Globalisierung und Regionalisierung - zwei Seiten einer Medaille?


Seminararbeit, 2005

33 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

A. Globalisierung
Einleitung
I. Definition und Entwicklung
1. Globale Finanzmärkte
2. Globale Produktion und Investitionsströme
3. Globaler Handel
II. Globalisierungskritik: Handel
1. Handelsliberalisierung - Wachstum doch nicht für alle?
2. Führt Globalisierung zu Armut?
3. Hat die Globalisierung negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt?
4. Ausbeutung von Arbeitskräften in den Entwicklungsländern?
5. Absenkung von Sozialstandards und Einkommen in den Industrieländern?
6. Migration von Arbeitskräften
7. Diskriminierungen und Handelsverzerrungen durch Industrieländer und transnationale Unternehmen?
III. Fazit

B. Regionalisierung
Einleitung
I. Die regionalen Abkommen
1. EU
2. ASEAN
3. MERCOSUR
4. NAFTA
5. FTAA
II. Wirtschaftliche (und andere) Faktoren für die Bildung regionaler Abkommen am Beispiel der NAFTA
1. Kanada
2. Mexiko
3. USA
III. Triade
IV. Positive und negative Aspekte der Regionalisierung
V. Fazit

C. Fazit

D. Literaturverzeichnis

Einleitung

In dieser Seminararbeit werden wir zuerst die Globalisierung vorstellen. Hier sollen der globale Handel und seine Kritik im Vordergrund stehen. Dem gegenüber gestellt wird die Regionalisierung, die in diesem Kontext von Kritikern und Nationalstaaten oft als Instrument zur Handhabung bzw. als Antwort auf Globalisierung angesehen wird. Inwieweit diese Annahmen zutreffen, soll im Fazit erläutert werden.

Der erste Teil dieser Arbeit, der sich mit Globalisierung beschäftigt, wurde von Claudia Breisa verfasst, der zweite Teil über die Regionalisierung wurde von Anke Seifert geschrieben.

A. Globalisierung

Globalisierung - ein Begriff, den im 21. Jahrhundert jeder kennt, den aber kaum einer genau zu definieren weiß. In meinem Teil dieser Hausarbeit möchte ich zuerst etwas über die Entwicklung und die Definition des Begriffes Globalisierung sagen. Danach werde ich grob auf die drei Bereiche eingehen: globale Finanzmärkte, globale Produktion und Investitionsströme sowie globalen Handel, auf die sich dieser globale Prozess bezieht. Den Bereich Umwelt werde ich hier nicht betrachten. Anschließend werde ich versuchen, am Beispiel des globalen Handels und seiner Auswirkungen die Argumentation der Kritiker und der Fürsprecher der Globalisierung zu analysieren, bevor ich diese Arbeit mit einem Fazit abschließe.

Die Literatur und auch die medial geführte Globalisierungsdiskussion sind äußerst vielfältig und schwer zu überschauen. Deshalb werde ich mich hauptsächlich auf den globalen Handel konzentrieren, da jede zusätzliche Erweiterung den Rahmen dieser Arbeit komplett sprengen und um ein vielfaches vergrößern würde.

I. Definition und Entwicklung

Als Definition werde ich hier die Definition von Schirm aus seinem Buch „Internationale Politische Ökonomie“ verwenden, da sie neben all den anderen Definitionen des Begriffs Globalisierung am kürzesten und prägnantesten war und mir somit am besten geeignet schien.

„Globalisierung sei hier definiert als der wachsende Anteil grenzüberschreitend verlaufender privatwirtschaftlicher Transaktionen an der gesamten Wirtschaftstätigkeit“[1]

Globalisierung ist ein Prozess, der seit den siebziger Jahren immer wichtiger geworden ist. In den achtziger Jahren wendeten sich immer mehr Staaten, vor allem in Europa, von dem nach dem zweiten Weltkrieg propagierten keynesianischen Konzept der staatlichen Marktregulierung ab. Zudem löste sich Lateinamerika zunehmend vom importsubstitutierenden Protektionismus.[2] Es lag nun im zunehmenden Interesse aller Staaten, auf dem einen oder anderen Weg den eigenen Standort global konkurrenzfähiger werden zu lassen.[3] Das Ziel der Globalisierung war es, jedem Staat zu ermöglichen, an der internationalen Wirtschaft teilnehmen zu können und so auch die immer weiter ansteigende Armut auf der Welt abzusenken. „Aber ist die weltweite Marktwirtschaft auch geeignet, die Armut in der Welt zu mindern?“[4] Viele Kritiker sehen den Prozess der Globalisierung als eine zunehmende „Entbettung aus dem Bett gesellschaftlicher Bindungen, eine great transformation der traditionalen, über viele Jahrhunderte sich nur langsam ändernden, Verhältnisse zur marktwirtschaftlichen, kapitalistischen Moderne.“[5]

Doch wo liegt die Wahrheit in der Entwicklung der Globalisierung? Fest steht, dass transnationale Bewegungen heute auf Nordamerika, Westeuropa, Ostasien und einige Schwellenländer beschränkt sind.

Benutzen Globalisierungskritiker und Globalisierungsbefürworter nicht in vielen Fällen die gleiche einseitige Darstellungspolemik? Die Antwort auf diese Frage werde ich in dieser Arbeit sicher nicht vollkommen klären können. Aber ich werde versuchen, das eine oder andere Licht in dieser undurchschaubaren Menge von Behauptungen, Statistiken, Meinungen und Erwartungen zu bringen.

1. Globale Finanzmärkte

Als US-Präsident Nixon 1971 erklärte, dass die USA den Umtausch von Dollars gegen Gold zu einem festen Satz nicht mehr garantieren könnten, endete die 1944 beschlossene Weltwirtschaftsordnung von Bretton-Woods. In der darauf folgenden Zeit entwickelte sich ein System flexibler (floatender) Wechselkurse, das zu einer raschen Zunahme von Wechselkursschwankungen und Währungsgeschäften führte.[6] Vor allem England und die USA versuchten durch eine Reihe von Deregulierungen, die auf den Druck der Finanzsektoren geschahen, die Attraktivität ihrer Länder als internationale Finanzplätze zu erhalten. Es entstanden so genannte `off-shore´ Finanzplätze, die sich, wie auch schon während des Bretton-Woods Systems, unter anderem in den Finanzzentren Londons und New Yorks befanden. Diese „außerhalb nationaler Rechtssprechung stehenden Finanzplätze“[7] waren für Anleger und Kreditnehmer überaus attraktiv, so dass sich der Druck auf andere Länder, die Kapitalabflüsse natürlich verhindern wollten, verschärfte. Zudem nahm das Volumen internationaler Anlage- und Kreditgeschäfte zu. Dies basierte auf den immer weiter zunehmenden Expansionsbestrebungen transnationaler Unternehmen (so genannter TNU´s) und den hohen Einnahmen der OPEC-Staaten, welche ihre Gewinne überwiegend in amerikanischen und europäischen Banken anlegten. Da die Banken diese enormen Geldmengen nicht komplett gewinnbringend anlegen konnten, verliehen sie Geld an Entwicklungsländer, die für ihre Industrialisierung dringend Geld brauchten. So bekamen auch die Entwicklungsländer, von denen sich viele nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Herrschaft ihrer europäischen Kolonialherren gelöst hatten, die Möglichkeit, sich in das Finanzsystem zu integrieren.[8] Binnenorientierte Länder konnten vor dieser Entwicklung nicht die Augen verschließen. Ihre Anpassungsunwilligkeit ließ die Kosten, die die Weigerung, attraktivere Bedingungen für Finanzströme zu schaffen, mit sich brachte, stark ansteigen. Kapitalabfluss und weniger Kapitalzuflüsse waren die Ursachen für die Krisen national orientierter Länder. Des Weiteren wurde die Wirksamkeit wirtschaftspolitischer Instrumente eingeschränkt, da staatliche Stellen nun gar nicht mehr in der Lage waren, die Massen elektronischer Informationen, die in sekundenschnelle rund um die Welt rasten, zu kontrollieren. Es ließ sich ein Interessenwandel der transnational orientierten Länder feststellen. Nun waren Anpassungstendenzen an die Konkurrenz zu spüren. Attraktivere Standortbedingungen, Steuer­senkungen u.v.m. waren von Interesse, um Kapitalabflüsse (auch eine exit-option) zu verhindern.[9]

2. Globale Produktion und Investitionsströme

Als wesentliche Ursachen für das Anwachsen der Mobilität und des Produktionsvolumens, sowie globaler, arbeitsteiliger Produktion war die Expansion transnationaler Unternehmen (TNU´s), die sich jetzt das Land mit den idealsten Standortbedingungen aussuchen und darüber hinaus in dem Land, in dem sie bereits ansässig waren, mit der „Exit-option“, also dem Verlassen des bisherigen Standortes, drohen konnten. Durch die zunehmende Arbeitsteilung versprachen sie sich auch bessere Verkaufszahlen durch die Produktion vor Ort. In den Entwicklungsländern ließen sich erste Industrialisierungserfolge vermerken.[10] Dazu beigetragen hat die Expansion der TNU´s, und die Entwicklung eigener

TNU´s in den asiatischen „Tigerstaaten“, wie zum Beispiel Hyundai. Auch hier waren die marktliberalisierende Wirtschaftspolitik und die zunehmende Konkurrenz der Industrieländer ausschlaggebend. Die globale Produktion wurde ein wichtiger, aber kein entscheidender Aspekt für nationale Volkswirtschaften. Durch den vereinfachten Transfer von Kapital und Produktion bekamen transnationale Unternehmen die Möglichkeit, stärkeren Einfluss (voice und exit option) auf die nationale Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder zu nehmen. Protektionistische Ansichten stehen gegen liberale und es wird zunehmend schwieriger, nationale Sektoren vor ausländischen Angeboten protektionistisch zu schützen, da viele ausländische Firmen Produktionsstätten in vielen verschiedenen Ländern der Welt haben. Protektionistische Ausgrenzung, durch Warenboykott beispielsweise, würde auch eigene Staatsangehörige im schlimmsten Fall in die Erwerbslosigkeit treiben.[11]

3. Globaler Handel

Seit den siebziger Jahren nahm der Exportanteil des Bruttosozialproduktes zu. Eine der Ursachen dafür war die Verringerung von tarifären Handelshemmnissen durch die GATT-Runden und die Gründung der WTO 1993, bei denen sich die teilnehmenden Länder zu grundlegenden Handelserleichterungen entschlossen hatten. Ungefähr zur gleichen Zeit wurden immer mehr praktische und technische Neuerungen entwickelt, die die Transportkosten, die vorher ebenfalls zu einer Beeinträchtigung des Handels geführt hatten, absenkten. Durch die, bereits erwähnte, Expansion der TNU´s kam es jetzt auch zu gesteigertem Intra- Firmen-Handel mit Einzelteilen und fertigen Produkten. Zudem führten die Industrialisierungserfolge in einigen Entwicklungsländern (so genannten „newly industrialised countries = NIC´s) zu einem verbreiterten Produktangebot und vermehrter Konkurrenzfähigkeit.[12] Die Entwicklungsländer begannen nun mit dem Export verarbeiteter Produkte. Vorher waren sie auf den Export von Primärgütern (Wolle, Weizen, etc.) beschränkt gewesen. Zudem boten diese, jetzt mehr in den Weltmarkt eingebundenen Länder attraktive Absatzmärkte für langlebige Konsumgüter aus den Industrieländern, z.B. Autos. Diese Auswirkungen des vermehrt grenzüberschreitenden Handels machten den Nationalstaaten bewusst, dass ihre Wohlfahrt ohne außenwirtschaftliche Verflechtungen nicht mehr gesichert werden konnte und kann. Seitens der Firmen steigt natürlich das Interesse einer am Weltmarkt orientierten Wirtschafts- und Handelspolitik. Durch die Öffnung der OECD-Staaten wurden auch bisher national agierende Firmen veranlasst, sich stärker am Weltmarkt auszurichten. Eine Weigerung, sich an diese neuen Bedingungen anzupassen, hätte Geschäftseinbußen, oder den baldigen Konkurs zu Folge. Allerdings kann es auch zu „Import-Lecks“ (import-leakages) kommen. Dies ist zum Beispiel bei der momentanen Euro- Dollar Situation der Fall. Je nach Grad der Außenhandelsverflechtungen wandert die innerstaatliche Kaufkraftzunahme in Importe ab, so dass die beabsichtigte Ausweitung von Produktion und Arbeitsplätzen im Inland eingeschränkt werden muss. Mit zunehmendem Exportanteil können sich einzelne Staaten auch nicht mehr unerwartet auf protektionistische Maßnahmen zurückziehen, da sie von der Offenheit ihrer Zielmärkte abhängig sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, der global erwirtschaftete Teil des BSP ist zwar kleiner als der innerstaatlich erwirtschaftete, jedoch könnte kein Staat heute mehr auf den globale Anteil seines Bruttosozialproduktes verzichten.[13]

II. Globalisierungskritik: Handel

1. Handelsliberalisierung- Wachstum doch nicht für alle?

Eine fundamentaler Kritikpunkt der Globalisierungskritiker sind die viel geäußerten Zweifel an der verbesserten Wohlfahrt der Ent­wick­lungsländer. Das Nord-Süd-Gefälle, welches schon seit längerer Zeit von der Politikwissenschaft mit Imperialismus- oder Modernisierungstheorien analysiert wird, würde sich eher vergrößern als verkleinern. Des Weiteren stellen Globalisierungskritiker die Theorie der komparativen Kostenvorteile in Frage. Sie „würde bei der heutigen Kapitalmobilität nicht mehr gelten, absolute Vorteile würden durch schnelles Umschichten von Kapital dazu führen, dass sich die Weltproduktion in einzelnen Regionen dieser Welt konzentriere.“[14] Dieses Argument lässt sich widerlegen, da die Spezialisierung eines Landes innerhalb eines bestimmten Bereiches nicht von der Kapitalmobilität abhängig ist. Fest steht jedoch, dass kein Land auf absolut jedem Sektor einen komparativen Vorteil haben kann. Der Vorsprung der Industrieländer ist also keineswegs uneinholbar. Die Entwicklungsländer, die sich weiterentwickeln konnten, taten dies durch ihre Integration in das System des internationalen Arbeitsteilung und der Spezialisierung der komparativen Kostenvorteile. Ein weiterer Kritikpunkt, der von Globalisierungsgegnern auch häufig in den Medien propagiert wird, ist die Behauptung, dass Bedingungen freien Wettbewerbs gar nicht vorliegen würden. Dies lässt den gesamten globalen Prozess als eine Farce zu Gunsten der Industrieländer erscheinen. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass bei liquiden Kapitalmärkten die Errichtung finanzieller Marktzutrittsschranken schwer möglich ist. Zudem beweisen die Entwicklungen in den „Tigerstaaten“ Asiens, dass auch der Wissensvorsprung der Industrieländer nicht uneinholbar ist. Juergen W. Donges, auf den ich mich hier beziehe, stellt zudem fest, dass Marktunvollkommenheiten mit der Globalisierung eher abnehmen würden. Trotzdem müsse der Markt auch weiterhin auf Kartellstrukturen, Monopole und weitere Ungleichheiten überprüft werden.[15]

2. Führt Globalisierung zu Armut?

Ein großer Teil der Globalisierungskritiker behauptet, dass innerhalb der letzten Jahrzehnte die Armut auf der Welt nicht gesunken, sondern eher gestiegen sei. Nicht alle Bevölkerungsschichten würden von Wachstum profitieren. Dieses sei ungleich verteilt. Nur die sich ohnehin schon am oberen Ende der Einkommensskala befindenden Menschen würden auf Kosten der Armen/Niedrigstlohnempfänger ihr Vermögen vermehren. Die Armut auf der Welt würde also durch die Ungerechtigkeit der Globalisierung immer weiter zunehmen. Dieses äußerst bekannte, bevorzugt medial geäußerte Argument wird eher schlecht als recht mit Beweisen unterstützt. Die vorhandene Datenbasis ist sehr uneinheitlich. „Nur wenige, ausführliche Studien verwenden Datenmaterial mit Quellen. Zum großen Teil wird auf die Verwendung von Datenmaterial verzichtet, und es werden die Missstände direkt verbal angeprangert.“[16] Durch den Anstieg des weltweiten Pro-Kopf-Einkommens und rasches Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern vergrößert sich natürlich der Abstand des Pro-Kopf-Einkommens zwischen reicheren und ärmeren Ländern. Armut an sich ist schwer zu definieren. Als absolute Armutsgrenze galt, bezogen auf das United Nations Development Programme, im Jahr 1985, 1$ pro Tag und Person.[17] Da die Unterschiede in der Entwicklung armer Länder äußerst vielfältig sind, ist es schwer, einheitliche Aussagen darüber zu treffen, unter welchen Bedingungen ein Land arm ist und unter welchen nicht. Insgesamt lässt sich aber eine langsame Verbesserung der Situation der armen Länder festhalten, welche nicht nur auf der Analyse des Einkommens basieren kann, sondern auch auf z.B. verbesserten Gesundheitsbedingungen. Die Situation der globalen Armutsentwicklung ist also differenzierter, als sie von den meisten Kritikern wahrgenommen und öffentlich vertreten wird.[18]

3. Hat die Globalisierung negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt?

Eine Behauptung, die momentan und auch noch in den nächsten Jahren Deutschland betreffen wird, ist die Prognose einer sich verschlechternden Arbeitssituation in Industrie- und Entwicklungsländern. Man spricht dabei vom „race to the bottom“, bei dem die Löhne unweigerlich absinken würden. In den Industrieländern kommt es auch zu einer Schlechterstellung niedrig bezahlter Arbeitskräfte, da durch den weiter fortschreitenden technischen Fortschritt die Nachfrage nach gut und sehr gut qualifizierten Arbeitnehmern steigt. Je schneller nun dieser „Strukturwandel stattfindet und je schlechter gering qualifizierte Arbeitnehmer sich auf ihn einstellen können, desto größer wird die Gefahr für sie, arbeitslos zu werden und zu bleiben.“[19] Auch innerhalb der Industrieländer kann man eine größere Lohnspreizung feststellen.[20] Die Entwicklungsländer holen auf, da sich auch hier die relativen Lohnabstände ändern. Die Forschung kann nur noch nicht beweisen, dass niedrig qualifizierte Arbeit ebenfalls aufholen kann. Fakt ist jedoch, dass eine qualifizierte Ausbildung im Verlauf der Globalisierung immer differenzierter entlohnt wird.[21]

4. Ausbeutung von Arbeitskräften in den Entwicklungsländern?

Immer noch wird in armen Ländern dieser Welt eine hohe Kinderarbeitsrate verzeichnet. Viele Kinder arbeiten dort zu geradezu unmenschlich niedrigen Löhnen. Ist auch das eine der Auswirkungen der Globalisierung? Hier muss man die Arbeit der Globalisierungskritiker positiv bewerten. Sie heben die schlechten Arbeitsmarkbedingungen dieser Länder in den Medien hervor und helfen so, diese in den Fokus der Weltöffentlichkeit zu rücken und langsam anzupassen. Wenn viele Menschen gezwungen sind, am Rande des Existenzminimums zu leben, dann vergrößert sich das Arbeitsangebot, auch wenn die Löhne sinken. Dies führt dann zu mangelndem Arbeitsschutz und Kinderarbeit. Erst der zunehmende technische Fortschritt und die damit einhergehenden zunehmenden Qualifikationsanforderungen verdrängen die Kinderarbeit. Es ist erwiesen, dass Länder, die sich dem Weltmarkt geöffnet haben, sinkende Kinderarbeit und den zunehmenden Schulbesuch ihrer minderjährigen Bevölkerung verzeichnen. Durch Kinderarbeit wird die entscheidende Chance auf Schulbildung und dauerhaftes Wachstum gegeben. Eine weitere Ursache für die schlechten Arbeitsverhältnisse in vielen Entwicklungsländern ist die schwach ausgeprägte Arbeitnehmerorganisation. Insgesamt geht es den Arbeitnehmern in den Entwicklungsländern zwar immer noch schlecht, aber (auch wenn es ein sehr schwacher Trost ist) relativ besser als vor dem Beginn der Globalisierung. Mehr Export führt zu mehr Lohn, und dies ist ein schwächerer Anreiz für Kinderarbeit, wenn Erwachsene allein durch ihren Arbeitslohn für ihre Familie sorgen können.[22]

5. Absenkung von Sozialstandards und Einkommen in den Industrieländern?

Der immer weiter um sich greifende technische Fortschritt sorgt für eine Veränderung der Lohnstruktur. Niedrig entlohnte Arbeitnehmer können mit ihrer Weigerung, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, ihren Arbeitsplatz akut gefährden. In den Industrieländern liegen die Löhne gering qualifizierter Arbeitnehmer weit über dem Lohndurchschnitt der globalen, ebenfalls niedrig qualifizierten Konkurrenz in Entwicklungs- oder Schwellenländern. „Die Lage in Deutschland [beispielsweise] ist bei hoher Produktivität durch vergleichsweise kurze Arbeitszeiten, hohe Löhne und hohe Sozialabgaben gezeichnet.[23] Die sozialen Systeme vieler Industrieländer mildern eventuellen Einkommensverlust ab. Eine zunehmende Qualifizierung von Arbeitslosen und Geringverdienern kann das Einkommen verbessern. Auch hier ist der Schlüssel die Bildung, die im globalen Wettbewerb langfristig bessere Lebensstandards garantieren kann.[24]

6. Migration von Arbeitskräften

Kritiker bemängeln, dass die Globalisierung viele Menschen aus den Entwicklungsländern zwingen würde, Arbeit im entfernten Ausland zu suchen. Man spricht hierbei vom „brain-drain“. Das bedeutet, dass qualifizierte Arbeitskräfte das eigene (Entwicklungs-)Land verlassen und in die Industrie- oder Schwellenländer ziehen, um dort eine Anstellung zu finden, die sie (mit ihren Qualifikationen) in ihrem Heimatland aus verschiedenen Gründen nicht ausüben können, oder um sich mit einer Ausbildung in den Industrieländern weiter zu qualifizieren. Schwellenländer wie Singapur, Malaysia, Brunei und Thailand verzeichnen eine hohe Zuwanderung von Arbeitskräften aus den Entwicklungsländern, einen so genannten „brain-gain“. Diese Immigranten ersetzen in den Schwellenländern oft die einheimischen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, welche in die Industrie und die Städte abgewandert sind. In der Industrie übernehmen Immigranten aus Entwicklungsländern oft 3-D- Jobs (dirty, dusty, dangerous).[25] Das ist natürlich die Kehrseite der Arbeitsmigration. Es stimmt, dass die Globalisierung viele Chancen eröffnet, ohne die Arbeitnehmer nicht bereit wären, ihre Heimat zu verlassen. Auf der anderen Seite bringen die Immigranten Probleme für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer in den Industrieländern mit sich, da sie ihre Arbeitskraft vielfach billiger zur Verfügung stellen. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass Arbeitsemigranten in ihre Heimatländer zurückkehren und ihr im Ausland erworbenes Wissen dort nützlich einbringen. Des Weiteren ist es leider immer noch eine Tatsache, dass die Migrationsbarrieren der Industrieländer höher sind als die der Entwicklungsländer, was der Situation der Arbeitsemigranten weder in ihren Heimatländern, noch im Ausland weiter hilft.[26]

[...]


[1] Schirm, Stefan A., Internationale Politische Ökonomie, Baden- Baden 2004. S. 67. Im Folgenden zitiert als „Schirm, IPÖ“

[2] Schirm, IPÖ, S. 67.

[3] Die genauen Hintergründe dieses historischen Prozesses werde ich später, bei der Betrachtung der globale Finanzströme, der Produktion und der Investition, sowie des globalen Handels, genauer erklären.

[4] Uchatius, Wolfgang, Koreferat zu Irmgard Nübler, in: Mummert, Uwe, Sell/Friedrich L., Globalisierung und nationale Entwicklungspolitik, Münster, 2003, S 43

[5] Altvater, Elmar/Mahnkopf, Birgit, Grenzen der Globalisierung- Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Münster 2004, S.16

[6] Schirm, IPÖ, S. 73.

[7] Schirm, IPÖ, S. 74.

[8] Schirm, IPÖ, S. 74f., siehe auch Nübler, Irmgard: Die Wirkung der Globalisierung auf die Entwicklungsländer, in: Mummert, Uwe/Sell, Friedrich L., Globalisierung und nationale Entwicklungspolitik, Münster, 2003, S 23ff. Im Folgenden zitiert als „Nübler, Entwicklungsländer“

[9] Schirm, IPÖ, S. 77ff.

[10] siehe hierzu auch die genaue Analyse des Anteils der Entwicklungsländer an den Kapitalzuflüssen bei: Nübler, Entwicklungsländer, S. 18f.

[11] Schirm, IPÖ, S. 81ff.

[12] Nübler, Entwicklungsländer, S. 16.

[13] Schirm, IPÖ, S. 91ff.

[14] Donges, Juergen B., Menzel, Kai, Paulus, Philipp, Globalisierungskritik auf dem Prüfstand – ein Almanach aus ökonomischer Sicht, Stuttgart, 2003, S. 29 (im Folgenden zitiert als: Donges, Globalisierungskritik)

[15] Donges, Globalisierungskritik, S. 29ff.

[16] Donges, Globalisierungskritik, S. 34f, siehe hierzu auch die Analyse des „trickle- down Effekts“ bei Nübler, Entwicklungsländer, S. 29.

[17] Nübler, Entwicklungsländer, S. 29.

[18] Donges, Globalisierungskritik, S. 36ff.

[19] Durth, Rainer, Die Wirkungen der Globalisierung auf die Industrieländer, in: Mummert, Uwe, Sell, Friedrich L., Globalisierung und nationale Entwicklungspolitik, Münster, 2003, S. 50f., (im Folgenden zitiert als: Durth, Industrieländer).

[20] Durth, Industrieländer, S. 53f.

[21] Donges, Globalisierungskritik, S. 42ff.

[22] Donges, Globalisierungskritik, S. 45ff.

[23] Durth, Industrieländer, S. 50.

[24] Donges, Globalisierungskritik, S. 47ff.

[25] Nübler, Entwicklungsländer, S. 26f

[26] Donges, Globalisierungskritik, S. 52ff.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Globalisierung und Regionalisierung - zwei Seiten einer Medaille?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2,0
Autoren
Jahr
2005
Seiten
33
Katalognummer
V45124
ISBN (eBook)
9783638425827
ISBN (Buch)
9783638848589
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Globalisierung, Regionalisierung, Seiten, Medaille
Arbeit zitieren
Anke Seifert (Autor:in)Claudia Breisa (Autor:in), 2005, Globalisierung und Regionalisierung - zwei Seiten einer Medaille?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45124

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