Inwieweit kann die Leseflüssigkeit anhand von Lautlese-Verfahren effektiv gefördert werden?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist lesen?
2.1. Wie lesen wir?
2.2. Definition Lesekompetenz
2.3 Mehrebenenmodell

3. Definition Leseflüssigkeit
3.1 Dimensionen der Leseflüssigkeit
3.2 Lesemotivation

4. Lautlese - Verfahren
4.1 Grundformen des Lautlesens
4.1.1 Lautlese - Tandems
4.2 Wirksamkeit von Lautleseverfahren

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

„Lesen - das Wort klingt einfach, aber es bezeichnet einen ausgesprochen komplexen Vorgang“ (Spinner 2013, S.10). Somit ist die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer, Kinder bei der Entwicklung von Lesefähigkeiten nachhaltig zu unterstützen, vielfältig und anspruchsvoll.

Leseförderung ist seit den großen Schulleistungsstudien zu Beginn des Jahrhunderts ein zentrales didaktisches Thema. Das wesentlichste Argument dafür ist die Bedeutung des Lesens für die Schullaufbahn und die Bildungskarriere des Einzelnen (vgl. Rosebrock & Nix 2011, S.1).

In PISA wird das Lesen als eine wichtige kognitive Grundfertigkeit dargestellt, die für die Bewältigung des Alltags unverzichtbar ist. Vor diesem Hintergrund lassen sich verschiedene Fördermaßnahmen für die Entwicklung der Lesekompetenz ableiten. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die emotionale Komponente beim Lesen zu entwickeln. In allen untersuchten Kompetenzbereichen (Lesekompetenz, mathematische Kompetenz, naturwissenschaftliche Kompetenz) liegen die durchschnittlichen Ergebnisse der 15-Jährigen in Deutschland deutlich unter dem OECD-Durchschnitt.Die Verteilung der Leistungen ist in Deutschland breiter als in den meisten OECD- Staaten, im Bereich Lesekompetenz sogar am größten. Der Anteil derjenigen, die nur das unterste Kompetenzniveau erreichen ist in Deutschland größer als in vielen anderen OECD-Staaten. Dies gilt insbesondere für die Lesekompetenz. Deutschland liegt hier auf dem fünftletzten Platz (vgl. Nix 2011, S.13-18).

In unserer literalen Gesellschaft ist Lesen von großer Bedeutung für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung, den Bildungserfolg, die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe (vgl. Rosebrock/Nix 2014, 7). Deshalb ist die Ausbildung einer nachhaltigen Lesekompetenz ein wichtiger Bestandteil der Schulen.

Viele verschiedene Methoden wurden entwickelt, um das Lesen nachhaltig und wirkungsvoll zu fördern. Eine davon, das Lautleseverfahren, ist Gegenstand der folgenden Arbeit.

Im ersten Teil wird zunächst erläutert was lesen überhaupt ist und wie Buchstaben, Wörter und Texte erlesen werden. Daraufhin wird der Begriff der Lesekompetenz aufgegriffen und erläutert. Hierbei wird der kognitionstheoretischen Ansatzes nach PISA vom kulturwissenschaftlichen Modell nach Hurrelmann unterschieden. Des Weiteren wird der Erwerb der Lesekompetenz thematisiert, dazu wird das Didaktische Mehrebenenmodell der Lesekompetenz von Rosebrock & Nix (2011) erläutert.

Da die Methode des Lautlese- Verfahrens vor allem darauf abzielt, die Leseflüssigkeit zu erhöhen, findet zunächst eine Begriffsklärung von Leseflüssigkeit statt, bevor näher erläutert wird, mit welchen Mitteln die Leseflüssigkeit diagnostiziert werden kann.

Die Kenntnis über die Dimensionen von Leseflüssigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Förderung bei disfluenten Lesern an der richtigen Dimension ansetzt und die Schwierigkeiten innerhalb der Leseflüssigkeit besser erkannt werden. Daraufhin wird der Bereich der Lesemotivation vorgestellt. Nach der Begriffsklärung ist es für den schulischen Unterricht wichtig, die Arten der Lesemotivation zu kennen. Wie kommt es dazu, dass ein Leser gerne liest. Anschließend veranschaulicht die Arbeit Möglichkeiten der Leseförderung durch Lautlese- Verfahren, die Grundformen von Lautlese - Verfahren, die herausfordernden Aufgaben für die Lehrkraft, als auch dessen Wirksamkeit anhand empirischer Studien.

2. Was ist lesen?

Seitdem es das geschriebene Wort gibt, ist Lesen eine der Schlüsselqualifikationen unserer Gesellschaft (vgl. Frey 2010, S.15).

Lesen ist ein komplexer Prozess, der Leistungen auf sehr unterschiedlichen Ebenen erfordert. Lesen ist nicht so einfach, wie es scheinen mag, aber die Schule hat mit dem Lernziel Lesen eine herausragende gesellschaftliche Aufgabe übertragen bekommen (vgl. Kaufmann 2011, 8-10).

Laut Bertschi-Kaufmann (2011, 12) ist Lesen eine vielfältige Tätigkeit, die hohe Anforderungen an den Leser stellt. Neben der Fähigkeit Wörter und Sätze von ikonografischen Elementen und Satzverknüpfungen zu entziffern und dekodieren, gehört auch der Aufbau eines Leseverständnisses durch Sinnkonstruktionen von Zusammenhängen zu einer entwickelten Lesekompetenz.

Darüber hinaus ist Lesen in einer „Informationsgesellschaft“ und „Wissenskultur“ das elementare Mittel des Lernens (vgl. Rosebrock & Nix 2011, S.1-2)

Lesen ist eine grundlegende Fähigkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe, aber Lesen ist nicht nur eine kognitiv fundierte Basisqualifikation für die erfolgreiche Teilhabe an der Gesellschaft, sondern auch eine kulturell geprägte Ressource der Persönlichkeitsentwicklung (Vgl. Groeben, S. 123/124).

Nach Spinner (2013) ist das verstehende Lesen ist immer ein aktiver Prozess (Spinner 2013, S. 9).

2.1. Wie lesen wir?

Zum Lesen gehört mehr als das bloße Dekodieren von Schrift. Der Leseprozess verläuft nicht wie der Schriftspracherwerb nur von unten nach oben (bottom - up), sondern auch umgekehrt (top - down). Der erste Schritt beim Lesen ist die Erkenntnis, dass Inhalte mit dem Geschriebenen vermittelt werden. Das ist die grundlegende "Einsicht in die Zeichenhaftigkeit von Schrift“ (Schulz 2010, S.49). Kinder im Vorschulalter dokumentieren diese Erkenntnis indem sie beispielsweise das Vorlesen eines Bilderbuches imitieren. Die eigentliche Lesefähigkeit setzt jedoch voraus, dass die einzelnen Buchstaben als Zeichen erkannt werden. Zum Beispiel muss ein Kind ein O als Zeichen für einen Laut (Phonem) erfassen und nicht nur als Kreis. Allerdings hat de Entschlüsselung einzelner Buchstaben noch nichts mit Sinnentnahme zu tun; dabei ist es Voraussetzung, dass Buchstabenkombination als Wörter erkannt werden ( vgl. Schulz 2010, S. 49).

Dieser Prozess wird als lexikalischer Zugriff bezeichnet. Die Basis für den lexikalischen Zugriff bildet die Annahme, dass die Wortbedeutungen in einem gewissen mentalen Lexikon im semantischen Gedächtnis des Lesers niedergelegt sind. (Vgl. Richter/Christmann 2002, S.36.)

Kinder verstehen den Sinn erst, wenn sie die Beziehungen zwischen den Wörtern auf semantischer und syntaktischer Ebene erkennen (vgl.Spinner 2013, S. 7-8).

Auf der nächsten höheren Ebene geht es um den Zusammenhang der Wörter in einem Satz, aus dem sich an erster Stelle Feststellungen ergeben. Das implizite, also nicht unbedingt bewusste grammatische Wissen ist dabei von Bedeutung, denn der Sinn ergibt sich dadurch, indem einzelne Wörter in bestimmte Bezüge zueinander gesetzt werden (vgl. Schulz 2010, S.49).

Die Prozesse, die beim Lesen auf der Satzebene ablaufen, also das Erfassen und Herstellen von Kontexten betreffen auch die Zusammenhänge zwischen den Sätzen, die auch als lokale Kohärenzbildung bezeichnet werden. Über die Verknüpfung von Zusammenhängen zwischen Sätzen geht das herstellen von Makrostrukturen hinaus, also das Verstehen größerer inhaltlicher Textzusammenhänge bis hin zur Entwicklung einer Gesamtvorstellung der Sinnhaftigkeit eines Textes. Dies erfordert sowohl die Fähigkeit, logische Zusammenhänge zu ergründen, als auch die Fähigkeit, sich eine Vorstellung zum Textinhalt zu konstruieren (vgl. Schulz 2010, S.50).

Außerdem spielen bei den Prozessen auf der Textebene die folgenden drei Komponenten eine wesentliche Rolle: Globale Kohärenz, inhaltliches Vorwissen und Arbeitsgedächtniskapazität. Auf dieser Ebene sind auch nicht-sprachliche Faktoren wie das inhaltliche Vorwissen des Lesers und allgemeine Denkfähigkeiten grundlegend. De Prozesse auf der Textebene können den hierarchiehohen Prozessen zugeordnet werden (vgl. Richter/ Christmann 2002, S. 42-45.)

2.2. Definition Lesekompetenz

Der Begriff der Lesekompetenz umfasst nicht nur die Fähigkeit zu lesen, sondern sie ist von großer Bedeutung für das individuellen Leben eines Menschen in unserer Gesellschaft.

Die Lesekompetenz fördert einerseits die Fähigkeit , Wörter und Sätze zu entziffern (Dekodierung), andererseits aber auch die Fähigkeit, aufgrund von Geschriebenem Sinn zu konstruieren und damit Leseverständnis zu erzielen (vgl. Bertschi - Kaufmann 2010, S.12-13).

Es müssen aber auch soziale und personale Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, die Einfluss auf die Entwicklung und die Entfaltung der Lesekompetenz haben. (vgl. Groeben/Hurrelmann 2009, S.124f)

Laut Hurrelmann (2002) ist die Lesekompetenz nicht als eine „angeborene Ausstattung“, sondern als ein Ergebnis von Sozialisation zu betrachten. Neben den individuell unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften stehen bei der Lesekompetenz die (schrift-)sprachlichen Rezeptionsfähigkeiten und neue Situationsanforderungen des Lesens in Wechselwirkung (in Groeben/ Hurrelmann 2009, S.276).

Unter Lesekompetenz versteht Pisa „die Fähigkeit , geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potential weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“ (vgl. Philipp 2012, S.13 ). Der Lesekompetenzbegriff von PISA konzentriert sich auf Leseverständnis als der Informationsentnahme und -verarbeitung modelliert, und sie hat einige Kritik für diese enge Bestimmung erhalten (vgl. Philipp, S.38).

Ein Blick auf das Lesen allein zeigt nämlich die Komplexität und Vielschichtigkeit dieser geistigen Leistung, die weit über eine reine Informationsaufnahme hinausgeht. Das PISA Kompetenzmodell berücksichtigt weder die Erwerbswege noch die subjektiven oder sozialen Funktionen des Lesens (Rosebrock & Nix 2011, S. 14-15). Im Gegensatz zu PISA geht es in der kulturwissenschaftlichen Perspektive nicht in erster Linie um ein Instrument zur Messung der Leseleistung von Lernenden.

Zunächst geht es ihr darum, ein theoretisches Modell der Strukturen und Prozesse der Sozialisation von "Lesekompetenz" zu entwickeln. Der kulturwissenschaftliche Ansatz nach Bettina Hurrelmann umfasst nicht nur die Kognitiven Prozesse des Lesens, sondern auch die subjektiven (vgl. Bertschi - Kaufmann 2010, S.19-23).

Hurrelmann (2002) gibt die folgenden Komponenten als die deskriptiven Merkmale der Lesekompetenz an: Kognitionen, Motivationen und Emotionen sowie Reflexionen und Anschlusskommunikationen. Zuerst werden die Kognitionen behandelt.

Laut Hurrelmann sind die meisten Unterschiede zwischen den Lesern in der Lesekompetenz unter den hierarchiehöheren Prozessen finden, wobei leseunspezifische Komponenten wie das Vorwissen, die Kapazität des Arbeitsgedächtnis und die allgemeinen Denkfähigkeiten wichtig sind. Die Bildung einer kohärenten Textrepräsentation erweist sich – auf das Vorwissen stützend – als die zentrale kognitive Leistung, die mit dem Lesen verbunden ist. Hurrelman betont weiter, dass es sich dabei immer um einen konstruktiven Akt handelt, da es keinem Text möglich ist, die für sein Verständnis notwendigen Informationen explizit zu machen (Groeben/Hurrelmann 2009, S. 277-278 ).

Die Dimension der Motivation zeigt unter anderem ,wie bereit der Leser ist, Leseprozesse aufzunehmen. Laut Hurrelmann können die Ziele des Lesers beispielsweise dazu beitragen, die Lesebereitschaft zu fördern und beim Lesen sozusagen „bei der Sache zu bleiben“ (Groeben/ Hurrelmann 2009, S.248). Anschlusskommunikationen, Bedürfnis nach emotionaler Anregung sowie Freude am Lesen gehören ebenfalls zu den Faktoren, die den Leser motivieren und seine Zielorientierung beeinflussen.Es geht um die Fähigkeit, schriftsprachliche Texte als etwas Sinnvolles wahrzunehmen, sie mit einer positiven Erwartung zu versehen, Zielstrebigkeit, Geduld und das Bedürfnis nach Verstehen zu fördern. Die Stärke und Ausprägung der motivationalen Seite der Lesekompetenz wird außerdem durch typische Handlungskontexte, vorhandene soziale Kontexte und von der Qualität der bisherigen Leseerfahrungen mitbestimmt (vgl. Groeben/Hurrelmann 2009, S. 278).

Als zweiter unverzichtbarer Teilaspekt des Lesens als kulturelle Praxis ist die emotionale Dimension. Eine emotionale Komponente hängt eng mit der motivationalen Komponente zusammen (vgl. Groeben 2009, S. 278).

Diese Komponente fördert die Fähigkeit, Texte nach Bedürfnissen auszuwählen, eigene Erfahrungen und emotionale Erfahrungen mit dem Lesen zu verbinden, Schwierigkeiten bei Widerwille auszugleichen und schließlich die Fähigkeit ästhetisch wahrzunehmen und zu genießen.

Darüber hinaus umfasst die emotionale Dimension der Lesekompetenz die Fähigkeit, Lesebedürfnisse und Leseangeboten einander anzupassen, was z. B. durch die Wahl des Autors, der Textsorte, des Textthemas gemacht wird. (Vgl. Groeben/Hurrelmann 2009, S. 278. )

Schließlich ist drittens dem kognitivistischen Lesekompetenzmodell von PISA die interaktive Dimension hinzuzufügen, die Fähigkeit zur Anschlusskommunikationen. Das ist die Fähigkeit, sich über das Gelesene mit anderen auszutauschen. Diese Anschlusskommunikationen kennzeichnen die soziale Dimension von Lesekompetenz. Auf der einen Seite geht es darum, sich der eigenen Bedeutungskonstruktionen bewusst zu werden und sie zu erforschen, andererseits geht es um kritisch, wertende Auseinandersetzungen mit Textinhalten und letztlich um Selbstreflexion, indem man das Gelesene auf die eigene Lebenssituation bezieht (vgl. Groeben/Hurrelmann 2009, S.277-279).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das kulturwissenschaftlich orientierte Modell der Lesekompetenz keine theoretisch effektive Erweiterung der kognitivistischen Perspektive von PISA ist, sondern didaktisch brauchbare Konzepte liefert, da der Prozess des Kompetenzerwerbs ohne die Berücksichtigung von motivationalen, emotionalen und interaktiven Dimensionen des Textverständnisses schwer zu fördern ist. Der Lesekompetenzbegriff nach Pisa reicht für Fragen der Lesedidaktik nicht aus. Um zu einem umfassenden Konzept zu gelangen, müssen die Erwerbswege und die subjektiven und sozialen Funktionen des Lesens berücksichtigt werden.

Als Grundlage für eine systematische Leseförderung, die alle Bereiche mit einbezieht, ist also laut Rosebrock & Nix (2011) ein „Lesekompetenzbegriff wichtig , der die Lernprozesse erfasst, so dass sie gezielt unterstützt werden können“ (Rosebrock & Nix 2011, S.15).

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Inwieweit kann die Leseflüssigkeit anhand von Lautlese-Verfahren effektiv gefördert werden?
Hochschule
Universität Paderborn  (Germanistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
22
Katalognummer
V446879
ISBN (eBook)
9783668849785
ISBN (Buch)
9783668849792
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leseflüssigkeit, Lautlese - Verfahren Förderung
Arbeit zitieren
Aslihan Yildirim (Autor:in), 2018, Inwieweit kann die Leseflüssigkeit anhand von Lautlese-Verfahren effektiv gefördert werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/446879

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