Systeme der Einlagensicherung in Deutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

27 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einlagensicherungssysteme in Deutschland
2.1. Geschichtliche Entwicklung der Einlagensicherung in Deutschland
2.2. Begriffsbestimmungen
2.2.1. „Einlagen“
2.2.2. „Einlagensicherung“
2.3. Einlagensicherungssysteme
2.3.1. Gesetzliche Einlagensicherung
2.3.2. Freiwillige Einlagensicherung
2.3.2.1. Sicherungssystem der Privatbanken
2.3.2.2. Sicherungssystem der öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Banken

3. Ziel der Einlagensicherungssysteme
3.1. Einlegerschutz
3.2. Schutz des Bankensystems
3.3. Moral Hazard bei Banken

4. Belastbarkeit der Einlagensicherungssysteme

5. Ausblick

Anhang: Erfahrungen der Kreissparkasse Heinsberg aus der Finanzkrise 2008 - 2013 V

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einlagensicherung

Abbildung 2: ... Haftungsverbund der deutschen Sparkassenfinanzgruppe

Abbildung 3: Einlagenschutz – Sicherungsgrenzen bleiben weiterhin hoch

1. Einleitung

Im Rahmen dieser Seminararbeit werden neben der Beschreibung der deutschen Einlagensicherungssysteme auch Gründe für die Entstehung deren Koexistenz aufgezeigt.

Beginnend wird auf die Entstehung und Entwicklung der Sicherungssysteme aus vergangenen Ereignissen eingegangen. Diese historische Einordnung gibt Aufschluss über die Hintergründe und den Entwicklungsprozess.

Im weiteren Verlauf werden die Begriffe der „Einlagen“ und „Einlagensicherung“ abgegrenzt.

Es folgt die Darstellung des in Deutschland aktuell wirkenden Sicherungssystems für Einlagen. Dieses System geht von einer gesetzlichen Grundlage auf, die im Rahmen von europäischen Vorgaben als Mindestabsicherung umgesetzt werden musste[1]. Darauf aufbauend wirkt die freiwillige Einlagensicherung, deren Entstehung deutlich vor der Gesetzesnorm datiert wird. Das freiwillige Einlagensicherungssystem wird gegliedert in die Absicherung der privaten Banken, der öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstitute. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale sind die Wirkungen der Sicherungseinrichtungen. Dabei gilt es die direkte Entschädigung der Einleger der privaten Banken von der indirekten, institutssichernden Entschädigung der öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Institute zu diversifizieren[2].

Fortführend wird auf Aufgaben der Einlagensicherungssysteme eingegangen, die den eigentlichen Sinn der Entschädigung von Einlegern übersteigen. Zu diesen Aufgaben gehört die Sicherung des Bankensystems und, damit verbunden, der Schutz des Vertrauens der Einleger in dieses[3].

Die Belastbarkeit der vorhandenen Sicherungseinrichtungen hinsichtlich der benötigten Summen zur Rettung aus der Bankenkrise in 2008 wird kritisch betrachtet. Vertiefend wird auf die Moral Hazard-Problematik eingegangen. Diese Problematik offenbart eine mögliche Abwärtsspirale im Falle einer 100 %-Absicherung[4].

Abschließend findet sich ein Ausblick auf die geplante Bildung einer europäischen Bankenunion zur Harmonisierung der Einlagenabsicherung auf europäischer Ebene.

2. Einlagensicherungssysteme in Deutschland

2.1. Geschichtliche Entwicklung der Einlagensicherung in Deutschland

Die Entstehung der Einlagensicherung in Deutschland führt auf eine Reihe von Bankinsolvenzen im 20. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit unterlag das Betreiben von Bankdienstleistungen keiner staatlichen Regulierung[5]. Die schwerwiegende Bankenkrise von 1931 in Österreich war die Auslösung für Veränderungen. Nachdem die österreichische Kreditanstalt als Jahresabschluss einen Verlust von 140 Millionen Schilling ausgewiesen hatte, begann das Vertrauen der Anleger in die Banken und die Sicherheit ihrer Geldanlagen zu schwinden. Dieses Misstrauen übertrug sich auch auf die Einleger in Deutschland. Als Folge erlebten die Deutschen einen Banken-Run[6] und sie mussten sich von dem damaligen festen Wechselkursverhältnis, dem Goldstandard, verabschieden[7]. Um dem Vertrauensverlust entgegenzuwirken erwuchs ein effektives, freiwilliges Einlagensicherungssystem in Deutschland. Die Genossenschaftsbanken kristallisierten sich als Treiber dieses Gedankens heraus. 1937 wurde der genossenschaftliche Garantiefonds des Deutschen Genossenschaftsverbandes ins Leben gerufen. Dieser existiert heute noch in abgewandelter Form als Bundesverband deutscher Volks- und Raiffeisenbanken[8]. Die Einlagen bei Sparkassen waren durch die Gewährträgerhaftung geschützt[9]. Im Zuge der Einführung des Kreditwesengesetzes setzte sich der Gesetzgeber mit der Thematik der Einlagensicherung auseinander. Er entschied, keine gesetzliche Vorgabe zu diesem Thema zu geben. Aus dem Bundestag heraus wurde die Frage gestellt, „ob und inwieweit der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Sparten des Kreditgewerbes durch gesetzliche oder verwaltungsmäßige Begünstigungen bestimmter Kreditinstitute verschoben wird und welche Maßnahmen gegebenenfalls zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen angezeigt sind; ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Sicherheit der Einlagen bei Kreditinstituten durch Schaffung allgemeiner Sicherungseinrichtungen, z.B. eines Garantiefonds für Einlagen oder einer Einlagenversicherung, verbessert werden sollte, wobei insbesondere darauf Bedacht zu nehmen ist, Unterschiede im Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten zu beseitigen“[10]. Als Folge dieser Fragestellung wurde 1966 der Gemeinschaftsfonds des privaten Bankgewerbes durch den Bundesverband deutscher Banken gegründet.

Das bekannteste Beispiel der jüngeren Geschichte ist die Insolvenz der Herstatt-Bank 1974. Hierbei bildeten sich erstmals Schlangen von Kunden, die vergebens versuchten, ihr Geld abzuheben. Zu diesem Zeitpunkt waren die Einlagen durch die Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes deutscher Banken mit 20.000 DM abgesichert[11]. Private wie behördliche Einleger mussten als Folge der Herstatt-Pleite große Verluste hinnehmen[12].

In Folge der immer dichter zusammenrückenden europäischen Länder und Märkte wurde das deutsche System 1994 durch die Einlagensicherungsrichtlinie der Europäischen Union mit neuen, vorgeschriebenen Rahmenbedingungen konfrontiert[13]. Diese wurde 1998 mit dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz in deutsches Recht umgesetzt[14]. Auf diese Veränderungen wird unter „Systeme der Einlagesicherung“ näher eingegangen.

2.2. Begriffsbestimmungen

2.2.1. „Einlagen“

Dem Begriff der Einlage werden in Deutschland verschiedene Bedeutungen zugesprochen. Er wird sowohl im Gesellschafts- als auch im Bankenrecht genutzt.

Im Gesellschaftsrecht steht der Begriff der Einlage für den Beitrag eines Gesellschafters[15] oder Aktionärs[16] zum Gesellschaftsvermögen. Damit trägt die Einlage zur Erhöhung des Haftungsvermögens bei.

Im Bankenrecht hingegen wird die Einlage als Forderungsrecht eines Anlegers gegenüber dem annehmenden „Kreditinstitut“[17] verstanden.

Dabei gilt zu unterscheiden, welche Arten von Forderungen unter den Begriff der Einlage fallen: Einlagen i.S.d. Kreditwesengesetzes sind fremde Gelder, die von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute sind, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten laufend entgegengenommen werden[18].

Die Einlagensicherungsrichtlinie definiert Einlagen als Guthaben auf Konten, das von dem Kreditinstitut per Gesetz zurückzuzahlen ist, sowie Forderungen, die durch das Ausstellen einer Urkunde verbrieft wurden[19]. Darunter fallen jedoch nur Einlagen von Nicht-Banken[20].

2.2.2. „Einlagensicherung“

„Die Einlagensicherung ist [nach gängiger Meinung] die Bezeichnung für die gesetzlichen und freiwilligen Maßnahmen zum Schutz der Einlagen von Kunden bei Kreditinstituten im Falle der Insolvenz“[21]. Dabei wird zwischen einer Einlagesicherung im „weiteren “ bzw. „engeren“ Sinne unterschieden.

Die Einlagensicherung im weiteren Sinne umfasst alle rechtlich und faktisch bestehenden Einrichtungen, die den Gläubiger einer Bank vor dem Total- oder Teilverlust seiner Einlagen schützen sollen[22]. Hierbei handelt es sich um einen Katalog von Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung von Bankenkrisen. Die Krisenvermeidung wird der Bankenaufsicht zugeschrieben. Unter Bankenaufsicht kann die staatliche Einflussnahme im Rahmen einer Wirtschaftsaufsicht verstanden werden. Die Bankenaufsicht zielt darauf ab, Bankenzusammenbrüche zu vermeiden und die Stabilität des Bankensystems aufrecht zu erhalten.

Die Einlagensicherung im engeren Sinne setzt sich mit der Krisenbewältigung auseinander und greift bei Liquiditätsschwierigkeiten der Kreditinstitute ein. Dazu zählen sowohl Einrichtungen, die im Insolvenzfall die Einleger entschädigen (direkte Einlagensicherung), als auch Einrichtungen, die Finanzmittel zur Abwendung der Insolvenz des Kreditinstituts bereitstellen (indirekte Einlagensicherung, Institutssicherung)[23]. Diese Systeme werden im KWG „Sicherungseinrichtungen“ oder „Einrichtungen zur institutionellen Einlagensicherung“ genannt[24].

2.3. Einlagensicherungssysteme

Seit dem 1. August 1998 besteht für jedes Kreditinstitut eine Sicherungspflicht für ihre Einlagen und Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften durch Zugehörigkeit zu einer Entschädigungseinrichtung[25]. Die Mitgliedschaft ist Voraussetzung für den Erhalt der Bankerlaubnis[26]. Um ein Mindestmaß an Harmonisierung zu gewährleisten, ließen sich die Staaten verpflichten, ein Sicherungssystem mit einheitlicher Mindestabsicherung für Einleger zu bilden[27]. Bereits vorhandene, bisher freiwillige Sicherungssysteme können dennoch beibehalten werden. Ein Mitgliedsstaat kann ein Kreditinstitut von der Verpflichtung befreien, wenn es sich bereits einem freiwilligen Sicherungssystem angeschlossen hat. Diese Institutssicherung muss den Einlegern jedoch mindestens gleichwertigen Schutz gewährleisten. Dies trifft in Deutschland auf die Institutsgruppen der Sparkassen, Landesbanken, Landesbausparkassen und Genossenschaftsbanken zu[28].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 1: Einlagensicherung [29]

2.3.1. Gesetzliche Einlagensicherung

Die gesetzliche Einlagensicherung entschädigt Gläubiger eines Kreditinstitutes unmittelbar (direkte Einlagensicherung) entsprechend der Höhe und dem Umfang der Einlagen oder der bestehenden Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften (Anlegerentschädigungsgesetz). Es besteht ein Entschädigungsanspruch auf Einlagen oder Gelder, die auf Währung eines EU-Mitgliedstaates oder Euro lauten. Der Entschädigungsanspruch ist bei Einlagen auf 100.000 €, bei Verbindlichkeiten aus Wertpapieren auf 90 % der Verbindlichkeit und maximal 20.000 € begrenzt[30]. Der Entschädigungsanspruch mindert sich, sofern „... der durch den Entschädigungsfall eingetretene Vermögensverlust durch Leistung Dritter ausgeglichen wird“[31]. Die Mittel der Entschädigungseinrichtungen werden durch jährliche Beiträge der abgesicherten Institute bestritten. Diese Mittel müssen in der Höhe die Ansprüche gegen die Entschädigungseinrichtung, die entstehenden Verwaltungskosten und sonstige anfallende Kosten decken[32]. Die Aufgabe der Verwaltung für private Banken hat der Staat der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH zugeschrieben, für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute der Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes öffentlicher Banken Deutschlands GmbH und für Finanzdienstleister, Kreditinstitute, die keine Einlageninstitute sind und Kapitalanlagegesellschaften der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen[33].

2.3.2. Freiwillige Einlagensicherung

Ergänzend zu den positiven Erfahrungen mit der freiwilligen Einlagensicherung in Deutschland musste die derzeitige Bundesregierung die Anforderungen der Einlagensicherungsrichtlinie als Mindestabsicherung integrieren. Diese wurde als Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz in deutsches Recht übertragen. Die Anschlusssicherung durch die bereits bestehenden, freiwilligen Einlagensicherungsfonds gewährleistete die Weiterführung eines hohen Schutzniveaus in Deutschland. Die freiwilligen Sicherungssysteme lassen sich wie folgt differenzieren:

2.3.2.1. Sicherungssystem der Privatbanken

Die Einlagen von Kunden privater Banken in Deutschland werden über die gesetzliche Einlagensicherung hinaus geschützt. Der Einlagensicherungsfonds der Privatbanken sichert im Insolvenzfall unmittelbar die Einlagen der Gläubiger und wirkt somit direkt. Auf Grund der Konkurrenzsituation unter den privaten Banken ist die Sanierung der Institute nicht Aufgabenbestandteil des Einlagensicherungsfonds, sondern ist auf den Schutz der Gläubiger vor Insolvenznachteilen beschränkt. Der Schutzumfang des Einlagensicherungsfonds umschließt alle Einlagen von „Nichtbanken“ sowie alle Guthaben von Privatpersonen. Darüber hinaus sind auch Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschafen und öffentliche Stellen abgesichert. Geschützt werden Sicht-, Termin- und Spareinlagen sowie Sparbriefe, jedoch keine von der Bank ausgestellten Inhaberschuldpapiere. Die Sicherungsgrenze im Einlagensicherungsfonds der privaten Banken liegt bei 30 % des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank. Die Absicherung von neu aufgenommenen Banken ist für die ersten drei Jahre auf 250.000 € begrenzt[34]. Diese Sicherungsgrenze gilt pro Einleger. Bis zum Jahre 2025 ist es geplant, die Höhe zurückzuführen[35]. Dieser Themenbereich wird unter der Überschrift „Belastbarkeit der Einlagensicherungssysteme“ näher betrachtet. Darüber hinaus gilt die subsidiäre Haftung des Einlagensicherungsfonds. Darunter versteht man, dass sich im Insolvenzfall die Leistung des Einlagensicherungsfonds auf die Entschädigungssumme größer der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 € beschränkt[36].

2.3.2.2. Sicherungssystem der öffentlich-rechtlichen und genossenschaft- lichen Banken

Die Einlagen von Kunden der öffentlich-rechtlichen (Haftungsverbund der Sparkassen) und genossenschaftlichen (Haftungsverbund des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken) Banken sind ebenfalls über die gesetzliche Einlagensicherung hinaus geschützt. Diese Institute gewährleisten den Schutz ihrer Einlagen durch die Institutssicherung[37]. Dieses Sicherungssystem gewährleistet, dass die angeschlossenen Institute selbst vor Illiquidität und Insolvenz geschützt werden[38]. Der Institutsschutz gestaltet sich bei den Sparkassen durch 11 regionale Sicherungsfonds der Institute sowie je einen für die Landesbanken und Landesbausparkassen. Sind diese einzeln durch ihre finanziellen Mittel nicht fähig, das Institut zu stabilisieren, so greifen die überregionalen Fonds zur Sicherung ein[39]. In der folgenden Abbildung „... Haftungsverbund der deutschen Sparkassenfinanzgruppe“ wird dieser Aufbau veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 2: ... Haftungsverbund der deutschen Sparkassenfinanzgruppe[40]

Die Volks- und Raiffeisenbanken stützen ihre Sicherungssysteme auf einen Garantiefonds und einen Garantieverbund. Diese Prüfungsverbünde verwalten treuhänderisch die Garantiefondsmittel des BVR und tauschen sich wechselseitig mit relevanten Informationen aus[41]. Der Garantiefonds behebt bei angeschlossenen Instituten wirtschaftliche Schieflagen und verhindert somit den Vertrauensverlust der Einleger in die Institutsgruppe[42].

3. Ziel der Einlagensicherungssysteme

Mit den Einlagensicherungssystemen können insbesondere zwei gesamtökonomisch sinnvolle Ziele verfolgt werden: Zum Einen der Einlegerschutz, direkt oder indirekt, zum Anderen der Schutz des Bankensystems.

3.1. Einlegerschutz

Die Gläubiger von Kreditinstituten können vor dem Verlust ihrer Einlagen geschützt werden[43]. Insbesondere gilt der Schutz den Kleinanlegern, da diese im Regelfall nicht ausreichend informiert und durch ihre beschränkten Mittel kaum Möglichkeiten zur Diversifizierung ihres Vermögens haben[44].

3.2. Schutz des Bankensystems

Ein weiterer Faktor der Einlagensicherungssysteme ist der Schutz der Stabilität des Bankensystems insgesamt[45]. Durch das Zusammenbrechen einer Bank kann eine Kettenreaktion entstehen, die Einleger anderer, solider Banken veranlasst, ihre Einlagen abzuziehen. Dies wird als Banken-Run bezeichnet. Die Ursachen hierfür sind der Vertrauensverlust in das Bankensystem und das Bedürfnis, das Ersparte in Sicherheit zu bringen. Selbst solide Banken halten nicht sämtliche Mittel ihrer Einleger vor. Dies beruht auf der Grundlage der Bodensatztheorie[46]. Sie besagt, dass sich aus kurzfristigen Einlagen bei Banken ein langfristiger „Bodensatz“ bildet. Er entsteht durch Einlagen, die auf kurzfristige Konten eingezahlt werden und aus verschiedenen Gründen von den Einlegern mittel- bis langfristig nicht verfügt werden. Somit kann das Kreditinstitut diesen „Bodensatz“ langfristig und damit fristeninkongruent anlegen. Mögliche Anlagen der Bank hierzu sind z.B. längerfristige Kredite. Die fristeninkongruente Verwendung dieses „Bodensatzes“ beeinträchtigt gemäß der Theorie nicht die Liquidität einer Bank. Da bei einer normalen Zinsstruktur die langfristigen Zinsen die kurzfristigen übersteigen, führt die fristeninkongruente Anlage der Bank zu einem höheren Ertrag. Jedoch bleibt ein Risiko: Die Liquiditätsnachfrage der Einleger steigt auf Grund von externen Ereignissen über das gewöhnliche Maß und kann auf Grund der fristeninkongruenten Anlage der Gelder durch das Kreditinstitut unter Umständen nicht bedient werden[47]. Der weitere Prozess eines Runs führt zum Verkauf von Aktiva, um die Illiquidität herauszuschieben. Solche Notverkäufe führen i.d.R. zum Verkauf unter Wert. Daraus folgt kurz- bis mittelfristig die Überschuldung des Kreditinstituts, da die Forderungen das Vermögen der Bank übersteigen. Die Einleger der zuvor soliden Bank können nun nicht mehr über ihr Erspartes verfügen.

Durch die funktionierenden Einlagensicherungssysteme kann der Vertrauensverlust der Anleger in das Bankensystem verhindert werden. Somit werden die Einleger geschützt, deren Bank sich in Schwierigkeiten befindet so, wie auch die Einleger solider Banken vor Illiquidität durch einen Banken-Run geschützt werden. Dadurch soll das Einlagensicherungssystem nicht nur dem Schutz der Einleger dienen, sondern auch dem Schutz des Bankensystems[48].

Einlagensicherungssysteme sind weiter in der Lage, die Wettbewerbssituation unter Banken zu beeinflussen. Neben den meist im Fokus stehenden Größen wie Zinshöhe und Fälligkeitstermin ist das Thema der Sicherheit wieder stark in den Fokus der Einleger gerückt. Die Bewertungsmöglichkeit der Sicherheit der Einlagenrückzahlung kann durch verschiedene Faktoren erfolgen. Der wesentlichste Faktor ist hier die Vergabe von staatlichen Garantien. Gelten jene z.B. nur für einige Wettbewerber, so werden diese, im Vergleich zu nicht tangierten Instituten, bevorzugt. Gleiches gilt für die unterschiedliche Höhe der Einlagensicherung[49].

3.3. Moral Hazard bei Banken

Die Problemstellung des Moral Hazard[50] kann auf die Banken projiziert werden. Die Banken haben die Krise durch ihre Sicherungssysteme, vor allem aber durch das Eingreifen des Staates weitestgehend überstanden. Diese machen nun wieder Gewinne und zahlen Boni an ihr Topmanagement[51]. Daraus lässt sich ableiten, dass, je sicherer das Einlagensicherungssystem ist, desto weniger besteht Anreiz für Kreditinstitute, Wert auf nachhaltige, erfolgreiche und sichere Investitionen zu legen. Gleiches lässt sich auf Einleger übertragen: Bei einer 100 %-igen Einlagensicherung werden die Einleger ihr Geld jener Bank anvertrauen, welche die höchste Verzinsung verspricht. Dabei spielen Solvenz und Geschäftspolitik nun keine Rolle mehr. Hohe Zinsen kann eine Bank den Einlegern jedoch nur dann bieten, wenn bei den Aktiva hohe Gewinne, verbunden mit hohen Risiken, erwirtschaftet werden[52]. Unter dem Deckmantel der scheinbar unbegrenzten Einlagensicherung scheint die Gewinnchance der Parteien riesig und das Risiko begrenzt. Somit kann durch einen zu großen Schutz vor Risiken ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ausgeschaltet werden.

[...]


[1] vgl. §2 EAEG.

[2] vgl. Bankenverband (2012) – Einlagensicherung der Privatbanken; BVR – Die Sicherungseinrichtung des BVR; Arnold Rötger – Der Haftungsverbund.

[3] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Erwägungsgrund 4.

[4] FTD, Mai C., Bayer T., Böckling D. (2009) – Bankenregulierung: Politiker bekämpfen den Moral Hazard; das „magische Dreieck“ der Vermögensangelegenheiten: Hohe Gewinne können nur durch hohe Risiken oder lange Laufzeiten erzielt werden

[5] Stützel, W. (1983) – Bankpolitik heute und morgen.

[6] Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon.

[7] Winkler, A. (2012) – Gefahr des Banken-Runs.

[8] Schultze-Kimmle, H.-D. (1974) – Sicherungseinrichtungen gegen Einlegerverluste bei deutschen Kreditgenossenschaften, S. 93, S.550; Bundesverband deutscher Volks- und Raiffeisenbanken – Die Sicherungseinrichtung des BVR.

[9] Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon.

[10] Deutscher Bundestag Drucksache 5/3500 (1968) , S13.

[11] Die Zeit, Jäger (2006) – Lehren aus der Herstatt-Pleite; Spennemann, G. (1981) – Insolvenzverfahren in Deutschland, Vermögen in Amerika, S. 9-13.

[12] Schumacher, H. (2000) – Raiffeisenblatt 8/2000.

[13] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG.

[14] vgl. EAEG.

[15] vgl. § 14 GmbHG.

[16] vgl. §§ 57, 62, 93 AktG.

[17] vgl. §1 Abs. 1. KWG.

[18] bafin.de – Merkblatt - Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts.

[19] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Artikel 1.

[20] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Artikel 2.

[21] vgl. Wikipedia (2013): Einlagensicherung.

[22] vgl. Schwark, E. (1974) – Einlagensicherung bei Banken S. 1849.

[23] vgl. Bankenverband (2012) – „Einlagensicherung der Privatbanken“.

[24] vgl. § 23 KWG.-

[25] vgl. §2 EAEG.

[26] vgl. Everling, U. (1998), S 407.

[27] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Artikel 3 Abs. 1.

[28] vgl. Bankenverband (2012) – „Einlagensicherung der Privatbanken“.

[29] In Anlehnung an: Gabler Banklexikon S. 447

[30] vgl. §4 EAEG; Die Zeit, Jäger (2006) – Lehren aus der Herstatt-Pleite.

[31] vgl. Bankverband (2012) – Einlagensicherung der privaten Banken S.11.

[32] vgl. §8 Abs. 1 EAEG.

[33] vgl. Bankverband (2012) – Einlagensicherung der privaten Banken S.7.

[34] vgl. Bankverband (2012) – Einlagensicherung der privaten Banken.

[35] vgl. Zwangsabgaben - Die Grenzen der deutschen Eilagensicherung.

[36] vgl. Bankverband, Einlagensicherung der privaten Banken.

[37] vgl. BaFin – Was ist Institutssicherung?

[38] vgl. Arnold Rötger – Der Haftungsverbund; vgl. BVR – Die Sicherungseinrichtung des BVR.

[39] vgl. FTD – Deutschlands Sparkassen: Einlagensicherung – Nur ein Versprechen.

[40] In Anlehnung an: DSGV, FTD

[41] BVR – Statut der Sicherungseinrichtung §§ 2, 17, 22, 24.

[42] BVR – Statut der Sicherungseinrichtung § 1.

[43] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Erwägungsgrund 1; §§ 3, 4 der EAEG.

[44] Deutscher Bundestag, Drucksache 5/3500 (1968), S. 138.

[45] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Erwägungsgrund 1.

[46] Vgl. Betge, P. (1996) – Bankbetriebslehre. Mit 54 Tabellen, S. 219.

[47] Gabler Verlag (Herausgeber), Schöning, S. – Stichwort: Bodensatztheorie.

[48] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Erwägungsgrund 4.

[49] vgl. Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (1994): Richtlinie 94/19/EG, Erwägungsgrund 13 und 14.

[50] Übersetzung: „Moralisches Risiko“ oder „subjektives Risiko“.

[51] FTD, Mai C., Bayer T., Böckling D. (2009) – Bankenregulierung: Politiker bekämpfen den Moral Hazard.

[52] Vgl. das „magische Dreieck“ der Vermögensangelegenheiten: Hohe Gewinne können nur durch hohe Risiken oder lange Laufzeiten erzielt werden.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Systeme der Einlagensicherung in Deutschland
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Veranstaltung
Banking
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
27
Katalognummer
V449823
ISBN (eBook)
9783668835917
ISBN (Buch)
9783668835924
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einlagensicherung, 3-Säulen, Gesetzliche Einlagensicherung, Freiwillige Einlagensicherung, Moral Hazard, Einlegerschutz
Arbeit zitieren
Marius Janßen (Autor:in), 2013, Systeme der Einlagensicherung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/449823

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