Einfluss und Gefahren von Lobbyismus. Der Abgas-Skandal beim Automobilhersteller Volkswagen


Bachelorarbeit, 2016

84 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation und Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung, Aufbau und Quellenlage der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen zum Lobbyismus
2.1 Begriff des Lobbyismus
2.2 Abgrenzung des Lobbyismus

3 Interessenvertretung durch Lobbyisten
3.1 Kategorisierung der Akteure
3.2 Arten des Lobbyings
3.3 Vorgehensweise von Lobbyisten
3.3.1 Instrumente des Lobbyings
3.3.2 Methoden des Lobbyings
3.3.3 Strategien des Lobbyings
3.4 Lobbyismus in der Europäischen Union
3.4.1 Einflussnahme durch Lobbyisten auf die Gremien der EU
3.4.2 Positiver und negativer Einfluss von Lobbyismus in der EU
3.4.3 Reglementierung von Lobbyismus

4 Lobbyismus in der Automobilbranche
4.1 Anfänge der deutschen Automobilindustrie
4.1.1 Bedeutung der deutschen Automobilindustrie
4.1.2 Import und Export von deutschen Fahrzeugen
4.2 Interessenvertretung der Automobilindustrie
4.2.1 Verband der Automobilindustrie (VDA)
4.2.2 European Automobile Manufacturer’s Association (ACEA)
4.3 Vorgehensweise im Automobillobbying
4.4 Fallbeispiel: CO2-Regulierung der Klimaagenda

5 Der VW-Abgas-Skandal
5.1 Der Volkswagen Konzern
5.2 Eine Chronologie des Skandals
5.3 Bisherige und weitere mögliche Konsequenzen des Abgas-Skandals
5.3.1 Folgen des Abgas-Skandals für den VW-Konzern
5.3.2 Auswirkungen des Abgas-Skandals auf den deutschen Markt
5.3.3 Folgen des Abgas-Skandals für VW-Kunden
5.3.4 Ausweitung des Abgas-Skandals
5.3.5 Konsequenzen für die weitere Arbeit der Lobbyisten

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

8 Abbildungsverzeichnis

9 Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Lobbyisten nehmen immer mehr Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit. In Berlin arbeiten ca. 5.000 Lobbyisten, in Brüssel wird ihre Zahl auf 15.000 bis 20.000 geschätzt. Ihre Auf- gabe ist die gezielte Einflussnahme auf politische Entscheidungen“ (o. V.: 08.2011, www.lobbycontrol.de).

Diese Bachelorarbeit befasst sich mit dem Thema Lobbyismus insbesondere am Bei- spiel des Abgas-Skandals beim Automobilhersteller VW. Die Abschlussarbeit gibt ei- nen umfassenden Einblick in die Strukturen und Zusammenhänge der legalen und il- legalen Interessendurchsetzung und beschreibt, mit welchen Techniken Lobbygrup- pen Politik und Gesellschaft immer häufiger beeinflussen. Die Wirtschaft nimmt die Lobbyarbeit sehr ernst und lässt sich die Wahrung ihrer Interessen einiges kosten. Von der Öffentlichkeit wird Lobbyismus oft als etwas Negatives angesehen, was zum Teil auch berechtigt ist, jedoch wäre die Regierung ohne die Verbände und direkten Ver- treter aus der Wirtschaft nicht in der Lage, realitätsnahe Entscheidungen zu treffen. Wie bereits erwähnt, hat der Lobbyismus auch seine negativen Aspekte. Diese beste- hen u. a. darin, dass die Interessen von Minderheiten nicht ausreichend oder gar nicht berücksichtigt werden. Schwierigkeiten bereitet außerdem die Legitimation der Lob- byarbeit, da das Grundgesetz z. B. die Begriffe „Lobbyismus“ und „Verband“ nicht di- rekt erwähnt.

1.1 Motivation und Relevanz des Themas

Besonders interessant ist die Fragestellung wie groß der Einfluss der Automobillobby auf Gesetzesbeschlüsse und Regulierungen ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie es der Automobilindustrie gelingt, die Interessen unterschiedlicher Akteure durch- zusetzen?

Die Automobilindustrie ist seit einem Jahr täglich im medialen Fokus. Schon 2013 be- schrieb Maisch wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) bei der Einführung des Umweltlabels (die Kennzeichnung der Energieeffizienz von Neuwagen), die politischen Entscheidungsträger beraten hat und bei der Abstimmung zwischen den Ministerien unterstützt und vermittelt hat. Außerdem berichtet Maisch, dass die VDA Geschäfts- führung drei Ministerien darum bat, eine Sicherstellung der Platzierung ihrer besten Produkte in den vordersten Rängen zu gewährleisten. Dies lässt schlussfolgern, dass die Automobillobby über die Pläne der Ministerien informiert war und somit als Partner der Bundesregierung agierte (Maisch: 10.2013, www.zeit.de).

Seit September 2015 erhebt die US-Umweltbehörde EPA schwerwiegende Vorwürfe gegen den Volkswagen Konzern. Zu Beginn hieß es, VW habe eine Software verwen- det, die den Ausstoß schädlicher Abgase auf dem Prüfstand künstlich verringert, im Normalbetrieb aber nicht. Dieses Vorgehen wurde von VW eingeräumt und war damit der Stein, der die Lawine des Abgas-Skandals um VW und anschließend auch anderer Automobilhersteller ins Rollen brachte (o. V.: 12.06.16, www.ndr.de). Im späteren Ver- lauf der Arbeit soll auf diese Hauptthematik gezielter eingegangen werden.

Im Folgenden werden sowohl der Einfluss, die Gefahren als auch der Nutzen des Lob- byismus näher betrachtet. Darüber hinaus sollen die Aktivitäten der deutschen Auto- mobillobby und die Hintergründe des sogenannten VW-Abgas-Skandals näher be- leuchtet werden.

1.2 Zielsetzung, Aufbau und Quellenlage der Arbeit

Der Einfluss und die Gefahren von Lobbyismus im Allgemeinen sowie speziell im gewählten Fallbeispiel des Abgas-Skandals beim Automobilhersteller Volkswagen stehen im Fokus dieser Bachelorarbeit.

Zielsetzung

Ziel ist es, in Anlehnung an den VW-Skandal, folgende Fragen zu beantworten:

- Wie stellen sich die genauen Zusammenhänge in dem VW-Abgas-Skandal dar und was sind die Konsequenzen für VW, Lobbyisten und Politik?
-Welchen Einfluss hat die Autolobby auf die Politik und somit auf den Automo- bilsektor?
- Wer genau sind die Akteure und mit welchen Mitteln setzen Lobbyisten ihre Interessen in der Politik durch? Welche Interessen sind das und warum?
-Was sind die Konsequenzen dieses Skandals für VW und die Autolobby, und gibt es Reglementierungsversuche?

Aufbau

Zu Beginn dieser Arbeit sollen alle wichtigen theoretischen Grundlagen detailliert er- läutert werden, um ein besseres Verständnis für das Thema der Arbeit zu erhalten.

Aus diesem Grund werden zunächst unterschiedliche Definitionen des Begriffs „Lob- byismus“ von verschiedenen Autoren aufgezeigt, um hieraus eine maßgebliche Begriffsbestimmung herzuleiten. Im darauffolgenden Kapitel wird sodann näher beleuchtet, wie Interessenvertretung durch Lobbyisten funktioniert. Hierfür werden eine Reihe von Lobbying-Instrumenten sowie Methoden und Strategien des Lobbyings vorgestellt. Diese daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für ein besseres Nachvollziehen der weiteren Abschnitte dieser Arbeit.

Im Anschluss wird auf den Lobbyismus in der Europäischen Union eingegangen, da wie eingangs erwähnt, ca. 20.000 Lobbyisten ihren Hauptsitz in Brüssel und mittler- weile etwa 80 Prozent der nationalen Gesetze ihren Ursprung in der EU haben, wes- halb dieser Themenbereich auch für die vorliegende Arbeit relevant ist. Da eine detail- lierte Analyse der lobbyistischen Aktivitäten in den jeweiligen europäischen Institutio- nen bzw. eine Beschreibung der jeweiligen Funktionen würde jedoch den Bearbei- tungsrahmen dieser Arbeit überschreiten würde, wird daher darauf verzichtet.

Die nachfolgenden Kapitel setzen sich mit den Kernthemen der Bachelorarbeit, der Interessenvertretung in der Automobilindustrie und dem VW-Abgas-Skandal, auseinandersetzen, und beinhalten zunächst einen allgemeinen Abschnitt, in dem auf die Bedeutung der deutschen Automobilindustrie und die Hauptverbände eingegangen wird. Darauf aufbauend wird die konkrete Vorgehensweise im Automobillobbying beschrieben und anhand eines Fallbeispiels sowie einer detaillierten Hintergrundanalyse des VW-Abgas-Skandals näher erläutert.

Abschließend werden im Fazit die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Dar- über hinaus werden Reglementierungsvorschläge für Lobbyismus im Allgemeinen und Forderungen im Zusammenhang mit der Aufklärung des Abgas-Skandals an die Politik genannt.

Obwohl der Fokus dieser Bachelorarbeit primär auf dem deutschen Markt liegt, wird aufgrund der starken Verflechtung der Automobilbranche und der europäischen Politik, ein kurzer Bezug zu themenrelevanten Aktivitäten in der EU hergestellt.

Quellenlage

In den letzten Jahren wurde häufig Literatur zum Thema „Lobbyismus“ veröffentlicht. Allerdings gibt es bisher wenig Werke, die insbesondere die Lobbyarbeit der Automo- bilindustrie untersuchen, die in Deutschland, als eine der wichtigsten Branchen gilt.

Bei der Erstellung dieser Arbeit wurde vor allem Literatur von René Buholzer, Thomas Leif und Rudolph Speth verwendet. Ebenfalls sehr hilfreich für das Sachgebiet waren die Bücher von Irina Michalowitz, Peter Lösche sowie Rainer Eising und Beate KohlerKoch. Zusätzlich waren elektronische Quellen bei der inhaltlichen Recherche eine große Unterstützung. Dazu zählt Informationsmaterial insbesondere der Vereine „LobbyControl“ und „Greenpeace“. Aufgrund der Aktualität des VW-Abgas-Skandals in den Medien wurde ebenfalls auf Artikel renommierter Zeitungen und Zeitschriften zurückgegriffen, wie „Die Zeit“, „Spiegel“ etc.

2 Theoretische Grundlagen zum Lobbyismus

Lobbyismus wird häufig mit dem Pluralismus in Verbindung gebracht. Im Pluralismus wird die Gesellschaft als Ansammlung einer Vielzahl von autonomen und heterogenen Interessen gesehen. Diese stehen im Wettbewerb um den Einfluss auf den Staat. Die wesentlichen organisatorischen Formen sind dabei Verbände und Parteien. Daraus lässt sich schließen, dass der Einfluss der Interessengruppen erwünscht ist. Aus die- ser Perspektive hat Lobbying eine grundsätzliche, theoretische Berechtigung, weil es als erforderliches Element des demokratischen Willensbildungsprozesses in der Ge- sellschaft angesehen wird. Lobbying im Pluralismus hat die Tendenz, gruppenegoisti- sche Ziele zu verfolgen. Dementgegen steht der Korporatismus, der das Ziel verfolgt, die interessenpolitischen Forderungen durch Verhandlung und Konsensbildung zu mäßigen. Es geht also um die moderierte Vermittlung von gesellschaftlichen Interes- sen in der Politik (vgl. Leif 2006: S. 17 - 18).

2.1 Begriff des Lobbyismus

Ein wesentlicher Schritt zum Verstehen des Begriffs ist eine Verständigung darüber, was „Lobbyismus“ bedeutet, welches die wichtigsten Bestandteile sind und wo seine Grenzen liegen.

Thomas Leif und Rudolf Speth definieren den Begriff „Lobbyismus“, bzw. seine aus dem Englischen stammende Bezeichnung „Lobbying“, zu Beginn ihres Buches „Die fünfte Gewalt“. Lobbyismus ist demnach eine Beeinflussung durch bestimmte Metho- den, mit dem Ziel, die Forderungen von Interessengruppen so weit wie möglich bei politischen Entscheidungen umzusetzen und zu erfüllen. Ein wichtiges Merkmal ist, dass Lobbying von Personen ausgeübt wird, die selbst nicht am Entscheidungsprozess beteiligt sind. Daher versuchen Lobbyisten die Interessen ihrer Interessengruppe auf diesem Weg durchzusetzen.

„Der Lobbyist hat das Ziel, die Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, für das eigene Unternehmen so zu verändern, dass die Unternehmensaktivitäten durch diese politische Einflussnahme am wenigsten berührt werden“ (Leif 2006: 119).

Köppl beschreibt den Begriff „Lobbying“ als eine Beeinflussung von Regierungsmit- gliedern und deren politischen Strukturen durch Interessenvertreter, mit dem Ziel bei der Schaffung von Gesetzen und Regulierungen mitwirken zu können. Beteiligte an diesem Prozess sind daher nicht nur Personen, die direkt an Entscheidungen teilneh- men, sondern auch regierungsnahe Personenkreise, wie Gewerkschaften, Verbände und NGOs, wobei es unerheblich ist, ob die Einflussnahme „auf kommunaler, regiona- ler und nationaler, zwischenstaatlicher und supranationaler Ebene“ stattfindet (vgl. Köppl 2008: 195). Somit ist das Lobbying für die Existenz von Interessen und Interes- sengruppen unverzichtbar. Durch die Anwendung bestimmter Methoden werden bei der Einflussnahme auf politische Entscheidungen aus Interessengruppen Lobbygrup- pen.

Lianos und Hetzel differenzieren zwischen zwei Arten des Lobbyismus: Beschaffungsund Gesetzeslobbyismus. Beschaffungslobbyismus fokussiert auf den Erhalt frei zugänglicher Aufträge, Gesetzeslobbyismus hingegen beschreibt das Bemühen einzelner Interessenvertreter bei der Schaffung von Gesetzen mitzuwirken (vgl. Lianos & Hetzel 2003: 16). Der Erfolg des Lobbyings ist definiert durch den Einfluss auf Regierungsentscheidungen. So werden durch gezielte Einflussnahmen, wie beispielsweise eine Aufarbeitung oder Bewertung von Informationen, Gesetzesbeschlüsse eingeschränkt oder ganz unterbunden (vgl. ebd.: 39).

Kleinfeld erläutert Lobbyismus als eine Art der Interessenvertretung, die einen bewuss- ten Einfluss auf eine konkrete Angelegenheit beabsichtigt und zudem auch Öffentlich- keitsarbeit ist. Es existieren aber auch unzulässige Formen von Lobbyismus, wenn beispielweise mit nicht offiziellen, finanziellen Mitteln die Durchsetzung des Interesses angestrebt wird und Lobbyismus somit Korruption gleichkommt (vgl. Kleinfeld et al. 2007: 10).

Für Kunczik (2010: 24) ist Lobbyismus nicht trennbar von Public Affairs (PA) und Public Relations (PR). Rieksmeier (2007: 15) resümiert, dass PR öffentliches „Informationsund Kommunikationsmanagement von Organisationen mit ihren Umwelten“ ist. Weiter beschreibt er PA als „Kommunikationsprozesse und -strategien, die von Wirtschaftsakteuren in Richtung Politik betrieben werden“. Deshalb wird PA als Bestandteil der PR gesehen. Die Grenzen von PA und PR sind fließend. Bei beiden Begriffen handelt es sich um die generelle Verbindung zu Akteuren, während Lobbyismus eine direkte Interessenvermittlung ausmacht (vgl. Leif & Speth 2006: 29).

2.2 Abgrenzung des Lobbyismus

Lobbying wird oftmals mit Interessenvertretung gleichgesetzt, jedoch unterscheiden sich beide deutlich voneinander. Der Begriff „Interessenvertretung“ meint die generelle Repräsentation von Interessen in der Politik. Interessenvertretung umfasst auch die Darstellung von Werten, Ideologien und Interessengruppen gegenüber der Politik und der Gesellschaft.

Das Ziel des Lobbyings hingegen ist die Beeinflussung oder Behinderung konkreter Gesetzesvorhaben. Jedes Lobbying-Projekt erfordert eine andere Strategie, weil es innerhalb spezieller Rahmenbedingungen stattfindet. Lobbying ist auf einen konkreten Anlass bezogen, erfolgt also gezielt, während Interessenvertretung dauerhaft ge- schieht. Ein bedeutendes Merkmal des Lobbyings ist sein informeller Charakter. Infor- mell meint, dass es für das Lobbying keine Verfahren oder Regeln gibt und Lobbyisten den Handlungsspielraum nutzen, der Politikern und Beamten bei ihrer Entscheidung zur Verfügung steht (vgl. Leif 2006: 13 - 14). Ermöglicht wird dies durch die nicht vor- handene Informationspflicht zur Pflege von Kontakten (vgl. Leif & Speth 2006: 15). So ist Lobbying eine Herausforderung für die Demokratie. Strukturen der Macht gilt es offenzulegen und das Handeln der Politiker transparenter zu gestalten (vgl. ebd.).

Der Begriff „Lobbyismus“ wird häufig verwendet. Von legitimer Interessenvertretung und Politikberatung über unzulässige Einflussnahme bis hin zur Korruption. Von diesen unterschiedlichen Sichtweisen, die sich im Kern alle mit Einfluss und Interessen beschäftigen, wird der Begriff „Lobbyismus“ abgegrenzt, indem eine Definition herausgefiltert wird, die grundlegend für diese Arbeit ist.

Wichtig für diese Bachelorarbeit ist ein Lobbyismus-Begriff, der die Einflussnahme auf organisierte Interessenvereinigungen, wie z. B. Verbände, Gewerkschaften und Ent- scheidungsträger aus der Politik umfasst. Als Lobbyist wird auch bezeichnet, wer selbst am Entscheidungsprozess beteiligt ist. Darüber hinaus hebt sich Lobbyismus deutlich von Korruption ab. Wie in jeder Branche gibt es Lobbyisten, die korruptes Ver- halten zeigen. Lobbyismus ist jedoch nicht grundsätzlich korrupt. Üblicherweise wer- den bei der Einflussnahme keine Bestechungsgelder an Entscheider übergeben. Lob- byismus wird häufig mit Politikberatung gleichgesetzt, dies würde voraussetzen, dass die Beratung neutral ist. Lobbyisten haben immer ein spezielles Interesse, das sie durchsetzen möchten. Im Unterschied zur PR, worunter Öffentlichkeitsarbeit zu ver- stehen ist, wird Lobbyarbeit gerade nicht in der Öffentlichkeit betrieben und eine Me- dienberichterstattung ist unerwünscht.

3 Interessenvertretung durch Lobbyisten

In diesem Kapitel soll ein vereinfachtes Modell des „typischen Lobbyisten“ erstellt wer- den, mit dem Ziel die jeweiligen Handlungsstrategien nachzuvollziehen und zu bewer- ten. Hierbei werden jedoch nur die wesentlichen Merkmale beschrieben. Zum Reper- toire eines erfolgreichen Lobbyisten gehören eine optimierte Imagepflege, Strategien sowie Instrumente und Methoden, die die lobbyistische Arbeit immer professioneller und komplexer machen. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die gängigen Prak- tiken beschrieben.

3.1 Kategorisierung der Akteure

Im Wesentlichen werden fünf Kategorien von Lobby-Akteuren unterschieden, die in nachfolgender Grafik abgebildet sind:

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Lobby-Akteure (eigene Darstellung)

Auf die dargestellten Gruppen lobbyistischer Akteure, die sehr unterschiedlich organisiert sind, wird nachfolgend näher eingegangen:

Zur ersten Kategorie gehören Politiker, Mandatsträger im deutschen Bundestag, in Landesparlamenten oder im Europaparlament. Hierzu gehören auch ehemalige Politiker, die in die Automobilwirtschaft gewechselt sind und dort entsprechende lukrative Positionen bekleiden. Auch Parteimitarbeiter, wie beispielsweise persönliche Referenten von Politikern werden dazu gezählt.

In der nachfolgenden Tabelle 1 - werden einige ausgewählte deutsche Autolobbyisten aus dem „Schwarzbuch Autolobby“ von Greenpeace vorgestellt:

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Zur zweiten Kategorie gehören die klassischen Akteure, die Verbände. Der europäi- sche Integrationsprozess war zu Beginn hauptsächlich von wirtschaftlichen Interessen geprägt, daher gehören Wirtschaftsverbände zu den ältesten (historischen) Lobby- gruppen auf europäischer Ebene (vgl. Schmedes 2010: 24). Es wird zwischen natio- nalen und europäischen Interessenverbänden und europäischen Branchenverbänden unterschieden, die verhältnismäßig am stärksten vertreten sind. Nennenswert sind bei- spielsweise EUROTEX für Textilien und Bekleidung und COPA für Landwirtschaft. Die Interessenverbände verfolgen das Ziel, Interessen ihrer Mitglieder durchzusetzen. Branchenverbände werden der vertikalen Verbandsstruktur zugeordnet, das bedeutet, sie sind in einem bestimmten Sektor tätig. Diese sektoralen Interessen können auch durch Firmen vertreten werden. Darüber hinaus gibt es horizontal strukturierte Ver- bände. Horizontal organisierte Verbände umfassen die Gruppen der branchenüber- greifenden Verbände sowie Großverbände von Verbrauchern und Arbeitnehmern. Diese zeichnen sich durch eine hohe Bandbreite aus und müssen, um erfolgreich Lob- byismus zu betreiben, eine hohe interne Organisationsstruktur aufweisen (vgl. Strauch 1993: 74f.).

Zur dritten Kategorie gehören Unternehmen, die häufig sowohl in Brüssel als auch in ihrem Heimatland einen Sitz haben. Eine alleinige Vertretung durch die Verbände erachten sie für nicht ausreichend, daher werden sie selbstständig tätig und suchen den direkten Kontakt zu den europäischen Institutionen. Dies lässt sich auch auf Prestigegründe zurückführen, was zur Folge hat, dass ein Unternehmen mitunter dreifach repräsentiert wird, einerseits über einen Verband, über die nationalen Kanäle und durch den eigenen Sitz in Brüssel (vgl. Strauch 1993: 74f.)

Die vierte Kategorie bilden die „Auftragslobbyisten“. Diese Gruppe beinhaltet Rechts- anwaltskanzleien, Politikberatungsbüros und Consultingagenturen. Ihre Spezialisie- rung ist beispielweise die professionelle Interessenvertretung von Unternehmen, die auf europäischer Ebene über kein eigenes Lobbybüro verfügen. Zu ihren Hauptaufga- ben gehört daher die politische, wirtschaftliche und rechtliche Beratung. Darüber hin- aus übernehmen sie auch die Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Fischer 1997: 43).

Zur letzten Kategorie zählen NGOs, die eine Ausnahme in ihrem Handeln darstellen, daher sollen sie lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit sind sie jedoch nicht von Bedeutung.

NGOs verfolgen weniger wirtschaftliche, sondern vielmehr soziale Ziele, wie Men- schenrechte, Umweltschutz oder Verbraucherschutz. Zu den bekanntesten NGOs zählen z. B. Greenpeace, das Deutsche Rote Kreuz oder Amnesty International (vgl. Rack 1998: 36). Darüber hinaus gibt es eine weitere Organisationsform, die soge- nannte Issue Coalition, welche eine Ansammlung verschiedener Gruppen umfasst, die sich aus taktischen Gründen zu einer strategischen Allianz zusammenschließen (Busch-Janser 2004: 105f.).

Die fünf beschriebenen Gruppen lobbyistischer Akteure beinhalten nicht-hoheitliche Lobbyisten und sind daher dem privaten Sektor zuzuordnen (vgl. Lahusen/Jauß 2001: 36ff.). Das Besondere am politischen System der Europäischen Union ist, dass neben diesen Interessengruppen weitere Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten und Regionen als Interessenrepräsentanten ihres Landes hinzukommen. Sie gehören zu der Gruppe der hoheitlichen Interessenvertreter. Diese ständigen Vertretungen sind wie Botschaf- ter tätig, werden allerdings nicht als Lobbyisten im klassischen Sinne betrachtet (vgl. ebd.: 55ff.).

Ebenfalls Einfluss auf politische Entscheidungsträger nehmen Medienvertreter, Exper- ten aus Forschung und Wissenschaft aber auch Wähler. Sie gelten allerdings nicht als Lobbyisten, da sie keine lobbyistischen Anliegen vertreten (vgl. Matyia 2007: 154f.).

Neben der Organisationsstruktur, ist auch die Größe einer Organisation entscheidend dafür wieviel Einfluss ausgeübt werden kann. Darüber hinaus spielt die Art der Finanzierung eine große Rolle. Unternehmen und Auftragslobbyisten arbeiten erwerbsorientiert, Verbände und NGOs hingegen gehören zur Gruppe der nicht erwerbsorientieren Lobbys. Auch die verfolgten Ziele unterscheiden sich. Von wirtschaftlich gewinnbringend bis hin zu ideell-ideologischen Interessen erfolgt eine Einflussnahme auf verschiedenen Ebenen (vgl. Lahusen/Jauß 2001: 53ff.).

3.2 Arten des Lobbyings

Je nach Autor werden verschiedene Arten des Lobbyings unterschieden. So differen- ziert Köppl zwischen zwei wesentlichen Formen des Lobbyings, nach der Art der ein- gesetzten Kommunikation, in direkten und indirekten Lobbyismus. Nach Buholzer wird ferner zwischen legislativem und exekutivem Lobbying unterschieden. Die vier vorge- nannten, verschiedenen Arten des Lobbyings sind in der nachfolgenden Grafik darge- stellt:

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 - Arten des Lobbyings (eigene Darstellung)

Direktes Lobbying bedeutet demzufolge eine direkte Kommunikation (vgl. Köppl 20001: 12). Er wird auch als „geräuschloser Lobbyismus“ bezeichnet, da die Kommu- nikation nicht über Dritte, sondern über persönlichen Austausch stattfindet (vgl. Beier- waltes 2002: 142). Dazu zählt zum Beispiel das Vier-Augen-Gespräch, wobei neben überliefertem Fachwissen in solchen Gesprächen auch die Kenntnis um den aktuellen Wissensstand vorteilhaft ist. Zudem ist es der kürzeste Weg, um festzustellen, ob der jeweilige Gesprächspartner auch der geeignete Gesprächspartner für die gewünschte Einflussnahme ist. Eine denkbare Vorgehensweise bei direktem Lobbying ist, den po- litischen Entscheidungsträger konkret zu unterweisen, indem bereits Informationen in schriftlicher Form, wie beispielsweise Reden oder Positionspapiere, vorbereitet wer- den (vgl. Köppl 2003: 89f.).

Das indirekte Lobbying wird dagegen durch Kommunikation mit Dritten und den Me- dien definiert. Hier bestehen diverse Kontaktwege parallel (vgl. Beierwaltes 2002: 142). Der direkte Lobbyismus wird häufiger angestrebt, da der persönliche Kontakt bei den Adressaten geschätzt wird. Indirektes Lobbying wird oftmals nur von Interessen- gruppen betrieben, die „keine Lobby haben“ und deshalb über eine mediale Meinungs- bildung ihr Anliegen mitteilen. Dies trifft häufig auf NGOs zu. Indirektes Lobbying er- folgt zudem häufig zur Durchsetzung unternehmerischer Interessen, auch wenn sie aktuell keinen Nutzen für die Gesellschaft bringen. Vidal et al. (2012: 1f.) beschreiben, dass dabei die Gefahr besteht, dass hochrangige Politiker zu Großunternehmen wech- seln um ihr politisches Know-how beim neuen Arbeitgeber effektiv einzusetzen („Re- volving Door Effect“ bzw. Drehtür-Effekt). Ein finanzieller Anreiz ist nicht selten Grund für solche Wechsel. Ein Beispiel hierfür ist der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, nach dem Ende seiner politischen Laufbahn, zum russischen Öl- und Gas- produzenten Gazprom wechselte und dort seitdem als Aufsichtsrat arbeitete und 250.000 EUR pro Jahr verdiente (vgl. Hoffmann: 2014). Experten aus der Wirtschaft wechseln auch in die Politik, um an wichtigen Entscheidungsprozessen teilhaben zu können und ihr Gehalt wird trotzdem von vorherigen Arbeitgebern gezahlt (Spiegel, Ausgabe 21, 2012).

Exekutives Lobbying gehört zum Beschaffungslobbyismus, der die Akquirierung öffentlicher Aufträge beinhaltet. Legislativer Lobbyismus (Gesetzeslobbyismus) hingegen erzeugt Einfluss auf die Ausgestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen. Auf diesem Weg versuchen Lobbyisten europäische Gesetze mitzugestalten und Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess zu nehmen (vgl. Buholzer 1998:34ff.).

3.3 Vorgehensweise von Lobbyisten

Für Schütt-Wetschky gibt es drei verschiedene Möglichkeiten in einem politischen Kontext Einfluss geltend zu machen: das Verhandeln, das Überzeugen und das Ausüben von Druck (vgl. Schütt-Wetschky 1997: 9ff.).

3.3.1 Instrumente des Lobbyings

Laut Leif/Speth kann bei der Ausübung von Lobbyismus zwischen zwei Instrumenten unterschieden werden. Erst einmal geht es um das Sammeln, Aufbereiten und Weiter- geben von Informationen, wie es auch bereits bei der Definition in dieser Arbeit fest- gelegt wurde. Informationen stellen im Prinzip die „Währung“ der Lobbyisten dar (vgl. Leif/Speth 2006: 24ff.). Sie müssen sorgfältig aufgearbeitet und an den entsprechen- den Stellen in der Ministerialbürokratie platziert werden. Es ist daher nicht unüblich, dass Lobbyisten ganze Referentenentwürfe anfertigen (vgl. ebd.). Dieses oben be- schriebene Instrument wird in der Fachsprache Monitoring genannt und bedeutet, Da- tenregistrierung.

Im weiteren Sinne beinhaltet es das Beobachten und zeitgleiche Überwachen von po- litischen Organen und Entscheidungsträgern. Dies zählt zu den wichtigsten Tätigkeiten der Lobbyarbeit. Nach der Informationserfassung folgt das Issue Management oder Agenda-setting, was die Beobachtung des Umfelds umfasst. Dies beinhaltet die aktive Steuerung von politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Themen. Soge- nannte Issues sind Themen von öffentlichem Interesse. Für den Lobbyisten ist es von großer Bedeutung sich zunächst mit möglichen Themen auseinanderzusetzen, um da- raufhin die Wahl geeigneter Maßnahmen zu treffen. In Abhängigkeit der Ressourcen einer Interessengruppe wird die Entscheidung getroffen, wie ein Issue zu beeinflussen ist (vgl. Vondenhoff 2008: 25ff.). Leif/Speth beschreiben das Monitoring als zentrales Lobbying-Instrument. Hofmann unterdessen hebt das bereits genannte Argument der Informationsverarbeitung hervor, das „die Eingabe von Stellungnahmen, den Entwurf von Positionspapieren sowie Hintergrundgespräche mit Politikern und anderen Mei- nungsführern“ (Hofmann: 14.06.2016, www.prgs.de) umfasst und im Wesentlichen zu der Arbeit eines Lobbyisten dazu gehört. Wissenschaftlichen Fachkreisen zufolge ge- hört die Teilnahme an Veranstaltungen, wie Kongressen, Parlamentarischen Aben- den, Workshops oder Round-Table-Gesprächen nicht zu Lobbying-Instrumenten.

Praktiker hingegen beschreiben dies als alltägliches Geschäft (vgl. ebd.). Der Unter- schied zwischen der Meinung der Autoren eines wissenschaftlichen Fachbuchs und eines Praxishandbuchs könnte hier nicht deutlicher sein. Nach Leif/Speth ist das zweite wesentliche Lobbying-Instrument die Kontaktpflege. Ein gut ausgebautes und stabiles Netzwerk aus persönlichen sowie belastbaren Kontaktpersonen ist ein unver- zichtbares Werkzeug und gehört zum Repertoire eines erfolgreichen Lobbyisten. Dies lässt sich durch Meetings, Gespräche, Mittagessen etc. herstellen und ist stark von der Persönlichkeit des Lobbyisten abhängig. Zudem setzt es eine langfristige Arbeit und einen sorgsamen Umgang mit den Entscheidungsträgern voraus. Eine beidseitige Kontaktpflege ist von großer Bedeutung. Denn auch Politiker sind von einem gut funk- tionierenden Netz mit Lobbyisten abhängig, da diese häufig über das notwendige Fein- gefühl verfügen, zu erkennen, wann, welche Entscheidungen getroffen werden (vgl. Leif/Speth 2006: 24ff).

Neben dem Vier-Augen-Gespräch sind auch schriftliche oder telefonische Kontaktauf- nahmen üblich, vorausgesetzt, die Kontaktpartner kennen sich. Wehrmann hingegen sieht das Instrument der Kontaktpflege aus einer anderen Perspektive: „Lobbying (…) ist heute mehr als die Pflege persönlicher Kontakte“ (Wehrmann 2007: 45). Sie sieht Lobbyarbeit im Bereich der Dienstleistungen und in Verbindung mit Informationsma- nagement (vgl. ebd.: 45ff.). Außerdem ist es sinnvoll, wenn sich unterschiedliche Inte- ressenträger mit gleicher Gesinnung zu einer Allianz zusammenschließen und eine gemeinsame Strategie verfolgen, die das politische Stimmgewicht erhöht. Darüber hin- aus sind auch Bündnisse möglich, in denen die Interessenträger verschiedene Motive verfolgen, wenn sie der gemeinsamen Sache dienen.

Problematisch ist jedoch, dass Lobbyisten selbst bei gleicher Interessenlage immer Schwierigkeiten haben, sich in einer Gruppe zusammenzuschließen. Denn selbst bei identischen Interessen besteht ein Wettbewerb untereinander (vgl. Leif/Speth 2006: 26). Sebaldt nennt einige weitere Punkte, die einem Lobbyisten als Instrument dienen. Er beschreibt ein Tauschgeschäft, das zwischen Interessengruppe und Entschei- dungsträger besteht und durch eine gleichberechtigte Partnerschaft gekennzeichnet ist. Diese Symbiose ermöglicht einen freien Handel mit Informationen, politischer Un- terstützung und Macht. Hierbei ist das Instrument des Lobbyisten das in ihn gesetzte Vertrauen, geknüpft an Verhaltensweisen, die Kompetenz, Professionalität sowie Glaubwürdigkeit, aber auch Diskretion vermitteln sollen (vgl. Sebaldt 1997: 374 ff.).

Zusammenfassend sind nachfolgend die im Text beschriebenen Instrumente als Grafik dargestellt:

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 - Vier Instrumente des Lobbyings (eigene Darstellung)

3.3.2 Methoden des Lobbyings

„Die Achillesferse des Lobbyismus sind seine Aktionsformen. Es liegt die Versuchung nahe, zur Durchsetzung eigener Interessen auch nicht akzeptable Methoden anzuwenden“ (Alemann/Eckert 2006: Heft 15-16).

Zum besseren Verständnis lobbyistischer Aktivitäten in der EU, auf welche später in der Arbeit näher eingegangen wird, werden im Folgenden die wichtigsten Herangehensweisen des Lobbyings erläutert:

1. Frühzeitiges Lobbying findet während oder vor dem Agenda-Setting statt, so- mit können eigene Interessen Einfluss auf den politischen Entscheidungspro- zess haben. Fischer beschreibt eine Art „Stand-by-mode“, einen ständig ein- satzbereiten Zustand, der ständigen Kontakt und ununterbrochenes Monitoring der Interessengruppen gewährleistet (vgl. Teuber 2001: 135ff.).
2. Positives Lobbying ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreichen Lobbyis- mus. Damit ist gemeint, dass sich Entscheidungen zu eigenen Gunsten durch konstruktive und bedachtsame Vorgehensweise effektiv beeinflussen lassen. Versuche durch Blockade und Druck ein Interesse durchzusetzen, sind hinge- gen weniger erfolgsversprechend. Besonders in der Zeit einstimmiger Ratsent- scheidungen gehörte Blockadepolitik zur gängigen Praxis (vgl. Coen 1997: 77f.).
3. Low-Profile Lobbying ist dem positiven Lobbying ähnlich. Im Gegensatz zum High-Profile Lobbying, das Ziele mit aggressiven Mitteln verfolgt, zeichnet sich das Low-Profile Lobbying durch „Sympathie, Integrität und die Berücksichtigung der jeweiligen kulturellen Voraussetzungen der Kontaktpartner“ (Teuber 2001: 138) aus (vgl. Pfeifer 1995: 82f.).
4. Informelles Lobbying: Nicht alle Informationen sind über öffentliche Kanäle zugänglich. Lobbyisten nutzen das aus, indem sie über ihr ständig gepflegtes Netzwerk an Kontakten mit den zuständigen Stellen in Interaktion treten, um sich und andere zu informieren. Diese wechselseitigen Beziehungen sind in der Regel intransparent, denn sie leben von privaten Kontakten (vgl. Lahusen/Jauß 2001: 88f und Teuber 2001: 136).
5. Bottom-Up Lobbying ist die Bezeichnung für eine Methode, bei der nicht auf direkte Entscheidungsträger Einfluss genommen wird, sondern ein Umweg über ihre Mitarbeiter und Berater gemacht wird, die ohnehin über einen gewissen Einfluss auf den Entscheidungsträger verfügen und ebenfalls deren Vertrauen genießen (Lison: 16.06.2016, publikationen.bvoe.at). Besonders effektiv ist diese Methode, weil die Mitarbeiter leichter zugänglich sind und nicht selten selbst die Ausarbeitung von Informationspapieren übernehmen.
6. Multi-Voice Lobbying ist eine Methode ähnlich des Grassroots-Lobbyings der NGOs. Während das Grassroots-Lobbying die gleiche Idee von vielen Interes- senvertretern an eine Person richtet, ist es Ziel des Multi-Voice Lobbyings, ein Interesse durch Interessenvertreter an möglichst vielen Stellen innerhalb des Systems der EU zu platzieren. Dabei können sich Interessenvertreter mit dem Ziel zusammenschließen, eine strategische Allianz zu bilden (vgl. Teuber 2001: 136ff.).
7. Pro-europäische Lösung oder europäische Perspektive ist eine Methode, die es sich zum Ziel macht, die Interessen so einfließen zu lassen, dass das Wohl der Europäischen Union im Mittelpunkt steht. Demnach soll bei Änderungen oder Vorschlägen stets ein positiver Effekt für die EU erzielt werden (vgl. Pfeifer 1995: 82f.).

Erfolgreich ist Lobbyismus insbesondere dann, wenn seine Instrumente sinnvoll eingesetzt werden und er sich akzeptierter Methoden bedient.

3.3.3 Strategien des Lobbyings

„Für das richtige Zusammenwirken der Lobbying-Instrumente ist die Wahl der richtigen Strategie Voraussetzung.“ (Vondenhoff/Busch-Janser 2008: 25) Grundlage für eine er- folgsversprechende Strategie ist stets eine gut durchdachte strategische Planung. Mit- hilfe eines Konzepts werden die Zielrichtung und ein Handlungsrahmen in gedankli- cher Ordnung festgelegt. Ein Lobbyist muss darüber hinaus in der Lage sein, flexibel unterschiedliche Instrumente und Methoden zu kombinieren. Außerdem sollte er über ein gutes Zeitmanagement verfügen (vgl. Buholzer 1998: 37ff.). Erst wenn die Interes- sengruppe eigene Ziele gesteckt und Prioritäten gesetzt hat, kann sie diese auch si- cher umsetzen. Der allgemeine Grundsatz sollte dabei jedoch immer lauten: „KISS: keep it stupid and simple“ (vgl. Take 2001: 13). Die Ziele sollten gemäß der pro-euro- päischen Lösung sowohl eigene Interessen als auch das politische Umfeld berücksich- tigen.

Dabei stellt sich ein Lobbyist drei wesentliche Fragen:

1. Wie wichtig ist die zu beeinflussende Entscheidung für das eigene Interesse? Davon hängt der Einsatz der eigenen Ressourcen ab.
2. Wie hoch sind die Erfolgschancen? Auch hier wird eingeschätzt, wieviel Aufwand investiert werden soll.
3. Wer ist der richtige Ansprechpartner? Dafür ist ein umfangreiches Netzwerk unumgänglich.

Buholzer überträgt diese Fragen auf ein dreidimensionales strategisches Konzept - die eigentliche Strategie.

Die erste Dimension der Strategie beschreibt die Funktion von Lobbying. Bevor Lob- byismus betrieben werden kann, muss festgelegt werden, in welchem Themenkom- plex man agiert, denn davon ist abhängig, wie Lobbying funktioniert und welche Aus- wirkungen es haben kann. Welche Ziele ein Interessenvertreter verfolgt und in welcher Funktion er auftritt, muss in der ersten Dimension feststehen (vgl. Pfeifer 1995: 75f.).

Die zweite Dimension beinhaltet die Lobbying-Instrumente, d.h. Beobachten, Analy- sieren und Ausführen. Hier wird das konkrete Vorgehen geplant. Voraussetzung hier- für ist es, „zielgerichtet, systematisch und folgerichtig“ (Buholzer 1998: 40) zu handeln. Dabei ist es entscheidend, die geeignete Methode zu wählen. Die Faustregel lautet: so früh wie möglich ansetzen (frühzeitiges Lobbying) und so viele Wege wie möglich finden (Multi-Voice Lobbying). In dieser Phase bedient sich eine erfolgversprechende Strategie systematisch der Lobbying-Instrumente Monitoring, Issue Management und Kontaktpflege. Diese Phase ist am zeitintensivsten (vgl. Pfeifer 1995: 75f.).

Abschließend werden in der dritten Dimension die Lobbying-Entscheidungen mit Hilfe von zwei Entscheidungssegmenten getroffen. Diese Ebene baut auf den beiden vorangegangenen Dimensionen auf. Ein Entscheidungssegment widmet sich den Ad- ressaten, d.h. der Zielgruppe bzw. den Stakeholdern. Weiter fragt das zweite Entschei- dungssegment Tauschgüter nach der Art und Weise, wie der Tausch vermittelt wird und was die Entscheidungsträger als Gegenleistung zu erwarten haben (vgl. La- husen/Jauß 2001: 91ff.). Es ist wichtig die Reaktionen der Entscheidungsträger fest- zustellen und zu bewerten. Die Auswertung ist entscheidend, um herauszufinden, ob die Strategie erfolgreich war (vgl. ebd.: 91ff.).

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Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Einfluss und Gefahren von Lobbyismus. Der Abgas-Skandal beim Automobilhersteller Volkswagen
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
84
Katalognummer
V449774
ISBN (eBook)
9783668844988
ISBN (Buch)
9783668844995
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lobbyismus Korruption VW Volkswagen Dieselgate Abgasskandal
Arbeit zitieren
Juliane Neumann (Autor:in), 2016, Einfluss und Gefahren von Lobbyismus. Der Abgas-Skandal beim Automobilhersteller Volkswagen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/449774

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