Die Bedeutung von Übergangsritualen nach dem Dreiphasenmodell von Arnold van Gennep


Hausarbeit, 2012

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Arnold van Gennep - ein kurzer Uberblick
2.1 Biographie
2.2 Historische Einordnung

3. Genneps Modell der Obergangsriten
3.1 Bedeutung der Gesellschaft in Bezug auf Rituale
3.2 Wozu Obergangsriten?
3.3 Die drei Phasen der Obergangsriten
3.4 Beispiel: Bestattung

4. Heutige Bedeutung von Ubergangsritualen - Rituale im Wandel

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was macht Rituale aus? Laut Axel Michaels sind alle Rituale Handlungen und jede Handlung wiederum ist eine Veranderung, somit istjedes Ritual in gewisser Weise eine Veranderung, ein Obergang (vgl. Michaels 2001, S. 23).

Den Begriff der Obergangsriten pragte Arnold van Gennep in seinem bekannten Werk „Les rites de passage", welches erstmals 1909 erschien.

Noch heute ist sein Hauptwerk von grower Bedeutung, es findet eine breite Anwen- dung in der Ethnologie, Soziologie, Kulturgeschichte und anderen Gesellschaftswis- senschaften.

Mit seiner Analyse der Obergangsriten beschaftigt sich diese Arbeit, ebenso wie mit ei- nem seiner Beispiele fur Obergangsriten und mit dem Wandel, denen die Bedeutung von Ritualen unterworfen ist. Es soll deutlich gemacht werden, dass Rituale, die Ober- gange begleiten bis heute nicht an Aktualitat verloren haben.

Im zweiten Kapitel wird eine kurze Biographie Arnold van Genneps gegeben (2.1) so- wie eine historische Einordnung seiner Person (2.2).

Die Bedeutung von Gesellschaft in Bezug auf Obergangsrituale (3.1) und ihren Sinn (3.2), sowie Genneps dreigeteiltes Modell zu den Passagenriten (3.3) wird das dritte Kapitel behandeln und anschlieftend anhand des Beispiels der Bestattung ausfuhren (3.4).

Nachfolgend soll die vorliegende Arbeit aufdie heutige Rolle und Bedeutung der Ritua- le, besonders im Zusammenhang mit Obergangen, eingehen (4).

Diese Ausarbeitung bezieht sich vor allem auf das Hauptwerk Genneps ,,Les rites de passage", berucksichtigt und integriert aber auch einige andere Schriften.

1. Arnold van Gennep - ein kurzer Uberblick

1.1 Biographie

Da ich mich bei der Auseinandersetzung mit dem Thema der Obergangsrituale im We - sentlichen auf das Modell von Arnold van Gennep beziehe, halte ich es fur angemes- sen, zunachst einen kleinen Einblick in sein Leben und seine akademische Laufbahn zu geben.

Arnold van Gennep wurde am 23. April 1873 in Ludwigsburg geboren, wuchs in Savoy- en auf und starb im Alter von 84 Jahren 1957 in Bourg-la-Reine. Er war ein franzosi- scher Ethnologe und gilt heute sogar als Begrunder der franzosischen Ethnographie. Wahrend der ersten Phase seiner Schaffenszeit (ca. 1900-1920) befasste er sich zu­nachst vor allem mit auftereuropaischen Kulturen indigener Volker, obwohl er selbst nie Feldforschungen betrieb (bis auf zwei Reisen nach Algerien), sondern hauptsach- lich Literaturstudien durchfuhrte. Man kann ihn also als Theoretiker bezeichnen.

Kurze Zeit (1912-1915) unterrichtete er an einer Schweizer Universitat, dies war aller- dings seine einzige akademische Lehrtatigkeit. Er verlor das Amt schon nach kurzer Zeit, weil er offentlich die Verletzung der Neutralitat der Schweiz in ihrer Politikfuhrung kritisierte.

Van Gennep beherrschte von Kindheit an Franzosisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Spanisch, im Laufe seines Lebens kannte er insgesamt sogar 18 Sprachen (vgl. Schomburg-Scherff2005, S. 233 ff.).

Sein Hauptwerk ist das 1909 veroffentlichte Buch 'Obergangsriten' (Les rites de passa­ge), hierin erlautert er anhand von vielen Beispielen aus verschiedenen Kulturkreisen das Konzept der Obergangsriten und fuhrt sein Dreiphasenmodell aus, auf welches ich spater eingehen mochte.

Sein Buch bietet ein bis heute aktuelles Modell zur Einordnung und Erklarung von ritu- ellen Praktiken. Nach seinem Werk der Obergangsriten beschaftigte er sich vor allem mit der Theorie der Volkszahlung und dem Problem der Sagenbildung (vgl. Gennep 2005, S.1 [Klappentext]).

Er verdiente seinen Lebensunterhalt uberwiegend als freier Obersetzer und Journalist. Zu seinen Lebzeiten wurde van Gennep wissenschaftlich ausgegrenzt, kritisiert wurde er beispielsweise von Emile Durkeim und dessen Neffen Marcel Mauss, sie und ihre Anhanger erkannten seine Forschungen und Erkenntnisse nicht an.

Sein Werk der Obergangsriten erlangte erst nach der Obersetzung in das Englische um 1960 groftere Aufmerksamkeit in der Wissenschaft (vgl. Schomburg-Scherff 2005, S. 238). Es ,,wurde zunachst unterschatzt (in Frankreich mehr als in England), dann miss- achtet, von Victor Turner wiederentdeckt und schlieftlich teils begeistert, teils skeptisch rezipiert" (Michaels 2001, S. 23).

Fur van Gennep war die Kritik von Marcel Mauss so vernichtend und beruflich ver- hangnisvoll, „dass er danach mehr franzosische Volkerkunde und eine Huhnerfarm be - trieb, als ethnologisch weiterzuschurfen" (Michaels 2001, S. 24).

Van Gennep selbst war bis zu seinem Tod von der Richtigkeit und Nutzlichkeit seines Modells der Obergangsriten uberzeugt (vgl. Schomburg-Scherff2005, S. 238).

1.2 Historische Einordnung

Van Genneps Forschungen und Untersuchungen fallen in eine Zeit wissenschaftlichen Umbruchs. Im 19. Jahrhundert war der Evolutionismus vorherrschend und dominierte das ethnologische Denken. Demnach befanden sich Naturvolker auf der untersten Stu- fe der kulturellen und sozialen Entwicklung, an deren Spitze die hochzivilisierten Euro- paer standen (vgl. Schomburg-Scherff2005, S. 234).

„In den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende verlieften dann die ersten Ethnologen ihre Schreibtische, um fremde Kulturen 'im Feld' zu erforschen, und sogleich wurden die Bruche und Lucken in den bestechenden Entwicklungskonzeptionen des Evolutio­nismus deutlich. Mit der ethnographischen Realitat konfrontiert, erwiesen sich auch scheinbar einleuchtende Spekulationen schlicht als das, was sie nicht waren" (Schom- burg-Scherff 2005, S. 234 f.).

Diese Erkenntnis fuhrte dazu, dass nicht weiter nach universell gultigen Entwicklungs- gesetzen gesucht wurde, stattdessen untersuchte man einzelne Phanomene. Man ging mithilfe einer ganz anderen Betrachtungsweise vor, namlich empirisch-historisch, und begann Beziehungen historischen Charakters zwischen ethnischen Gruppen herzustel- len.

Zu dieser Zeit fuhrten Durkheim, der eine unangefochtene Autoritat darstellte, und sei­ne Anhanger die franzosische Ethnologie an. Gennep schloss sich diesen nicht an, stattdessen forschte er unabhangig und ging sogar soweit, Durkeim zu kritisieren. Er widersprach der Durkheimschen Pragung und stellte ihr entgegen, dass die sogenann- ten 'primitiven' Volker ebenso komplex und vielschichtig seien, wie 'zivilisierte' Gesell- schaften.

Er fuhrte ein wissenschaftliches Leben aufterhalb der franzosischen Universitatshierar- chie. Seine Unabhangigkeit hatte einen hohen Preis - sein Leben lang wurde ihm eine akademische Karriere an der Universitat verwehrt und er erlangte keine Anerkennung, sondern wurde in wissenschaftliche Marginalitat gedrangt (vgl. Schomburg-Scherff 2005, S.235ff.).

Gennep selbst stellte fest: „Jeder, der nicht zur Gruppe der Durkheim-Anhanger gehor- te, war ein 'Gezeichneter'“ (Schomburg-Scherff2005, S. 237).

3. Genneps Modell der Ubergangsriten

3.1 Bedeutung der Gesellschaft in Bezug auf Rituale

Bevor man sich mit den Obergangsritualen in ihrer Komplexitat beschaftigt, ist es sinn- voll, den Aufbau und die Bedeutung von Gesellschaften nach Gennep naher zu be- trachten.

Gemaft Arnold van Gennep besteht jede Gesellschaft aus verschiedenen strikt vonein- ander getrennten sozialen Gruppierungen, zum Beispiel Familien-, Berufs- und Religi- onsgruppen. Die Abgrenzungen zwischen den Gruppen variieren je nach Zivilisations- grad der Gesellschaft, umso geringer dieser ist, desto starker sind die Grenzen ausge- pragt (vgl. Gennep 2005, S. 13).

Arnold van Gennep hielt es fur plausibel, eine Gesellschaft mit einem Haus mit vielen Raumen und Fluren zu vergleichen, in welchem jedes Individuum im Laufe seines Le- bens vom einen Raum zum nachsten wandert und so immer wieder Schwellen uber- schreitet und Obergange begeht (vgl. Gennep 2005, S. 34).

Veranderungen gehoren zur sozialen Dynamik einer jeden Gesellschaft, sie erfordern Grenzuberschreitungen, also eine Form von Obergangen, Menschen andern beispiels- weise ihren sozialen Status oder ihre Berufsgruppenzugehorigkeit.

Im Laufe seines Lebens wechselt ein Individuum immer wieder seine Gruppenzugeho- rigkeit und beginnt damit einen neuen Lebensabschnitt. Es handelt sich um einen nie stillstehenden Kreislauf, alle Individuen und Gruppen bewegen sich in Raum und Zeit. ,,Das Leben eines Menschen besteht somit in einer Folge von Etappen, deren End- und Anfangsphase einander ahnlich sind: Geburt, soziale Pubertat, Elternschaft, Aufstieg in eine hohere Klasse, Tatigkeitsspezialisierung“ (Gennep 2005, S. 15).

Veranderungen gefahrden jedoch die Stabilitat und soziale Ordnung der Gesellschaft. Das ist der Grund dafur, dass diese Obergange in allen Gesellschaften von Riten be- gleitet werden, denn durch sie wird die Storung der Sozialordnung abgeschwacht.

Die Obergangsriten gewahrleisten also, dass das Individuum sicher von einem Zustand und von einer Gruppenzugehorigkeit in einen anderen Zustand und zu einer anderen Gruppe gelangt,

[...]

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Details

Titel
Die Bedeutung von Übergangsritualen nach dem Dreiphasenmodell von Arnold van Gennep
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
15
Katalognummer
V449709
ISBN (eBook)
9783668835290
ISBN (Buch)
9783668835306
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rituale, Übergangsrituale, Arnold van Gennep, Bestattungsriten
Arbeit zitieren
Jennifer Siehms (Autor:in), 2012, Die Bedeutung von Übergangsritualen nach dem Dreiphasenmodell von Arnold van Gennep, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/449709

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