Die Rolle der UNO im Irak-Krieg


Magisterarbeit, 2005

91 Seiten, Note: sehr gut (1,0)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Fragestellung und Zielsetzung
Vorgehen

1 Zur Vorgeschichte des Irak-Kriegs
1.1 Der zweite Golfkrieg
1.2 Folgen des zweiten Golfkriegs
1.2.1 Die Resolution 687: Sanktionen, Reparationen und Inspektionen
1.2.2 Die Resolution 688: eine „humanitäre Intervention“
1.3 Der Verlauf der Inspektionen
1.4 Die Interessen der USA.
1.5 Zwischenfazit: Die UNO im und nach dem zweiten Golfkrieg

2 US-amerikanische Irakpolitik ab
2.1 Zur Bedeutung des 11. September
2.2 Die Bush-Doktrin
2.3 Zwischenfazit: Das Verhältnis zwischen USA und UNO

3 Die Eskalation des Irak-Konflikts
3.1 Die Verhandlungen zur Resolution
3.1.1 Die Position Großbritanniens
3.1.2 Die Rolle Frankreichs
3.1.3 Russland
3.1.4 China
3.1.5 Einstimmige Verabschiedung
3.2 Die Spaltung des Sicherheitsrats
3.3 Ungenutzte Chance? - Das Uniting for Peace
3.4 Das Scheitern der Diplomatie
3.5 Zwischenfazit 1: Die Rolle der UNO im Irak-Krieg
3.6 Zwischenfazit 2: Die Rolle des Irak-Kriegs für die UNO

4 Die Folgen des Irak-Kriegs für die Vereinten Nationen - Weltorganisation und Völkerrecht in der Diskussion
4.1 Das allgemeine Gewaltverbot der UNO-Charta und seine Ausnahmeregelungen
4.1.1 Ausnahmen bei einzelstaatlicher Gewaltanwendung
4.1.1.1 Das Recht auf Selbstverteidigung
4.1.1.2 Die Rettung eigener Staatsangehöriger
4.1.2 Die „humanitäre Intervention“
4.2 Das Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten
4.3 Zwischenfazit: Das Völkerrecht ist ausreichend
4.4 Zur Reformdebatte um die Vereinten Nationen
4.4.1 Der UNO-Sicherheitsrat
4.4.2 Das Peacekeeping
4.4.3 Zwischenfazit: Die UNO muss sich reformieren

5 Perspektiven und Empfehlungen für die UNO
5.1 Die Rolle der Vereinten Nationen
5.1.1 im Nachkriegsirak..
5.1.2 und in der Region Mittlerer und Naher Osten
5.2 Die Zukunft der UNO im Bereich Friedenssicherung
5.3 Die Vereinten Nationen und die Vereinigten Staaten von Amerika

6 Fazit

7 Anhang
7.1 Resolutionen des Sicherheitsrats und ihre Abstimmungsergebnisse
7.2 Beitragszahlungen der UNO-Mitgliedstaaten für 2004-2006
7.3 Quellen- und Literaturverzeichnis

Selbständigkeitserklärung

„BBC: ´Are you bothered that the US is becoming an unrestrainable, unilateral superpower?´

Kofi Annan : ´Well, I think over the last year, we've all gone through lots of painful lessons. (…) I think there has been lessons for the US and there has been lessons for the UN and other member states and I think in the end everybody is concluding that it is best to work together with our allies and through the UN to deal with some of these issues. And I hope we do not see another Iraq-type operation for a long time.´

BBC: ´Done without UN approval - or without clearer UN approval?´

Annan : ´Without UN approval and much broader support from the international community.´ (…).

BBC: ´So you don't think there was legal authority for the war?´

Annan : ´I have stated clearly that it was not in conformity with the Security Council (…). I have indicated it is not in conformity with the UN Charter, from our point of view and from the Charter point of view it was illegal.´”[1]

Einleitung

Den Hoffnungen des letzten Jahrzehnts, die Vereinten Nationen könnten nach Ende des Kalten Kriegs und vor allem nach und trotz der Ereignisse des nine/eleven wiedererstarken, hat der Irak-Krieg eine Absage erteilt. Vielmehr haben die Auseinandersetzungen um ein militärisches Eingreifen im Irak seit 2002 und die im Frühjahr 2003 erfolgte Intervention durch die US-geführten Koalitionstruppen der Weltorganisation schweren Schaden zugefügt. Besonders deutlich ist die Ohnmacht der Vereinten Nationen geworden, einen illegalen Krieg verhindern zu können, die UNO-Generalsekretär Kofi Annan in dem BBC-Interview indirekt mit der „Hoffnung“ eingesteht, dass sich eine Iraq-type operation nicht wiederhole.

Zu Recht betont Annan, nicht nur die Weltorganisation, sondern alle beteiligten Länder und vor allem die USA, hätten ihre Lektionen aus den Geschehnissen zu lernen. Ob sie dies tatsächlich getan haben und zukünftig nur noch innerhalb eines multilateralen Rahmens kooperieren werden, bleibt allerdings fraglich. Die erneute Präsidentschaft George W. Bushs lässt sehr daran zweifeln, ob die USA ihren stark unilateral geprägten Kurs wechseln werden. Seine Wiederwahl wird der US-amerikanische Präsident als Bestätigung seiner bisherigen Politik –mit Schwerpunkt auf Sicherheits- und Außenpolitik– auffassen, die zwar mittlerweile in den Vereinigten Staaten von Amerika zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt hat, aber immer noch von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird.[2] Die zur Zeit stattfindende Annäherung der Vereinigten Staaten an die transatlantischen Partner, die den Krieg nicht befürwortet hatten, zeigt zwar ein Ändern der Vorzeichen US-amerikanischer Außenpolitik, bedeutet jedoch keine Aufgabe der Vormachtstellung.

Das Übergehen des UNO-Sicherheitsrats und das Ignorieren der Meinung der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen durch die USA erweisen sich bei näherer Betrachtung als eigentliche Konfliktpunkte. Hierbei ging es nicht nur um unterschiedliche Positionen zu einer geeigneten Eindämmungsstrategie gegenüber Diktaturen, die im Besitz von Massenvernichtungswaffen sind, und auch nicht nur um die zukünftige Gestaltung der sicherheitspolitischen Krisenregion Nahost. Vielmehr zeigt der Irak-Konflikt zum einen die Problematik auf, die sich bei der Durchsetzung der vitalen Interessen des neuen Welthegemons und der einzig verbliebenen Supermacht, den Vereinigten Staaten von Amerika, ergeben. Zum anderen macht der Konflikt den Wandel innerhalb der demokratischen Koalition der Staaten des Westens deutlich, wenn nicht sogar die zeitweilige Spaltung der transatlantischen Partnerschaft, die von einem Teil der Politikwissenschaftler als the most severe tension in a generation[3] bezeichnet wird. Als besonders interessant erweist sich die Tatsache, dass die Staaten der Europäischen Union, die immer noch am Anfang ihrer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik stehen, in dem Irak-Konflikt nicht zu einem Konsens gelangen konnten.[4]

Die heftig umstrittene Tatsache, dass der Irak-Krieg eine klare Missachtung der UNO-Charta darstellt, rief weltweit Proteste der Friedensbewegung hervor und löste kontroverse Debatten über die Vereinten Nationen, das Völkerrecht und die Legitimität eines militärischen Angriffs ohne ein eindeutiges Mandat des UNO-Sicherheitsrats aus.

Fragestellung und Zielsetzung

Wer sich mit der Rolle der Vereinten Nationen im Irak-Krieg auseinandersetzen will, muss sich bewusst machen, dass dieser Krieg eine lange und komplexe Vorgeschichte hat. Hierzu zählen der zweite Golfkrieg und die in der Folge vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen gegen den Irak, ebenso die von den Vereinten Nationen nicht genehmigten, aber tolerierten Aktionen einzelner Mitgliedstaaten. Wie gestaltete sich dabei die Rolle der UNO? Von besonderem Interesse ist die Entwicklung der einzelnen Positionen innerhalb des Sicherheitsrats zum containment[5] des Iraks, die zu Beginn des zweiten Golfkriegs einen klaren Konsens bildeten, im Vorfeld des Irak-Kriegs aber zu einer Spaltung des Rats führten. Wie sah der Konsens aus und wann zerbröckelte oder verschwand er? Worin sind die Ursachen dafür zu sehen?

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Diskussion des Potenzials der UNO, die angedrohte militärische Beseitigung des Regimes in Bagdad abzuwehren. Welche Möglichkeiten hatten die Vereinten Nationen, um diesen Krieg zu verhindern? Haben die UNO und der Sicherheitsrat, der ihr Hauptorgan im Bereich Friedenssicherung darstellt, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft? Als wie erfolgreich ist das Inspektionsregime der Vereinten Nationen im Irak zu bewerten? Trifft die UNO sogar die „Schuld“ an diesem Krieg? Hatte sie überhaupt eine Chance, diese militärische Intervention abzuwenden? Oder blieb ihr aufgrund der ausgeprägten Hegemonialstellung der USA „ohnehin nur die Chance der Verzögerung, aber nie der Verhinderung“[6] des Kriegs, wie Paech anführt? Ist der Sicherheitsrat lediglich Objekt der nationalen Interessen und Politiken der Mitgliedstaaten? Und sollte eine Hegemonialmacht den Kurs der UNO bestimmen oder umgekehrt, können die Vereinten Nationen die internationalen Beziehungen wieder auf kooperativen Kurs bringen?

Was zu der weiterführenden Überlegung lenkt, welche Rolle der Irak-Krieg für die UNO spielte und spielt. Waren Szenarien gerechtfertigt, die ein Ende der UNO und des Völkerrechts zeichneten? Wie sollte die Weltorganisation auf den Irak-Krieg reagieren?

Vorgehen

Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die Entstehung und den Verlauf des Irak-Konflikts vor dessen Eskalation, mit dessen Lösung sich die Staatengemeinschaft seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigte. Ausgangspunkt ist hier die These, dass sich bereits im Vorfeld unterschiedliche Positionen in der Beurteilung der Lage und des Vorgehens im Irak im UNO-Sicherheitsrat herausbildeten und dass diese Uneinigkeit zu einer Verschärfung des Konflikts geführt hat.

Im zweiten Abschnitt wird die US-amerikanische Irakpolitik ab dem Regimewechsel in den USA im Jahre 2001 und ihre Berücksichtigung der Vereinten Nationen beleuchtet. Diese Arbeit stellt die These auf, dass mit der Machtübernahme der neokonservativen Koalition ein außenpolitisches Primat auf einen Regimewechsel im Irak gelegt und die auf den 11. September 2001 folgenden Ereignisse nach diesem Ziel ausgerichtet wurden, wozu vor allem die Entwicklung der National Security Strategy of the United States of America und das darin vorgestellte Modell der militärischen Präemptivschläge zählt. Erweitert wird die These folgendermaßen: Die UNO stellte für die Bush-Koalition kein Hindernis auf dem Weg zu einem militärischen Angriff dar; ihre Marginalisierung fand schon im Vorfeld des Kriegs statt. Das Forum der Vereinten Nationen wurde eher aus Kalkül zur Optimierung des eigenen Vorhabens genutzt und geduldet, als aus der Einsicht heraus, dass die USA in die völkerrechtliche Struktur der internationalen Beziehungen eingebunden sind. Hier sind die Motivation, Argumentation und Konzeption des US-amerikanischen Vorgehens zu analysieren.

In Kapitel drei der Arbeit wird die viel geäußerte Aussage, die UNO sei im Irak-Konflikt gescheitert, überprüft. Untersucht wird, was genau zum Beginn der Kampfhandlungen ohne UNO-Mandat der US-geleiteten Koalition geführt hat. Die im Folgenden zugrunde gelegte These lautet, dass es sich hierbei vor allem um ein Scheitern der Diplomatie handelte, die nicht nur ein Vorgehen im Irak, sondern vielmehr grundsätzliche Werte und Normen im Zuge der Veränderungen in der weltpolitischen Ordnung zu verhandeln hatte.

Der Irak-Krieg zeigt ein Dilemma um Zuständigkeiten sowie um Normen und deren Durchsetzbarkeit auf, vor allem im Bereich präventiver Militäroperationen. Zwei grundlegende Prinzipien der internationalen Beziehungen, das allgemeine Gewaltverbot und die souveräne Gleichheit aller Staaten, und ihre Betroffenheit durch den Irak-Krieg werden im vierten Kapitel diskutiert. Muss sich das Völkerrecht ändern? Und mit ihm die UNO? Ergänzend wird das Reformvorhaben der Vereinten Nationen erläutert und bewertet.

Im letzten Abschnitt findet eine Auslotung der Perspektiven der Vereinten Nationen statt. Zum einen werden hier die Möglichkeiten und Chancen der UNO im Nachkriegsirak und in der Region Mittlerer und Naher Osten untersucht, den Kompetenz- und Gesichtsverlust wettzumachen, den die Organisation erfahren hat. Zum anderen gibt das Kapitel einen kurzen Ausblick auf die Zukunft der UNO im Bereich Sicherheitspolitik. Wie können sich die Vereinten Nationen im internationalen System positionieren? Hierzu wird vor allem das Verhältnis zu den USA beleuchtet werden.

Da es sich bei der beschriebenen Thematik erstens um einen noch relativ aktuellen und nicht abschließend untersuchten Gegenstand handelt, erwies sich die Literatursuche als nicht so einfach. Nur wenige bereits publizierte Monografien gehen explizit auf die Rolle der Vereinten Nationen im Irak-Krieg ein, sodass vorwiegend Veröffentlichungen in Periodika und Zeitungen hinzugezogen wurden. Die Bearbeitung des Themas wurde zweitens durch dessen Komplexität erschwert. Wie bereits angedeutet, bestand die Gefahr, sich in den diversen –teils übergeordneten– Problemstellungen zu verlieren. In Bezug auf die Ereignisse um den Irak-Krieg wurden und werden –und zwar zu Recht– Grundsätze der internationalen Beziehungen in der Literatur diskutiert. Allerdings konnte nur ein stark selektives Vorgehen von Anfang an absichern, dass der Rahmen einer Magisterarbeit eingehalten wurde.

Die Arbeit berücksichtigt die tagespolitischen Ereignisse bis Mai 2005.

1 Zur Vorgeschichte des Irak-Kriegs

Der Konflikt um den Irak, vielmehr die Beurteilung der Legitimität von Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak, eskalierte Ende des Jahrs 2002/ Anfang des Jahrs 2003. Grundlage hierfür waren die unterschiedlichen Einschätzungen des Erfolgs der internationalen Eindämmungspolitik gegenüber dem Irak seit 1991.

Um diesen Sachverhalt besser beurteilen zu können, ist es unerlässlich, zum einen dessen eigentlichen Ursprung und zum anderen dessen Verlauf darzustellen. Von entscheidender Bedeutung für die Fragestellung der Arbeit ist hierbei, zu welchem Zeitpunkt die ersten Meinungsunterschiede im UNO-Sicherheitsrat auftraten und auf welchem Weg und wann die UNO zur Verschärfung der Situation beigetragen hat.

Als Ausgangspunkt ist der zweite Golfkrieg[7] anzuführen, der den um die Befreiung des von dem Irak annektierten Kuwaits 1991 geführten Krieg zwischen dem Irak und einem multinationalen Streitkräfteverband unter Führung der USA[8] bezeichnet. Seit Ende diesen Kriegs schwelte der Konflikt um das Waffenarsenal Iraks und dessen internationaler Kontrolle.

1.1 Der zweite Golfkrieg

Im Sommer 1990 hatte der Irak den Vorwurf gegen Kuwait erhoben, das Erimat halte irakisches Gebiet im Norden der Ölfelder von Rumaila besetzt und entziehe dem Irak dadurch Erdöleinnahmen. Nachdem andere arabische Staaten vergeblich zu vermitteln versucht hatten, ließ der Irak am 2. August Truppen in Kuwait einmarschieren und erklärte Kuwait zur 19. irakischen Provinz. Mit dieser Aggression löste der Irak einerseits eine starke Flüchtlingswelle in Richtung Jordanien aus und gefährdete andererseits damit auch die internationalen Finanz- und Ölmärkte.[9]

Dieses Vorgehen löste eine schnelle Reaktion der Staatengemeinschaft aus: Noch am selben Tag verurteilte der Sicherheitsrat der UNO die irakische Invasion in der Resolution 660[10] und stellte eine Verletzung des internationalen Friedens nach Artikel 39 UNO-Charta[11] fest. Weiterhin verlangte der Rat unter Berufung auf Artikel 40 UNO-Charta, dass sich die irakischen Truppen aus Kuwait zurückzögen und dass beide Staaten ihre Streitigkeiten friedlich beilegten.

Da der Irak dieser Forderung nicht nachkam, verhängte der Sicherheitsrat vier Tage später mit der Resolution 661[12] ein Handelsembargo gegen den Irak, indem der Rat sich auf Artikel 41 UNO-Charta berief. Dieses Embargo wurde mit einer weiteren Resolution (665)[13] verschärft, die die Durchsetzung mit militärischen Mitteln der Marine gewährleisten sollte.[14]

Paech weist darauf hin, dass das Embargo sehr umfassend war und auch nahezu vollständig eingehalten wurde. Trotzdem leiteten die USA zeitgleich die Operation Desert Shield ein und verlegten Truppenverbände nach Saudi-Arabien und in den Persischen Golf. Diesem Vorgehen schlossen sich auch andere Staaten an. Im Sicherheitsrat drängten die USA zu einer militärischen Verschärfung der Sanktionen, mit dem Erfolg, dass der Rat am 29. November 1990 die Resolution 678[15] verabschiedete, die die multinationalen Truppen dazu legitimierte,

„unless Iraq on or before 15 January 1991 fully implements, as set forth in paragraph 1 above, the above-mentioned resolution, to use all necessary means to uphold and implement resolution 660 (1990) and all subsequent relevant resolutions and to restore international peace and security in the area.“

Die hiermit zur Anwendung von Gewalt autorisierten alliierten Truppen starteten am 17. Januar 1991 mit Operation Desert Storm einen Luftkrieg gegen den Irak; einen Monat später folgte die Bodenoffensive. Ende Februar erfolgte die völlige Niederlage der irakischen Truppen und damit die Wiederherstellung der uneingeschränkten Souveränität Kuwaits.

Nach der am 28. Februar 1991 vereinbarten Waffenruhe folgte die formelle Kapitulation am 3. März 1991.

1.2 Folgen des zweiten Golfkriegs

Der zweite Golfkrieg erwies sich für den Irak als folgenschwer: Sowohl die Resolution 687 als auch die Resolution 688 von Anfang April 1991 bedeuteten eine schwere Beschneidung des außen- sowie innenpolitischen Handlungsspielraums des Regimes in Bagdad, gegen die es sich im Verlauf der nächsten Jahre wehrte.

1.2.1 Die Resolution 687: Sanktionen, Reparationen und Inspektionen

Nach Ende des Kriegs der Alliierten gegen den Irak verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat am 3. April 1991 die Resolution 687[16], die das Einstellen der Kampfhandlungen formulierte und auch keine weitere oder erneute Ermächtigung zu militärischer Gewalt beinhaltete. Allerdings war die Gültigkeit dieses Waffenstill-standsabkommens von der Kooperation des Iraks mit den Vereinten Nationen abhängig und stellte –überwiegend von den USA beeinflusst– einen Diktatfrieden dar, mit dem systematische Kontrollen und Überwachungen im militärischen Bereich, sowie Reparationszahlungen und schwere ökonomische Sanktionen verbunden waren.[17]

Die Resolution beinhaltete erstens die Aufrechterhaltung des mit der Resolution 661 verabschiedeten Handelsembargos. Zweitens sollte ein Teil der zukünftigen Einnahmen des Iraks aus dem Ölgeschäft für die Behebung von Kriegsschäden verwendet werden. Drittens beinhaltete sie die Auflage an Bagdad, „bedingungslos“ alle chemischen und biologischen Waffen, alle ballistischen Raketen mit einer Reichweite von mehr als 150 Kilometern und alle Anlagen zu ihrer Herstellung zu vernichten. Die Abrüstung im Irak sollte dauerhaft überwacht werden, womit die neu begründete UNO-Kommission United Nations Special Commission on Iraq (UNSCOM) und die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) beauftragt wurden.

Sowohl die Fortsetzung des Waffenembargos, als auch die umfassenden Abrüstungs- und Demobilisierungsmaßnahmen[18] sowie die Verpflichtung zu Reparationsleistungen fanden ihre rechtmäßige und verhältnismäßige Begründung in der vorangegangenen völkerrechtswidrigen Aggression des Iraks und der Friedenssicherungsaufgabe des Kapitels VII der UNO-Charta.

Problematisch und auch umstritten ist jedoch die Aufrechterhaltung der mit den Resolutionen 660 und 661 verhängten Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, der es an einer juristischen Grundlage fehlte. Hatten die Sanktionen der genannten Resolutionen ihre rechtliche Grundlage in den Artikeln 39 und 41 der UNO-Charta und ihre praktische Bedeutung als Druckmittel zur Durchsetzung des irakischen Rückzugs aus Kuwait, so waren weder der juristische Hintergrund noch der Sinn dieser nichtmilitärischen Sanktionen offensichtlich, zumal sie ganz allein die irakische Bevölkerung zu treffen schienen.

Denn als Folgen des praktizierten Sanktionssystems ist die Verhinderung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der Instandsetzung der eigentlich hoch entwickelten medizinischen Versorgung zu nennen, wofür vor allem die strikte Durchsetzung des sogenannten dual-use -Arguments verantwortlich war.[19] Diese Verhältnisse wurden auch nicht von dem Oil-for-Food -Programm geändert, das am 15. August 1991 mit den Resolutionen 705 und 706 eingerichtet wurde.[20] Denn „selbst wenn sich der Anteil für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung im Laufe der Jahre erhöhte, die fortschreitende Verelendung und Mangelwirtschaft wurden damit nicht behoben, sondern haben vielmehr das Ausmaß einer humanitären Katastrophe angenommen.“[21]

Doch trotz mehrfacher Anträge seitens des Iraks und Empfehlungen anderer Länder zur Aufhebungen der Sanktionen wurden diese vom Sanktionskomitee des Sicherheitsrats nicht gelockert, was vorwiegend dem Einfluss der USA zuzuschreiben ist, die jegliche Veränderungen in diesem Bereich von ihrer Zustimmung abhängig gemacht hatten.

1.2.2 Die Resolution 688: eine „humanitäre Intervention“

Doch dem zweiten Golfkrieg sollten noch weitere Ereignisse und Maßnahmen folgen.

Die kurdische Bevölkerung im Norden des Iraks hatte die vermeintliche Gunst der Stunde des zweiten Golfkriegs zu nutzen versucht und erhob sich gegen das Regime Saddam Husseins. Nach dem Ende der Kriegshandlungen wurde der kurdische Aufstand allerdings von der irakischen Regierung erfolgreich niedergeschlagen, was die Flucht von mehr als der Hälfte der irakischen Kurden in die Nachbarländer zur Folge hatte. Diese Flüchtlingswelle nahm das Ausmaß einer humanitären Katastrophe an, woraufhin der UNO-Sicherheitsrat eine Gefährdung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Sinne des Artikels 39 UNO-Charta konstatierte und mit Sanktionen im Rahmen der Artikel 40 bis 42 UNO-Charta reagierte. Mit der Resolution 688[22] vom 5. April 1991 wurde ein sogenannter save haven für die Kurden eingerichtet, zu dem nur die UNO und von ihr autorisierte Hilfsorganisationen Zugang haben sollten. Hierbei handelte es sich um eine starke Beschränkung der irakischen Souveränität im nördlichen Territorium des Iraks.

Mit der Resolution 688 hatte der UNO-Sicherheitsrat die interne Situation eines Staates zum Anlass genommen, den Grundsatz der Nichteinmischung in interne Angelegenheiten eines Staates zu durchbrechen, indem er dieses Prinzip im Verhältnis zur Wahrung des Weltfriedens, aber auch zur Wahrung der Menschenrechte relativierte. Die in den folgenden Jahren geführte Diskussion zum Thema einer „humanitären Intervention“ wird in Kapitel vier näher beleuchtet.

Doch die vom Sicherheitsrat legitimierte Beschneidung der irakischen Souveränität schien für einige Staaten Anlass zu sein, dieses Vorgehen weiterzuführen. Hatten alle Staaten in der Präambel der Resolution 688 noch daran erinnert, dass „die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit Iraks" zu beachten sei,[23] zeigte sich in der Folgezeit eine Aufweichung dieses gemeinsamen Vorsatzes. Weder die von der Türkei wiederholten militärischen Grenzüberschreitungen im Nordirak, noch die von den USA, Großbritannien und Frankreich eingerichteten sogenannten Flugverbotszonen konnten sich auf den Wortlaut einer Resolution stützen. Sie wurden nie genehmigt, aber auch nie verurteilt, obwohl sie schwere Verletzungen der Souveränität und der territorialen Integrität des Iraks darstellten. Hier zeigte sich spätestens Mitte der neunziger Jahre die Inkonsequenz und Uneinigkeit im Sicherheitsrat.

1.3 Der Verlauf der Inspektionen

Die geforderten Inspektionen fanden zunächst eine breite und einhellige Unterstützung aller Mächte im Sicherheitsrat. Ihre Durchführung erwies sich aber in der Folgezeit als schwierig, da der Irak weder –wie zuvor zugesagt– vollständig kooperierte, noch von sich aus fragliche Programme aufdeckte.

Mit der Resolution 707[24] vom 15. August 1991 verlangte der Sicherheitsrat unverzüglich den unbedingten und uneingeschränkten Zugang der UNSCOM, der IAEA und ihren Inspektionsgruppen zu allen Gebieten, Einrichtungen, Ausrüstungsgegenständen, Dokumenten und Transportmitteln, die zu überprüfen seien.[25]

Da sich der Irak auf verschiedensten Wegen nicht an diese Auflage hielt,[26] verschärfte der UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 715[27] vom 11. Oktober 1991 seine Bedingungen: Die irakische Rüstungsindustrie wurde unter die Dauerkontrolle der UNSCOM gestellt. Es sollte sichergestellt werden, dass keine atomaren, biologischen oder chemischen Waffen mehr hergestellt werden konnten. Allerdings erklärte sich der Irak hierzu erst zwei Jahre später –im November 1993– bereit.

Die Resolutionen 1060, 1115 und 1134 der Jahre 1996 und 1997 zeugen von der irakischen Behinderung der Arbeit der UNSCOM-Kontrolleure: So wurde einerseits der freie Zugang zu sämtlichen Militäranlagen gefordert und andererseits mit Sanktionen gedroht.[28] Allerdings ließ bereits die Abstimmung zur Resolution 1134 vom 23. Oktober 1997 erkennen, dass die einheitliche Stimmung des Sicherheitsrats nachließ, denn obwohl auch diese Resolution ein Fehlverhalten des Iraks thematisierte, wurde sie nicht einstimmig unterstützt.[29]

Was zur Folge hatte, dass der auf den Irak ausgeübte Druck nachließ und sich die irakische Regierung sogar trauen konnte, die weitere Zusammenarbeit zu verweigern. Diesen Kurs behielt der Irak im Jahr 1998 bei, sodass die UNSCOM-Inspekteure im Dezember aus dem Irak abzogen.

Auslöser war der Vorwurf von irakischer Seite, die UNSCOM spioniere und gebe Informationen an den israelischen Geheimdienst Mossad weiter, der dazu führte, dass die irakische Regierung nicht mehr mit den UN-Inspekteuren kooperieren wollte. Der militärische Druck seitens der USA führte zwar zu einer Wiederaufnahme der Zusammenarbeit, die jedoch von den Inspekteuren als mangelhaft bewertet wurde, sodass die USA die Inspekteure ersuchten, sich aus dem Irak zurückzuziehen. Nur wenige Tage nach dem Abzug der Inspekteure entschlossen sich die USA und Großbritannien zu einem militärischen Angriff gegen den Irak. Am 16. Dezember 1998 starteten sie die Operation Desert Fox, die zum einen das militärische Potenzial des Iraks stark schwächte und andererseits zu Protesten von China, Russland und Frankreich, aber auch zur Verurteilung durch die internationale Öffentlichkeit führte. In schweren Luftangriffen gegen den Irak über vier Tage hinweg wurden ungefähr 1600 Iraker getötet, vorwiegend Zivilisten. Vielmehr fand dieser militärische Schlag ohne vorherige Konsultation oder Billigung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen statt. Trotz seiner offensichtlichen Völkerrechtswidrigkeit wurde er allerdings nicht von den Mitgliedstaaten verurteilt.

Auf irakischer Seite wurde mit der Aufkündigung jeglicher Kooperation mit der UNSCOM und mit der Ankündigung reagiert, gegen die Flugverbotszonen anzugehen. Auf US-amerikanischer Seite wurde das Engagement forciert, den Irak so weit wie möglich zu schwächen. Einerseits genehmigte sich die USA im militärischen Bereich selber Präventivschläge gegen die Radarabwehrstellungen des Iraks, andererseits bemühten sich die Vereinigten Staaten intensiver um den Aufbau und die Stärkung der Opposition im Irak.[30] Die USA waren auch weiterhin nicht dazu bereit, eine Aufhebung der schweren Wirtschaftssanktionen mitzutragen, die immer noch von ihrer Zustimmung abhängig war.

Erst ein Jahr später wurden vom UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 1284[31] am 18. Dezember 1999 kleine Erleichterungen beschlossen: Die Höhe der Ölexporte sollte nicht mehr begrenzt und die Einfuhr von Lebensmitteln erleichtert werden. Ebenso wurde mit der Resolution eine neue UNO-Kommission, die United Nation Monitoring, Verification and Inspection Commission (UNMOVIC), ein neues Waffeninspektionssystem zur Kontrolle des irakischen Waffenarsenals, begründet. Die UNMOVIC, der Hans Blix vorsaß, sollte die Arbeit der UNSCOM weiterführen. Sie erhielt den Auftrag, ein Kontrollsystem einzurichten, das die Wiederaufrüstung des Iraks dauerhaft verhinderte, und dem Sicherheitsrat alle drei Monate Bericht zu erstatten.

Als entscheidend für die Durchführung dieser Resolution erwies sich ihre Unterstützung im Sicherheitsrat, oder vielmehr ihre Nicht-Unterstützung: Aus dem Kreis der Vetomächte stimmten lediglich die USA und Großbritannien zu; China, Russland und Frankreich enthielten sich. Ohne die volle Rückendeckung durch den Rat, konnten die UNMOVIC-Inspekteure nicht vor Ort arbeiten, da der Irak die Resolution 1284 nicht anerkennen wollte. Selbst die in der Resolution angebotene Aussicht auf eine Aussetzung der Wirtschaftssanktionen zeigte keine Wirkung.

Im Jahr 2000 wurden mit den Resolutionen 1302 und 1330[32] sowohl das UNMOVIC-System und als auch das Oil-for-Food -Programm verlängert. Die Sanktionen blieben unverändert weiter bestehen.[33]

Nachdem offensichtlich war, dass die Sanktionen fortbestehen würden, versuchte das Regime in Bagdad nun, das System der Sanktionen zu umgehen, was ihm aber nur stellenweise gelang und auch nicht ohne Folgen blieb. So konnte der Irak 2000 die faktische Aufhebung des UN-Flugembargos durchsetzen. Der kurzzeitige illegale Rohöl-Export nach Syrien und die Verweigerung der Einreise der UNMOVIC-Inspekteure führten zu einer erheblich verstärkten Anzahl von Luftangriffen US-amerikanischer und britischer Einheiten auf militärische Einrichtungen des Iraks. Lagen diese Angriffe am Anfang noch in den nördlichen und südlichen Flugverbotszonen, wurden sie bald bis vor Bagdad erweitert, was immer wieder auch zu zivilen Opfern führte. Gleichzeitig bekannten die USA auch, dass es ihnen hierbei vielmehr um die Zerstörung militärischer Stellungen ging als –wie vorher angegeben– um den Schutz der Kurden und Schiiten.

Der UN-Sicherheitsrat ließ dieses Vorgehen, das offensichtlich illegal war, nicht verurteilen. Bemerkenswert ist, dass dies auch nicht von Seiten der Franzosen geschah, die im Sicherheitsrat immer mehr die Position einer Antipode zu den USA einnahmen und sich bereits Ende der neunziger Jahre aus früheren Luftangriffen zurückgezogen hatten.

1.4 Die Interessen der USA

Die USA hatten gleich mehrere Gründe, um den Irak in Kuwait zu stoppen. Primär muss hier die Gefährdung der internationalen Finanz- und Ölmärkte genannt werden, die die amerikanischen Interessen aufs Empfindlichste traf. Zum Zweiten hatte Saddam Hussein mit seiner Aggression gezeigt, dass er nicht bereit war, eine US-freundliche Rolle in der Region des für die USA wichtigen Mittleren Ostens zu spielen, was sich durch seine Israel-feindlichen Äußerungen bestärkte. Diese Haltung ließ die USA einen Regimewechsel im Irak erwägen. Zum Dritten widersprach die irakische Besetzung Kuwaits auch der von George Bush ausgerufenen „Neuen Weltordnung“, in der das internationale Recht –vertreten durch die Vereinten Nationen– Vorrang genießen sollte.[34] Um diese „Neue Weltordnung“ durchsetzen zu können, bemühte sich die US-amerikanische Diplomatie um eine breite politische und militärische Koalition, die durch den Sicherheitsrat der UNO legitimiert werden sollte. Die Ziele waren die Befreiung Kuwaits sowie die Verteidigung der saudi-arabischen Grenzen. Da der Konflikt nicht diplomatisch zu lösen war, griff die Koalition militärisch ein.

Direkt im Anschluss, noch während der Kriegshandlungen, soll es Gespräche über einen möglichen Regimewechsel im Irak gegeben haben, der allerdings nicht verwirklicht wurde. Obwohl die militärischen Voraussetzungen gegeben waren, entschied sich die US-Regierung unter George Bush gegen die Beseitigung Saddam Husseins. Zuerst hatte die US-Administration wohl darauf vertraut, dass das aufrechterhaltene Embargo zu einem Irak-internen Wechsel führen würde, andererseits aber auch mit dem Hintergrund, dass ein solcher militärisch von außen herbeigeführter Regimewechsel gegen die UNO-Charta und gegen das Völkerrecht verstoßen hätte. Da sich der US-amerikanische Präsident in der „Neuen Weltordnung“ aber sowohl dem Völkerecht als auch der Kooperation in den Vereinten Nationen verschrieben hatte, war ein oben beschriebenes Vorgehen nicht politisch zu vertreten. Die spätere Schonung Saddam Husseins erfolgte vermutlich deswegen, weil er als Stabilitäts-Garant gegen die befürchtete Desintegration der Region angesehen wurde.

1.5 Zwischenfazit: Die UNO im und nach dem zweiten Golfkrieg

Auch wenn das UNO-Inspektionssystem und seine Inspektionen aus den Jahren 1991 bis 1998 abschließend als erfolgreich gewertet werden können,[35] täuscht dies nicht darüber hinweg, dass spätestens Ende der neunziger Jahre die einstige Kriegskoalition des zweiten Golfkriegs nicht mehr einstimmig in Sachen Irak vorging. Diese Uneinigkeit der Staaten bedeutete gleichzeitig eine Inkonsequenz in ihrem Verhalten und eine Schwächung des Sicherheitsrats und der Durchsetzung seiner Beschlüsse.

Die Ereignisse des Jahrs 1998 führten zu einer erstmaligen Eskalation des Irak-Konflikts. Immer mehr trat hierbei die Konfrontation auf zwischenstaatlicher Ebene der Vereinigten Staaten gegen den Irak in den Vordergrund. Diese Verschiebung weg von der multilateralen Ebene –Vereinte Nationen gegen einen Mitgliedstaat– hatte zur Folge, dass die UNO in den Hintergrund gedrängt wurde.

Erst mit der nach langem diplomatischem Ringen einstimmig verabschiedeten Resolution 1441 konnte im November 2002 erneut von Seiten der UNO Geschlossenheit in Bezug auf den Irak demonstriert und der Druck auf das Regime in Bagdad erhöht werden. Erst so konnte die Rückkehr der Inspektoren in den Irak ermöglicht werden. Die Verhandlungsgeschichte der Resolution zeigt die Veränderungen auf, die sich bereits mit der Machtübernahme George W. Bushs in Washington und seiner bevorzugten Irakpolitik angekündigt hatten.

2 US-amerikanische Irakpolitik ab 2001

Schon im Januar 2001, nach der Amtsübernahme George W. Bushs, wurde offensichtlich, dass sich ein Wandel in der US-amerikanischen Außenpolitik ankündigte. Der neue Präsident stützte sich auf eine sehr heterogene Koalition, die unter der Führung der Neokonservativen eine Ideologie US-amerikanischer Weltführung vertrat und vertritt.[36] Der Einfluss neokonservativer Denker in der Administration Bushs erweist sich als sehr groß, vor allem in Bezug auf die Durchsetzung ihrer schon länger existierenden Konzepte, die insbesondere die Außenpolitik der einzigen verbliebenen Supermacht prägen. Außenpolitik stellt für die neokonservativen Mitglieder der Bush-Regierung nicht nur die ausgeprägte Vertretung und Durchsetzung der US-amerikanischen Interessen dar: Vielmehr noch wird angestrebt, christliche Werte zu verbreiten und weltweit durchzusetzen.[37]

Der oben angesprochene Kurswechsel wurde schon früh an verschiedenen Beispielen deutlich;[38] besonders augenscheinlich aber vor allem im Nah-Ost-Konflikt, in dem sich die USA nunmehr nur noch minimalst engagierten und damit dem Engagement der vorangegangenen Regierungen zuwiderliefen.

Das eigentliche außenpolitische Ziel der neokonservativen Führungsgruppe allerdings stellte die Beseitigung Saddam Husseins und dessen diktatorischen Regimes im Irak dar. Ob es sich hierbei lediglich um das Interesse an dem Zugang zu den Erdöl-Ressourcen des Landes handelte, ist schwierig zu beurteilen, da die spätere Begründung auf vielfältigste Art und Weise geschah. Interessant ist auf jeden Fall die später geführte Argumentation, die immer wieder den bereits erwähnten christlich-religiösen Einfluss deutlich macht. Beispielhaft wird die Aussage der damaligen Sicherheitsberaterin und heutigen Außenministerin der USA Condoleeza Rice zitiert: „Hier gibt es einen starken moralischen Grund für einen Regimewechsel.“[39] Einen Krieg aus moralischen Gründen, also einen bellum iustum, einen gerechten Krieg führen zu wollen, ist bereits seit dem Westfälischen Frieden von 1648 als legitimes Mittel der Politik geächtet. Das war und ist der US-Administration selbstverständlich bewusst, weswegen sie ihre spätere Argumentation für einen Krieg auch so breit wie möglich gestalteten und soviel Unterstützung wie möglich –vor allem innerhalb der USA– sammelten.

Die Pläne zu einem gewaltsamen Regimewechsel im Irak gab es –wie bereits erwähnt– schon seit dem zweiten Golfkrieg. Ihre Vertreter, auch Falken genannt, gewannen mit der Übernahme des Präsidentenamts durch George W. Bush wieder an Einfluss, und somit auch ihre Pläne: Das Thema wurde bei mehreren Regierungsgesprächen erörtert, hätte aber politisch nicht durchgesetzt werden können, wie der ehemalige Antiterrorchef der USA, Richard A. Clarke berichtet.[40] Obwohl nach einer Analyse der Clinton-Administration vom Januar 2001 der Irak weder für seine unmittelbaren Nachbarn, noch für Israel eine militärische Bedrohung darstellte, soll über die juristischen Möglichkeiten einer militärischen Intervention diskutiert worden sein, die jedoch alle nicht zu realisieren gewesen waren. Ein gewaltsam von außen herbeigeführter Regimewechsel hätte offensichtlich gegen das zwingende Interventionsverbot[41] der UNO-Charta verstoßen. Und weder die Resolution 678, die die multinationale Truppe zur Waffengewalt ermächtigt hatte, aber nach der erfolgreichen Vertreibung des Irak aus Kuwait und der darauf folgenden Resolution 687 nicht mehr gültig war, noch die Waffenstillstandsresolution 687 und eine mögliche Nichteinhaltung der gestellten Bedingungen seitens des Iraks hätten eine Möglichkeit geboten, militärische Aktionen zu rechtfertigen.

Eine Option in Richtung militärischer Intervention bot sich –wenn auch nicht auf direktem Weg– erst mit den Ereignissen des 11. September.

[...]


[1] Excerpts of the BBC-interview with United Nations Secretary General, Kofi Annan.

Published: 2004/09/16, [http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/3661640.stm].

[2] Jürgen Wilzewski, Die Bush-Doktrin, der Irak-Krieg und die amerikanische Demokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 45, 2004, S. 24-32.

[3] Dies konstatiert zum Beispiel Johannes Varwick, Die Zukunft der transatlantischen Sicherheitsbeziehungen – Vom Partner zum Rivalen?

[http://www.politik.uni-kiel.de/publikationen/varwick/zukunft.pdf].

[4] Besonders offensichtlich wurden die unterschiedlichen Motivationsquellen für außenpolitisches Handeln zwischen Ost- und Westeuropa. Während ein Großteil der westeuropäischen Länder eher aus innenpolitischen Gründen heraus seine Zustimmung oder Ablehnung zum US-geführten Vorgehen formulierte, ist bei den Ländern Osteuropas das Primat auf Außenpolitik gesetzt worden.

Vgl. Jürgen Schuster, Das „alte“ und das „neue“ Europa: Die Reaktionen der europäischen Länder auf die amerikanische Irak-Politik. Ein Vergleich dreier Erklärungsansätze. Regensburger Schriften zur Auswärtigen Politik, Band 4, herausgegeben von Prof. Dr. Stephan Bierling, Regensburg 2004.

[5] Mit dem von der Clinton-Regierung geprägtem Begriff waren die Aufrechterhaltung von Sanktionen, die Unterstützung von Oppositionsgruppen im Exil, sowie die Durchsetzung des Waffenkontrollre-gimes der UNO gemeint.

[6] Norman Paech, Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irak-Konflikt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24-25, 2003, S. 35-44; S. 35.

[7] In der Literatur wird zuweilen auf noch frühere Zusammenhänge verwiesen, wie zum Beispiel auf das vormals relativ gute Verhältnis zwischen den USA und Saddam Hussein und dessen Kehrt-wendung, worauf hier nicht näher eingegangen wird. Entscheidend für den hier zu untersuchenden Gegenstand ist jedoch das ausgeprägte, vitale Interesse der USA an der Region Mittlerer und Naher Osten, vor allem der Zugang zu den Ölressourcen. Der Irak hat hierbei schon länger eine wichtige Rolle für die USA gespielt.

[8] Diese Koalition bestand aus 28 Staaten, was eine ungewöhnlich hohe Zahl darstellt und den breiten Konsens in der Staatengemeinschaft hervorhebt.

[9] Der Irak zählte zu diesem Zeitpunkt zu den führenden Ländern in Bezug auf Förderung und Lieferung von Erdöl.

[10] Vgl. Security Council resolution 660 (1991) Iraq-Kuwait (2 August),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/575/10/IMG/NR057510.pdf].

[11] Vgl. im Folgenden: The Charter of the United Nations,

[http://www.un.org/aboutun/charter/index.html].

[12] Vgl. Security Council resolution 661 (1991) Iraq-Kuwait (6 August),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/575/11/IMG/NR057511.pdf].

[13] Vgl. Security Council resolution 665 (1991) Iraq-Kuwait (25 August),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/575/15/IMG/NR057515.pdf].

[14] Paech sieht hier nicht nur eine Erweiterung der Resolution 661, also des Handelsembargos, sondern bereits eine mögliche militärische Sanktion, die unter Art. 42 UNO-Charta diskutiert hätte werden müssen. Er weist darauf hin, dass der Sicherheitsrat dies nicht zum Thema gemacht hat.

Norman Paech, Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt, S. 35-44, S.37.

[15] Vgl. Security Council resolution 678 (1991) Iraq-Kuwait (29 November),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/575/28/IMG/NR057528.pdf].

[16] Vgl. im Folgenden Security Council resolution 687 (1991) Iraq-Kuwait (3 Apr),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/596/23/IMG/NR059623.pdf].

[17] Laut Paech wurde das gesamte wirtschaftliche Leben einem protektoratsähnlichem Regime unterworfen, das in diesem Umfang und der Härte der Bedingungen nach bis dahin keinem Land nach 1945 zugemutet worden ist.

Norman Paech, Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt, S. 35-44, S. 36f.

[18] Vgl. hierzu Security Council resolution 687 (1991) Iraq-Kuwait (3 Apr) Abschnitt C,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/596/23/IMG/NR059623.pdf].

[19] Die komplette Einfuhr lebenswichtiger Lebensmittel und Medikamente, aber auch jedes Ersatzteils für die Wasser- und Stromversorgung oder das Transportsystem hing seitdem von der Zustimmung des Sanktionskomitees ab. Weitgehend wurde die Lieferung von technischem Material von den USA abgelehnt, da sie die Ansicht vertraten, der Irak könne dies zum Bau von Waffen benutzen.

[20] Die Erlöse aus dem begrenzten Erdölexport sollten auf ein Sonderkonto der UNO eingehen und wurden vorwiegend für die Zahlung der Reparationen und die Finanzierung der verschiedenen UN-Überwachungs- und Genehmigungsaktivitäten benutzt. Die Bevölkerung selber konnte wegen oben genannter Gründe nur in geringem Maße von dem Programm profitieren.

[21] Norman Paech, Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt, S. 35-44, S. 37.

[22] Vgl. Security Council resolution 688 (1991) Iraq (5 Apr),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/596/24/IMG/NR059624.pdf].

[23] ebd.

[24] Vgl. Security Council resolution 707 (1991) Iraq (15 Aug),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/596/43/IMG/NR059643.pdf].

[25] ebd.

[26] Den Kontrolleuren wurde unter anderem nicht gestattet, Überwachungsflüge mit Helikoptern und anderen Flugzeugen zu unternehmen.

[27] Vgl. Security Council resolution 715 (1991) Iraq (11 Oct),

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/596/51/IMG/NR059651.pdf].

[28] Vgl. hierzu: Security Council resolution 1060 (1996) The situation between Iraq and Kuwait,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N96/146/81/PDF/N9614681.pdf],

Security Council resolution 1115 (1997)The situation between Iraq and Kuwait,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N97/168/32/PDF/N9716832.pdf],

Security Council resolution 1134 (1997) The situation between Iraq and Kuwait,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N97/283/87/PDF/N9728387.pdf].

[29] Das Augenmerk liegt hier vor allem auf Frankreich und Russland, die ihre Einstellung zur containment -Politik des Iraks veränderten und sich neben China, Ägypten und Kenia bei der Abstimmung der Resolution 1134 ihrer Stimme enthielten.

Vgl. die Übersicht zu den genannten Sicherheitsratsresolutionen im Anhang, Kapitel 7.1.

[30] Ende 1998 verabschiedete der US-Kongress den sogenannten Iraq Liberation Act. Die USA stellten damit erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Opposition im Irak zu unterstützen, wozu zum Beispiel die Einrichtung des Prager Oppositionssenders Radio Free Iraq gehörte.

[31] Security Council resolution 1284 (1999) on the situation between Iraq and Kuwait,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N99/396/09/PDF/N9939609.pdf].

[32] Vgl. Security Council resolution 1302 (2000) on the situation between Iraq and Kuwait,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N00/471/62/PDF/N0047162.pdf],

Security Council resolution 1330 (2000) on the situation between Iraq and Kuwait,

[http://ods-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N00/782/89/PDF/N0078289.pdf].

[33] Die unbestreitbar katastrophalen Auswirkungen des gesamten Sanktionssystems auf die Bevölkerung des Iraks und seiner Nutzlosigkeit für die Entwaffnung und vollkommene Abrüstung des Iraks sprechen gegen die Aufrechterhaltung der Sanktionen.

Kritiker bemerkten sehr früh, dass die Aufrechterhaltung des Sanktionssystems jeglicher Rechts-grundlage entbehrte und dem Artikel 41 UNO-Charta geradezu zuwiderlief. Der Sicherheitsrat wurde kritisiert, dass er gegen wichtige Prinzipien des Völkerrechts verstoße, wenn er den Maßstab der Verhältnismäßigkeit nicht einhalte.

[34] Czempiel, Ernst-Otto, Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen, 4. Auflage, Bonn 2002, S. 66f.

[35] Steffen Rogalski kommt zum Beispiel in seiner Dissertation zu diesem Schluss und nennt die Vernichtung einer großen Anzahl ballistischer Trägersysteme und Kampfstoffe als auch die Installation eines Netzes von Überwachungskameras und Messpunkten, die neuerliche Aufrüstungsversuche frühzeitig offen legen konnten.

Steffen A. Rogalski, UNO-Sanktionen: Anwendungsbedingungen und Effektivität von nicht-militärischen Zwangsmaßnahmen im Rahmen der Internationalen Friedenssicherung der Vereinten Nationen in den Fällen Rhodesien, Südafrika und Irak, Berlin 2000.

[36] Gerade nach dem Irak-Krieg hat dies dazu geführt, dass den USA eine neoimperiale Neuausrichtung ihrer Außenpolitik vorgeworfen wird. Sie strebten an, ihren Herrschaftsbereich mit dem Mittel der Machtpolitik auf andere Länder auszudehnen.

[37] Vgl. hierzu Ernst-Otto Czempiel, Die Außenpolitik der Regierung George W. Bush, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 45/2004, S. 16-23, S. 16.

[38] Beispiele hierfür sind unter anderen der Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll, die Ablehnung des Protokolls zur Biowaffenkonvention, das Zurückziehen der amerikanischen Unterschrift unter die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes, die Behinderung der „Sonnenscheinpolitik“ des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-Jung und die Schürung des Konflikts zwischen Taiwan und China, indem er erstmals Angriffswaffen an Taiwan zu liefern versprach.

[39] Die Vertretung und Durchsetzung christlicher Werte scheint im ersten Moment nur ein vorgescho-bener Grund für den angestrebten Regimewechsel gewesen zu sein. Moral scheint nämlich für die USA in vielen Fällen keine Rolle zu spielen -wie z.B. dem grausamen Militärregime in Burma oder der diktatorischen Atommacht Pakistan, die zu den Allianzpartnern der USA zählt.

Eventuell ist die Durchsetzung dieser Werte nur möglich, wenn auch andere Interessen zufrieden gestellt werden.

[40] Vgl. die sehr genauen Ausführungen von Richard A. Clarke, Against All Enemies. Der Insiderbericht über Amerikas Krieg gegen den Terror, Hamburg 2004.

[41] Vgl. UNO-Charta Artikel 2 Z. 7.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der UNO im Irak-Krieg
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Politikwissenschaftliches Institut, Fachbereich 03, Sozial- und Kulturwissenschaften)
Note
sehr gut (1,0)
Autor
Jahr
2005
Seiten
91
Katalognummer
V45188
ISBN (eBook)
9783638426312
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Rolle, Irak-Krieg
Arbeit zitieren
Sonja Krenmayr (Autor:in), 2005, Die Rolle der UNO im Irak-Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45188

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