wir brauchen ein weltweites Plastik-Abkommen, Heinrich-Böll- Stiftung, s. 1.

25 Schröder (2017), s. 16.

26 Zeit Online/dpa/Reuters/AFP (03.08.2010): Golf von Mexiko. 780 Millionen Liter - die bislang größte Ölpest aller Zeiten, in: Die Zeit, online unter: <www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-08/bp-oelloch-leck- verzoegerung/komplettansicht> (Abgerufen am 04.01.2018).

27 Braun (2003), s. 2-3.

28 Ebd., s. 5-7.

29 Schröder (2017), s. 16f.

30 Maier, Ralph-Dieter/Schiller, Michael: Handbuch Kunststoff Additive, Carl Hanser Verlag 2016, Vorwort.

31 Ebd.

32 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V (BUND) (2012): Achtung Plastik, Berlin, s. 7.

33 Schröder (2017), s. 20-22.

34 BUND (2012): s. 8f.

35 BUND (2010): Gefährliche Lieblinge. Hormoncocktail in Plüsch und Plastik macht Kinder krank, Berlin, s. 5.

36 Schröder (2017), s. 22.

37 UBA (2010): s. 6.

38 BUND (2010): s. 12.

39 UBA (2010): s. 4.

40 Schröder (2017): s. 22.

41 Schröder (2017): s. 21.

42 Ebd.

43 UBA (2010): s. 7.

44 BUND (2012): s. 10.

45 UBA (2010): s. 7.

46 BUND (2012): s. 10.

47 BUND (2012): s. 8f.

48 UBA (2010): s. 7.

49 Lorenzen, Maike (03.11.2013): In unserem Blut fließt Plastik, in: Handelsblatt, online unter: <http://www.handelsblatt.com/teclmik/das-teclmologie-update/healthcare/bisphenol-a-in-unserem-blut- fliesst-plastik/9012072.html> (Abgerufen am 12.01.2018).

50 UBA (2010): s. 10.

51 Umweltbundesamt (2013): Wie lange braucht der Müll im Meer um gebaut zu werden?, Dessau, s. 1.

52 Umweltbundesamt (2017): Verrottet Plastik gar nicht oder nur sehr langsam?, Dessau, online unter: <https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/venOttet-plastik-gar-nicht-nur-sehr-langsam> (Abgerufen am 13.01.2018).

53 Gonzaga, Diego: Every single piece of plastic ever made still exists. Here's the story, O.o 06.01.2017, online

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Plastik in der Risikogesellschaft
Untertitel
Einordnung des Werkstoffs in das Konzept der Risikogesellschaft des Soziologen Ulrich Beck
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)  (NEC)
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
44
Katalognummer
V452159
ISBN (eBook)
9783668847347
ISBN (Buch)
9783668847354
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit wurde in den Seminaren "Ökologie" und "Sozialökologische Krisen und Konflikte" im Fach Transformationsstudien erarbeitet und mit 1,3 benotet.
Schlagworte
plastik, risikogesellschaft, einordnung, werkstoffs, konzept, soziologen, ulrich, beck
Arbeit zitieren
Caroline Ruffing (Autor:in), 2018, Plastik in der Risikogesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452159

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