Beschäftigungseffekte und Arbeitsplatzsicherung - Ist Arbeitszeitflexibilisierung gegenüber Arbeitszeitverlängerung zu präferieren?


Seminararbeit, 2005

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Arbeitszeitkonten
1. Definition der Arbeitszeitflexibilisierung
2. Vorteile
3. Nachteile

III. Arbeitszeitverlängerung
1. Vorteile
2. Nachteile

IV. Europäischer Vergleich
1. Arbeitszeiten
2. Standort und Wirtschaftslage

V. Fazit

VI. Literaturverzeichnis

Anhang: Internet-Dokumente

I. Einleitung

„Eine Ausweitung der Arbeitszeit ist im Wirtschaftsablauf exakt dasselbe wie ein technischer Fortschritt, der die Produktivität eines jeden einzelnen Menschen bei gleicher Arbeitszeit erhöht.“ (Sinn 2004). Prof. Hans-Werner Sinn, Leiter des Info-Instituts für Wirtschaftsforschung und Direktor des Center for Economic Studies (CES) in München, fordert die Politiker auf, „eine konzertierte Aktion aller Beteiligten mit dem Ziel einer allgemeinen Ausweitung der Arbeitszeit in die Wege [zu] leiten“ (Sinn 2004).

Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die - um Kosten und Arbeitslosigkeit zu senken, Arbeitsplätze zu erhalten, die Wirtschaft anzukurbeln usw. - eine Arbeitszeitverlängerung fordern.

Aber sind Arbeits­zeitver­längerungen wirklich der „heilige Gral“ der Arbeitsplatz­sicherung und neuer Beschäftigungseffekte oder werden die Probleme mit der Forderung nach Arbeitszeitverlängerung nicht simplifiziert?

Mit Beschäftigungseffekten und Arbeitsplatzsicherung wird seit geraumer Zeit ein weiteres Schlagwort in Verbindung gebracht, das der Arbeitszeitflexibilisierung in Form von Arbeitszeitkonten.

Im Folgenden soll zunächst dargestellt werden, was unter Arbeitszeitkonten zu verstehen ist. Danach werden die Vor- und Nachteile von Arbeitszeitkonten ebenso dargelegt wie die Vor- und Nachteile einer Arbeitszeitverlängerung, um sodann einen Vergleich internationaler (europäischer) Arbeitszeiten vorzunehmen. Dabei wird auf­gezeigt, inwieweit Arbeitszeiten als Indikatoren für Beschäftigung und Standort­attraktivität verwendet werden können. Zum Schluss soll in einem Fazit geklärt werden, ob Arbeitszeitkonten als Form von Arbeitszeitflexibilisierung gegenüber einer Arbeitszeitverlängerung zu präferieren sind.

II. Arbeitszeitkonten

1. Definition der Arbeitszeitflexibilisierung

Arbeitszeitflexibilisierung ist als Abgrenzung zu dem Begriff des „Normalarbeitsverhältnisses“ zu verstehen. Das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ unterstellt eine „dauerhafte Vollzeitbeschäftigung mit einer gleichmäßigen, nicht variierenden Verteilung der Arbeitszeit tagsüber von Montags bis Freitags“ (Schulze-Buschhoff 2000: 32 ff.), das oftmals den Zusatz enthält, dass es sich um ein „tariflich und sozial­versicherungsrechtlich reguliertes Vollzeitarbeitsverhältnis“ (Dingeldey 2001: 32) handelt. Die Arbeitszeitflexibilisierung sieht dagegen folgende Definition vor: „Die Arbeitszeit wird durch ihre zeitliche Lage sowie Dauer, den so genannten chronometrischen sowie chronologischen Faktoren, bestimmt. Wenn mindestens einer dieser beiden Faktoren permanent veränderbar ist, liegt eine ‚flexible’ Arbeitszeit vor“ (Schulze-Buschhoff 2000: 32 ff.). Diese sehr theoretisch anmutende Definition soll am Beispiel von Arbeitszeitkonten erläutert werden:

Im Grunde genommen sind Arbeitszeitkonten ein Instrument der Arbeitszeiterfassung (vgl. AuS innovativ: Begriff). Arbeitszeitkonten dienen der Dokumentation von Arbeits­zeiten. Auf den Konten werden die jeweils individuell geleisteten Arbeitszeiten verbucht und ausgewertet. Insbesondere sollen Abweichungen der vereinbarten Regelarbeitszeit festgehalten werden. Plus- und Minusstunden auf Arbeitszeitkonten ähneln Guthaben und Schulden auf Geldkonten (vgl. Seifert 2001: 84). Zeitguthaben auf den Kontomodellen können entweder in Freizeit oder in Geld umgewandelt werden, „wobei die erste Variante die weitaus häufigere ist“ (vgl. AuS innovativ: Arten/ Modelle). Arbeitszeit-„Defizite“ führen nicht zur Lohnminderung, sondern müssen in einem vereinbarten Zeitraum ausgeglichen werden (vgl. Seifert 2001: 84). Als Vorbilder der heutigen Arbeitszeitkonten gelten „die in den 60er Jahren aufgekommenen Gleitzeitmodelle“ (Seifert 2001: 85). Die Gleitzeit als Prototyp der Arbeitszeitflexibilisierung wurde seitdem weiterentwickelt und verfeinert (vgl. Hermann/ Prom­berger/Sin­ger/Trinczek 1999: 155). Arbeitszeitkonten können grob in Kurz-, Jahres- und Langzeitkonten eingeteilt werden (vgl. Hermann/Promberger/Singer/ Trinczek 1999: 156). Die Modelle reichen von schlichter Gleitzeit bis hin zu komplizierten Lebensarbeitszeitmodellen, die lange Phasen ohne tatsächliche Arbeitsleistung (gleitender Übergang in den Ruhestand, Sabbatjahr etc.) vorsehen. Unterschiede der einzelnen Arbeitszeitkonten bestehen in der Höchstgrenze für Zeitguthaben bzw. -schulden und der Ausgleichszeit (vgl. AuS innovativ: Begriff). Oft werden verschiedene Konten parallel in einem Betrieb geführt oder Kontenarten gemischt (vgl. Seifert 2001: 85).

2. Vorteile

Dank der Vielfalt der „Maßschneiderungsmöglichkeiten“ bringen Arbeitszeitkonten für beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, viele Vorteile. Der wahrscheinlich größte Vorteil für Arbeitgeber ist die Kostenreduzierung. Für Konten mit Guthaben müssen keine Überstundenzuschläge gezahlt werden (vgl. Heckmann/Schank 2004: 513). Pluszeiten werden in der Regel nicht vergütet, sondern in Freizeit umgewandelt. Die Nutzung von Arbeitszeitkonten ermöglicht eine Anpassung an saisonal bedingte Auftragslagen (z. B. im Bau- und Metallgewerbe), so dass Leerläufe vermieden werden. Deshalb existieren bereits bei 29% der Metall- und Elektrofirmen (2002) Langzeitkonten mit mehr als 12 Monaten Ausgleichsraum (vgl. iwd 31/2004). So war es z.B. dem Unternehmen Airbus seinerzeit durch die Einführung von Arbeits­zeitkonten gelungen, einen aufgrund konjunktureller Schwankungen drohenden Stellenabbau zu verhindern. Inzwischen wurden dort sogar ca. 1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen (vgl. iwd 46/2003). Dieses Beispiel zeigt, dass auch die Arbeitsproduktivität steigt, wenn auf die aktuelle Auftragslage reagiert werden kann. Grenzüberschreitungen des Normalarbeitsverhältnisses scheinen wichtige ökonomische Produk­tivkräfte freisetzen zu können (vgl. Geißler 2004: 8). Insgesamt ergibt sich dadurch ein kosteneffizienteres Arbeiten, was für Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Verringerte, aber effizientere Arbeitszeit kann sich demnach positiv auf Arbeitsplätze auswirken (vgl. Seifert 2001: 86). Besonders in konjunkturell schwierigen Zeiten bieten Arbeitszeitkonten eine Möglichkeit zur Arbeitsplatzsicherung. Bereits 95% der Unternehmen mit Langzeitkonten sehen in Arbeitszeitkonten die Chance, ihre Mitarbeiter, insbesondere Teams, auch bei verringerten Auftrags­eingängen halten zu können (vgl. iwd 46/2003). Arbeitszeitkonten bieten nicht nur durch Wettbewerbsvorteile Produktivitätsgewinn, sondern durch ihre Vielseitigkeit auch eine Möglichkeit, den Interessen der Beschäftigten entgegen zu kommen. Das Mehr an Freizeit, welches dem Arbeitnehmer durch Zeitguthaben zusteht, kann er für seine individuellen Bedürfnisse nutzen. Auch die tägliche Arbeitszeit kann je nach Arbeitszeitmodell an den Lebensstil des Arbeitenden angepasst werden. Viel Raum für selbstbestimmbare Zeit bieten z. B. die Gleitzeitmodelle, während Überstundenkonten eher beschäftigungssichernd eingesetzt werden (vgl. Seifert 2001: 90). Zeitguthaben können sowohl für Freizeitblöcke als auch Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden. Beispielsweise ließen 2001/2002 drei Viertel der großen Unternehmen ihre Mitarbeiter an Schulungsmaßnahmen teilnehmen (vgl. iwd 27/2003). Kleinere Betriebe allerdings erreichen diesen Prozentsatz, vermutlich aufgrund von Minimalbelegschaften oder wegen mangelnder Information, nicht. Obwohl durch Zusatzqualifikationen geschulte Mitarbeiter den Betrieben Wettbewerbsvorteile bringen können, kommt die „investive Arbeitszeitpolitik“ häufig in den Chefetagen nicht an. Dabei verbessern Weiterbildungsprogramme für die Arbeitnehmer nicht nur Aufstiegsmöglichkeiten und Jobperspektiven, sondern erhöhen gleichzeitig die Motivation (vgl. iwd 27/2003).

3. Nachteile

Das Führen von Arbeitszeitkonten erfordert auf Arbeitgeberseite mehr Verwaltungsaufwand und dürfte insbesondere kleinere Betriebe abschrecken. Auch lassen sich in Klein- und Kleinstbetrieben die technischen Kosten womöglich nicht rechnen (vgl. KiBiS). Die Nachteile von Arbeitszeitkonten betreffen aber hauptsächlich den Arbeitnehmer. So muss an erster Stelle der Verfall von Zeitguthaben genannt werden, wobei Kurzzeitkonten die größten Risiken tragen. Arbeitszeitkonten mit kurzer Ausgleichmöglichkeit sind jedoch der Standard. 28% der Arbeitszeitkonten im privaten und 50% im öffentlichen Sektor können nur innerhalb eines Quartals ausgeglichen werden. 21% der Zeitguthaben im privaten und 38% im öffentlichen Sektor verfallen durchschnittlich nach Ablauf des Ausgleichszeitraums (vgl. Seifert 2001: 87). In diesem kurzen Rahmen ist der Zeitausgleich oft nicht möglich. Davon sind, wie bereits angesprochen, vor allem Angestellte von Kleinbetrieben betroffen, denn innerhalb eines kleinen Unternehmens mit minimaler Belegschaft kann nicht jeder einfach Freizeit nehmen. Zudem müssen sich besonders Firmen im Dienstleistungssektor nach den Wünschen ihrer Kunden richten. Um kundenorientierter arbeiten zu können, wurden im tertiären Sektor mehr als 90% der Arbeitszeitkonten eingeführt (vgl. iwd 27/2003). Arbeitszeitkonten sind nur unzureichend vor Betriebsinsolvenz geschützt. Im Jahr 2001 musste jede Viertelstunde eine Firma Konkurs anmelden, was täglich etwa 550 Jobs kostete (vgl. iwd 24/2002) Geht aber das Unternehmen pleite, ist auch das Zeitguthaben verloren. Nur für spezielle Altersteilzeitkonten und Langzeitkonten ist gesetzlicher Schutz vorgesehen, der in der Praxis jedoch oft missachtet wird. Bei Altersteilzeit ist nur jedes zweite, bei Langzeit sogar nur jedes dritte Konto geschützt[1] (vgl. Archiv Pressemitteilungen Hans Böckler Stiftung). Und obwohl es sich um erhebliche Geldmengen handelt, werden Arbeitszeitkonten nicht verzinst (vgl. Seifert 2001: 84). Arbeitzeitkonten können für den Arbeitnehmer auch bedeuten, dass er seine Arbeit nicht nur in kürzerer Zeit zu erledigen hat, sondern zudem erst ein Zeitguthaben ansammeln muss, um Freizeit oder Urlaubstage zu erhalten. Außerdem ist die Nutzung der meisten Arbeitszeitkonten nicht komplett autonom, sondern der Freizeitausgleich muss mit Kollegen oder Vorgesetzten abgestimmt werden. Sind dann Kompromisslösungen nötig oder die Zeitguthaben kaum zu kalkulieren, weil die „Verfügungsgewalt“ beim Arbeitgeber liegt, verstärkt sich die Abhängigkeit (vgl. Seifert 2001: 84). Ob und wie positiv Arbeitszeitkonten von den Beschäftigten beurteilt werden, hängt von der autonomen Zeitverfügung ab, welche wiederum abhängig ist von dem Erwerbsstatus. Männliche Arbeitnehmer in hohen Positionen haben die höchste Zeitautonomie (vgl. Seifert 2001: 89). Daher wünschen sich viele der (zumeist weniger qualifizierten) Mitarbeiter feste Arbeitszeiten, weil sie befürchten, für ein wenig Mehr als Flexibilität mit ständiger Erreichbarkeit zahlen zu müssen und die Privatsphäre und den sozialen Rhythmus zu verlieren (vgl. Geißler 2004: 7).

[...]


[1] Zwar sind seit Mitte 2003 Arbeitgeber verpflichtet, höhere Wertguthaben abzusichern, allerdings erst dann, wenn „ein Stunden-Überschuss auf dem Zeitkonto nicht innerhalb von 27 Kalendermonaten ausgeglichen wird, und der Wert der Arbeitsstunden einschließlich des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung mindestens 7.035 Euro (Westdeutschland) bzw. 5.880 Euro (Ostdeutschland) beträgt“ (iwd 24/2002).

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Beschäftigungseffekte und Arbeitsplatzsicherung - Ist Arbeitszeitflexibilisierung gegenüber Arbeitszeitverlängerung zu präferieren?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V45120
ISBN (eBook)
9783638425797
ISBN (Buch)
9783638763578
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beschäftigungseffekte, Arbeitsplatzsicherung, Arbeitszeitflexibilisierung, Arbeitszeitverlängerung
Arbeit zitieren
Anke Seifert (Autor:in), 2005, Beschäftigungseffekte und Arbeitsplatzsicherung - Ist Arbeitszeitflexibilisierung gegenüber Arbeitszeitverlängerung zu präferieren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45120

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