Markteintrittsstrategien und Erfolgsfaktoren junger digitaler Plattformen


Diplomarbeit, 2018

89 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung
1.1 Motivation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung des Forschungsvorhabens
1.3 Methodik und struktureller Aufbau

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Digitale Plattformen
2.1.1 Definition und Abgrenzung
2.1.2 Netzwerkeffekte
2.1.3 Disruption
2.1.4 Architektur und Funktionen
2.1.5 Herausforderungen
2.2 Markteintritt
2.2.1 Das Henne-Ei-Problem
2.2.2 Strategien
2.2.3 Expansion
2.3 Erfolgsfaktoren
2.3.1 Ertragsmodell und Preisstrategien
2.3.2 Kuratierung und Matching
2.3.3 Messung von Kennzahlen
2.3.4 Wettbewerb
2.4 Literaturbasiertes Toolkit

3. Forschungsmethodik
3.1 Forschungsdesign
3.2 Datenerhebung
3.3 Datenauswertung
3.4 Qualitätskriterien

4. Darstellung der Ergebnisse der Experteninterviews
4.1 Markteintritt
4.1.1 Strategien
4.1.2 Expansion
4.1.3 Vertrieb und Marketing
4.1.4 Branchenvorwissen
4.2 Erfolgsfaktoren
4.2.1 Ertragsmodell und Preisstrategien
4.2.2 Kuratierung und Matching
4.2.3 Messung von Kennzahlen
4.2.4 Wettbewerb

5. Diskussion der Ergebnisse
5.1 Markteintritt
5.2 Erfolgsfaktoren
5.3 Zusammenfassung der Diskussion

6. Literatur- und praxisbasiertes Toolkit

7. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abstract

Plattformen gelten als das zentrale Geschäftsmodell des digitalen Wandels. Die Unterneh- men fungieren als Vermittler zwischen Anbietern und Nachfragern, vereinen fragmentierte Märkte und bilden starke Communities und Netzwerke. Plattformen brechen lineare Wert- schöpfungsketten auf und agieren stattdessen in einer komplexen Wertschöpfungsmatrix. Dabei revolutionieren sie die Methoden und Strategien traditioneller Pipelineunternehmen und ändern die Spielregeln in klassischen Branchen und Märkten. Gleichzeitig führt diese Abweichung von herkömmlichen Strategien jedoch auch zu einer Vielzahl an neuen Her- ausforderungen. Einer der Haupttreiber ist dabei das Auftreten von Netzwerkeffekten, wel- ches eine Abhängigkeit von externen Faktoren erzeugt. Diese Faktoren erschweren die strategische Ausrichtung in Bezug auf den Markteintritt sowie die Wahl relevanter Erfolgs- faktoren.

Das Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist es somit, valide Markteintrittsstrategien und Er- folgsfaktoren junger digitaler Plattformen zu eruieren. Im ersten Schritt fasst diese Arbeit daher die Ergebnisse bisheriger Forschung und Literatur auf genanntem Gebiet zusammen und aggregiert sie in einem literaturbasierten Toolkit. Im zweiten Schritt wird dieses Toolkit auf Basis von zehn Experteninterviews empirisch verifiziert und erweitert. Als Ergebnis die- ses Prozesses wird ein literatur- und praxisbasiertes Toolkit präsentiert, welches von Grün- dern, Geschäftsführern und Entrepreneuren junger digitaler Plattformen als strategische Guideline für die Entwicklung eines erfolgreichen Plattformgeschäftsmodells genutzt wer- den kann.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Struktureller Aufbau der Arbeit

Abbildung 2: Plattform-Ökosystem

Abbildung 3: Direkte und indirekte Netzwerkeffekte

Abbildung 4: Schichten einer Plattformarchitektur

Abbildung 5: Herausforderungen digitaler Plattformen

Abbildung 6: Kritische Masse

Abbildung 7: Literaturbasiertes Toolkit

Abbildung 8: Forschungsdesign

Abbildung 9: Vorgehensweise der qualitativen Inhaltsanalyse

Abbildung 10: Literatur- und praxisbasiertes Toolkit

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Definitionen des Begriffs „Plattform“

Tabelle 2: Übersicht identifizierter Markteintrittsstrategien

Tabelle 3: Auswahl der Interviewpartner

Tabelle 4: Verifizierung der literaturbasierten Strategien und Erfolgsfaktoren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

1.1 Motivation und Problemstellung

“ Uber, the world ’ s largest taxi company, owns no vehicles. Facebook, the world ’ s most popular media owner, creates no content. Alibaba, the most valuable retailer, has no inventory. And Airbnb, the world ’ s largest accommodation provider, owns no real estate. “ (Goodwin, 2015)

Eine aufstrebende Gruppe von Geschäftsmodellen hat in den letzten zehn Jahren immer mehr an Bekanntheit gewonnen. Unternehmen wie Uber, Airbnb oder Twitter, die im ver- gangenen Jahrzehnt gegründet wurden, konnten auf Basis dieser Geschäftsmodelle bereits außergewöhnliche Marktwerte erzielen. Zur gleichen Zeit stiegen Unternehmen wie Ama- zon, Apple, Google und Facebook zu den am höchsten bewerteten Unternehmen der Welt auf. Alle diese Unternehmen scheinen sich auf eine neue Art der Wertschöpfung für ihre Kunden zu konzentrieren, da sie von traditionellen Prinzipien und Strategien abweichen (Choudary, 2015, S. 22). Alle genannten Beispiele sowie Unternehmen wie Microsoft, PayPal, Visa, Alibaba, YouTube etc. werden in Verbindung mit dem sogenannten Plattform- geschäftsmodell gebracht. Die Kernfunktion dieses Modells besteht darin, verschiedene Kundengruppen (z.B. Anbieter und Nachfrager) zu aggregieren und einen Ort bereitzustel- len, an dem sie miteinander interagieren können (Evans & Schmalensee, 2007, S. 151). Zum Beispiel bietet Spotify Musikkonsumenten eine Plattform, mithilfe der sie auf ihre Lieb- lingsmusik zugreifen können, die von Musikproduzenten bereitgestellt wird (Modi, 2018). Airbnb ermöglicht es Personen, die nach einer Unterkunft suchen, mit Personen in Kontakt zu treten, die ihre Wohnung für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen (Parker, Van Alstyne, & Choudary, 2016, S. 20). Der Marktplatz von Amazon hilft Drittanbietern, ihre Produkte an Verbraucher zu verkaufen (Parker u. a., 2016, S. 15).

Diese Beispiele von Unternehmen unterscheiden sich vollständig von den Geschäftsmo- dellen traditioneller Unternehmen, die in sogenannten Pipeline-Systemen operieren. Tradi- tionelle Hersteller arbeiten beispielsweise in linearen Wertschöpfungsketten, indem sie Rohstoffe kaufen, Produkte herstellen und sie nachfolgend an ihre Kunden verkaufen (Choudary, 2015; Parker u. a., 2016; Van Alstyne, Parker, & Choudary, 2016). Im Gegen- satz dazu ermöglichen digitale Plattformen die direkte Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager, die durch Software- und IT-Infrastruktur realisiert wird. In diesen neuartigen Unternehmen beeinflussen Netzwerkeffekte zwischen den beiden Seiten der Plattform die Preisgestaltung, die Strategie, den Wettbewerb und den Erfolg der Plattform stark und füh- ren dazu, dass traditionelle Ansätze überarbeitet werden müssen (Evans & Schmalensee, 2007, S. 151). Diesbezüglich ist weitere Forschung im Bereich der Plattformgeschäftsmo- delle erforderlich, um neue Vorgehensweisen zu bestimmen und somit von dieser Entwick- lung zu profitieren.

Initiale Forschungsergebnisse im Bereich der Plattformgeschäftsmodelle lieferten Rochet und Tirole in ihren Untersuchungen zu zweiseitigen Märkten1 (2003, 2004). Dabei wurde erstmalig ein Modell zur Bepreisung der beiden Seiten des Marktes vorgestellt. Die Kern- erkenntnis war, dass der Preis, den die Kunden auf der einen Seite des Marktes zahlten, sehr attraktive subventionierte Preise auf der anderen Seite des Marktes ermöglichte. Dies stellte eine deutliche Abkehr von den traditionellen Märkten dar, wo die Preisgestaltung unter den anfallenden Kosten kein nachhaltiges Wirtschaften impliziert (Reillier & Reillier, 2017, S. 23). Seit dieser Einführung baute eine Reihe von Ökonomen auf die Arbeit von Rochet und Tirole auf, um den Forschungsstand von zweiseitigen Märkten und den damit verbundenen Plattformgeschäftsmodellen auszuweiten. Besonders Eisenmann, Van Alstyne, Parker, Evans und Schmalensee investierten viel Forschungsaufwand im Bereich der Plattformökonomie mit Fokus auf empirischen Aspekten der Plattformindustrie (Evans, 2003), Strategien für zweiseitige Märkte (Eisenmann, Parker, & Van Alstyne, 2006), indust- rieller Organisation von Märkten auf denen Plattformen agieren (Evans & Schmalensee, 2007), Offenheit von Plattformen (Eisenmann, Parker, & Van Alstyne, 2008) und Wettbe- werb in Plattformmärkten (Eisenmann, Parker, & Van Alstyne, 2011). In den letzten Jahren (2015-2017) wurde zudem erste Literatur veröffentlicht, die sich mit dem Transfer der the- oretischen Grundlagenforschung in die Praxis beschäftigt. Unter anderem Monographien wie Platform Scale (Choudary, 2015), Matchmakers (Evans & Schmalensee, 2016), Die Plattform-Revolution (Parker u. a., 2016) und Platform Strategy (Reillier & Reillier, 2017) bauen auf der Grundlagenforschung auf und geben praktische Handlungsempfehlungen für die Gründung und Umsetzung einer digitalen Plattform. Besonderer Fokus liegt dabei ver- mehrt auf Markteintrittsstrategien sowie Erfolgsfaktoren wie dem Ertrags- bzw. Preismodell, der Qualität und Quantität der Inhalte auf der Plattform, der Messung von Kennzahlen und dem Wettbewerb, da traditionelle Lösungsansätze für diese Aspekte speziell für Plattformen nicht mehr uneingeschränkt gelten (Choudary, 2015, S. 29). An diese Vorarbeit anknüpfend, ist der nächste Schritt in der Forschungskette die gegebenen Forschungserkenntnisse zu Markteintrittsstrategien und Erfolgsfaktoren erstens zu aggregieren und zweitens empirisch zu untersuchen, welche Methoden und Strategien junge digitale Plattformen in der Praxis erfolgreich umsetzen.

1.2 Zielsetzung des Forschungsvorhabens

Um diese Forschungslücke zu schließen, zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, Markteintrittsstrategien und Erfolgsfaktoren junger digitaler Plattformen aus der existierenden Literatur zu identifizieren bzw. zu strukturieren und anschließend empirisch zu verifizieren. Abschließend sollen daraus praktisch umgesetzte und empirisch bestätigte Strategien und Erfolgsfaktoren für junge digitale Plattformen abgeleitet werden. Die Forschungsfragen, die aus diesem Kontext hervorgehen sind:

(I) Welche Markteintrittsstrategien sind für junge digitale Plattformen erfolgsver- sprechend?
(II) Was sind Erfolgsfaktoren junger digitaler Plattformen?

1.3 Methodik und struktureller Aufbau

Zur Erreichung des Forschungsziels werden zunächst die theoretischen Grundlagen vor- gestellt und der Stand der Forschung bezogen auf die Forschungsfragen in Kapitel 2 zu- sammengetragen. Am Ende von Kapitel 2 werden die theoretischen Handlungsempfehlun- gen und Strategien aus der Literatur in einem Toolkit zusammengefasst. „Toolkit“ bezeich- net in diesem Zusammenhang eine Sammlung unterschiedlicher strategischer Werkzeuge zur Entwicklung eines Plattformgeschäftsmodells. Dies ist gleichzeitig der Ausgangspunkt des Forschungsdesigns, welches in Kapitel 3 vorgestellt wird. Dabei werden mithilfe von qualitativen Experteninterviews die Ergebnisse aus der bisherigen Forschung anhand von praktischen Beispielen deduktiv verifiziert und durch induktive Erkenntnisse ergänzt. Die Interviews werden hierbei auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die da- raus resultierenden Ergebnisse werden in Kapitel 4 präsentiert. Die nachfolgende Diskus- sion der Ergebnisse in Kapitel 5 verifiziert das literaturbasierte Toolkit aus Kapitel 2 und vergleicht bzw. erweitert es mit den Erkenntnissen aus den Experteninterviews. Das aus Literatur und Praxis aggregierte Toolkit für junge digitale Plattformen wird in Kapitel 6 dar- gestellt. Abschließend fasst Kapitel 7 die Ergebnisse der Arbeit zusammen, verweist auf mögliche Limitationen und gibt Empfehlungen für weitere Forschung. Abbildung 1 verbild- licht den strukturellen Aufbau dieser Arbeit.

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Digitale Plattformen

Um ein grundlegendes Verständnis des Plattformbegriffs bereitzustellen, werden im folgenden Abschnitt die Definition und die Abgrenzung des Begriffs „digitale Plattform“, das Phänomen der Netzwerkeffekte und die Architektur digitaler Plattformen erläutert. Zudem wird aufgeführt, inwiefern sich das Geschäftsmodell der digitalen Plattform von traditionellen Geschäftsmodellen abhebt. Zusammenfassend werden aus diesen Punkten Herausforderungen abgleiten, die es für digitale Plattformen zu lösen gilt.

2.1.1 Definition und Abgrenzung

Der Begriff Plattform wird im Bereich der Wirtschaftswissenschaften auf unterschiedlichste Weise angewandt (Baums, Schlösser, & Scott, 2015, S. 15). Diesbezüglich stellt eine Ab- grenzung für die weiteren Betrachtungen einen ersten essenziellen Schritt dar. Von Engel- hardt, Wangler und Wischmann gliedern den digitalen Plattformbegriff in ihrer vom Bundes- ministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Studie in zwei Idealtypen: daten- zentrierte und transaktionszentrierte digitale Plattformen. Dabei handelt es sich um zwei antagonistische Idealtypen, die im praktischen Einzelfall aber auch gemeinsame Schnitt- mengen aufweisen können (2017, S. 6). Datenzentrierte digitale Plattformen etablieren und steuern datenzentrierte Gesamtsysteme komplementärer Produkte. Dabei bieten sie den eingebundenen Akteuren Möglichkeiten zur Aufbereitung, Nutzung und Auswertung von Datenströmen. Mithilfe dessen können sich Anbieter von Systemkomponenten ihre Pro- dukte und Leistungen von dem Plattformanbieter zertifizieren lassen (von Engelhardt u. a., 2017, S. 7). Beispiele hierfür sind die Geodatenplattform Here, welche verschiedenste Geo- und Kartendaten für Businesskunden zur Verfügung stellt (Here, 2018) oder die Internet of Things (IoT) Plattform Siemens MindSphere, bei der es sich um ein cloudbasiertes offenes IoT-Betriebssystem handelt, das Anlagen, Systeme und Maschinen miteinander verbindet (Siemens, 2018). Transaktionszentrierte digitale Plattformen hingegen ermöglichen die Vermittlung von Transaktionen, indem sie Angebot und Nachfrage zusammenführen (z.B. Uber, Airbnb, Spotify, etc.). Die Plattform begreift sich dabei oft als neutraler Marktplatz und ist von anderen Marktteilnehmern unabhängig (von Engelhardt u. a., 2017, S. 6). Auf Basis ihrer Unabhängigkeit haben im Bereich der transaktionszentrierten Plattformen besonders junge Startups große Chancen, sich als neutraler Vermittler zwischen Anbietern und Nach- fragern zu etablieren (von Engelhardt u. a., 2017, S. 8). Der Fokus dieser Arbeit liegt daher speziell auf transaktionszentrierten digitalen Plattformen.

Wie bereits beschrieben, ist die Basis transaktionszentrierter digitaler Plattformen eine In- teraktion zwischen Anbieter und Nachfrager. Im Zentrum steht dabei, dass immer mehr Märkte zweiseitig funktionieren (Baums u. a., 2015). Initial wurde diese Entwicklung von Rochet und Tirole (2003, 2004) identifiziert. In ihrer Arbeit werden zweiseitige Märkte als Märkte definiert, in denen eine oder mehrere Plattformen2 Interaktionen zwischen zwei Kun- dengruppen ermöglichen und beide Seiten für die entsprechende Leistung zahlen lassen (Rochet & Tirole, 2004, S. 2). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen gibt es mittlerweile mehr als 20 verschiedene Definitionen für Plattformen (Schreieck, Wiesche, & Krcmar, 2016, S. 5), was keine einheitliche Definition zulässt. Ausgewählte Definitionen sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

Tabelle 1: Definitionen des Begriffs „Plattform“

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassend können diese parallel existierenden Begriffserklärungen auf einige Kernaspekte reduziert werden. Plattformen

- verbinden mehrere Nutzergruppen (Anbieter und Nachfrager) miteinander,
- ermöglichen Interaktion bzw. Transaktionen zwischen den Nutzergruppen und
- schaffen eine Wertschöpfung für alle Beteiligten.

In diesem neuen Geschäftsmodelldesign agiert das plattformbetreibende Unternehmen (Plattformbetreiber) nicht mehr als Wertproduzent, sondern als Mediator zwischen Anbie- tern und Nachfragern. Dabei nimmt der Plattformbetreiber zwei spezifische Rollen ein. Zum einen bietet er eine digitale partizipative Plug-and-Play3 Infrastruktur für Anbieter und Nach- frager, um Interaktionen zu ermöglichen. Zum anderen kuratiert und reguliert er die sozialen und ökonomischen Interaktionen auf der Plattform (Choudary, 2015, S. 24).

Die wesentliche Herausforderung für Plattformanbieter ist somit die Aufrechterhaltung und Pflege eines innovativen Ökosystems rund um die Plattform (Benlian, Hilkert, & Hess, 2015, S. 3). Dieses Ökosystem hängt stark von den sogenannten Netzwerkeffekten zwischen den verschiedenen Interessengruppen ab (Thies, 2017, S. 1). Netzwerkeffekte beschreiben, wie sich der Wert einer Plattform für einen Benutzer abhängig von der Anzahl anderer Benutzer auf derselben Plattform ändert. Der Nutzen der Plattform hängt also von der Gesamtzahl der Benutzer der Plattform und der Anzahl der Interaktionen ab (Jaekel, 2017, S. 46). Dies führt zu einem dynamischen System mit Abhängigkeiten zwischen allen Beteiligten und stellt gleichzeitig die Besonderheit von Plattformgeschäftsmodellen dar. Zusammenfassend zeigt Abbildung 2 ein vereinfachtes und generisches Plattform-Ökosystem und stellt die Solche Knoten können entweder Einzelpersonen oder kollektive Teilnehmer sein, wie bei- spielsweise Organisationen (Kane, Alavi, Labianca, & Borgatti, 2014, S. 3-4). Plattform- netzwerke beschreiben spezifischere Kontexte, in denen die Interaktionen der Teilnehmer der Plattform durch Netzwerkeffekte beeinflusst und von Intermediären erleichtert werden (McIntire & Srinivasan, 2017, S. 143). Bereits 2003 erkannten Rochet und Tirole, dass zwi- schen Netzwerkeffekten und Plattformen eine direkte Abhängigkeit besteht. Sie zeigten, dass die meisten Märkte mit Netzwerkexternalitäten sich durch die Präsenz von zwei un- terschiedlichen Seiten auszeichnen, welche von der Interaktion durch eine gemeinsame Plattform profitieren (2003, S. 990). Eine Externalität tritt auf, wenn Individuen oder Firmen durch eine von ihnen unabhängige wirtschaftliche Transaktion positiv oder negativ beein- flusst werden (Reillier & Reillier, 2017, S. 31). Netzwerkeffekte stellen eine solche Externa- lität dar und sind daher schwierig zu kontrollieren. Das Verständnis, wann externe Kräfte einem Ökosystem entweder Wert hinzufügen oder extrahieren, ist für die Plattformstrategie von zentraler Bedeutung (Van Alstyne u. a., 2016, S. 6).

Der Netzwerkeffekt an sich beschreibt die Auswirkung der Anzahl der User auf die Wert- schöpfung jedes einzelnen Users (Parker u. a., 2016, S. 29). Das bedeutet, ein Produkt, ein Service bzw. eine Plattform werden wertvoller, je mehr Menschen sie nutzen (Reillier & Reillier, 2017, S. 33). In der Internetwirtschaft bieten Firmen, die mehr Plattformteilnehmer anlocken, einen höheren Durchschnittswert pro Transaktion. User der Plattform zahlen zu- dem mehr für den Zugriff auf ein größeres Netzwerk, so dass sich die Margen verbessern, wenn die Userzahlen steigen (Eisenmann u. a., 2006, S. 3). Je größer das Netzwerk ist, desto besser sind die Übereinstimmungen zwischen Angebot und Nachfrage und desto mehr Daten können zum Finden von Übereinstimmungen verwendet werden (Van Alstyne u. a., 2016, S. 6). Je mehr Daten man über die User und die Nutzung einer Plattform erhält, desto effizienter wird oft die Qualität der Daten und die in den Daten identifizierbaren sta- tistischen Korrelationen (Jaekel, 2017, S. 64). Dazu kommt, dass Netzwerkeffekte dabei helfen, ein exponentielles und selbst verstärkendes Wachstum der digitalen Plattform zu ermöglichen. Grund dafür ist die Tatsache, dass User einer digitalen Plattform wiederum andere potenzielle User zur Nutzung der digitalen Plattformdienste verleiten (Jaekel, 2017, S. 63). Diese Dynamik kann gleichzeitig zum Aufbau eines dauerhaften Netzwerks an Usern führen, was wiederum einen Lock-in Effekt erzeugt und die User dauerhaft an die Plattform bindet (Parker u. a., 2016, S. 34). Ein dritter Nutzenaspekt von Netzwerkeffekten ist ihre Fähigkeit, als Markteintrittsbarriere gegen mögliche Wettbewerber zu fungieren und somit das Plattformunternehmen zu schützen (Reillier & Reillier, 2017, S. 35). Netzwerkef- fekte können aber auch negativer Natur sein. Ein negativer Netzwerkeffekt tritt ein, wenn Eine große Herausforderung von Plattformunternehmen ist folglich das erfolgreiche Management dieser Netzwerkeffekte (Jaekel, 2017, S. 65). Dabei ist das Verständnis von direkten und indirekten Netzwerkeffekten und den damit verbundenen Verbrauchererwartungen für Plattformanbieter von entscheidender Bedeutung, um beispielsweise Einstiegsstrategien zu formulieren (Zhu & Iansiti, 2012, S. 89).

2.1.3 Disruption

2014 wertete ein Expertenteam in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Delo- itte 40 Jahre Finanzdaten der S&P 500-Unternehmen4 aus, um zu analysieren, wie sich Bewertungstrends im Zusammenhang mit Geschäftsmodellen und neuen Technologien entwickelt haben. Sie identifizierten dabei vier ausgedehnte Kategorien von Unternehmen: Anlagevermögen aufbauende Unternehmen, Dienstleister, Technologie schaffende Unter- nehmen und sogenannte Netzwerkorchestratoren (faktisch Plattformunternehmen). Die Analyse ergab weiterhin, dass Netzwerkorchestratoren Unternehmen mit anderen Ge- schäftsmodellen in mehreren Schlüsseldimensionen überbieten. Dazu gehören höhere Un- ternehmensbewertungen im Verhältnis zu ihrem Umsatz, schnelleres Wachstum und hö- here Gewinnmargen. Daraus schlussfolgernd, repräsentiert dieser quantitative Vorsprung die Wertschöpfung durch Netzwerkeffekte (Libert, Wind, & Fenley, 2014, S. 2-5; Parker u. a., 2016, S. 43). Dieses erste Beispiel zeigt, dass sich Plattformunternehmen deutlich von anderen Geschäftsmodellen abheben. Neben dem Vorteil durch Netzwerkeffekte und der damit verbundenen Fähigkeit schnell zu skalieren, gibt es noch weitere Kernpunkte, die Plattformen von traditionellen Unternehmen unterscheiden.

Traditionelle Firmen operieren nach dem sogenannten Pipeline-Schema. Das heißt, sie ar- beiten in linearen Wertschöpfungsketten, indem sie Rohstoffe kaufen, Produkte herstellen und diese nachfolgend an ihre Kunden verkaufen (Choudary, 2015; Parker u. a., 2016; Van Alstyne u. a., 2016). Die digitale Transformation bringt jedoch drei Kräfte mit sich, die das neue Geschäftsmodelldesign der Plattform initiieren: erhöhte Konnektivität, dezentrale Pro- duktion und das Aufkommen künstlicher Intelligenz (Choudary, 2015, S. 23). In diesem Sinne agiert das Internet nicht mehr nur als eine Art Vertriebskanal, sondern dient als grund- legende Infrastruktur und Koordinationsmechanismus. Plattformen nutzen diese neuen Be- dingungen, um eine Konvergenz von realer und digitaler Welt zu schaffen, um physische Objekte mit dem Internet zu verbinden und zu steuern. Dies transformiert die lineare Wer- tekette in eine komplexe Wertematrix (Parker u. a., 2016, S. 73). Nach Van Alstyne u. a. beinhaltet die Transformation von Pipeline zu Plattform drei wesentliche Veränderungen (2016, S. 5):

1. Von der Ressourcenkontrolle zur Ressourcen-Orchestrierung: Die ressourcen- basierte Sichtweise traditioneller Unternehmen beinhaltet, dass sich Unternehmen durch die Kontrolle knapper und wertvoller Ressourcen Wettbewerbsvorteile ver- schaffen. Bei Plattformen hingegen verschiebt sich der Fokus auf Communities und die Ressourcen, die ihre Mitglieder besitzen (z.B. Informationen, Produkte, Dienst- leistungen). In diesem Zusammenhang ist das Netzwerk von Produzenten und Kon- sumenten der wichtigste Vermögenswert für Plattformunternehmen (Van Alstyne u. a., 2016, S. 5).
2. Von der internen Optimierung zur externen Interaktion: Pipelinefirmen regulie- ren ihre internen Ressourcen, indem sie ihre Wertschöpfungskette optimieren. Platt- formen hingegen schaffen Mehrwert, indem sie die Interaktion zwischen externen Produzenten und Konsumenten erleichtern. Aufgrund dieser externen Ausrichtung besitzen Plattformen verringerte bzw. gar keine variablen Produktionskosten. Somit verschieben sich die Kernaktivitäten von der Prozessoptimierung zur Akquirierung überzeugender und wertschöpfender Plattformteilnehmer (Van Alstyne u. a., 2016, S. 5).
3. Vom Fokus auf den Kundenwert zum Fokus auf den Wert des Ökosystems: Pipelineunternehmen streben nach der Wertmaximierung einzelner Kunden von Produkten und Dienstleistungen, die am Ende eines linearen Prozesses stehen. Im Gegensatz dazu versuchen Plattformen, den Gesamtwert eines Ökosystems in einem kreisförmigen, iterativen Prozess zu maximieren. Manchmal erfordert dies beispielsweise die Subventionierung eines bestimmten Benutzertyps, um einen anderen Typus anzuziehen (Van Alstyne u. a., 2016, S. 5).

Diese drei Veränderungen machen deutlich, dass sich der Wettbewerb in einer Plattform- welt weitaus komplexer und dynamischer gestaltet. Die von Michael Porter beschriebenen fünf Wettbewerbskräfte5 gelten weiterhin. In Bezug auf Plattformen verhalten sich diese Kräfte jedoch anders und neue Faktoren spielen eine Rolle (Porter, 1997, S. 13; Van Alstyne u. a., 2016, S. 5). Aus dieser Transformation ergeben sich folglich mehrere Vorteile von Plattformunternehmen gegenüber traditionellen Pipelineunternehmen. Erstens entkop- peln sich Plattformen von Anlagegegenständen und eigener Wertschöpfung (in diesem Sinne z.B. eigener Produktion). Das sorgt gleichzeitig für günstigere Grenzkosten bei Pro- duktion und Vertrieb. Weiterhin ermöglicht die reduzierte Bindung an Anlagegegenstände eine Verminderung des Investitionsaufwandes und fördert die Fähigkeit schnell in neue Märkte oder Regionen zu expandieren (Parker u. a., 2016, S. 73-77). Wenn z.B. Hotelket- ten expandieren wollen, müssen sie Gebäude errichten und neue Mitarbeiter einstellen. Das Hinzufügen einer weiteren Unterkunft in das Netzwerk von Airbnb erzeugt hingegen nur minimale Kosten und ermöglicht eine Expansion mit nahezu keinen Grenzkosten (Parker u. a., 2016, S. 73). Als zweiten Vorteil lässt sich die flexible Erschließung von neuen Angebotsquellen identifizieren. Plattformen sind in der Lage, fragmentierte, unorganisierte Märkte zu aggregieren. Dabei stellt die Plattform weit verstreuten Einzelpersonen, Organi- sationen oder Unternehmen einen zentralisierten Markt zur Verfügung (Parker u. a., 2016, S. 20, 81). Dies gibt Plattformen die Möglichkeit, Kundengruppen und Märkte zu erschließen, die vorher schwer zu erschließen waren und ist gleichzeitig ein Indikator für die bessere Skalierbarkeit von Plattformgeschäftsmodellen im Vergleich zu traditionellen Unternehmen (Jaekel, 2017, S. 127).

Neben den genannten Vorteilen haben Plattformgeschäftsmodelle aber auch Risiken, die zum Teil aus den andersartigen Eigenschaften resultieren. Zu den wichtigsten Gründen für das Scheitern einer jungen digitalen Plattform zählen unter anderem zu schnelles oder zu frühes Wachstum, fehlendes Nutzervertrauen, unerwünschtes Verhalten der Nutzer auf der Plattform bzw. mangelnder Mehrwert für die Nutzer und regulatorische Risiken (Jaekel, 2017, S. 123). Um diese Risiken einzudämmen, müssen Führungskräfte die Interaktionen auf der Plattform, den Zugang der Teilnehmer und neue Leistungsmetriken aufmerksam verfolgen und die Qualität der Inhalte durch effiziente Kuratierung steuern (Parker u. a., 2016, S. 76; Van Alstyne u. a., 2016, S. 5).

2.1.4 Architektur und Funktionen

Crawley u. a. definiert die Produktarchitektur als (1) eine Liste von Funktionen und deren Eigenschaften, (2) physikalische Komponenten, die diese Funktionen ausführen, (3) die Schnittstellen und die detaillierte Anordnung zwischen den Komponenten und (4) die Beschreibung, wie das System unter verschiedenen Bedingungen funktioniert und sich dynamisch ändert (2004, S. 5).

Eine wichtige Eigenschaft von Plattformsystemen ist, dass sie entwicklungsfähig sein müs- sen, um sich an unerwartete Änderungen in der externen Umgebung anpassen zu können. Plattformarchitekturen sind Modularisierungen komplexer Systeme, in denen bestimmte Komponenten (die Plattform selbst) stabil bleiben, während andere (z.B. Funktionen, Fea- tures) im Laufe der Zeit variieren. Essenziell ist dabei die Entscheidung des Plattformarchi- tekten, welche Komponenten stabil bleiben und welche variieren sollten (Baldwin & Woodard, 2009, S. 23-24). Grundlage zur Bewältigung dieser Herausforderung ist das Ver- ständnis der mehrschichtigen Struktur von Plattformen, wie in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Schichten einer Plattformarchitektur

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Choudary (2015, S. 61)

Die erste Ebene einer Plattform ist die Netzwerk-, Marktplatz- bzw. Community-Ebene, die aus den Teilnehmern auf der Plattform und ihren Beziehungen und Interaktionen besteht. Das externe Netzwerk von Produzenten (Anbietern) schafft in der Netzwerkschicht Werte für die Konsumenten (Nachfrager). Um diese Wertschöpfung zu realisieren, benötigen Plattformen eine zweite Ebene: die Infrastruktur. Die Infrastrukturschicht beherbergt die IT, Tools, Services und Regeln, die den Plug-and-Play-Charakter eines Plattformgeschäfts er- möglichen. Externe Produzenten bauen auf dieser Infrastruktur auf. Eine vermehrte Anzahl von Produzenten führt jedoch schnell zu einem Übermaß an Angeboten. Dies steigert die Suchkosten für die Nachfrager. Um dies zu lösen, braucht die Plattform eine dritte Schicht: Daten und Datenmanagement. Jede Plattform verwendet Daten in irgendeiner Weise. Da- bei ermöglicht das Datenmanagement der Plattform, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Die Datenebene sorgt mit Hilfe von Algorithmen für eine effiziente Anpassung der Inhalte, Waren und Dienstleistungen an die richtigen Nutzer (Choudary, 2015, S. 61- 62). Je nach Plattformtyp müssen beim Design der jeweiligen Plattform die Wichtigkeit der einzelnen Schichten deklariert und die einzelnen Schichten aufeinander abgestimmt werden (Choudary, 2015, S. 62-63).

Als ersten Schritt des Plattformdesigns empfehlen Parker, Van Alstyne und Choudary, dass die genauere Betrachtung der Schlüsselinteraktion im Fokus stehen sollte (2016, S. 48). Die Schlüsselinteraktion besteht aus drei entscheidenden Komponenten: den Teilnehmern, der Werteinheit (z.B. Informationen, Dienstleistungen, Produkte) und dem Filter (z.B. Such- funktion). Bei der Schlüsselinteraktion gibt es grundsätzlich zwei Teilnehmer: den Anbieter und den Nachfrager. Die Rollen der beiden Seiten müssen klar definiert sein. Jede Interak- tion der Teilnehmer beginnt mit einem Informationsaustausch. Darauf aufbauend steht die Schlüsselinteraktion fast immer mit der Erstellung einer Werteinheit durch den Anbieter in Verbindung. Die den Nachfragern angebotenen Werteinheiten werden anhand von Filtern ausgewählt. Bei Filtern handelt es sich meist um Softwaretools, die auf Basis von Algorith- men den Austausch passender Werteinheiten zwischen den Teilnehmern gewährleisten. Ein effizienter Filter garantiert, dass Benutzern der Plattform nur die Werteinheiten ange- zeigt werden, die für sie relevant sind. Das erleichtert das Auffinden potentieller Transakti- onspartner und den damit verbundenen Auswahlprozess, das sogenannte Matching (Parker u. a., 2016, S. 48-50; von Engelhardt u. a., 2017, S. 16). Fehlende oder unzu- reichende Filter sorgen, wie bereits weiter oben beschrieben zu einer Erhöhung der Such- kosten für den Benutzer, überfluten ihn mit irrelevanten Informationen und können im schlimmsten Fall zu einer vermehrten Kundenabwanderung und somit zum Scheitern der Plattform führen (Parker u. a., 2016, S. 50).

Im folgenden Schritt wird geklärt, wie Plattformen Schlüsselinteraktionen ermöglichen kön- nen. Um ein hohes Aufkommen an Schlüsselinteraktionen zu realisieren, muss eine Platt- form drei wesentliche Funktionen erfüllen: Pull-Effekte, Facilitating (Vereinfachung der In- teraktion) und Matching (Boncheck & Choudary, 2013, S. 2; Jaekel, 2017, S. 67; Parker u. a., 2016, S. 54).

Pull-Effekt: Das Locken von Kunden auf die Plattform ist eine Herausforderung, mit der traditionelle Pipelineunternehmen nicht konfrontiert sind. Dabei stehen Plattformen einem sogenannten Henne-Ei-Problem gegenüber, was es gilt zu lösen (Parker u. a., 2016, S. 54). Während eine Plattform ohne Anbieter keine Nachfrager anzieht, zieht eine Plattform ohne Nachfrager auch keine Anbieter an (Walter, 2017b). Diese speziell für Plattformen geltende Herausforderung spiegelt sich auch in Forschungsfrage (I) wider und wird im weiteren Ver- lauf der Arbeit besonders untersucht. Eine zweite Herausforderung in Bezug auf Pull-Ef- fekte zeigt sich darin, einmalige Nutzer der Plattform auch langfristig auf der Plattform zu halten. Zur Lösung dieses Problems werden sogenannte „Feedback Loops“ (Feedback- schleifen oder auch Rückkopplungsschleifen) genutzt. Dieser Prozess basiert oft auf leis- tungsfähigen Tools, die den Benutzer dazu animieren, die Werteinheiten der Plattform er- neut zu nutzen. Beispiele dafür können in die Plattforminfrastruktur integrierte Algorithmen sein, die die Aktivitäten des Users analysieren und daraus Rückschlüsse auf dessen Inte- ressen und Vorlieben ziehen und dementsprechend neue Angebote, Werteinheiten oder Kontakte empfehlen (Jaekel, 2017, S. 67; Parker u. a., 2016, S. 54-55).

Facilitating: Verglichen mit herkömmlichen Pipelineunternehmen liegt die Kontrolle der Wertschöpfung (z.B. Produktqualität) nicht in den Händen der Plattform. Stattdessen stellt sie eine Infrastruktur zur Verfügung, in der wertschöpfende Interaktionen vollzogen werden können (Parker u. a., 2016, S. 56). Somit ist das Kernziel des Facilitatings, möglichst rei- bungslos ablaufende Schlüsselinteraktionen zu ermöglichen (Jaekel, 2017, S. 68). Maß- nahmen zur Vereinfachung der Interaktionen sind unter anderem die Bereitstellung von Tools zur Suche, Filterung und Kollaboration und die Senkung bzw. an manchen Stellen auch die Erhöhung von Eintrittsbarrieren für die Plattformnutzung (z.B. Regeln und Bedin- gungen für die Aufnahme). Auch an dieser Stelle spielt daher der Prozess der effizienten Kuratierung der Plattforminhalte eine wichtige Rolle und gilt als zu bewältigende Herausfor- derung (Parker u. a., 2016, S. 56-57).

Matching: Die Qualität des Matchings ist entscheidend für den Erfolg der Plattform (Reillier & Reillier, 2017, S. 47). Erfolgreiche Plattformen ermöglichen es, auf Basis einer passenden Datengrundlage sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager eine wertschöpfende Überein- stimmung zu garantieren (Parker u. a., 2016, S. 58). Je mehr Informationen und Daten der Plattform zur Verfügung stehen, desto besser operieren die Algorithmen beim Sammeln, Sortieren und Interpretieren der Daten und desto effizienter sind die Filter. Die erforderli- chen Daten müssen dabei teils von den Teilnehmern selbst geliefert werden (Parker u. a., 2016, S. 57). Dabei handelt es sich zum Beispiel um Informationen zu Identität, Geschlecht, Alter, geographische Daten, Preis der Leistung, präferierte Bewertungskriterien etc. (Parker u. a., 2016, S. 57; Reillier & Reillier, 2017, S. 48). Da die Bereitschaft der Informationspreis- gabe von Benutzer zu Benutzer variiert, müssen Plattformunternehmen explizite Datener- fassungsstrategien entwickeln. Dabei kann es sich beispielsweise um Anreize für die Teil- nehmer (z.B. Vergütung, Zugang zu Extrafeatures) oder auch um spielerische Elemente zur Informationssammlung handeln (Parker u. a., 2016, S. 57). Ein weiterer wichtiger Punkt,

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

2.2 Markteintritt

2.2.1 Das Henne-Ei-Problem

Der Netzwerkeffekt ist trotz seiner Attraktivität und Kraft sehr schwierig zu initialisieren. Die meisten neugegründeten und jungen Plattformen bieten noch keinen Mehrwert, da dieser erst durch die Anwesenheit und Aktivität von Benutzern generiert wird. Um diese erste Gruppe von Benutzern jedoch auf die Plattform zu bringen, benötigen sie wiederum einen anfänglichen Mehrwert, welcher bei Plattformen gerade in der Aktivität auf der Plattform liegt (Choudary, 2015, S. 214). Anbieter werden dabei nicht von der Plattform angezogen, solange es keine Nachfrage gibt, während die Nachfrager die Plattform nicht nutzen werden, solange es kein ausreichendes Angebot gibt. Dies stellt ein sogenanntes Henne-Ei-Prob- lem dar, welches von der Forschung bisher intensiv untersucht wurde (vgl. Caillaud & Jullien, 2003, S. 310; Rochet & Tirole, 2003, S. 990; Wright, 2004, S. 49). Das Henne-Ei- Problem ist somit eine Art Teufelskreis ohne offensichtlichen Ausgangs- bzw. Endpunkt, an dessen Lösung viele Plattformen scheitern. Dieses Problem besteht dabei solange, bis die Plattform die sogenannte kritische Masse erreicht - das minimale Netzwerk, in dem genü- gend Anbieter und Nachfrager von Wert auf der Plattform sind, um sicherzustellen, dass Interaktionen zuverlässig und nachhaltig realisiert werden können (Choudary, 2015, S. 214-215). Dies beinhaltet, dass Plattformen nicht nur Benutzer auf beiden Seiten benötigen, sondern auch eine ausreichende Anzahl, um die kritische Masse zu erreichen (Evans & Schmalensee, 2016, S. 71). Übereinstimmend dazu definieren Reillier und Reillier (2017, S. 35) die kritische Masse als Punkt, an dem das Wachstum der Plattform selbsttragend wird.

Evans und Schmalensee (2010, S. 9-12, 2016, S. 76-78) entwickelten darauf aufbauend ein Modell, welches die Herausforderung des Erreichen der kritischen Masse veranschau- licht. Das Hauptmerkmal dieser Darstellung ist die „Kritische Masse Grenze“, siehe Abbil- dung 6. Jeder Punkt auf der Grenze besteht aus einer Anzahl von Benutzern A und einer Anzahl von Benutzern B. Die Punkte 1 bis 5 in der Grafik stellen dies beispielhaft dar. Wenn die Anzahl auf beiden Seiten ausreichend ist, wollen die Teilnehmer die Plattform weiterhin nutzen und neue Benutzer stoßen hinzu. Das resultiert in selbsttragendem Wachstum. Es gibt keine pauschale Anzahl von Benutzern, bei der dieser Vorgang in Kraft tritt. Sie ist von Plattform zu Plattform verschieden.

Die Kritische Masse Grenze zeigt somit alle Möglichkeiten auf, in denen es gerade genug Teilnehmer gibt, um das Wachstum der Plattform zu initialisieren. Unterhalb der kritischen

[...]


1 Märkte auf denen sich zwei Nutzergruppen, oftmals Anbieter und Nachfrager gegenseitig beeinflussen und auf einer Plattform zusammenkommen.

2 Zur Vereinfachung wird im Folgenden der Begriff „transaktionszentrierte digitale Plattform“ mit dem Begriff „Plattform“ gleichgesetzt.

3 Plug-and-Play: Geräte können nach dem Anschließen direkt in Betrieb genommen werden. Hier: Anbieter und Nachfrager können sich ohne großen Konfigurationsaufwand sofort mit der Plattform verknüpfen (SoftSelect, 2018).

4 Abkürzung für Standard and Poor's 500. Anerkannter amerikanischer Börsenindex, der 400 Industrietitel, 40 Versorgungswerte, 20 Aktien von Verkehrsunternehmen und 40 von Finanzinstitutionen enthält (ARD- Börse, 2018)

5 Die Bedrohung durch neue Marktteilnehmer und Ersatzprodukte oder -dienstleistungen, die Verhandlungs- macht von Kunden und Lieferanten und die Intensität des Wettbewerbs.

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Markteintrittsstrategien und Erfolgsfaktoren junger digitaler Plattformen
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
89
Katalognummer
V449731
ISBN (eBook)
9783668851566
ISBN (Buch)
9783668851573
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Anhänge 2+4 (CD) sind nicht im Lieferumfang enthalten!
Schlagworte
markteintrittsstrategien, erfolgsfaktoren, plattformen
Arbeit zitieren
Toni Naumann (Autor:in), 2018, Markteintrittsstrategien und Erfolgsfaktoren junger digitaler Plattformen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/449731

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