Der Umgang von Iokaste, Linda Loman, Helene Alving und Nora Helmer mit der Lebenslüge


Seminararbeit, 2000

22 Seiten, Note: gut (2,3)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Iokaste: Eine Wissende die nicht wissen will?

2. Selbstaufgabe für die Lebenslüge des Mannes: Linda Loman

3. Ibsens ungleiche Töchter: Helene Alving und Nora Helmer

Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Einleitung

In dieser Hausarbeit geht es darum zu zeigen, wie Frauen mit einer Lebenslüge umgehen. Zu diesem Zweck wurden die Dramen „König Ödipus“ von Sophokles, „Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller und „Gespenster“ sowie „Nora (Ein Puppenheim)“von Henrik Ibsen ausgewählt.

In den drei erst genannten Werken wir dargestellt, wie Frauen verdrängen, kaschieren und Opfer bringen um sich selber eine Wahrheit nicht zuzugestehen oder Wahrheiten welche ihre Ehemänner betreffen zu verbergen.

Iokaste aus Sophokles Tragödie „König Ödipus“ ist eine dieser Frauen und kann als die Urform der Frau gelten, welche die Lebenslüge wahrt. Mit ihr werde ich mich im ersten Punkt beschäftigen.

Der zweite Punkt beschäftigt sich mit Linda Loman aus Arthur Millers Stück „Tod eines Handlungsreisenden“. Sie ist das Beispiel für eine bürgerliche Frau, die sich für ihren Mann aufopfert. Dennoch ist sie letztendlich unfähig dem Ehemann aus seiner schweren Krise zu helfen.

Im dritten Punkt schließlich, werden zwei Frauenfiguren von Henrik Ibsen gegenübergestellt. Auf der einen Seite geht es um Helene Alving aus dem Familiendrama „Gespenster“. Sie versucht ihrem Sohn zuliebe eine Lebenslüge seinen Vater betreffend zu konservieren um schließlich zu erkennen, dass all ihre Bemühungen umsonst waren. Auf der anderen Seite steht Nora Alving. Sie kann als Gegenbeispiel für die Wahrerinnen der Lebenslüge angesehen werden, bricht sie doch, sobald sie erkennt dass ihre ganze Ehe ein Trugbild war, sofort aus den bürgerlichen Verhältnissen aus in denen sie lebte weil sie es nicht ertragen kann, eine Lüge zu leben.

In der Schlussbemerkung werde ich versuchen, die Ergebnisse zusammenzufassen und versuchen, eine Erklärung für die Tatsache zu finden, dass den wahrenden Part in den bearbeiteten Dramen immer die Frauen übernehmen.

1. Iokaste: Eine Wissende die nicht wissen will?

„ Wusste Jokaste (...) etwas über die Herkunft des Ödipus, über den Tod seines Vaters und das Verbrechen, das sie mit ihrem Sohn fortwährend beging? Jokaste noch schuldbeladener als Ödipus? Ödipus als Spielzeug Jokastes und ihres Begehrens?“ (Olivier 1989, S.11 f.). Diese Fragen stellt Christiane Olivier u.a. im ersten Kapitel ihres Buches „ Jokastes Kinder. Die Psyche der Frau im Schatten der Mutter.“

Auch wenn Iokaste in der Sekundärliteratur zu Sophokles Werk „ König Ödipus“ eher selten erwähnt wird, weil das Hauptaugenmerk auf ihren berühmten Sohn der gleichzeitig ihr Ehemann ist, gerichtet ist, so darf man ihre Relevanz für das Schicksal ihres Sohnes nicht unterschätzen. Ist Iokaste wirklich unwissend? Oder hat sie zumindest eine Ahnung, die sie aber nicht wahrhaben will. Es stellt sich die Frage, ob Iokaste nicht bewusst die Augen verschließt, sich eine Lebenslüge aufbaut um sich selber vor der Wahrheit zu schützen.

Kurz, nachdem Laios vom eigenen Sohn Ödipus erschlagen worden ist, sitzt derselbe schon auf seines Vaters Thron neben der Mutter die inzwischen seine Ehefrau ist, weil Ödipus die Sphinx besiegte, welche die Stadt Theben heimgesucht hatte. Ödipus hat die Stadt damit von einem Fluch befreit, soll durch das lasterhafte Verhältnis mit seiner Mutter und den Vatermord jedoch bald wieder Unheil über Theben bringen. Ödipus muss, um diesen Fluch zu besiegen, den Mörder von Laios finden, er weiß nicht, dass er nach sich selber fahndet. Als die Ermittlungen schon weit fortgeschritten sind gibt Iokaste auf Ödipus Verlangen Auskunft über einen Diener von Laios, der den Kampf überlebte, in dem Laios sowie drei weitere Thebener ums Leben kamen. Über diesen Diener sagt Iokaste: „(...) Denn wie er von dort kam und sah, dass du die Herrschaft hattest und Laios umgekommen war, bat flehentlich er und griff dabei nach meiner Hand, ihn aufs Land zu schicken und hin zum Weideland der Herden, damit ihm diese Stadt so weit wie möglich aus den Augen sei.“ (Sophokles 1989, S. 34). Angesichts der Tatsache, dass Iokaste vom Orakel von Delphi prophezeit worden war, dass ihr Sohn einst Vatermord begehen und sie als seine Mutter ehelichen würde, hätte Iokaste angesichts der Reaktion des Sklaven aufmerksam werden müssen. War es nicht naheliegend, dass der Sklave Angst bekam, weil er sich mit dem Mörder seines Herrn konfrontiert sah? Iokaste sieht dieses Anzeichen ebenso wenig wie viele andere. So macht sie sich auch keine Gedanken darüber dass ihr Ehemann einen verkrüppelten Fuß hat. Iokaste ließ ihren Sohn mit zerstochenen Füßen aussetzen, nachdem sie ihn bekommen hatte, obwohl das Orakel ihr und ihrem Mann offenbart hatte, dass es Unglück über Theben bringen würde, sollten sie ein Kind zeugen. Sie könnte also folgern, dass dieses Kind, sollte es aus irgendeinem Grund überlebt haben, keine gesunden Füße hätte.

Während des Forschungsprozesses von Ödipus nach dem Mörder von Laios merkt man oft, dass Iokaste versucht ihren Mann zurückzuhalten. So sagt sie, als Ödipus nach dem o.g. geflüchteten Sklaven verlangt, dessen Vorladung wäre nicht notwendig, ihr Sohn sei schon lange tot. Dabei sind schon sehr viele Indizien zusammengekommen, es gibt kaum noch einen Zweifel darüber, dass sie mit dem eigenen Sohn verheiratet ist. Ödipus setzt sich durch „ Die Angst des Vertuschenswollens (Iokaste) muss sich der Angst des Wissenwollens (Ödipus) fügen.“ ( Zink 1986, S. 30).

Man kann das Verhalten von Ödipus und Iokaste auch auf Rollenmuster zurückführen, die Sophokles eventuell schon geläufig waren: „ Iokaste repräsentiert eine andere Verhaltensweise; als Kontrastfigur tritt die Frau dem Mann gegenüber. Die Besonderheit des weiblichen Verhaltens liegt darin, dass sie es unternimmt, in den Streit der Männer einzugreifen, dass sie ihnen geistig gewachsen ist, politische ihrem Mann entgegentritt- politisch in dem Sinne, dass Ödipus das Außen, die Öffentlichkeit in der Polis, vertritt und Iokaste das Innere, den Bereich des Hauses. So ergibt sich noch eine andere Perspektive für die Funktion des Hauses. „Während sich in der Öffentlichkeit das unbedingte Streben des Mannes aktualisiert, ist das Haus das Symbol des Bewahrens und Bergens.“ (Kremer 92)“ (Zink 1986, S.30). Liegt Iokastes Verdrängen also in der Tatsache begründet dass sie eine Frau ist? Der Frau wird oft eine nährende, schützende Funktion zugesprochen. Sind es diese „typisch weiblichen“ Eigenschaften die Iokaste eine Lebenslüge aufrecht erhalten lassen? Oder ist ihr Verhalten auf eine individuelle Lebensnorm zurückzuführen, wie Lesky es darstellt: „ Sie ist nicht die Frivole, als die man sie öfter missverstanden hat, aber ihre Lebensnorm ist das eike zen ( sie will leben, wie es kommt, 979), das letzten Entscheidungen ausweicht.“ (Lesky zit. n. Zink 1986, S.55). Iokaste gibt vor, nicht an das Schicksal bzw. an den Orakelspruch zu glauben, sie stellt das eigene Wissen, was eigentlich schon längst erschüttert ist, über die Vorhersagung, wenn sie sagt: „ Doch jener Unglückselige hat ihn nie erschlagen, nein, ist selber vorher umgekommen. Drum will ich eines Seherspruches wegen künftig weder hier – noch dorthin blicken!“ ( Sophokles 1989, S.38). Iokaste gibt vor, dass sie der Macht des Zufalls mehr vertraut als der Voraussehung („Was soll der Mensch sich

fürchten, wo über ihn die Macht des Zufalls herrscht und verlässliche Voraussicht in nichts besteht?“ Sophokles 1989, S.43). Dabei scheint sie nicht zu ahnen, wie sehr sie mit dieser Vermutung in bezug auf ihre Lebensgeschichte recht hat, spielte doch der Zufall eine entscheidende Rolle im Leben von Ödipus und Iokaste.

Iokaste ist meines Erachtens eine Meisterin der Verdrängung. Ich vermute dass bei ihr ein Verdrängungsmechanismus zum Selbstschutz einsetzt und je näher die Aufklärung der Wahrheit rückt, desto mehr weigert sich Iokaste Tatsachen anzuerkennen bzw. Beweise zuzulassen. Das ist nicht verwunderlich, schließlich führt die Wahrheit zu ihrem Ende: Als Iokaste erkennen muss, dass ihre Ahnungen Wahrheit geworden sind, erhängt sie sich über dem Ehebett in dem sie mit ihrem eigenen Sohn Inzest verübte.

Iokaste ist in ihrer bergenden Art die Urform der Frau, die die Lebenslüge wahrt, um sich und ihr Umfeld zu schützen.

Man kann sie damit als Vorbild für Figuren wie Linda Loman oder Helene Alving betrachten, um die es in den nächsten Punkten gehen wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Umgang von Iokaste, Linda Loman, Helene Alving und Nora Helmer mit der Lebenslüge
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Formen des analytischen Dramas
Note
gut (2,3)
Autor
Jahr
2000
Seiten
22
Katalognummer
V44709
ISBN (eBook)
9783638422543
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Gattung des analytischen Dramas ereilt den Protagonosten oft die Erfüllung eines Schicksals, welches sich nicht aufhalten lässt. Doch nicht nur die Protagonisten selbst, sondern auch ihre Partnerinnen sind bemüht, dem Unausweichlichen zu entgehen. Mit diesem Phänomen beschäftigt sich diese Arbeit am Beispiel folgender Werke: "König Oedipus" von Sophokles, "Death of a salesman" von Arthur Miller, sowie Henrik Ibsens Werken "Gespenster" und "Nora (Ein Puppenheim)"
Schlagworte
Umgang, Iokaste, Linda, Loman, Helene, Alving, Nora, Helmer, Lebenslüge, Proseminar, Formen, Dramas
Arbeit zitieren
M.A. Nele F.C. Schüller (Autor:in), 2000, Der Umgang von Iokaste, Linda Loman, Helene Alving und Nora Helmer mit der Lebenslüge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44709

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