Physiognomik. Was offenbart das menschliche Gesicht?


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was ist die Physiognomik ?
2.1 Definition
2.2 Geschichte der Physiognomik

3 Anatomische Grundlagen
3.1 Der menschliche Schädel
3.2 Mimische Muskulatur

4 Die erstarrte Bewegung des Gesichts und ihre Deutung
4.1 Funktionen des Gesichtsausdrucks
4.2 Universalität des Gesichtsausdrucks
4.3 Beschreibung des Gesichtsausdrucks

5 Wissenschaftliche Tests

6 Schlußbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Tag für Tag werden wir mit den Blicken und Gesichtszügen anderer Menschen konfrontiert. Das Gesicht, die prägnanteste Äußerlichkeit, zeigt einen lebendigen Abdruck ständiger Veränderung und gibt Aufschluß über die Befindlichkeit desjenigen.

Carl Huter[1] beschreibt in der ersten Strophe seines Gedichtes:

„Das Gesicht offenbart uns die geistigen Kräfte,

Gesundheit und Krankheit und Leben und Sein !

Im Auge da spiegeln sich die kreisenden Säfte,

Das Leid und die Liebe und die Seele so rein !“

(Allgeier, 2003)

Es zeigt sich das Ur-Bedürfnis des Menschen: wir wollen unsere Mitmenschen kennenlernen, Lebensalter, Art der Lebensbewältigung, Alter, Gesellschaftsschicht usw. sind interessant.

So versuchen wir, aufgrund der Signatur des Gesichts innere Zusammenhänge zu ergründen.

Hierzu nutzen wir (unbewußt) die Gedanken aus der Physiognomik.

2 Was ist die Physiognomik ?

2.1 Definition

Bevor man sich den Inhalten der Physiognomik widmen kann, muß zunächst die Frage beantwortet werden, was die Physiognomik überhaupt ist. Daher zunächst einige Definitionen:

Lavater (1772) bezeichnet die Physiognomik „ ... als Wissenschaft, den Charakter [...] des Menschen im weitläufigsten Verstande aus seinem Aeußerlichen zu erkennen; ...“

Physiognomik bedeutet die „ ... Lehre von den Beziehungen zwischen der äußeren Gestalt und dem Wesen, dem Charakter.“ (Schwabenthan, 2002)

Der Philosoph I. Kant bezeichnet die Physiognomik als „Ausspähungskunde des Inneren“.

Die Physiognomik heißt wörtlich „Kenntnis der Körperlichkeit“ schreibt Hellpach. (1949)

W. Castrian (2001) definiert sie in seinem „Lehrbuch der Physiognomik“ als „die Lehre von der Deutung des Gesichts als Projektion von psychischen und physischen Zuständen.“

Auf der Internet-Seite der Tierversuchsgegner wird die Physiognomik als „Deutung der Wesensart eines Menschen aus seiner leiblichen Erscheinung, besonders aus den Gesichtszügen, bezeichnet.“ (URL: http://www.tierver-suchsgegner.com).

In ihren Unterschiedlichkeiten haben alle Definitionen eines gemein: der Gedanke, daß man aus dem äußeren Erscheinungsbild des Menschen, insbesondere dem Gesicht, einen Rückschluß auf innere Werte ziehen kann.

2.2 Geschichte der Physiognomik

Die Physiognomik ist mehr als 3.000 Jahre alt. Erste Erwähnungen finden sich in den Schriften Altbabylons. Dort wird von Körperlesern berichtet, die sich mit der Frage des Zuckungsorakels auseinandersetzten.

In den Straßen des antiken Athens konkurrierten Gesichtsleser mit Traumdeutern. Die Gesichtsleser hatten mehr Zulauf, da sie schneller (und demnach auch billiger) ihr Kunst feilbieten konnten. Bei ihnen erübrigten sich nämlich langwierige Erzählungen über Geträumtes.

Aber nicht nur diese ambulanten Physiognomiker beschäftigten sich mit diesem Thema.

Den Urvater der Medizin, Hippokrates (460 – 377 v.Chr.) beschäftigte vor allem die Veränderungen des Gesichts bei Krankheiten.

Die ersten Zeugnisse über die Anwendung der Physiognomik zur Diagnose von Krankheiten finden sich im Abendland in der Sammlung der hippokratischen Lehre.[2] (Martelli, 2001; Übersetzung durch Verf.)

Er war auch der „Erfinder“ der Typenlehre, die bis heute Bedeutung hat. Hierbei wurden die Menschen in vier Temperamente eingeteilt. Die vier Temperamente basieren auf der Erkenntnis, daß durch die Körpersäfte verschiedene Menschentypen hervorgebracht werden.

Aristoteles (384 – 322 v.Chr.) baute seine Physiognomik auf der Ähnlichkeit zwischen Mensch und Tier auf und zog entsprechende Parallelen, so z. B. wenn ein Mensch eine dickgeformte Nase besaß, wie sie bei Ochsen vorgefunden wird, war auch der Mensch mit den Eigenschaften dieses Tieres behaftet – phlegmatisch, träge.

In diesen Zeitraum fällt auch die Einteilung des Gesichts in drei Teile zur Analyse: die Stirn zeigt die geistigen Kräfte, das Feld von den Augen bis zum Mund beschreibt sein Gemüt und vom Kinn kann man Vitalität und physische Kraft ablesen.

Der römische Arzt Claudius Galen(os) (129 – 199 n.Chr.) verfeinerte das Konzept der Temperamente von Hippokrates noch weiter.

Danach wird es still um die Physiognomik. Erst im 17. Jahrhundert beginnt in Europa das Interesse an dieser Wissenschaft wieder zu erwachen. Ihre Blütezeit beginnt vor rund 250 Jahren im Zeitalter der Aufklärung.

Durch Johann Caspar Lavater (1741 – 1801) wird ein wahrer Boom ausgelöst. Mit seinem 1772 veröffentlichten Werk „Von der Physiognomik“ kommt es buchstäblich zu „physiognomischen Raserei“ [wie Georg Christoph Lichtenberg sich ausdrückt. Lichtenberg (1742 – 1799) wird zum schärfsten Gegner Lavaters und gibt in der Zeit von 1778 – 1780 eine Gegenschrift „Wider Physiognostik“ heraus].

Gesichtsdeutung wird zum Gesellschaftsspiel, besonders an Höfen und bei intellektuellen Kreisen. Mehr und mehr Einfluß gewinnt sie bei den Naturwissenschaften und der Kunst. Diese Entwicklungen zeigen aber auch eine, von Lavater nicht gewollte, Wendung.

Um 1800 beginnt der deutsche Arzt Franz Josef Gall (1758 – 1828) eine physiognomische Schädellehre (Phrenologie). Nach seiner Auffassung kann man aus der Schädelform Stärken und Schwächen des Menschen erkennen.

Doch sein Forschungsmaterial bestand unheilvollerweise aus den Schädeln exekutierter Straftäter. In diesen Schädeln sucht er auch nach Hinweisen für kriminellen Veranlagungen.

Nachdem der italienische Militärarzt Cesare Lombroso (1836 – 1909) sein Buch „Der kriminelle Mensch“ 1876 veröffentlicht, bricht ein Wahn aus. Bestimmte Körpermerkmale machen Menschen verdächtig. Die „physiognomischen Raserei“ mutiert zur „Galgenphysiognomik“.

Die Physiognomik wird zum Instrument von Haß, Angst und Abscheu. Die visionäre Schelte Lichtenbergs in seinen Sudelbüchern (F 521): „Wenn die Physiognomik das wird, was Lavater von ihr erwartet, so wird man die Kinder aufhängen, ehe sie die Taten getan haben, die den Galgen verdienen.“ wird nun zur bitteren Wahrheit.

Der Schritt von diesem Extrem bis hin zum Rassenwahn ist nun nur noch klein. Insbesondere das nationalsozialistische Regime beutete diese Wissenschaft gnadenlos für ihre Zwecke aus. Die Physiognomik wird dazu mißbraucht, Rassen nach rein äußerlichen Merkmalen zu selektieren und somit bestimmte Gruppen in die tödlichen Mühlen der Konzentrationslager zu deportieren. Nicht nur Rassenwahn – auch Rassenhaß und –fanatismus sind Ausfluß dieser Wissenschaft.

Nach dem Zusammenbruch der Hitler-Diktatur im Jahr 1945 wird es wieder still um die Physiognomik. Scham und Angst verbaten die öffentliche Erwähnung und wissenschaftliche Betätigung. Sie führte nur ein Schattendasein zwischen Esoterik, Astrologie und anderen okkulten Denkrichtungen.

Seit wenigen Jahren jedoch tritt sie wieder heraus aus dem Schattendasein. In welcher Form sie sich wieder etablieren wird, muß sich zeigen.

[...]


[1] Deutscher Arzt, Begründer der sogenannten Naturell-Lehre, einer Konstitutionstypologie, die ein psychisches, ein physikalisches und ein chemisches Naturell (auch Empfindungs-, Bewegungs-, Ernährungsnaturell genannt) unterschied und von Huter zu einem System medizinischer und charakterologischer Diagnostik, die sich auf Körperbau, Kopfform und Physiognomie stützte, ausgebaut wurde. (Lexikon der Parapsychologie, URL: http://www.sphinx-suche.de)

[2] Originaltext: L'uso della fisiognomica per diagnosticare le malattie trova in occidente le sue prime testimonianze nel corpus dottrinale di Ippocrate.

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Details

Titel
Physiognomik. Was offenbart das menschliche Gesicht?
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
bestanden
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V44721
ISBN (eBook)
9783638422659
ISBN (Buch)
9783638819923
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Physiognomik, Gesicht
Arbeit zitieren
Helmut Dudla (Autor:in), 2004, Physiognomik. Was offenbart das menschliche Gesicht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44721

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