Identifikation von Dienstleistungsinnovationen im Kontext der Elektromobilität

Entwicklung von Konzepten und Handlungsempfehlungen


Masterarbeit, 2016

120 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Aufbau der Thesis

2 Innovation
2.1 Innovationsbegriff
2.2 Innovationsmanagement
2.3 Innovationsziele
2.4 Innovationsarten
2.5 Innovationsstrategien für den Markteintritt
2.6 Innovationstätigkeit: Closed vs. Open Innovation

3 Bedarfsermittlung von Dienstleistungsinnovationen
3.1 Der Fragebogen
3.1.1 Fragebogenkonstruktion
3.1.2 Fragebogenlayout
3.1.3 Online-Befragung
3.1.4 Hypothesen
3.1.5 Fragebogenaufbau
3.1.6 Umfrageergebnisse
3.1.7 Zusammenfassung der Ergebnisse
3.2 Experteninterview
3.2.1 Auswahl der Experten
3.2.2 Ablauf eines Experteninterviews
3.2.3 Interviewergebnisse

4 Handlungsempfehlungen und Konzepte
4.1 Notwendigkeit von Schulungen bezüglich Elektrofahrzeugen
4.2 Erforderliche Schulungsinhalte
4.3 Innovatives Schulungskonzept für Arbeiten an Elektrofahrzeugen
4.3.1 Blended Learning
4.3.2 Adaptive E-Learning
4.3.3 Skizzierung des Konzeptes
4.4 Handlungsempfehlungen

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

A Fragentabelle

B Antwortdiagramme

Kurzzusammenfassung

Die steigende Verbreitung von Elektrofahrzeugen führt zu Veränderungen und Her- ausforderungen im Mobilitätssektor. Nicht nur das Kfz-Gewerbe ist betroffen, eben- so kommen Pannen- und Abschleppdienste sowie Feuerwehren und Rettungsdienste mit Elektrofahrzeugen in Berührung. Anhand einer Online-Umfrage unter 306 Be- schäftigten der betroffenen Bereiche werden die, mit der Elektromobilität einher- gehenden, Herausforderungen ermittelt. Außerdem wird aufgezeigt, inwieweit die Bereiche bereits heute auf Veränderungen vorbereitet sind. Zusätzlich werden Ex- perteninterviews durchgeführt, um die Ergebnisse der Umfrage zu verifizieren und weitere Erkenntnisse zu erlangen. Es stellt sich heraus, dass die Implementierung von Hochvoltkomponenten neue Gefährdungspotentiale für Beschäftigte mit sich bringt und unter anderem spezielle Schulungen erfordert. Besonders im Kfz-Gewerbe und in Feuerwehren/Rettungsdiensten besteht ein hoher Schulungsbedarf. Zur Lösung der identifizierten Probleme werden in dieser Thesis ein innovatives Schulungskonzept vorgestellt sowie Handlungsempfehlungen entwickelt.

Abstract

The growing spread of electric vehicles leads to changes and challenges in the mo- bility sector. Not only the vehicle repair trade is affected, breakdown services, fire brigades and emergency services encounter electric vehicles as well. Based on an on- line survey among 306 employees of the mentioned sectors the challenges associated with electric mobility are identified. Furthermore, the online survey determines in what extant the affected sectors are already prepared to cope with changes. In addi- tion to the online survey, expert interviews are conducted to verify the survey results and to obtain further findings. Inter alia it transpires that the implementation of high-voltage components involves new hazard potentials and requires specific trai- ning programs. Especially in the vehicle repair trade and in fire brigades/emergency services there are great training needs. To solve the identified difficulties, this thesis presents an innovative training concept and provides recommendations for action.

Abbildungsverzeichnis

2.1 Kostenverlauf und -beeinflussbarkeit im Innovationsprozess

3.1 Struktur des Fragenbogens

3.2 F3: Wie alt sind Sie?

3.3 F101: In welchem Bundesland sind Sie tätig?

3.4 F105: Bei Ihrem Betrieb handelt es sich um eine/einen . . . ?

3.5 F119: Gibt es in Ihrem Betrieb speziell für Arbeiten an Elektrofahr- zeugen geschultes Personal?

3.6 F120: Sind Sie für Arbeiten an Elektrofahrzeugen qualifiziert?

3.7 F125: Wie schätzen Sie die Anforderungen für Arbeiten an Elektro- fahrzeugen und an herkömmlichen Fahrzeugen ein?

3.8 F126: Wie schätzen Sie das Risiko für Arbeiten an Elektrofahrzeugen und an herkömmlichen Fahrzeugen ein?

3.9 F201: In welchem Bundesland sind Sie tätig?

3.10 F204: Sie arbeiten im Auftrag von . . . ?

3.11 F217: Gibt es in Ihrem Betrieb speziell für Pannenhilfe an Elektro- fahrzeugen geschultes Personal?

3.12 F218: Sind Sie für Pannenhilfe an Elektrofahrzeugen qualifiziert?

3.13 F223: Wie schätzen Sie die Anforderungen für Pannenhilfe an Elek- trofahrzeugen und an herkömmlichen Fahrzeugen ein?

3.14 F224: Wie schätzen Sie das Risiko für Pannenhilfe an Elektrofahr- zeugen und an herkömmlichen Fahrzeugen ein?

3.15 F301: In welchem Bundesland sind Sie tätig?

3.16 F316: Gibt es in Ihrer Organisation speziell für Rettungseinsätze an Elektrofahrzeugen geschultes Personal?

3.17 F317: Sind Sie für Rettungseinsätze an Elektrofahrzeugen qualifiziert?

Abbildungsverzeichnis

3.18 F319: Wünschen Sie sich ein Weiterbildungsangebot bezüglich Elek- trofahrzeugen?

3.19 F320: Wie schätzen Sie die Anforderungen für Rettungseinsätze an Elektrofahrzeugen und an herkömmlichen Fahrzeugen ein?

3.20 F321: Wie schätzen Sie das Risiko für Rettungseinsätze an Elektro- fahrzeugen und an herkömmlichen Fahrzeugen ein?

4.1 Erlaubte Tätigkeiten an HV-Fahrzeugen in Abhängigkeit der Quali- fikation

4.2 Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs

B.1 F102: Ihr Betrieb liegt in einer . . . ?

B.2 F103: Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Betrieb beschäftigt? . . .

B.3 F106: Welche Fahrzeughersteller werden von Ihrem Betrieb betreut?

B.4 F107: Sie sind . . . ?

B.5 F108: Sie sind . . . ?

B.6 F110: Haben Sie schon Reparaturen/Wartungsarbeiten an Elektro- fahrzeugen durchgeführt?

B.7 F111: Interessieren Sie sich persönlich für das Thema Elektromobilität?

B.8 F112: Würden Sie privat ein Elektrofahrzeug kaufen?

B.9 F114: Wären Sie bereit zusätzlich Elektrofahrzeuge von anderen Fahr- zeugherstellern in Ihrem Betrieb zu betreuen?

B.10 F116: Wann werden Elektrofahrzeuge für Ihren Betrieb wirtschaftlich sinnvoll sein?

B.11 F117: Hat Ihr Betrieb Erfahrung im Umgang mit Elektrofahrzeugen? IV B.12 F121: Gibt es in Ihrem Betrieb/in Ihrer Region ein Weiterbildungs- angebot bezüglich Elektrofahrzeugen?

B.13 F122: Wünschen Sie sich ein Weiterbildungsangebot bezüglich Elek- trofahrzeugen?

B.14 F123: Wären Sie bereit Mitarbeiter für Arbeiten an Elektrofahrzeu- gen schulen zu lassen?

B.15 F127: Sind Sie bereit Reparaturen/Wartungsarbeiten an Elektrofahr- zeugen durchzuführen?

B.16 F202: Ihr Betrieb liegt in einer . . . ? V Abbildungsverzeichnis

B.17 F203: Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Betrieb beschäftigt? . . .

B.18 F206: Sie sind . . . ?

B.19 F207: Sie sind . . . ?

B.20 F209: Haben Sie schon Pannenhilfe an Elektrofahrzeugen geleistet? .

B.21 F210: Interessieren Sie sich persönlich für das Thema Elektromobilität?

B.22 F211: Würden Sie privat ein Elektrofahrzeug kaufen?

B.23 F213: Wie schätzen Sie die Marktchancen von Elektrofahrzeugen ein? X B.24 F214: Hat Ihr Betrieb Erfahrung im Umgang mit Elektrofahrzeugen? B.25 F219: Gibt es in Ihrem Betrieb/in Ihrer Region ein Weiterbildungs- angebot bezüglich Elektrofahrzeugen?

B.26 F220: Wünschen Sie sich ein Weiterbildungsangebot bezüglich Elek- trofahrzeugen?

B.27 F221: Wären Sie bereit Mitarbeiter für Arbeiten an Elektrofahrzeu- gen schulen zu lassen?

B.28 F225: Sind Sie bereit Pannenhilfe an Elektrofahrzeugen durchzuführen?

B.29 F302: Ihre Organisation liegt in einer . . . ?

B.30 F304: Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrer Organisation beschäftigt?

B.31 F305: Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?

B.32 F307: Sind Sie hauptberuflich bei der Feuer- wehr/im Rettungsdienst tätig?

B.33 F308: Interessieren Sie sich persönlich für das Thema Elektromobilität?

B.34 F309: Würden Sie privat ein Elektrofahrzeug kaufen?

B.35 F311: Wie schätzen Sie die Marktchancen von Elektrofahrzeugen ein?

B.36 F318: Gibt es in Ihrer Organisation/in Ihrem Einsatzgebiet ein Weiterbildungsangebot bezüglich Elektrofahrzeugen?

Tabellenverzeichnis

2.1 Radikal-revolutionäre vs. inkremental-evolutionäre Innovation

4.1 Gefahrenpotential von Hochvoltkomponenten

A.1 Übersicht aller Fragen

1 Einleitung

Elektromobilität ist ein wichtiger Bestandteil des integrierten Energie- und Klima- programms der Bundesregierung, da circa 14 % der CO2-Emissionen in Deutschland auf den Pkw-Verkehr zurückzuführen sind [1]. Die Elektrifizierung der Antriebe soll dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Im Vergleich zu konventionellen Verbrennungsmotoren sind elektrische Antriebe, auch bei dem in Deutschland vor- herrschenden Energiemix, effizienter, da sie einen weitaus höheren Wirkungsgrad aufweisen. Dieser Klimavorteil verstärkt sich erheblich bei der Nutzung von rege- nerativen Energiequellen. Zusätzlich vermindert Elektromobilität die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, insbesondere von Erdöl, und ermöglicht den Zugang zu erneuerbaren Energien [1]. Zudem lassen sich Elektrofahrzeuge als mobile Speicher einsetzen, um Strom aus regenerativen Energiequellen zu speichern und je nach Be- darf zurück ins Netz einzuspeisen. Dies dient der zukünftigen Netzstabilität, weshalb das Thema Elektromobilität auch im Kontext der Energiewende interessant ist [2]. Zu den Zielen der Bundesregierung zählen: Die Reduzierung von Treibhausgasen um 40 % bis 2020 und um 80 % bis 2050 im Vergleich zum Jahr 1990, eine langfristige Versorgungssicherheit infolge einer Unabhängigkeit von Erdölimporten und die För- derung technologischer Innovation im Bereich alternativer Moblität [2]. Die Bundes- regierung möchte Deutschland als einen Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromo- bilität etablieren und setzt sich eine Million Elektroautos bis 2020 auf Deutschlands Straßen zum Ziel. Bis zum Jahr 2030 sollen es sogar sechs Millionen zugelassene Elektroautos sein und 2050 soll sich der urbane Straßenverkehr hauptsächlich aus elektrisch angetriebene Fahrzeugen zusammensetzen, welche regenerative Energie- quellen nutzen [2].

Aus heutiger Sicht scheinen eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 nicht realistisch zu sein. Ein erstes Etappenziel von 100.000 elektrisch angetriebenen Fahrzeugen bis zum Jahr 2014 wurde weit verfehlt [3]. Auch zum 1. Januar 2016 wurde die-

1 Einleitung 2

se Zahl an Elektrofahrzeugen lediglich zu einem Viertel erreicht. Gerade einmal 25.502 Fahrzeuge mit Elektroantrieb zählt das Kraftfahrt-Bundesamt zu Jahresbeginn. Erst durch die Hinzunahme der 130.365 Fahrzeuge mit Hybridantrieb kann eine Zahl von weit mehr als 100.000 elektrifizierten Fahrzeugen erreicht werden[4]. Doch diese, in Summe 155.867 Fahrzeuge, machen lediglich 0,35 % aller zugelassenen Pkw in Deutschland aus. Die Hauptgründe, warum potentielle Käufer den Erwerb von Elektrofahrzeugen ablehnen, sind zu hohe Anschaffungskosten und eine geringe Alltagstauglichkeit aufgrund geringer Reichweiten[5].

Ungeachtet eines möglichen Verfehlens des Zieles, eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 auf Deutschlands Straßen zu bringen, wird die Elektrifizierung des Antriebes dennoch weiter voranschreiten. Zum einen werden Elektrofahrzeuge infolge des tech- nologischen Fortschritts verbessert, zum anderen bieten immer mehr Hersteller neue Modelle an [6]. Ein Grund dafür ist die EU-Gesetzgebung, welche die Vorgaben für CO2-Grenzwerte ändert. Seit 2015 dürfen die Fahrzeugmodelle eines Herstellers im Schnitt 130gCO[2]km ausstoßen.Ab[2021]tritteineVerschärfungderGrenzwerteinKraft und der erlaubte durchschnittliche CO2-Ausstoß wird auf 95gCO[2]km reduziert,wasei- nem Kraftstoffverbrauch von [4], [1] l/[100] km Benzin beziehungsweise [3], [6] l/[100] km Diesel entspricht [[7]]. Diese Zielvorgaben lassen sich nicht ausschließlich durch effi- zientere Verbrennungsmotoren erreichen. Es benötigt Fahrzeuge, die rein elektrisch fahren können und somit, zumindest lokal, kein CO2 ausstoßen [8].

1.1 Motivation

Die steigende Verbreitung von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen führt zu Verän- derungen des Mobilitätssektors. Es sind Anpassungen und Erweiterungen entlang der Wertschöpfungskette von Elektrofahrzeugen notwendig, um neue Herausforde- rungen, die mit der Elektromobilität einhergehen, zu bewältigen. Im Zuge der Elek- trifizierung des Antriebstranges wird das Fahrzeug zu einem Hochvoltfahrzeug und stellt eine potentielle Gefahr für Personen dar, die Arbeiten an solchen Pkw durch- führen. Dazu zählen nicht nur Mitarbeiter des Kfz-Gewerbes, die für Wartung und Instandsetzung zuständig sind. Mit steigenden Zulassungszahlen steigt die Wahr- scheinlichkeit, dass Elektrofahrzeuge in Unfälle verwickelt werden, sodass unter an- derem Einsatzkräfte von Rettungsdiensten und Feuerwehren bei ihrer Arbeit mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in Kontakt kommen. So sind auch Mitarbeiter von Pannen- und Abschleppdiensten, die für das Bergen und Abschleppen zuständig sind, von einer zunehmenden Verbreitung der Elektromobilität betroffen. Diese Masterthesis soll aufzeigen, inwiefern die ausgewählten Bereiche Kfz-Gewerbe, Pannen-/Abschleppdienst und Feuerwehr/Rettungsdienst von der Elektromobilität betroffen sind. Welche Veränderungen und Herausforderungen treten für Mitarbei- ter im Berufsalltag auf? Inwieweit sind Betriebe und Organisationen bereits für die Elektromobilität gerüstet und welche Maßnahmen werden zukünftig getroffen, um auf Veränderungen zu reagieren? Ziel ist es, die Herausforderungen für die ausge- wählten Bereiche zu identifizieren und anschließend Handlungsempfehlungen und Konzepte zu entwickeln, welche zur Problemlösung beitragen.

1.2 Aufbau der Thesis

Im Anschluss an dieses einführende Kapitel werden zunächst betriebswirtschaftli- che Grundlagen zum Thema Innovation erläutert, welche für die Entwicklung von innovativen Dienstleistungen von Bedeutung sind. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Bedarfsermittlung von Dienstleistungsinnovationen, die anhand einer Online-Umfrage unter Beschäftigten der ausgewählten Bereiche durchgeführt wird. Zusätzlich werden Experten befragt, um Ergebnisse der Umfrage zu bestätigen und weitere Erkenntnisse zu erlangen. Bevor die Umfrage- und Interviewergebnisse prä- sentiert werden, erfolgt einleitend eine Einführung in die Grundlagen der verwende- ten sozialempirischen Methoden. Aufbauend auf den Ergebnissen des dritten Kapi- tels, werden im vierten Kapitel Handlungsempfehlungen und ein innovatives Schu- lungskonzept vorgestellt, die zur Lösung der identifizierten Herausforderungen und Probleme beitragen sollen. Den Abschluss dieser Masterthesis stellt die Schlussbe- trachtung dar, die in einem Fazit die ausgearbeiteten Ergebnisse darlegt und in einem Ausblick zukünftige Entwicklungen betrachtet.

2 Innovation

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den betriebswirtschaftlichen Grundlagen zum Thema Innovation, die für die Entwicklung von innovatitiven Dienstleistungen von Bedeutung sind. Zunächst erfolgt eine Abgrenzung und Erklärung des Innovations- begriffes. Anschließend wird eine Einführung in das Innovationsmanagement gegeben und grundlegende Innovationsziele aus betriebswirtschaftlicher Sicht genannt. Dar- aufhin werden Innovationsarten und verschiedene Innovationsstrategien zum Marktein- tritt vorgestellt, ehe das Kapitel mit einen Vergleich von Innovationstätigkeiten en- det.

2.1 Innovationsbegriff

Um den Begriff Innovation zu verdeutlichen, erfolgt zunächst eine Abgrenzung von dem oftmals fälschlich als Synonym verwendeten Begriff Invention. Bei der zeitpunktbezogenen Invention handelt es sich um eine notwendige Bedingung einer Innovation, bei der man sich ausschließlich mit dem Prozess der Ideengenerierung befasst und eine neue Idee erstmals umgesetzt wird. Bei der Innovation steht die erstmalige wirtschaftliche Umsetzung, die Exploitation im Vordergrund. Innovation ist dementsprechend das Resultat eines Prozesses von der Ideengenerierung, über die Ideenumsetzung, bis hin zur Markteinführung. Ziel einer Innovation ist die Marktbewährung und der wirtschaftliche Erfolg der Invention[9].

Das lateinische Wort innovatio ist der Ursprung des Begriffs Innovation und heißt übersetzt so viel wie Neuerung, Neuheit oder Neueinführung [9]. Eine einheitliche, allgemeingültige Definition des Innovationsbegriffs ist nicht vorhanden, doch es las- sen sich einige grundlegende Kriterien einer Innovation aus der Vielfalt an Defini- tionen feststellen. Dazu zählt vor allem die Neuartigkeit. Weitere Kriterien sind der Zielbezug, die Verwertungsrichtung und der Prozessaspekt [9]. Allerdings herrschen insbesondere bei dem Kriterium der Neuartigkeit einige Unklarheiten. Wie neu muss eine Innovation sein, damit diese auch als Innovation gelten kann und für wen ist sie neu. Es kann eine subjektive Neuheit sein, sprich für ein Individuum oder eine Institution, oder eine objektive Neuheit für eine gesamte Branche, ein Land oder die Welt. Dieser Neuheitsgrad der Innovation, auch Innovationsgrad genannt, ist in der Praxis maßgeblich dafür verantwortlich, ob eine Innovation wahrgenommen wird und ins Bewusstsein dringt[9]. Hauschildt und Salomo[10]beantworten die Frage, wie neu eine Innovation sein muss, wie folgt:

„Neuartig ist mehr als neu, es bedeutet eine Änderung der Art, nicht nur dem Grade nach. Es geht um neuartige Produkte, Verfahren, Vertragsformen, Vertriebswege, Werbeaussagen, Corporate Identity. Innovation ist wesentlich mehr als eine graduelle Verbesserung und mehr als ein technisches Problem.“

Diese ausgewählte Definition spiegelt das klassische Verständnis von Innovation wider. Doch in den letzten Jahren ist ein Wandel zu erkennen. Nicht nur die radikalrevolutionären Neuheiten finden Anklang, sondern auch inkremental-evolutionäre Verbesserungen werden immer öfter betrachtet[9]. Tabelle 2.1 stellt das unterschiedliche Innovationsverständis anhand ausgewählter Merkmale dar.

2.2 Innovationsmanagement

Um eine Innovation zum Erfolg zu führen, bedarf es einer systematischen Planung, einer zielstrebigen Umsetzung sowie prozessübergreifender Koordination und kontinuierlicher Kontrolle jeglicher Aktivitäten, die mit der Innovation im Zusammenhang stehen. Dazu benötigt man ein Innovationsmanagement, das die prinzipiell knappen Ressourcen während des Innovationsprozesses optimal einsetzt und langfristige Wettbewerbsvorteile sicherstellt[9].

Das Innovationsmanagement muss gegenüber dem Management von Forschung und Entwicklung abgegrenzt werden. Zwar handelt es sich bei Forschungs- und Ent- wicklungsprozessen gewiss in gleicher Weise um Innovationsprozesse, allerdings gilt diese Aussage nicht umgekehrt, denn Innovationsprozesse schließen administrati-

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Feedback Eingeschränkt Umfassend

Tabelle 2.1: Radikal-revolutionäre vs. inkremental-evolutionäre Innovation[11]

ve Prozesse mit ein. Hingegen sind Forschungs- und Entwicklungsprozesse lediglich naturwissenschaftlich-technischer Art. Forschungs- und Entwicklungsprozesse wei- sen häufig sich wiederholende Abläufe auf, sodass sie planbar sind und bestimmten Konzepten folgen können. Innovationsprozesse verfügen hingegen nicht über einen solchen systematischen Charakter, daher steht das Innovationsmanagement vor der Aufgabe diese Prozesse unter Kontrolle zu bringen. Ein Vorteil, der sich wiederho- lenden Abläufe von Forschungs- und Entwicklungsprozessen, ist die Möglichkeit der Organisation und Institutionalisierung. Das Innovationsmanagement wird dagegen häufig mit einmaligen und unwiederholbaren Prozessen konfrontiert, die eine Institu- tionalisierung wirtschaftlich nicht sinnvoll machen. Das Management von Forschung und Entwicklung ist somit lediglich eine Teilmenge des Innovationsmanagements [10], welches sämtliche Betriebsamkeit des Wertschöpfungsprozesses impliziert. Im Vergleich zu Routineprozessen sind Innovationsprozesse überwiegend geprägt von

Unsicherheit und Komplexität. Innovationsentscheidungen erfolgen mehrstufig und benötigte Ressourcen werden über eine große Zeitspanne gebunden. Hierdurch erge- ben sich hohe Erwartungen an die Fähigkeiten des Managements, welches folgende Aufgaben bewältigen muss: Innovationsziele und -strategien müssen definiert und konsequent verfolgt werden. Bei der Durchführung muss das Innovationsmanage- ment Entscheidungen unter wirtschaftlichen Aspekten treffen. Außerdem ist es ver- antwortlich für die Gestaltung des Forschungs- und Entwicklungsprogramms und die Planung, Steuerung sowie Kontrolle aller Innovationsprozesse. Um Innovationen zu fördern, ist es die Aufgabe des Innovationsmanagements eine passende Unterneh- mensstruktur und -kultur zu schaffen und ein Informationssystem aufzubauen, das einen Informationsaustausch auf dem schnellsten Wege garantiert. Mit Abarbeitung dieser Aufgaben soll die Wahrscheinlichkeit gesteigert werden, dass das Unterneh- men Wettbewerbsvorteile auf dem Markt generiert, sodass wirtschaftlicher Erfolg und damit der Verbleib des Unternehmens gesichert wird [9].

Sowohl in Praxis als auch in der Theorie wird zwischen strategischem und opera- tivem Innovationsmanagement unterschieden. Dabei soll das strategische Innovati- onsmanagement, anhand von Unternehmensumweltmweltanalysen, langfristige Er- folgspotenziale sichern. Des Weiteren definiert es die Innovationsziele und legt eine Innovationsstrategie fest. Das operative Innovationsmanagement befasst sich hinge- gen mit der mittel- und kurzfristigen Steuerung der laufenden Innovationsaktivitäten [9].

2.3 Innovationsziele

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Qualität und Kundennutzen die maßgebli- chen Zielsetzungen. Dient eine Innovation nicht zur Verbesserung eines Produktes oder Prozesses und erhöht somit nicht den Nutzen für Kunden, so sollte von einer Realisierung der innovativen Idee abgesehen werden, da sie wirtschaftlich nicht sinn- voll erscheint [9].

Die Studie „Treiber und Hemmnisse bei der Anschaffung von Elektroautos“ [5] konn- te verdeutlichen, dass beispielsweise im Bereich Abrechnung von Ladesäulen ein großes Optimierungspotential vorliegt. Dies wäre ein Ansatzpunkt für eine Dienst- leistungsinnovation im Kontext der Elektromobilität. Weitere Potentiale werden durch die in der Thesis durchgeführten sozialempirischen Untersuchungsmethoden - Experteninterview und Online-Umfrage - identifiziert (siehe Kapitel 3). Der Qualitätsbegriff umfasst externe, den Kunden unmittelbar betreffende Aspek- te, wie zum Beispiel die Zufriedenstellung der Kundenwünsche, die Einhaltung von Termin- und Preisvereinbarungen oder einen umfassenden Kundenservice. Um diese externe Qualität gewährleisten zu können, benötigt es eine hohe unternehmensin- terne Qualität, welche sich auf die Arbeits-, Prozess- und Unternehmensqualität be- zieht. Eine hohe Unternehmensqualität zeichnet sich durch eine qualitätsorientierte Ausrichtung jeglicher Bereiche eines Unternehmens aus. Somit beschränkt sich die Qualitätssicherung und -verbesserung nicht nur auf den Teilbereich des Unterneh- mens, welcher für die Produktqualität verantwortlich ist. Die Qualitätsoptimierung ist viel mehr als das, sie ist ein strategisches Unternehmensziel [9]. Eine weitere wichtige Zielgröße aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind die Kosten. In Bezug auf die nur langsam steigende Verbreitung von Elektrofahrzeugen sind in erster Linie die hohen Anschaffungskosten ein Hauptargument, welches häufig gegen den Erwerb eines Elektrofahrzeuges spricht. Basierend auf dieser Problematik sollte ein besonderes Augenmerk auf die Kostenreduzierung gelegt werden, die mit der Entwicklung von Dienstleistungsinnovationen einhergehen soll. Innovationen dienen zur Reduzierung der Produkt- und Prozesskosten und steigern die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Wenn es sich bei einem Unternehmen nicht um einen Monopolist handelt, unterliegt es dem vollständigen Wettbewerb, welcher den Preis des angebotenen Produktes bestimmt. Somit kann das Unterneh- men seinen Gewinn nicht mithilfe der Preispolitik beeinflussen, sondern kann einen zufriedenstellenden Gewinn oftmals nur durch eine Reduzierung seiner Selbstkosten erreichen. Abbildung 2.1 zeigt eine geringe Kostenflexibilität während des Innovati- onsprozesses. Das heißt, die Kosten lassen sich im Laufe der Zeit nur noch geringfügig beeinflussen. Während des Innovationsprozesses werden besonders in der Anfangs- phase ein Großteil der Gestaltungsvariablen festgelegt und damit die Personal- und Sachkosten des neuen Produktes determiniert. In dieser Phase besteht das größte Potenzial die Gesamtkosten des Produktes positiv zu beeinflussen. Um die Wett- bewerbsfähigkeit des Unternehmens zu wahren, sollten sich die Entscheidungsträger schon in dieser frühen Phase des Innovationsprozesses an den Kundenanforderungen orientieren [9].

2 Innovation

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Kostenverlauf und -beeinflussbarkeit im Innovationsprozess nach [9] (eigene Darstellung)

Neben der Qualität und den Kosten ist der Faktor Zeit eine zusätzliche Größe der betriebswirtschaftlichen Zielsetzung und ist unumstritten ein Wettbewerbsfaktor so- wohl in der Praxis als auch in der Theorie. Innovationszyklen und Marktphase von Neuheiten haben sich in den letzten Jahren drastisch verkürzt, just-in-time ist die Devise der Logistikbeziehungen und der Kundenanspruch an kurzfristige Aus- führung der Aufträge ist stark gestiegen [9]. Zwischen den beiden Aspekten Kosten und Zeit lässt sich eine starke Korrelation erkennen. Innovationen können im Markt wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn das Unternehmen bei der Gestaltung die Dau- er des Innovationsprozesses zeitlich begrenzt und einen passenden Zeitpunkt für den Markteintritt findet. Eine kurze Innovationszeit hat den Vorteil einer früheren Markteinführung beziehungsweise verschafft dem Unternehmen einen Dispositionss- pielraum um den passenden Zeitpunkt der Markteinführung zu wählen. Das Unter- nehmen agiert kurzzeitig als Monopolist und und kann einen höheren Preis erzielen im Vergleich zum Preis unter vollständigem Wettbewerb. Dies beschert dem Un- ternehmen einen höheren Gewinn, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung kann sich weiteren innovativen Projekten widmen, sodass ein Wissensvorsprung entsteht. Eine Verkürzung der Innovationszeit ist nicht einfach umzusetzen, da Innovations- prozesse schwer beherrschbar und planbar sind. Innovationen sind geprägt von einer Menge neuartiger Aspekte, bei denen Probleme auftreten können, für die bisher keine Lösung erforscht wurde. Steigende Innovationskosten führen zu einer Verlängerung der Amortisationszeiten, welche in Kombination mit den bereits erwähnten kürzeren Produktlebenszyklen zu einer Verkürzung des Zeitraums führt, in dem Unternehmen Gewinne mit ihrer Innovation erwirtschaften können [9].

2.4 Innovationsarten

Mittels verschiedener Differenzierungskriterien lassen sich Innovationen in bestimm- te Kategorien einordnen. In der Literatur erfolgt eine Kategorisierung nach dem Ge- genstandsbereich, dem Auslöser, dem Neuheitsgrad und dem Veränderungsumfang. Liegt das Differenzkriterium des Gegenstandsbereiches zugrunde, so unterscheidet man hauptsächlich zwischen Produkt- und Prozessinnovationen [9]. Bei Produktin- novationen kann es sich sowohl um materielle als auch um immaterielle Neuentwick- lungen handeln. Somit zählen Dientsleistungs- oder Serviceinnovationen ebenso zu den Produktinnovationen, welche das primäre Ziel verfolgen, die Wettbewerbsfähig- keit eines Unternehmens zu gewährleisten. Der rasante Fortschritt in technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sowie wechselhafte Kundenbedürf- nisse sind die Auslöser kürzerer Produktlebenszyklen. Produktinnovationen dienen Unternehmen als produktpolitische Maßnahme um Konsumentenwünsche zu befrie- digen und bei sich einstellenden Sättigungstendenzen neue Kaufanreize für Kunden zu setzen [9]. Unter Prozessinnovationen versteht man die Optimierung oder Re- form der internen Unternehmensprozesse, die sich auf materielle und informationel- le Prozesse zur Leistungserstellung beziehen. Bei den materiellen Prozessen handelt es sich um Bearbeitung sowie Transport von Rohstoffen. Informationelle Prozes- se umfassen Informationsaustausch und -verarbeitung. Sie sollen zum Anstieg der Arbeitsproduktivität führen und können damit das volkswirtschaftliche Realeinkommen positiv beeinflussen[9].

Produkt- und Prozessinnovationen sind eng miteinander verknüpft. So kann eine Produktinnovation eines Unternehmens zu einer Prozessinnovation bei einem weiteren Unternehmen führen. Eine weitere Verbindung lässt sich im Zeitablauf erkennen. Mit zunehmendem Reifegrad einer Industrie verlagert sich die Innovationsaktivität von den Produktinnovationen zu den Prozessinnovationen[9].

2.5 Innovationsstrategien für den Markteintritt

Wie bereits erwähnt, ist das richtige Timing für die Marktpräsenz eine der Ent- scheidungen, die zum Erfolg oder Misserfolg einer Innovation beiträgt. Die zentrale Aufgabe des Innovationsmanagements ist es eine passende Markteintrittsstrategie festzulegen. Dabei lassen sich vier mögliche Strategieoptionen differenzieren. Mit der First-to-Market-Strategie bietet das Unternehmen ein innovatives Produkt zum ersten Mal auf dem Markt an. Es agiert in dem Fall als Pionier. Das ermöglicht dem Unternehmen eine Monopolstellung und das Abschöpfen des Monopolgewinns, bis weitere Unternehmen als Folger in den Markt eintreten. Mit solch einem frühen Markteintritt sind weitere Chancen verbunden. Das Unternehmen generiert einen zeitlichen und technischen Vorsprung vor weiteren Wettbewerbern. Bei einer erfolg- reichen Einführung können Imagevorteile entstehen, was eine festere Kundenbindung zur Folge haben kann [12]. Die Pionierstrategie beansprucht einen hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwand, welcher sehr kostenintensiv ist. Weiterhin ist diese Stra- tegie sehr von Unsicherheit geprägt, da trotz Marktumfragen oft unklar ist, wie die Konsumenten das neuartige Produkt wahrnehmen.

Um dieses Markteintrittsrisiko zu reduzieren, wählen Unternehmen die Early-Follower- Strategie. Kurz nach dem Markteintritt des Pioniers, folgt das Unternehmen mit annähernd identischem Leistungsangebot [9]. Der frühe Folger kann sich an den Ergebnissen und Erfahrungen des Pioniers orientieren und sein Risiko minimieren. Hohen Aufwand bezüglich Grundlagenforschung muss er nicht betreiben und kann möglicherweise sein Produkt gezielter nach Kundenwünschen weiterentwickeln. Zu diesem frühen Zeitpunkt ist der Markt noch recht beeinflussbar, auch wenn der Early-Follower sich starker Konkurrenz durch den Pionier stellen muss, kann er noch Wettbewerbsvorteile gegenüber den Late-Followers erringen [12].

Diese treten erst dann in den Markt ein, wenn die Marktentwicklung voraussehbar ist und das Verhalten der Konsumenten sicher prognostiziert werden kann. Mit der Late-Follower-Strategie vermeiden Unternehmen die Risiken eines frühen Markteintritts und orientieren sich strikt an den Kundenanforderungen bei der Entwicklung des Produktes. Das erfordert einen relativ geringen Forschungs- und Entwicklungsaufwand. Um die Kostenführerschaft auf einem Markt zu erlangen, agieren LateFollower oftmals als Me-too-Anbieter und verfolgen eine Imitationsstrategie, um das Produkt zu niedrigeren Preisen anbieten zu können[9].

2.6 Innovationstätigkeit: Closed vs. Open Innovation

Unternehmen haben bei der Planung ihrer Innovationstätigkeit zwei möglichen Al- ternativen. Entweder können alle Aufgaben des Innovationsprozesses im eigenen Unternehmen bearbeitet werden (Closed Innovation) oder das Unternehmen ent- scheidet sich andere Unternehmen in den Innovationsprozess einzubinden (Open Innovation).

Eine Entscheidung zugunsten von Closed Innovation fallen Unternehmen insbeson- dere zum Schutz des innovativen Wissens und der vollständigen Kontrolle über den Innovationsprozess. Außerdem ist das Unternehmen unabhängig von externen Part- nern, wie zum Beispiel weiterer Unternehmen oder Forschungseinrichtungen. Doch diese Unabhängigkeit kann auch zum Nachteil werden, da bei möglicher Ressour- cenknappheit kein einfacher Ausgleich des Defizits durch einen Kooperationspartner stattfinden kann. Bei Closed Innovation ist das innovierende Unternehmen dem kom- pletten finanziellem Risiko ausgesetzt. Die finanzielle Last wird nicht auf mehrere Partner aufgeteilt. Deshalb macht Closed Innovation wirtschaftlich nur Sinn, wenn sich das Unternehmen auf seine Kernkompetenzen beschränkt, bei denen es schon Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet hat und daraus Wissen und Erkennt- nisse zur Verfügung stehen [9].

Bei kostenintensiven Neuproduktentwicklungen ist Open Innovation sehr vorteilhaft. Gerade weil sich viele Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen beschränken und sich spezialisieren, ist die Übernahme externer Innovation keine Seltenheit. Als Quelle externer Innovation stehen andere Unternehmen oder Forschungseinrichtungen zur Verfügung. Die Übernahme externer Innovation kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen. Eine schnelle und günstige Variante ist die Lizenznahme. Ein Unterneh- men erwirbt damit das Recht eine Innovation eines anderen Unternehmens für einen vertraglich festgelegten Zeitraum nutzen zu dürfen. Um den Nachteil der begrenz- ten Nutzbarkeit zu umgehen bietet sich der Kauf und damit eine unbeschränkte Nutzbarkeit der Innovation an. Sollte die gewünschte Innovation nicht zum direk- ten Erwerb oder zur Lizenznahme auf dem Markt angeboten werden, so besteht die Möglichkeit einer externen Auftragsforschung. Das heißt, dass ein Unternehmen ein Forschungsinstitut oder eine spezialisierte Unternehmung beauftragt das bestimmte Problem zu erforschen und Lösungen zu entwicklen. Dabei werden alle Parameter von Gegenstand, über Zeitdauer bis hin zur weiteren Verwertung der Neuentwick- lung vertraglich vereinbart [9].

Die Unternehmensakquisition ist die extensivste Art der Innovationsübernahme und nur mit hohem finanziellem Aufwand möglich. Dabei erwirbt ein Unternehmen die Kapitalmehrheit eines Unternehmens, das mit innovativen Produkten auf sich auf- merksam gemacht hat. Das akquirierende Unternehmen verbessert seine Marktpo- sition mit den hinzugekauften Ressourcen und Potenzialen [10]. Neben der Übernahme externer Innovation ist mit der Innovationskooperation eine weitere Alternative gegeben. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Innovations- tätigkeit von mehreren Unternehmen oder Forschungseinrichtungen. Bei fehlenden Unternehmensbereichen, die aber zur Bearbeitung von Innovationsprojekten nötig sind, können Kooperationen diese Lücken schließen. Die Aufgaben während des In- novationsprozesses können unter den kooperierenden Unternehmen so aufgeteilt wer- den, dass eine größtmögliche Effektivität und Effizienz gewährleistet werden [13]. Closed Innovation und Open Innovation werden häufig von Unternehmen in der Pra- xis kombiniert, denn aufgrund von steigenden Innovationskosten und einem immer schnellerem Fortschritt können sich Unternehmen nicht auf ihre interne Innovations- tätigkeit beschränken. Mithilfe von Kooperationen und Innovationserwerb werden die unternehmensinternen Innovationen ergänzt. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist unter anderem abhängig von den vorhandenen Ressourcen, der Wettbewerbssi- tuation oder der gewählten Innovationsstrategie [9].

3 Bedarfsermittlung von Dienstleistungsinnovationen

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Bedarfsermittlung von Dienstleistungsinnovationen, zu denen beispielsweise Schulungsangebote hinsichtlich Arbeiten an Elektrofahrzeugen zählen. Es soll eruiert werden, in welchem Ausmaß Mitarbeiter des Kfz-Gewerbes, von Pannen-/Abschleppdiensten sowie der Feuerwehr bzw. des Rettungsdienstes auf Veränderungen ihrer Tätigkeit im Zuge der Elektromobilität vorbereitet sind. Dazu wurden Forschungshypothesen entwickelt, welche anhand eines Fragebogens verifiziert wurden. Zusätzlich geführte Experteninterviews dienten der Bestätigung der Fragebogenergebnisse sowie der Gewinnung weiterer Erkenntnisse. Die Grundlagen zur Erstellung eines Fragebogens sowie zur Durchführung von Experteninterviews sind ebenso Teil dieses Kapitels.

3.1 Der Fragebogen

Um in kurzer Zeit möglichst viele Daten zu gewinnen, wurde eine quantitative Be- fragung mittels standardisiertem Fragebogen gewählt. Die Grundgesamtheit, das heißt die Anzahl aller möglichen Untersuchngsobjekte [14], setzt sich zusammen aus sämtlichen Beschäftigen des Kfz-Gewerbes, von Pannen-/Abschleppdiensten sowie von Feuerwehren/Rettungdiensten. Im Kfz-Gewerbe waren im Jahr 2013 insgesamt 460.000 Mitarbeiter beschäftigt [15], davon mehr als die Hälfte (262.357 Beschäftig- te) in Kfz-Werkstätten [16]. Hinzu kommen ca. 1,3 Millionen Mitglieder der Feuer- wehr [17] sowie Beschäftige im Pannen-/Abschleppdienst. Bei Populationen dieser Größe ist eine Vollerhebung nicht empfehlenswert [14]. Stattdessen wurde eine stich- probenartige Untersuchung durchgeführt, welche 306 Teilnehmer umfasst. Diese ha- ben den Fragebogen im Zeitraum von vier Wochen beantwortet. Zunächst wurde eine Zeitspanne von zwei Monaten angesetzt, jedoch war die Teilnahmebereitschaft höher als erwartet, sodass die Untersuchung mit dem Erreichen einer zufriedenstel- lenden Teilnehmerzahl eher beendet werden konnte als geplant. Da es sich um eine Onlineumfrage handelte, wurden die Probanden via diversen Onlinekanälen akquiriert. Unternehmen des Kfz-Gewerbes, Pannen- und Abschlepp- dienste sowie Berufs- und freiwillige Feuerwehren erhielten den Link zur Umfrage mittels E-Maileinladung (circa 1.500 E-Mails). Außerdem wurde der Fragebogen in sozialen Medien verbreitet, unter anderem in diversen Facebookgruppen zum The- ma Feuerwehr und Rettungsdienst mit schätzungsweise 45.000 Mitgliedern. Hinzu kommen Einträge im Feuerwehr-Forum sowie auf der Startseite der Internetseite www.feuerwehr.de. Zusätzlich leitete der Verband der Bergungs- und Abschleppun- ternehmen e.V. (VBA) den Umfragelink an seine mehr als 1.400 Mitgliedsbetriebe weiter und die assistance partner GmbH & Co. KG veröffentlichte den Fragebogen in ihrem internen Portal.

Bei dieser Art der Probandenakquirierung wird ersichtlich, dass es sich nicht um eine Zufallsstichprobe handelt, sondern vielmehr um eine Ad-hoc-Stichprobe. Bei Zufallsstichproben muss eine vollumfängliche Liste jeglicher Objekte der Grundge- samtheit vorliegen. Aus dieser Liste wird per Zufallsprinzip die Stichprobe gezogen, sodass alle Objekte eine identische Auswahlwahrscheinlichkeit aufweisen [14]. Bei Ad-hoc-Stichproben handelt es sich um nichtprobabilistische Stichproben, welche nicht mittels eines Zufallsprinzips, sondern arbiträr aus einer Population gezogen werden. Es wird deutlich, dass hauptsächlich die Art der Stichprobe über die Re- präsentativität entscheidet und nicht die Anzahl der Untersuchungsteilnehmer. Ad- hoc-Stichproben beanspruchen keine hohe Repräsentativität, sie dienen viel mehr als Pretest für probabilistische Stichproben [14].

Die Festlegung der Stichprobengröße ist ein Bestandteil der Planung von quanti- tativen Untersuchungen. Zur Angabe eines optimalen Stichprobenumfangs benötigt man jedoch weitere Zusatzinformationen. Dazu zählt das Signifikanzniveau ↵, die Teststärke 1 − β sowie die Effektgröße. Zusammen mit dem Stichprobenumfang n ergibt sich eine wechselseitige, funktionale Verknüpfung dieser Größen. Das bedeu- tet, es lässt sich eine gewählte Größe berechnen, indem man Werte für die anderen drei Größen annimmt. In der empirischen Forschung wird das Signifikanzniveau auf ↵=0,01beziehungsweise↵=0,05festgelegt,dieTeststärkebeträgtperKonventi- -n 1 − β = 0, 8 und die Effektgröße wird mit klein, mittel oder groß angenommen. Mit diesen Angaben lässt sich der optimale Stichprobenumfang anhand einer Tabelle bestimmen [14]. Die optimale Größe einer Stichprobe gewährleistet eine ökonomi- sche Durchführung der Umfrage. Wählt man einen zu großen Umfang, so können sich kleine Effekte als signifikant herausstellen und man betreibt einen zu hohen Aufwand, der höhere Kosten verursacht. Eine zu klein gewählte Stichprobe beein- flusst die Teststärke negativ [14].

Bei der, in der vorliegenden Thesis, durchgeführten Umfrage konnte der optima- le Stichprobenumfang jedoch nicht abgeleitet werden, da die Effektgröße nicht be- stimmt werden konnte. Denn die Effektgröße bezieht sich auf die Differenz zwischen mindestens zwei unterschiedlicher Populationen [14]. Dies erfordert eine Kontroll- gruppe, die ebenfalls an der Umfrage teilnimmt, um Abweichungen festzustellen. In der zugrundeliegenden Befragung war eine Kontrollgruppe nicht vorgesehen. Das Ziel der Umfrage war viel mehr ein breites Meinungsspektrum zu erhalten und mög- lichst viele Beschäftigte zu erreichen, die von der Elektromobilität betroffen sind. Ein höherer zeitlicher und kostenverursachender Aufwand wurde nicht betrieben, da ausschließlich kostenlose Programme verwendet wurden und eine Online-Umfrage schnell verbeitet werden kann.

3.1.1 Fragebogenkonstruktion

Der kognitive Prozess beim Beantworten eines Fragebogens lässt sich in vier Phasen unterteilen. In der Interpretationsphase muss der Proband die Frage zunächst verstehen und interpretieren. Die anschließende Erinnerungsphase dient zum Abrufen von relevanten Informationen, die zur Beantwortung der Frage nötig sind. In der Phase der Urteilsbildung werden die gesammelten Informationen bewertet und zu einem abschließenden Urteil komprimiert. Abschließend folgt die Phase der Antwortformulierung. Bei vorgegebenen Antworten muss eine Kategorie gewählt werden, welche dem zuvor gefälltem Urteil am ehesten entspricht[14].

Jede dieser vier Phasen ist anfällig für Fehler, wodurch die Zuverlässigkeit der Ant- worten negativ beeinflusst werden kann. Wird beispielsweise eine Frage falsch inter- pretiert, ruft der Proband möglicherweise irrelevante Informationen ab und wählt auf Grundlage seiner Bewertung eine Antwortkategorie, die seine eigentliche Mei- nung respektive Einstellung nicht widerspiegelt[14]. Damit der kognitive Prozess optimal ablaufen kann, sollten die Fragen und Antwortvorgaben des Fragebogens anhand einiger Faustregeln formuliert werden. Diese dienen dazu, dass der Teilnehmer die Frage versteht, seine Antwort nicht von der Fragestellung tangiert wird und der Proband seine Position ungefiltert offenbart.

Die von Porst[18]formulierten „10 Gebote der Frageformulierung“ fanden Anwendung bei der Erstellung des Fragebogens und werden im Folgenden erläutert:

1. Gebot:

„Du sollst einfache, unzweideutige Begriffe verwenden, die von allen Befragten in gleicher Weise verstanden werden!

Dies ist bei standardisierten Fragebögen von entscheidender Bedeutung. Mit ein- fachen und eindeutig formulierten Fragen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass alle Probanden die Fragen gleichermaßen verstehen und sich die Antworten vergleichen lassen.

2. Gebot:

„Du sollst lange und komplexe Fragen vermeiden!

Komplexe Fragestellungen mit langem, verschachteltem Satzbau, werden sehr schnell unverständlich und bergen die Gefahr, dass sie den Teilnehmer verwirren. Außerdem enthalten sie oftmals redundante Informationen, die nicht zum Verständnis beitragen. Bei der Frageformulierung soll darauf geachtet werden, dass der Teilnehmer nicht überfordert wird und die Frage ad hoc zu verstehen ist.

3. Gebot:

„Du sollst hypothetische Fragen vermeiden!“

Zur Beantwortung hypothetischer Fragen, muss sich der Proband in Situationen hineindenken, in der er sich faktisch nicht befindet. Ob ihm dies gelingt, ist abhängig davon, inwiefern er sich zuvor schon einmal mit solch einer Situation beschäftigt hat. Zusätzlich ist entscheidend, wie sehr sich die hypothetische von der realen Situation unterscheidet.

4. Gebot:

„Du sollst doppelte Stimuli und Verneinungen vermeiden!“

Doppelte Stimuli führen dazu, dass der Proband die Frage möglicherweise nicht eindeutig beantworten kann. Daher sollten tunlichst zwei getrennte Fragen gestellt werden, um eindeutige Ergebnisse zu erhalten.

Fragen, welche sprachlich negativ formuliert sind, verwirren den Teilnehmer. Häufig kommt es bei der Beantwortung zu Verunsicherungen, da nicht klar ist, wie geant- wortet werden soll, sodass die eigene Meinung auch wirklich zum Ausdruck kommt.

5. Gebot:

„Du sollst Unterstellungen und suggestive Fragen vermeiden!“

Unterstellungen beeinträchtigen das vernünftige Beantworten einer Frage. Der Teilnehmer kann beispielsweise einer eigentlichen Aussage zustimmen, doch entspricht eine Unterstellung in der Fragenformulierung möglicherweise nicht seiner Meinung respektive Einstellung.

Suggestive Fragen verhindern, dass der Teilnehmer eine Frage frei beantwortet und sich der Mehrheit anpasst. Es kann aber auch der gegenteilige Fall eintreten und der Proband antwortet bewusst konträr zur Meinung der Mehrheit. In beiden Fällen gibt der Teilnehmer nicht seine wahre Einstellung preis.

6. Gebot:

„Du sollst Fragen vermeiden, die auf Informationen abzielen, über die viele Befragte mutmaßlich nicht verfügen!“

Bei der Formulierung von Wissensfragen muss beachtet werden, in welchem Um- fang die befragte Population über spezielle Informationen verfügt, welche zur Be- antwortung benötigt werden. Sollten Zweifel über den Kenntnisstand der Befragten vorliegen, so empfiehlt es sich auf Wissensfragen zu verzichten. Es sei denn, das Feststellen von Wissen und Nicht-Wissen ist die Intention der Frage. Doch hier ist zu beachten, dass das Aufzeigen von Nicht-Wissen die Motivation des Probanden negativ beeinflusst und die Qualität der Antworten nachlässt oder es sogar zu Teil- nahmeabbrüchen kommt.

7. Gebot:

„Du sollst Fragen mit eindeutigem zeitlichen Bezug verwenden!“

Dies ist unabdingbar, um Antworten vergleichen zu können. Werden Formulierungen wie beispielsweise „in letzter Zeit“ oder „in naher Zukunft“ verwendet, so interpretiert

jeder Proband diese zeitlichen Bezüge unterschiedlich. Aus diesem Grund sollten konkrete Zeitangaben verwendet werden.

8. Gebot:

„Du sollst Antwortkategorien verwenden, die erschöpfend und disjunkt (überschneidungsfrei) sind!“

Bei disjunkten Antwortkategorien handelt es sich um Kategorien, bei der jeder Pro- band zweifelsfrei eine einzie Antwort auswählen kann, sofern keine Mehrfachnennung vorgesehen ist. Sollte die Antwort eines Probanden nicht durch eine Antwortkatego- rie vorgegeben sein, so sind diese nicht erschöpfend. Lösen lässt sich diese Proble- matik mithilfe offener Fragen, deren Antworten sich im Nachhinein kategorisieren lassen.

9. Gebot:

„Du sollst sicherstellen, dass der Kontext einer Frage sich nicht (unkontrolliert) auf deren Beantwortung auswirkt!“

Hierbei handelt es sich um den sogenannten Halo- oder Ausstrahlungseffekt. Dieser besagt, dass die Beantwortung einer Frage abhängig ist von einer zuvor gestellten Frage. Anstatt jede Frage einzeln zu betrachten, stellt der Proband einen Zusammen- hang zwischen den Fragen her. Dies lässt sich in der Praxis nicht immer verhindern, da nur spekuliert werden kann, welche Fragen sich aufeinander auswirken. Ein Pre- test kann Aufschluss darüber ergeben, doch besteht auch die Möglichkeit, dass solche Kontexteffekte erst bei der Auswertung der Ergebnisse ersichtlich werden.

10. Gebot:

„Du sollst unklare Begriffe definieren!“

Dies ist eine alternative Lösung zu den Problemen, die im ersten und sechsten Ge- bot beschrieben sind. Werden Begriffe nicht von allen Probanden in gleicher Wei- se verstanden oder sogar überhaupt nicht verstanden, so müssen sie innerhalb der Fragestellung erläutert werden. Nur auf diese Weise sind genaue und vergleichbare Antworten zu erwarten.

Diese zehn Gebote sind hilfreich bei der Frageformulierung und bieten eine gewisse Unterstützung. Doch muss bei jeder einzelnen Frage über ihre Gültigkeit und Wirk- samkeit entschieden werden. Es handelt sich nicht um unumstößliche Vorgaben, die ohne Reflektion angewendent werden sollten, da die Majorität der Gebote Interpre- tationsspielraum zulassen. Einige stehen darüberhinaus in Konkurrenz zueinander [18].

Bei der Erstellung des Fragebogens wurden unterschiedliche Strukturtypen von Fra- gen eingesetzt. Es wurden offene, geschlossene sowie Hybridfragen verwendet. Of- fene Fragen erfordern vom Probanden eine Antwort in seinen eigenen Worten. Es werden keine Antwortkategorien vorgegeben, sodass der Befragte die Antwortfor- mulierung selber vornimmt. Geschlossene Fragen hingegen bieten dem Teilnehmer mindestens zwei Antwortalternativen, zwischen denen er sich entscheiden muss. Bei diesem Fragetyp ist das Einrichten einer Mehrfachauswahl möglich. Das beudeutet, der Proband kann eine vom Fragebogenersteller vorgegebene Anzahl an Antwortvor- gaben gleichzeitig wählen. Auf diese Option muss in der Fragestellung hingewiesen werden. Eine Kombination aus offener und geschlossener Frage wird als Hybridfrage bezeichnet. Der Proband kann eine selbst formulierte Antwortmöglichkeit hinzufü- gen, sollten die vorgegebenen Antwortkategorien nicht ausreichen, um die Frage zu beantworten [19].

Offene Fragen ermöglichen es dem Probanden eine Antwort in seinen eigenen Worten zu formulieren. In diesem Fall wird der Teilnehmer nicht durch vorgegebene Ant- worten beeinflusst und in eine bestimmte Richtung gelenkt. Somit erhält man im Ergebnis Antworten, die auch tatsächlich dem Wissen beziehungsweise der Einstel- lung des Probanden entspringen [19]. Nachteilig ist die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Fähigkeit des Probanden, seine Antwort zufriedenstellend zu artikulieren. Häufig haben Personen Probleme im Umgang mit offener Sprache respektive Schrift [18]. Da nicht jeder Befragte identische Verbalisierungsfähigkeiten aufweist, ist es bei der Auswertung schwierig festzustellen, ob Antwortunterschiede auf differenzie- rende Einstellungen oder auf verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten zurückzuführen sind. Zusätzlich ist die Auswertung per se mit erheblichem Aufwand verbunden. Im Nachgang müssen die freien Antworten kategorisiert werden, um eine quantifizieren- de Untersuchung zu gewährleisten [19]. Auch für den Probanden sind offene Fragen mit einem höheren Aufwand verbunden, wodurch seine Motivation, den Fragebogen weiter auszufüllen, negativ beeinflusst werden kann [20].

Geschlossene Fragen, welche in standadisierten Fragebögen hauptsächlich eingesetzt werden, liefern genauere und verlässlichere Daten. Ein Vergleich zwischen den Ant- worten der Probanden ist einfacher zu ziehen [20]. Problematisch ist die Tatsache, dass geschlossene Fragen dem Teilnehmer Antworten vorgeben können, in denen er sich nicht wiederfindet. Dies kann zur Nicht-Beantwortung der Frage, bei Pflichtfra- gen, die in jedem Fall eine Antwort verlangen, zu bewussten Falschangaben führen [18].

Hybridfragen werden in der Praxis häufig verwendet, so dass ein Proband eine Frage auch dann beantworten kann, wenn er sich nicht in die vorgegebenen Antworten- möglichkeiten einfügen kann. Dieser Fragetyp ist sinnvoll, wenn der Fragebogenent- wickler die tatsächlich mögliche Anzahl an Antworten prognostizieren, jedoch nicht allumfassend bestimmen kann. Eine optionale Antwortkategorie dient nicht nur der eigentlichen Gewinnung von Daten, sondern wirkt sich überdies positiv auf die Mo- tivation des Probanden aus. Denn sollte es im Verlauf der Beantwortung mehrmals vorkommen, dass der Teilnehmer sich nicht in die Antwortkategorien einordnen kann, entsteht bei ihm möglicherwiese der Eindruck, nicht für die Untersuchung geeignet zu sein [18]. In der Thesis wurden Hybridfragen überwiegend dann eingesetzt, wenn es sich um eine Frage handelte, welche mit ja oder nein zu beantworten war. Hier wurde ein Zusatzfeld eingefügt, um die Gründe für die jeweilige Antwort zu erfahren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Fragebonentwickler bei jeder einzelnen Frage abwägen muss, welcher Fragetyp am sinnvollsten ist. Geschlossene Fragen soll- ten verwendet werden wenn: Die Beantwortung und Auswertung des Fragebogens nicht viel Zeit in Anspruch nehmen darf, alle denkbaren Antwortkategorien sicher zu bestimmen sind und die Anzahl dieser überschaubar ist sowie bekannte Sach- verhalte Gegenstand der Frage sind. Bei unbekanntem Befragungsgestand, der eine Definition umfassender Antwortkategorien unmöglich macht, sollte auf den Struk- turtyp der offenen Frage zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass die Anzahl möglicher Antworten unüberschauber groß ist. Zusätzlich verhindert die Verwendung offener Fragen, dass der Proband von Antwortkategorien beeinflusst wird [18].

3.1.2 Fragebogenlayout

Wie bereits erwähnt, wurde im Rahmen dieser Thesis eine Online-Umfrage durchgeführt. Hierbei muss bei der Erstellung des Fragebogens beachtet werden, dass die Befragten unterschiedliche Betriebssysteme und Browser verwenden und möglicherweise nicht nur mittels Computer, sondern auch per Smartphone auf den Fragebogen zugreifen. Um eine technische Heterogenität zu gewährleisten, müssen ausführliche Pretests durchgeführt werden[19].

Zur Gestaltung von Online-Fragebögen gelten allgemeine Hinweise. Die Startseite dient zur Motivation des Probanden, an der Umfrage teilzunehmen. Es muss der Befragungsgegenstand und die Organisation bzw. die Person, welche die Befragung durchführt, genannt werden. Außerdem muss dem Probanden die Beudeutung der Teilnahme vermittelt werden, jedoch sollte der Inhalt der Startseite so kurz wie möglich formuliert sein. Bei der ersten Frage darf es sich nicht um eine komplizierte, heikle oder irrelevante Frage handeln, dies führt in der Regel zu Teilnahmeabbrü- chen [19].

Bei der Darstellung der Fragen sollte man sich an den Empfehlungen der „Total Design Method“ orientieren[19]. Dadurch werden die subjektiven Kosten der Teilnehmer minimiert. Die Empfehlungen von Schnell et al.[19]wurden bei der Gestaltung des Fragebogens weitestmöglich1 beachtet und lauten folgendermaßen:

- „Fragenummern sollten abgetrennt links in einer eigenen Spalte stehen.“

Auf die Nummerierung der Fragen wurde verzichtet, um die Probanden nicht zu verwirren. Denn es wäre nur eine fortlaufende Nummerierung möglich gewesen, welche eingebaute Filter nicht berücksichtigte.

- „Antwortkategorien sollten vertikal übereinander immer in der gleichen Spalte stehen.“
- „Alle Antwortkategorien sollten gleichzeitig angezeigt werden.“
- „Entsprechen sind „Drop-Down-Boxen“ nicht empfehlenswert.“
- „Fragen in Form einer Antwortmatrix sollten vermieden werden.“
- „Offene Fragen sollten allenfalls am Ende des Fragebogens [...] verwendet wer- den.“

Wenige Fragen wurden bereits inmitten des Fragebogens offen gestellt, um neue Erkenntnisse bezüglich des Befragungsgegenstandes zu erhalten und die Probanden in ihrer Antwortmöglichkeit nicht einzuschränken.

- „Unterschiedliche Farben sollten vermieden werden.“
- „Instruktionen für den Befragten sollten sich an der Stelle im Fragebogen finden, wo sie benötigt werden, nicht an einer Stelle als Block.“
- „Instruktionen sollten anders erscheinen als Fragen (Wechsel der Schriftart oder Größe).“
- „Instruktionen sollten stets an der gleichen Stelle (auf der linken Seite) erscheinen; Fragen entsprechend auf der rechten Seite.“

Bei dem verwendetem Programm war es nur möglich, die Instruktionen unterhalb der Frage zu platzieren.

- „Auf keinen Fall empfiehlt es sich, zu versuchen, die Befragten zur Beantwortung einer Frage zu zwingen.“
- „Es sollte für den Befragten stets erkennbar sein, an welcher Stelle im Fragebogen er sich befindet. [...]“

Auf einen Fortschrittsindikator wurde ebenfalls verzichtet, da dieser, infolge verwen- deter Filter, den Fortschritt nur sehr ungenau angeben konnte. Ersatzweise wurden die Teilnehmer informiert, sobald sie etwa die Hälfte des Fragebogens erreicht hatten.

- „Trotz der einfachen technischen Realisierbarkeit der Filterführung bei elektronischen Fragebögen, sollten Filter eher Sparsam verwendet werden.“
- „Fragebögen bei Websurveys lassen sich bildschirmweise aufbauen [...] oder als eine Seite, [...] . In der Regel ist „Scrolling“ für den Befragten einfacher.“

Anlässlich der Fülle an Fragen, wurde die Umfrage bildschirmweise aufgebaut, um dem Probanden ein ständiges Scrollen zu ersparen.

- „Alle Fragebögen benötigen umfangreiche inhaltliche Pretests, auch Websur- veys.“

Der Fragebogen wurde von zehn Personen getestet, um mögliche Fehler aufzudecken und sonstige Anregungen zur Verbesserung zu erhalten.

- „Sehr sorgfältiges und langwieriges Pretesten der technischen Durchführbarkeit der Befragung auf unterschiedlichen PCs ist unverzichtbar.“

Der Fragebogen wurde sowohl unter Windows als auch unter Mac OS sowie auf Android und iOS basierten Smartphones getestet.

3.1.3 Online-Befragung

Zur Durchführung einer Befragung stehen einige Alternativen zur Verfügung. Es wird zwischen schriftlicher und mündlicher Befragung sowie Telefoninterview und onlinebasierter Befragung unterschieden [21]. Nach dem Abwägen von Vor- und Nachteilen sowie begründet durch den zeitlich begrenzten Rahmen dieser Mastert- hesis, wurde der Online-Fragebogen zur Datenerfassung gewählt. Online-Befragungen sind im Vergleich zu den anderen genannten Methoden we- sentlich kostengünstiger. Bei der im Rahmen dieser Thesis durchgeführten Umfrage wurden keinerlei Kosten verursacht, da ausschließlich kostenlose Programme genutzt wurden. Weiterhin zeichnen sich Online-Befragungen durch eine wesetlich geringere Durchführungszeit aus [21]. Potenzielle Probanden lassen sich in kurzer Zeit errei- chen, auch wenn diese geografisch weit verteilt sind. Dies ist bei speziellen Zielgrup- pen, wie zum Beispiel Beschäftige, die von der Elektromobilität betroffenen sind, sehr vorteilhaft. Weitere Vorteile sind bereits digitalisierte Daten sowie das Über- prüfen der Eingaben in Echtzeit. Der Teilnehmer erhält sofort einen Hinweis, dass er eine Frage nicht beantwortet hat und bekommt die Möglichkeit eine Antwort zu ergänzen. Onlinebasierte Fragebögen bieten zusätzlich die Option, multimediale Elemente einzubauen, um komplexe Sachverhalte zu vereinfachen [22]. Als größter Nachteil stellt sich die mangelnde Repräsentativität heraus. Denn es ist nicht möglich eine exakte Grundgesamtheit zu bestimmen und infolgedessen lässt sich keine Zufallsstichprobe ziehen. Nachteilig ist zusätzlich, dass eine Ausschöp- fungsquote nahezu unberechenbar ist. Es lässt sich nicht sagen, wie viele Personen erreicht wurden und wie viele Personen den Fragebogen nicht ausgefüllt haben, ob- wohl sie eine Einladung erreicht hat. Online-Befragungen werden außerdem mit dem Problem von Bildungs- und Altersbarrieren in Verbindung gebracht. Das heißt, we- niger gebildete oder ältere Probanden werden ausgeschlossen, da diese nicht mit dem Internet vertraut sind. Unklar ist auch die Erhebungssituation. Es können Un- terschiede bei der Beantwortung auftreten, je nach Situation, in der sich der Pro- band beim Ausfüllen des Fragebogens befindet. Bei Anwesenheit eines Interviewers kann die Erhebungssituation nachvollzogen werden. Außerdem kann er die Moti- vation, den Fragebogen auszufüllen positiv beeinflussen. Ohne Interviewer fällt es dem Probanden leichter, die Befragung zu ignorieren. Problematisch ist zusätzlich die Möglichkeit, an einer Befragung mehrfach teilzunehmen, da die Daten gänz- lich anonym erfasst werden. Zwar lassen sich technische Vorkehrungen treffen, um diesem Problem entgegenzuwirken, doch interneterfahrene Probanden können diese Maßnahmen in der Regel umgehen [22].

3.1.4 Hypothesen

Abgeleitete Vermutungen aus Voruntersuchungen, eigener Beobachtungen oder Überlegungen sowie wissenschaftlichen Theorien hinsichtlich eines Befragungsgestandes werden als Forschungshypothesen bezeichnet. Diese werden allgemein formuliert und sind nicht nur für eine gewisse Stichprobe gültig, sondern man nimmt an, dass sie auf die vollständige Grundgesamtheit übertragbar sind[14].

In der Theorie werden Forschungshypothesen in drei verschiede Arten klassifiziert. Es werden Zusammenhangshypothesen, Unterschiedshypothesen und Veränderungs- hypothesen unterschieden. Beschreibt eine Hypothese einen Zusammenhang zwi- schen zwei oder mehreren Merkmalen, so handelt es sich um eine Zusammenhangs- hypothese. Unterschiedshypothesen nehmen an, dass sich mindestens zwei Popula- tionen im Bezug auf eine oder mehrere Variablen unterscheiden. Wird eine zeit- abhängige Veränderung der Ausprägungen einer Variablen vermutet, so stellt man eine Veränderungshypothese auf. Zusammengefasst formulieren Forschungshypothe- sen Zusammenhänge, Unterschiede oder Veränderungen in einer zugrundeliegenden Grundgesamtheit[14].

Zur Entwicklung des Fragebogens wurden die folgenden neun Forschungshypothesen aufgestellt:

1. Es besteht ein hoher Aufklärungs- und Schulungsbedarf bezüglich Elektrofahr- zeugen in den Bereichen Kfz-Gewerbe, Pannen-/Abschleppdienst sowie Feuerwehr/Rettungsdienst.
2. Je größer der Betrieb, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass für Arbeiten an Elektrofahrzeugen geschultes Personal vorhanden ist. Kleine Betriebe haben nicht die nötigen Ressourcen, um ihre Mitarbeiter schulen zu lassen.
3. Infolge der bislang geringen Verbreitung von Elektrofahrzeugen fehlen den Mitarbeitern aus den Bereichen Kfz-Gewerbe, Pannen-/Abschleppdienst sowie Feuerwehr/Rettungsdienst Erfahrungswerte im Umgang mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen.
4. Bislang besteht nur ein geringes Interesse an dem Thema Elektromobilität, da die ausgewählten Bereiche im Berufsalltag selten mit Elektrofahrzeugen in Berührung kommen.
5. Im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen, werden die Anforderungen für Arbeiten an Elektrofahrzeugen von allen Berufsgruppen höher eingeschätzt.
6. Im Kfz-Gewerbe sind speziell Vertragswerkstätten ,aufgrund der Bindung zu einem oder mehreren Fahrzeugherstellern, besser auf Veränderungen im Zuge der Elektromobilität vorbereitet, als freie Werkstätten. Mitarbeiter werden direkt vom Hersteller für Arbeiten an Elektrofahrzeugen geschult.
7. Im Kfz-Gewerbe herrscht ein geringes Risikobewusstsein beim Umgang mit Elektrofahrzeugen. Vor allem werden Servicearbeiten, wie beispielsweise Rei- fenwechsel, auch ohne nötige elektrotechnische Unterweisung durchgeführt.
8. Beschäftigte der Bereiche Pannen-/Abschleppdienst und Feuerwehr/Rettungs- dienst haben ein höheres Risikobewusstsein im Bezug auf Elektrofahrzeuge, da sie im Vergleich zu Mitarbeitern des Kfz-Gewerbes keine Routinearbeiten durchführen.

[...]


1 Es wurde ausschließlich auf kostenlose Programme zurückgegriffen, weshalb einige Einschränkungen bei der Fragebogengestaltung aufgetreten sind.

Ende der Leseprobe aus 120 Seiten

Details

Titel
Identifikation von Dienstleistungsinnovationen im Kontext der Elektromobilität
Untertitel
Entwicklung von Konzepten und Handlungsempfehlungen
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal  (Arbeitsgebiet Elektromobilität)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
120
Katalognummer
V445717
ISBN (eBook)
9783668838987
ISBN (Buch)
9783668838994
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Elektromobilität
Arbeit zitieren
Tobias Braun (Autor:in), 2016, Identifikation von Dienstleistungsinnovationen im Kontext der Elektromobilität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/445717

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