Die Lage der Frau in Russland


Seminararbeit, 2018

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Entwicklung der russischen Familienpolitik

3 Die Lage der Frau in Russland
3.1 Problemfeld Staat
3.2 Problemfeld Gesellschaft
3.3 Problemfeld Familie

4 Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Geschlechterrollen befinden sich im Wandel. So zeichnete sich in den vergangen 50 Jahren in den meisten Gesellschaften ein Transformationsprozess ab, welcher die traditionellen Rollenvorstellungen erodieren lies (Bergh 2006: 5). Im Allgemeinen versteht man unter diesen Rollenbildern die Verhaltensweisen, welche in einer Kultur fur ein bestimmtes Geschlecht als angemessen gelten (Constantin/Voicu 2014: 738). Im familiaren Kontext fungierte demnach der Mann traditionell als das Familienoberhaupt sowie als Ernahrer der Familie, wahrend die Frau zustandig war fur die Haus- und Familienarbeit. Durch die voranschreitende Modernisierung kam es jedoch zu einem gesellschaftlichen Wandel, welcher sowohl ein aufgeschlosseneres Denken als auch ein verstarktes Gleichstellungsbemuhen hervorrief. Besonders stark zeigen sich diese Entwicklungen heute in dem Bereich der Erwerbsarbeit: In Europa gehen 66,5 Prozent der Frauen zwischen 20 und 64 Jahren einer Erwerbstatigkeit nach (Eurostat 2018). Demnach zeichnet sich eine deutliche Veranderung der Einstellungen gegenuber der Geschlechterrollen ab und damit der Bruch vieler Menschen mit den traditionellen Erwartungen. Dennoch bleibt eine vollstandige Gleichstellung von Mann und Frau bis heute unerreicht. So stellt die Doppelbelastung der Frauen zwischen dem Arbeitsmarkt und Familie, sowie die ungleichen Chancen des Ubergangs in Berufsausbildung und Beruf weiterhin ein zentrales Problem dar. Ein besonderer Fall ist dabei Russland, denn obwohl der Staat bereits 1918 die Gleichstellung der Frau veranlasste und diese mit allen Rechten ausstattete, ist die Gesellschaft heute traditionell und konservativ gepragt (Kosterina 2017a: 2). Zwar konnten in den vergangenen Jahrzehnten ahnliche Entwicklungen wie in den westlichen Staaten verzeichnet werden - darunter eine steigende Anzahl nichtregistrierter Ehen, eine verringerte Kinderzahl und ein steigendes Heiratsalter - trotzdem sind die Bereiche der Familie und Kultur in Russland klar dem Neotraditionalismus zuzuordnen (Kosterina 2017a: 3). Welche Auswirkungen diese Pragung auf die russische Frau hat und welche Hintergrunde diese Entwicklungen veranlassten, wird in der folgenden Abhandlung erortert. Dabei wird die Situation der Frauen in Russland naher beleuchtet und anhand des geschichtlichen Kontextes aufgearbeitet. AnschlieBend werden die Problemfelder Politik, Gesellschaft und Familie einzeln beleuchtet und vorgestellt. Ziel dieser Ausarbeitung ist es abzubilden, welche Faktoren die Lage der russischen Frau beeinflussen und welche Barrieren sich ihr im heutigen Russland entgegenstellen. Zu Beginn setzt sich das anschlieBende Kapitel mit dem historischen Hintergrund weiblicher Diskriminierung in Russland auseinander.

2 Die Entwicklung der russischen Familienpolitik

Die Russische Foderation weist heute eine starke konservative Pragung sowohl im gesellschaftlichen als auch im politischen Bereich auf. Paradoxerweise kam es bereits nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland zu einer Gleichstellung der Frau, wodurch diese in den anschlieBenden Jahren von ihren hauslichen sowie erzieherischen Pflichten entbunden wurde und bei der Bildung des sowjetischen Staats allen voran als Arbeiterin fungierte (Kosterina 2017a: 2). Die Bolschewiki versuchten damit eine sozialistische Zukunft und Lebensweise in Sowjetrussland zu realisieren, wobei das Ideal einer gleichberechtigten Gesellschaft angestrebt wurde (Scheide/Stegmann 2003: 8f.). Dabei kam es neben der Vereinfachung des EheschlieBungsverfahrens und der Legalisierung von Abtreibungen auch zur Errichtung kostenloser staatlicher Kindergarten und Krippen (Kosterina 2017a: 2). Vor allem zur Zeit des Burgerkriegs war die Beschaftigung von Frauen in der gesellschaftlichen Produktion eine naheliegende Losung. Doch nach Beendigung des Krieges wurden diese nach und nach durch die zuruckkehrenden Manner aus ihren Positionen verdrangt (Scheide/Stegmann 2003: 9). Zudem hatte die Liberalisierung verheerende gesellschaftliche Auswirkungen: Aus den neuen Zugestandnisse und der damit einhergehenden Integration der Frau in den Arbeitsmarkt resultierte eine rapide sinkende Geburtenrate, woraufhin der Staat Mitte der 1930er Jahren gezwungen war zu handeln. Unter Stalin kam es zu einem staatlichen Paternalismus, der sowohl mit einem Abtreibungsverbot als auch einer verscharften Kontrolle uber die weibliche Sexualitat einherging (Kosterina 2015: 2). Zwar stiegen die Geburtenraten kurzfristig an, jedoch mehrten sich als unerwunschtes Nebenresultat die illegalen Abtreibungen und die Zahl der Todesfalle bei jenen Eingriffen (Kosterina 2017a: 2).

Durch den Zweiten Weltkrieg und den koharierenden Mannermangel, bot sich zwischen 1941 und 1943 fur Frauen erneut die Moglichkeit Positionen in der Industrie zu besetzen und in den Arbeitsmarkt integriert zu werden (Kosterina 2017a: 3). Doch auch diese Inklusion konnte in der Nachkriegszeit nicht durchgesetzt werden, da die traditionelle Geschlechterordnung stabil blieb und die konservative Pragung der vorangegangenen Politik die Frau zuruck in die Mutterrolle drangte (Scheide/Stegmann 2003: 11). Erst nach dem Tod Stalins kam es im Jahr 1955 wieder zur Legalisierung von Abtreibung und zu weiteren Zugestandnissen fur die russische Frau, darunter bezahlte Schwangerschafts- und Entbindungszeiten sowie die Bereitstellung von Hilfen fur Kinder alleinerziehender Mutter (Kosterina 2017a: 3/ Stein-Redent 2008: 132).

Dennoch wurde das Thema Mutterschaft zunehmend in den Fokus geruckt, was darin gipfelte, dass 1974 eine Liste von 456 Berufen verabschiedet wurde, die fur Frauen untersagt waren, um deren Gesundheit und damit Fruchtbarkeit zu gewahren (Kosterina 2017a: ebd.). Ehe und Familie hatte innerhalb der russischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert und das traditionelle patriarchale Familienmodell wurde klar bevorzugt (Kosterina 2015: 4). Die Uberbelastung der Frau einhergehend mit einer schlechten Wohnsituation und einem weit verbreiteten Alkoholismus bei Mannern, verursachten jedoch ein fruhes Scheitern vieler Ehen (Kosterina 2015: 3). So wurde erst nach Zerfall der Sowjetunion 1991 mit dem traditionellen Gendervertrag gebrochen. Der Niedergang der Wirtschaft zusammen mit der Auflosung von Staatsbetrieben fuhrte zu einer Massenarbeitslosigkeit, die vor allem fur Frauen verheerende Auswirkungen hatte (Stein- Redent 2008: 240). Betroffene Manner, die damit den Verlust ihrer patriarchalen Rolle erfuhren, neigten infolgedessen nicht selten zu Alkoholismus, Selbstmord oder riskanten Verhalten. Demzufolge hatten viele Russinnen den Verlust des Ehemanns zu beklagen und die Zahl alleinerziehender Mutter stieg (vgl. Kosterina 2017a: 3). Heute sind in Russland ahnliche Entwicklungen wie in den westlichen Gesellschaften zu verzeichnen, also eine Vielzahl von Genderrollen und einer groBeren Akzeptanz neuer Familienmodelle (Kosterina 2017a: ebd.). Demgegenuber halten die Eingriffe des Staats in die Bereiche der Gender- und Familienverhaltnisse jedoch weiterhin an. Politik und Rhetorik Russlands weisen bis heute eine konservative und traditionalistische Pragung auf, auch „neotraditionalistisch“ genannt (Kosterina 2015: 4). Neben dem angefuhrten historischen Hintergrund geht dies auch auf die strikte Ablehnung westlicher Kultureinflusse und die Bedeutung der russischen Orthodoxen Kirche zuruck (Turbine 2015: 326 /Stoeckl 2017). Zudem fuhrt die gesellschaftliche Verankerung eines patriarchalen Bewusstseins und die Wirksamkeit der traditionellen Gendernormen zu einem anhaltenden Konservatismus auf sowohl politischer als auch ideologischer Ebene. Der folgende Abschnitt widmet sich der Lage der Frauen in Russland, wobei der Fokus auf den Barrieren, die im Rahmen des Staats, der Gesellschaft und der Familie aufkommen, liegt.

3 Die Lage der Frau in Russland

In der russischen Verfassung wird festgehalten, dass „Manner und Frauen [...] uber gleiche Rechte und Freiheiten und gleiche Moglichkeiten [verfugen] [,] sie zu verwirklichen “ (Die Russische Federation 1993). Die Realitat kann diesem Ideal jedoch bis heute nicht gerecht werden. Demnach ist vor allem die Lage der Frauen innerhalb des Landes kritisch zu sehen, was hauptsachlich auf die vorherrschenden politischen, gesellschaftlichen und familiaren Strukturen Russlands zuruckgeht. Im folgenden Kapitel wird zu Beginn auf die Probleme der hochsten Ebene eingegangen: Die politischen Strukturen des Staates. Dabei soll aufgezeigt werden, welche Faktoren die Position der russischen Frau beeinflussen und daruber hinaus schwachen.

3.1 Problemfeld Staat

Im Bereich der Politik gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die eine Diskriminierung der Frau innerhalb von Russland begunstigen. Dabei schranken viele MaBnahmen der Regierung die Moglichkeiten und Freiheiten der Russinnen enorm ein. Dazu gehort mitunter die Restriktion reproduktiver Rechte, der zufolge eine Abtreibung nur dann auf Kosten des Gesundheitssystems vorzunehmen ist, wenn eine Vergewaltigung oder eine Gefahr fur die Mutter vorliegt. Zudem sind Arzte befugt die Durchfuhrung einer Abtreibung aus personlichen Grunden zu verweigern (vgl. Kosterina 2017a: 4). In Russland sind Schwangerschaftsabbruche traditionell ein gangiges Mittel der Familienplanung (Stein-Redent 2008: 210). Demnach liegt bis heute die Zahl der Abtreibungen deutlich hoher als in vergleichbaren Landern. Allein im Jahr 2014 kam es zu 20,7 Abtreibungen pro 1.000 Frauen (Eurostat 2016). Durch die Einschrankungen versucht die Regierung strategisch Frauen zu animieren weiterhin Kinder zu bekommen (Turbine 2015: 327). Dabei zeigt sich das Mutterschafts-ideal im Land, welches die Frau immer wieder zuruck in ihre traditionelle Rolle verweist (Scheide/Stegmann 2003: 12). Demgegenuber schutzt der russische Staat Frauen nicht vor Gefahren der hauslichen Gewalt, ein sehr weit verbreitetes Phanomen in Russland. Demnach gibt es dazu kein eigenes Gesetz und nur sehr wenig Schutzraume fur Betroffene. Zudem existiert kein System von Kontaktsperren oder Unterlassungsverfugungen (vgl. Kosterina 2017a: 5).

[...]

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Details

Titel
Die Lage der Frau in Russland
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Interkulturelle Kommunikation: Deutsch-russische Beziehungen wagen
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V451737
ISBN (eBook)
9783668860919
ISBN (Buch)
9783668860926
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frau, Russland, Deutsch-russische Beziehungen, Frauen, Russische, Familie, Staat, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Julia Uebelacker (Autor:in), 2018, Die Lage der Frau in Russland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451737

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