Die Entdeckung des Higgs-Bosons von Pablo Toussaint


Facharbeit (Schule), 2018

21 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Hauptteil
2.1 Higgs-Boson und die Medien - Der Hype um das Gottesteilchen
2.2 Entwicklung der Theorie
2.3 Experimenteller Nachweis
2.3.1 Anfänge der Higgs-Suche
2.3.2 Der Large Hadron Collider - ein Ort der Superlative
2.3.3 Gefahren und Befürchtungen - Zerstört der LHC die Welt?
2.3.4 ATLAS und CMS - Die Detektoren
2.3.5 Auswertung der Ergebnisse
2.4 Das Higgs-Boson gefunden - und alle Fragen offen?
2.5 Epilog - Der Nutzen von Grundlagenforschung

3.Bibliographie
3.1 Primärliteratur
3.2 Sekundärliteratur
3.2.1 Monographie
3.2.2 Artikel in Zeitschrift
3.2.3 Internetquellen

4.Abbildungsverzeichnis

5.Anhang

1. Einleitung

“Am 4. Juli 2012 hob sich der Vorhang über einem der vermutlich letzten Mysterien der Physik. Es wurde Higgs!”1

Genau dieses Mysterium und dessen Auflösung stehen im Mittelpunkt meiner Seminararbeit “Die Entdeckung des Higgs-Bosons”. Dabei geht es um Gottesteilchen, die Entstehung von Masse, die größte Maschine der Welt, den Weltuntergang und vieles mehr.

2. Hauptteil

2.1. Higgs-Boson und die Medien - Der Hype um das Gottesteilchen

Sensation! Gottesteilchen entdeckt!” titelte die Bildzeitung im Jahr 2012. Die Medienlandschaft berichtete, als seien alle Fragen der Menschheit auf einen Schlag beantwortet worden. Die physikalischen Prozesse des Experiments am LHC wurden vernachlässigt oder verdreht. So wurde aus nüchternen Datensätzen “Das Tor zu einer anderen Welt”, das “Graviton”, die Entdeckung dunkler Materie oder gleich Gott. Auch wenn die Ergebnisse, die kurz zuvor von Forschern des CERN veröffentlicht wurden, mit Sicherheit keine “Mücke” waren, und Wissenschaft für viele inzwischen wirklich eine religiöse Instanz ist, so hatten sie dennoch kaum etwas mit dem überdimensionierten “Elefanten” zu tun, zu dem sie aufgeblasen wurden. Derart reißerische Artikel wecken mit Sicherheit das Interesse der LeserInnen und können sie vielleicht für Physik begeistern, allerdings sollte das nicht zu Lasten von Fakten fallen. Doch wie kam es überhaupt zu einer solchen Berichterstattung?

Im Jahr 1993 schrieb Leon Lederman ein Buch über das Higgs-Boson. Da dieses Teilchen der Physik so viel Kopfzerbrechen bereitete, sollte der Titel “The Goddam Particle” lauten. Der Verleger aber wollte keine Schimpfwörter auf dem Cover, und änderte die Überschrift so kurzerhand zu “The God Particle”. Infolgedessen gingen die Verkaufszahlen zwar durch die Decke, die Physiker hatten nun aber viele Fragen zu beantworten. Und selbst der Vatikan musste Stellung beziehen.2 Würde das Higgs-Boson Masse wie aus dem Nichts entstehen lassen, so hätte es tatsächlich etwas göttliches an sich. Hinter der Masse-Entstehung und der Rolle des Higgs-Bosons darin steckt allerdings keine Magie, sondern es verbergen sich komplizierte physikalische Prozesse, die es selbst den besten Physikern schwer machen, sie verständlich darzulegen. Versuchen nun die Massenmedien als “Laien”, schon am Tag der Bekanntgabe, Artikel darüber zu schreiben, werden wissenschaftliche Fakten mit Scheinlösungen und etlichen Spekulationen vermischt und damit ein verzerrtes Bild der Realität erzeugt.3

2.2. Entwicklung der Theorie

Die Frage, “was die Welt im innersten zusammenhält”4 gehört wohl zu den ältesten Fragen der Menschheit. Seit Leukipp im 4. J.h. v. Chr haben wir die Idee von unteilbaren Urstoffen, aus denen die Welt aufgebaut ist. Unser heutiges Verständnis geht viel weiter. Wir wissen, dass die uns bekannte Materie aus Molekülen und Atomen besteht, die ihrerseits aus Elektronen in der Hülle sowie Neutronen und Protonen im Kern zusammengesetzt sind.5 Doch hier ist noch lange nicht Schluss.

Seit den 1960er Jahren arbeiten Physiker an einem Modell, das die fundamentalen Bausteine von Materie und die Kräfte, die ihren Zusammenhalt sicherstellen, beschreibt. Dieses sogenannte “Standardmodell der Elementarteilchenphysik” basiert auf zwei Prinzipien:

1. Alle Materie besteht aus elementaren Teilchen, den sogenannten Fermionen. Sie sind aufgeteilt in Quarks und Leptonen sowie in drei Teilchengenerationen. Die uns bekannte Materie besteht aus Teilchen der ersten Generation, also den up- und down-Quarks sowie den Elektronen. Zusätzlich gibt es noch Neutrinos, die allerdings kaum wechselwirken und deshalb sehr schwer nachzuweisen sind. Die Teilchen der zweiten und dritten Generation ähneln jeweils sehr stark ihrem Familienmitglied der ersten Generation, sind aber wesentlich schwerer und deshalb instabil.
2. Diese Teilchen interagieren durch das Austauschen anderer Teilchen.

Diese “Vermittler” heißen Bosonen und stehen in Beziehung zu den sog. fundamentalen Kräften. Man kann sie sich vorstellen wie einen schweren Ball, den zwei Personen, die auf jeweils einem Boot stehen, einander zuwerfen. Beide Personen werden voneinander abgestoßen, wobei der Impuls erhalten bleibt. Dieser Effekt kann als abstoßende Kraft zwischen ihnen interpretiert werden.6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Austauschteilchen befinden sich in einem Zustand zwischen Sein und Nicht-Sein, weshalb sie auch virtuelle Teilchen genannt werden. Dieser Zustand erklärt sich durch die Heisenbergsche Unschärferelation. Diese gibt eine grundsätzliche Grenze für die Genauigkeit an, mit der zwei physikalische Größen gleichzeitig gemessen werden können. Die Energieunschärfe Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten erlaubt es einem Teilchen mit Masse ΔE aus dem Nichts zu entstehen, eine Kraft zu vermitteln und wieder zu verschwinden, solange der Zeitraum des Wechselwirkungsprozesses Δt klein genug ist. Das fundamentale Gesetz der Energieerhaltung muss zwar von den Ausgangs- und Endprodukten einer Wechselwirkung erfüllt werden, während des Prozesses selbst aber können virtuelle Teilchen vorkommen, für die diese Richtlinien nicht gelten. Führt man einem System oder Raum allerdings genug Energie zu, so kann ein virtuelles Teilchen die Grenze zur Existenz queren, eine tatsächliche Masse bekommen und von Detektoren erfasst werden.7

Die Teilchen des Standardmodells unterscheiden sich durch Eigenschaften wie Masse, Ladung, oder Spin, d.h. ihren Eigendrehimpuls bezüglich ihrer Flugrichtung. Zusätzlich zu jedem Materieteilchen gibt es ein Antiteilchen mit entgegengesetzter Ladung.8

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Theorie des Standardmodells gehört eine ganze Reihe komplexer Gleichungen, die sehr genaue Vorhersagen über Entstehung, Zerfall und Wechselwirkung der Teilchen ermöglichen. Die Rechenergebnisse konnten experimentell teilweise auf die 9. Dezimalstelle bestätigt werden. Das Standardmodell ist also die erfolgreichste Beschreibung unserer Wirklichkeit, die es jemals gab.9

Allerdings prophezeite es zunächst nur Teilchen ohne Ruhemasse. Dies stand im Widerspruch zu den experimentellen Beobachtungen. Nicht zuletzt würden sich alle Elementarteilchen, wären sie masselos, mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, es könnten sich also keine Strukturen bilden, geschweige denn Leben entwickeln. Unabhängig voneinander schlugen mehrere Physiker, darunter Robert Brout, François Englert und Peter Higgs ein Feld vor, das den Elementarteilchen durch Wechselwirkung Masse verleihen sollte. Dieses Feld wurde Higgs-Feld genannt und mathematisch durch den gleichnamigen Mechanismus beschrieben.

Wie ein elektrisches Feld oder ein Gravitationsfeld ist es unsichtbar, seine Auswirkungen sind dennoch spürbar. Allerdings hat das Higgs-Feld als einziges Feld keine Quelle, sondern ist eine immer und überall vorhandene Eigenschaft des Raumes. Es entstand 10⁻¹² Sekunden nach dem Urknall und durchdringt seitdem das Universum.10 Dafür muss das Potential des Higgs-Feldes im “entspanntesten” Zustand, genannt Vakuumerwartungswert, überall einen von 0 verschiedenen Wert haben. Das Potential sieht aus wie ein Mexikanischer Hut oder der Boden einer Weinflasche. An sich ist das Potential also noch symmetrisch, das fordert die Mathematik des Standardmodells, sein Grundzustand aber ist unsymmetrisch. Mathematisch ist das wie folgt beschrieben: Das Potential Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ist instabil im Ursprung, bei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten die niedrigste Energie hat es am Boden des Hutrandes, bei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten11

Das Higgs-Feld kann man sich vorstellen wie einen gleichmäßig mit Reportern gefüllten Raum. Tritt eine prominente Person, z.B. Angela Merkel, ein, wird sie von den Reportern umringt und benötigt viel Energie, um zur anderen Seite des Raumes zu gelangen, obwohl sie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

sich sehr langsam bewegt. Merkel hat also einen großen Widerstand, ihre Energie in Bewegung umzuwandeln, was gleichbedeutend mit einer hohen Masse (in Form von Trägheit) ist. Würde stattdessen eine unbekannte Person den Raum betreten, könnte diese sich widerstandsfrei mit beliebiger Geschwindigkeit durch den Raum bewegen, hätte also keine Masse.

Dieses Modell zeigt, dass Masse keine intrinsische Eigenschaft von Teilchen ist, sondern eine Eigenschaft, die aus der Wechselwirkung mit seiner Umgebung entsteht. Zwischen der Person und den Reportern - oder eben zwischen einem Teilchen und dem Higgs-Feld.

Kommt nun keine neue Person in den Raum, sondern es verbreitet sich nur das Gerücht, Merkel käme in 10 Minuten, würden die Reporter Grüppchen bilden, um die Details zu besprechen, sich dann umdrehen und es ihren nächsten Nachbarn erzählen. Eine Welle an Reporter-Ballen würde sich durch den Raum bewegen. Da die Information von Anhäufungen an Reportern getragen wird, und diese Anhäufung zuvor Merkel Masse verliehen hat, besitzen auch die das Gerücht verbreitenden Grüppchen Masse. Diese Unruhe oder Störung des Feldes, entspricht dem Higgs-Boson.12

Wichtig ist allerdings noch, dass das Higgs-Feld nur elementaren Teilchen ihre Masse verleiht. Beispielsweise kommt 99% der Masse eines Protons aus der kinetischen Energie der sich bewegenden Quarks und der Bindungsenergie der Gluonen, welche die Quarks zusammenhalten. Ohne Higgs-Feld allerdings kämen die Bestandteile des Protons nicht zusammen, da sie sich alle mit Lichtgeschwindigkeit bewegen würden.13

2.3. Experimenteller Nachweis

Wäre das Higgs-Feld ein Ozean, so wäre das Higgs-Boson eine Welle auf diesem, also die Anregung des Feldes. Um einen Ozean anzuregen, reicht es, ihn mit Energie z.B. in Form von Wind, zu versorgen. Dasselbe gilt für das Higgs-Feld. Es genügt, ihm Energie bereitzustellen, um es anzuregen. Stellt man sich nun ein Wasserglas vor, so kann man durch einfaches Antippen beweisen, dass es gefüllt ist. Wenn tatsächlich Wasser im Glas ist, erscheinen auf der Oberfläche Wellen. Ohne Wasser wäre das nicht möglich. Findet man also das Higgs-Boson, weist man damit auch das Higgs-Feld nach.

Um das Higgs-Feld anzuregen und ein Higgs-Boson zu erzeugen, muss also Energie zugeführt werden. Experimentell ermöglichen dies Teilchenbeschleuniger, indem sie sehr viel Energie auf einen kleinen Raum konzentrieren. Das Grundprinzip ist einfach: Zwei Teilchen (meist Protonen) werden beschleunigt und kontrolliert zur Kollision gebracht. Ihre Gesamtenergie materialisiert sich in Form von (neuen) Teilchen.14

2.3.1. Anfänge der Higgs-Suche

Die experimentelle Suche nach dem Higgs-Boson begann in den 1980er Jahren. Die Crystal

Ball Collaboration am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) gab 1984 einen Signalausschlag bekannt, der einer Higgs-Boson Masse von 8.32 GeV entsprochen hätte; das

Ergebnis wurde aber nicht bestätigt und verschwand, nachdem weitere Daten ausgewertet

wurden. Auch alle weiteren Versuche, darunter die CUSB und CLEO Kooperationen an der

Cornell University sowie SINDRUM am Paul Scherrer Institut in der Schweiz kamen zu

keinem Ergebnis. Dies implizierte, dass die Masse des Higgs-Bosons, sollte es existieren, oberhalb des Leistungsbereichs dieser Anlagen liegen müsse. Von 1989-2000 wurden Experimente am Large Electron-Positron Collider (LEP) durchgeführt, die eine wahrscheinliche untere Grenze von 107,3 GeV vorgaben. Der Tevatron Collider am Fermilab in den USA konnte die Masse zwischen 115 und 140 GeV eingrenzen. Da bis zu diesem Zeitpunkt immer noch keines der Experimente das Higgs-Boson nachweisen konnte, wurde an der Theorie immer mehr gezweifelt. Dennoch entschloss man sich, mit dem Bau des LHC einen letzten Nachweisversuch zu unternehmen.15

2.3.2. Der Large Hadron Collider - ein Ort der Superlative

Der Large Hadron16 Collider (LHC) wurde im Jahr 2008 nach fast 10 Jahre Bauzeit in Betrieb genommen. Er ist der stärkste und erfolgreichste Teilchenbeschleuniger, der je gebaut wurde sowie die größte und komplexeste von Menschenhand geschaffene Maschine.17

Die zu beschleunigenden Teilchen kommt zunächst aus einer einfachen Wasserstoff-Flasche, ein elektrisches Feld zieht dann die Elektronen ab. Die übrig gebliebenen Protonen werden von einem Linearbeschleuniger nahmens “Linac 2” auf ca. ⅓ der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Bei einem Linearbeschleuniger werden elektrisch geladene Teilchen aus einer Quelle zu einem metallischen Hohlzylinders (Driftröhre) beschleunigt, der an dem Pol einer Wechselspannungsquelle angeschlossen ist. Während sie die feldfreie Driftröhre durchqueren, kehrt sich das Vorzeichen der Spannungsquelle um, sodass die Teilchen nach dem Austreten aus der ersten, zur nächsten Driftröhre hin beschleunigt werden, die auch mit der Spannungsquelle verbunden ist. Da die Geschwindigkeit der Teilchen steigt, muss bei gleichbleibender Frequenz der Wechselspannung die Länge der Röhren immer größer werden.

[...]


1 Lesch (2013) S.6.

2 Baggot (2017) S. 209.

3 Lesch (2013) S.15-16.

4 Goethe (1808) S.13.

5 Kaiser (2003).

6 Kuhar (2013).

7 Lesch (2013) S.47-50.

8 Kuhar (2013).

9 Gagnon (2016) S.133.

10 Gagnon (2016) S.25-37.

11 Ellis/ Gaillard/ Nanopoulos (2015) S.2-4.

12 Castillo/ Roberto (2015) S.17-19.

13 Gagnon (2016) S. 33.

14 Gagnon (2016) S. 34-39.

15 Castillo/ Roberto (2015) S.23-28.

16 Hadronen sind alle Teilchen, die aus Quarks aufgebaut sind wie Protonen und Neutronen

17 Gagnon (2016) S.41-45.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Entdeckung des Higgs-Bosons von Pablo Toussaint
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2018
Seiten
21
Katalognummer
V450914
ISBN (eBook)
9783668881860
ISBN (Buch)
9783668881877
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wisstenschaftliche Arbeit über den Nachweis des Higgs-Feldes und des Higgs-Bosons, sowie der Entwicklung der Theorie
Schlagworte
Physik, Teilchenphysik, Elementarteilchen, Masse, Higgs-Feld
Arbeit zitieren
Pablo Toussaint (Autor:in), 2018, Die Entdeckung des Higgs-Bosons von Pablo Toussaint, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/450914

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