Der Golfstrom in Zeiten der anthropogenen Klimaerwärmung. Auswirkungen und Folgen für Europa


Hausarbeit, 2017

37 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Hinführung

2. Der Golfstrom
2.1. Meeresströmungen
2.1.1. Gezeiten
2.1.2. Winde
2.1.3. Thermohaline Zirkulation
2.2. Begriffserklärung und geographische Verortung
2.3. Strömungsverlauf von Golfstrom und Nordatlantikstrom
2.4. Klimatische Auswirkungen des Golf- und Nordatlantikstroms auf Nordwest Europa
2.5. Messmethoden
2.6. Kritische Auseinandersetzung mit Medienberichten

3. Einflussfaktoren, die den Nordatlantikstrom belasten und zum Versiegen bringen könnten
3.1. Globale anthropogene Klimaerwärmung
3.1.1. Erhöhte Süßwassereinträge
3.1.2. Erwärmung der Meere
3.1.3. Anstieg des Meeresspiegels
3.1.4. Änderung der tropischen Wirbelstürme

4. Auswirkungen und Folgen für Europa durch ein mögliches Abschwächen oder Versiegen des Nordatlantikstroms
4.1. Meeresbiologische Veränderungen
4.2. Überschwemmungen
4.3. Vegetation, Ökosystem und Biodiversität
4.4. Zunahme von Wetterextremen
4.5. Sozioökonomische Auswirkungen und Risiken

5. Maßnahmen gegen die anthropogene Klimaerwärmung und der damit verbundenen Abschwächung des Nordatlantikstroms
5.1. Politische Maßnahmen
5.2. Maßnahmen seitens der Wissenschaft

6. Schlussbemerkung

Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung und Hinführung

Der Golfstrom ist eine der stärksten Meeresströmungen der Erde und beschert großen Teilen Europas seit Jahrmillionen milde Temperaturen und ausreichend Niederschläge, weshalb er umgangssprachlich auch als ״Fernheizung Europas“ bezeichnet wird. Der weitverbreitete Wohlstand und die hohe technologische Entwicklung innerhalb Europas ist unter anderem auch auf den Einfluss des Golfstroms zurückzuführen. Dieser hat den in Europa lebenden Menschen seit Jahrtausenden klimatische Bedingungen geschaffen, die das überleben und die Weiterentwicklung der menschlichen Spezies gefördert hat.

Entdeckt wurde der Golfstrom vom spanischen Seefahrer Juan Ponce de Leon im Jahr 1513. Ponce de Leon berichtete von einer starken Strömung vor der Küste Floridas, die das Vorankommen seiner Schiffe in Richtung Westen erschwerte (Kehse, 2008, s.436-437). Später wurden die starken Ostströmungen des Golfstroms von der Schifffahrt genutzt, um Waren und Güter aus Nordamerika nach Europa zu transportieren. Heutzutage gibt es auf medialer Seite wilde Spekulationen über ein mögliches Versiegen des Golfstroms und einem damit verbundenen Kälteeinbruch in Europa. Stellenweise wird sogar eine bevorstehende Eiszeit prognostiziert. Vielfach stehen solche Spekulationen in einem engen Zusammenhang mit der anthropogenen Klimaerwärmung. Doch was ist dran an solchen Spekulationen und inwieweit beeinflusst die anthropogene Klimaerwärmung das Golfstromsystem tatsächlich?

Diese Arbeit mit dem Titel ״Der Golfstrom in Zeiten der anthropogenen Klimaerwärmung, Auswirkungen und Folgen für Europa“ beginnt mit dem Kapitel ״Der Golfstrom“, welches zunächst einen Einblick in die allgemeine Entstehung von Meeresströmungen geben soll. Darauf folgen Begriffserklärung, geographische Verödung und Strömungsverlaufslauf. Des Weiteren soll anhand zweier Klimadiagramme, der klimatische Einfluss des Golfstroms auf Nordwesteuropa aufgezeigt werden. Auch moderne Messmethoden und eine kritische Auseinandersetzung mit Medienberichten sind dabei Bestandteil dieses Kapitels. Den Kern der Arbeit stellen die Kapitel drei und vier dar. Kapitel drei setzt sich mit den Einflussfaktoren auseinander, welche auf das Golfstromsystem einwirken. Beschäftigt man sich mit einem möglichen Versiegen des Golfstroms, kommt es zur zwangsläufigen Auseinandersetzung mit der anthropogenen Klimaerwärmung, da diese als stärkster Einflussfaktor gilt. Aus diesem Grund werden zu Beginn des dritten Kapitels die Ursachen der anthropogenen Klimaerwärmung benannt und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Golfstrom und seine Ausläufer. Dabei soll die von medialer Seite oft gestellte Frage, ob es zu einem Versiegen des Golfstroms kommt, beantwortet werden. Im vierten Kapitel werden anhand ausgewählter Emissionsszenarien aus den Sachstandsberichten der IPCC (Ingovernmental

Panel on Climate Change) mögliche Folgen und Auswirkungen vorgestellt, die im Laufe des 21. Jahrhunderts in Europa eintreffen könnten. Generell sind alle Emissionsszenarien aus den IPCC Sachstandsberichten auf die anthropogene Klimaerwärmung zurück zu führen. Dies gilt auch für die ausgewählten Emissionsszenarien in dieser Arbeit. Aufgrund der bereits gesammelten Informationen aus den vorherigen Kapiteln werden die Emissionsszenarien in Verbindung mit einer Abschwächung bzw. einem Versiegen des Nordatlantikstroms gesetzt. Dadurch können mögliche Auswirkungen und Folgen für Europa genannt werden. Im letzten Kapitel werden politische Maßnahmen und Maßnahmen seitens der Wissenschaft angesprochen, die ergriffen werden, um dem anthropogenen Klimawandel entgegen zu wirken und somit auch eine weitere Abnahme des Nordatlantikstroms zu verhindern.

2. Der Golfstrom

2.1. Meeresströmungen

Für die ständige Bewegung der Ozeane sind drei unterschiedliche Antriebskräfte verantwortlich. Dazu zählen die Gezeiten, der Wind und die thermohaline Zirkulation (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.30-33). Der Golfstrom, der eine der stärksten Meeresströmungen der Welt ist, steht ebenfalls unter dem Einfluss dieser drei Faktoren.

2.1.1. Gezeiten

Die Anziehungskräfte von Mond und Sonne, die sogenannten Gezeiten, bewirken Ebbe und Flut. Dabei zieht der Mond große Mengen Wasser an, so dass der Wasserspiegel an der Stelle ansteigt, über der der Mond am Himmel steht. Gleichzeitig kommt es aufgrund der Zentrifugalkräfte auf der entgegengesetzten Seite zu einer sogenannten ״Wasserbeule“, da dort die Erdanziehung schwächer ist. Aus irdischer Sicht kommt es hier zu einer Anhebung des Wasserstandes. (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.30). Die Wechselwirkung zwischen den Anziehungskräften von Mond und Sonne bewirkt den sogenannten Tidenhub. Springtiden stellen den maximalen Tidenhub dar und treten dann auf, wenn Sonne und Mond in einer Linie stehen. Dies ist bei Vollmond und Neumond der Fall. Von einer Nipptide spricht man, wenn Sonne und Mond von der Erde aus gesehen in einem Wnkel von 90° zueinanderstehen. Ist dies der Fall, ist Halbmond. Aufgrund der Erdrotation kreisen die ״Tidenbeulen“ durch die Ozeane bzw. Meeresbecken und treffen dabei auf die Küsten und interagieren mit diesen. Dabei kann es zu einem starken Tidenhub (Springtide) kommen oder zu einem schwachen (Nipptide) (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.30-31). Die Gezeitenströme ändern viermal täglich ihre Richtung um 180°. Daher schaffen sie es nicht, Wasser über weite Distanzen zu transportieren. So wird der Strömungsverlauf des Golfstroms nur äußerst gering durch die Gezeiten beeinflusst. Dies merkt man vor allem daran, dass Ebbe und Flut in Nordwesteuropa deutlich schwächer ausfallen, als beispielsweise an der kanadischen Ostküste (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.31).

2.1.2. Winde

Wnde verursachen aufgrund ihrer Reibungskraft auf dem Wasser Oberflächenwellen und - Strömungen. Die Bewegungen der großen Strömungen sind äußerst komplex. Zum einen werden die großen Strömungen durch die Corioliskraft abgelenkt. Dabei bewegt sich das Wasser auf der nördlichen Halbkugel insgesamt nach Norden, allgemein gesagt in einem Wnkel von 90° nach rechts. Auf der südlichen Halbkugel bewegt sich das Wasser in Richtung Süden. Dabei kommt es zu einer Ablenkung in einem Wnkel von 90° nach links.

Die Wassermassen werden von den östlichen Passatwinden in den tropischen Breiten auf der Südhalbkugel und auf der Nordhalbkugel vom Äquator weggedrückt. Das weggedrückte Wasser wird durch Wasser ersetzt, welches aus der Tiefe aufsteigt. Dieses Meeresphänomen wird als ״äquatoriales Aufsteigen“ (upwelling) bezeichnet (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.31-32). Zwischen dem 15. und dem 50. Breitengrad treten in jedem Meeresbecken große Subtropenwirbel auf. Diese sind Hauptkennzeichen der vom Wind getriebenen Meereszirkulation. Vergleichbar sind die Subtropenwirbel mit riesigen Wasserrädern, welche sich in den obersten hundert Metern des Meeres drehen und horizontal ausgerichtet sind. Dadurch wird das Wasser als westliche Randströmung schnell polwärts transportiert. Im Inneren des Subtropenwirbels befindet sich eine riesige Wassermasse, in der Oberflächenwasser zusammenströmt und träge mehrere hundert Meter tief absinkt. Der Golfstrom ist eine dieser Randströmungen und ist damit stark von den Winden abhängig. Der Rückstrom zum Äquator ist hingegen breit und langsam und erstreckt sich über fast die gesamte Breite des jeweiligen Meeresbeckens (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.32).

2.1.3. Thermohaline Zirkulation

Unter der thermohalinen Zirkulation wird der Wärme- und Süßwasseraustausch an der Meeresoberfläche verstanden. Das Wort ״thermo“ steht dabei für Temperaturänderungen und das griechische Wort ״halin“ für die Änderung der Salinität. Temperatur - und Salinitätsänderungen beeinflussen die Dichte des Wassers. Strömungen entstehen durch Dichteunterschiede, da diese im Wasser zu Druckunterschieden führen. An den Meeresstellen, an denen die Dichte am höchsten ist, kommt es zum Absinken des Wassers von der Oberfläche in die Tiefsee. Dieser Prozess wird auch als ״Tiefenwasserbildung“ bezeichnet. Die absinkenden Wassermassen verbreiten sich in der Tiefe um die gesamte Welt. Ersetzt werden die abgesunken Wassermassen durch Rückflüsse des Oberflächenwassers. Dadurch kommt es zu einer gewaltigen Umwälzbewegung der Meere (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.33-35).

Durch die Turbulenzen im Ozean werden von den warmen Oberflächenschichten wärmere Wassermassen in die Tiefe transportiert. Dadurch kommt es im Laufe der Zeit zu einer Verringerung der Dichte. Dieser beständige Verlust an Dichte ermöglicht einen Austausch von Tiefenwasser durch ״junges“ Wasser aus den Polargebieten. Dadurch ist es möglich, dass die Umwälzungsprozesse der Meere nicht zum Erliegen kommen. Wäre dies nicht der Fall, könnten keine Wassermassen mit geringer Dichte aus anderen Bereichen mehr absinken, da die Tiefsee ausschließlich mit Wassermassen mit hoher Dichte gefüllt wäre (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.35). Solch ein Szenario würde den Golfstrom zum Erliegen bringen.

2.2. Begriffserklärung und geographische Verortung

Der Name ״Golfstrom“ bezieht sich auf den Golf von Mexiko, welcher früher auch als ״Floridastrom“ bezeichnet wurde und auf den Karten des 16. und 17. Jahrhunderts als ״Canal de Bahama“ verzeichnet ist. Benjamin Franklin gab dem Golfstrom seinen heutigen Namen (Grunau, 2012, S.53). Der Golfstrom ist eine Meeresströmung im Nordatlantik, die von der nordamerikanischen Ostküste, vom Kap Hatteras, bis zur Neufundlandbank reicht. Der Golfstrom ist Teil des nordatlantischen Strömungskreises, dessen warme und nordwärts gerichtete Strömung als Golfstromsystem bezeichnet wird, da sie warmes Wasser vom mexikanischen Golf nach Europa transportiert (Kehse,2008, S.440). Dabei verbindet der Golfstrom den Floridastrom und den Nordatlantischen Strom und stellt den westlichen Randstrom des subtropischen Strömungswirbels im Nordatlantik dar. Er ist die Grenzfläche zwischen dem warmen Wasser der Sargassosee und dem kalten Wasser der nordamerikanischen Küste. Der Golfstrom besitzt eine Breite von etwa 100 km und seine Oberflächenströmung beträgt bis zu 6 km/h (Bammel & Fallert- Müller, 2008, S.88). östlich der Großen Neufundlandbank fächert sich der Golfstrom auf. Dabei wird der Hauptarm an der Oberfläche als Nordatlantikstrom bezeichnet. Der Nordatlantikstrom wird oftmals fälschlicherweise in der Schule und in Medienberichten als Golfstrom bezeichnet. Diese Formulierung ist nicht zutreffend, da der Nordatlantikstrom zwar aus dem Golfstrom hervorgeht, aber nicht selbst der Golfstrom ist, sondern vielmehr dessen Ausläufer (Kehse, 2008, s.440-441). Aus ozeanographischer Sicht wird unterschieden zwischen dem Golfstrom im westlichen Atlantik und seinem verlängertem Arm, dem Nordatlantikstrom im Nordostatlantik, welcher bis an die europäischen Küsten strömt (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.146).

Der größte Teil der transportierten Wassermassen des Golfstroms wird in Richtung Süden abtransportiert. Dabei schließt sich das Golfstromsystem durch den Kanarenstrom, welcher in die breite Drift des Nordäquatorialstroms einmündet (Bammel & Fallert-Müller, 2008, S.88).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Skizze des Golfstroms und Nordatlantikstroms sowie der relevanten Absinkregionen; Anmerkung: rot- warme Oberflächenströmungen, blau- kalte Tiefenströmungen.

Quelle: http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Datei:Nordatlantikzirkulation.jpg

2.3. Strömungsverlauf von Golfstrom und Nordatlantikstrom

Der Hauptwasserlieferant des Golfstroms ist der atlantische Südäquatorialstrom, welcher tropisch warme und oberflächennahe Wassermassen mit ca. 30°c (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.26) von der Westküste Afrikas, angetrieben durch den konstant wehenden Südostpassat, in Richtung Nordwesten zur Küste Südamerikas transportiert. Dort trifft der Südäquatorialstrom auf den Nordäquatorialstrom, welcher durch den Nordostpassat angetrieben wird. Beide Strömungen treiben die Wassermassen durch die Karibik in den Golf von Mexiko. Durch die heiße karibische Sonne heizt sich das Wasser auf eine Temperatur von etwa 30°c auf. Der daraus resultierende Karibikstrom befördert die sich hier anstauenden warmen Wassermassen mit einer Art Pumpwirkung durch die Floridastraße. Dabei erreichen die Wassermassen eine Geschwindigkeit von bis zu zwei Metern pro Sekunde. Außerdem werden bis zu 32 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Meeresenge hindurchgepresst, bevor sich die Floridastraße mit dem warmen Antillenstrom vereinigt und als der uns bekannte Golfstrom entlang der Südostküste der USA Richtung Nordosten weiter fließt. Der Golfstrom wird zu 25% durch die bereits oben beschriebene thermohaline Zirkulation angetrieben, die anderen 75% sind den Winden geschuldet. Dies ist allerdings nur eine grobe Schätzung, da es äußerst schwierig ist, thermohaline und windgetriebene Meeresströmungen voneinander zu trennen, da es bei beiden zu nicht linearen Wechselwirkungen kommt (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.36). Der Einfluss des Windes beschränkt sich dabei auf die oberen Wasserschichten, die je nach Windstärke bis zu einer Tiefe von 50m bis 200m durchmischt werden. Bildlich gesprochen wird das leichte Oberflächenwasser mit geringerer Dichte vom Wind in Richtung Europa getrieben (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.25). Grundsätzlich ist es so, dass Meeresströmungen wie der Golfstrom niemals geradlinig fließen. So weist auch der Golfstrom eine Vielzahl von Mäandern und Wirbeln auf, die sich ständig verändern. Der Golfstrom durchquert getrieben von den Westwinden den Nordatlantik und wird durch den von nordwestlicher Richtung kommenden, kalten Labradorstrom zusätzlich abgelenkt. 30% der Wassermassen fließen dabei in den Subtropischen Wirbel zurück in Richtung Äquator. Die anderen 70% der Wassermassen bilden den Nordatlantikstrom, welcher ein Teil des Golfstroms darstellt und weiter in Richtung Nordwesteuropa fließt (Kehse, 2008, S.443).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Tiefenwasserbildung und Vermischungsprozesse von Golfstrom und Nordatlantikstrom.

Quelle: Kehse, 2008, S.437

Wie man Abbildung 2 entnehmen kann, gibt der Nordatlantikstrom die im Wasser gespeicherte Wärme stetig an die Atmosphäre ab (2). Wobei der Salzgehalt aufgrund fortwirkender Verdunstung immer höher wird (Kehse, 2008, S.444). Die sinkenden

Temperaturen des polwärts fließenden Nordatlantikstroms werden durch zusätzliche Vermischungsprozesse und die weitere Abnahme der Sonneneinstrahlung verstärkt (3). Eine höhere Salzkonzentration und kälteres Wasser bewirken, dass das Strömungswasser auf seinem Weg Richtung Nordosten im Vergleich zu seiner Umgebung immer größere Dichte erlangt und somit schwerer wird (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.33). Der hohe Salzgehalt des Nordatlantikstroms führt dazu, dass dieser, wenn er auf die weniger salzhaltigen Gewässer der Arktisregion trifft, in die tieferen Schichten des Ozeans abstürzt (4) (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.33). Die dadurch entstehenden Umwälzungsprozesse (Tiefenwasserbildung) sind wichtiger Bestandteil der bereits erklärten thermohalinen Zirkulation. Das Tiefenwasser fließt langsam weiter Richtung Süden, dabei taucht ein Teil des nährstoffhaltigen Wassers durch Vermischungsprozesse in Äquartornähe wieder auf (5) und gelangt an die Oberfläche, um die dort von den Passatwinden wegtransportierten Wassermassen zu ersetzen (6). Dieser Vorgang wird als ״upwelling“ bezeichnet (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.277). Das Oberflächenwasser des Golfstroms wird dabei erneut durch die tropische Sonne erwärmt und durch Winde wieder Richtung Europa transportiert (1). Die Wassermassen, die nicht absinken, vermischen sich entweder mit anderen Wasserschichten oder werden mit anderen Strömungen weiterbefördert, um sich irgendwann erneut dem Zyklus der Meeresströmung anzuschließen (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.24).

2.4. Klimatische Auswirkungen des Golf- und Nordatlantikstroms auf Nordwest Europa

Der Golfstrom beschert Europa eine hohe positive Temperaturdifferenz zwischen Wasser und Luft. Ohne den Golfstrom wäre es in großen Teilen Europas im Schnitt fünf bis zehn Grad kälter. Dadurch entsteht eine stabile und andauernde Verdampfungswärme, welche die Hauptenergiequelle der atlantischen Zirkulation über dem Ozean ist. Durch die Winde aus südwestlicher und westlicher Richtung wird die Wärme nach Mittel-, West- und Nordeuropa getragen (Bammel & Fallert-Müller, 2008, S.88). Des Weiteren versorgt der Golfstrom diese Regionen Europas auch mit genügend Niederschlägen, aufgrund dessen ist es möglich, dass an Norwegens Küsten Obstbäume und Gemüse gedeihen und an Irlands Südwestküste sogar Palmen wachsen können (Engeln, 2008, S.338). Die vorliegenden Klimadiagramme verdeutlichen die klimatischen Unterschiede zwischen dem nordamerikanischen Kontinent und dem europäischen. Beide Orte liegen ziemlich genau auf dem nördlichen 58. Breitengrad.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Vergleich zweier Klimadiagramme an West- und Ostküste des Nordatlantiks, auf Höhe des 58. Breitengrads.

Quelle: http ://www. klimadiagramme. de/E uropa/Plots/sola. gif; http://www. klimadiagramme. de/Namerika/Plots/kuujjuaq. gif

Trotz dieser Tatsache ist die jährliche Durchschnittstemperatur in Sola um mehr als 10°c höher als die jährliche Durchschnittstemperatur in Kuujjuaq. Während die Temperaturen in Kujjuag deutlich unter den Gefrierpunkt sinken, beschert der Nordatlantikstrom Sola milde Wintermonate. Dieses Phänomen lässt sich auf die komplette Nordostküste Europas übertragen (s. Abb.4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Abweichung der Oberflächentemperatur vom zonalen Mittelwert.

Quelle: Rahmstorf, 2006, s. 7

Der Wärmetransport des Nordatlantikstroms reicht bis nördlich von Spitzbergen. Wie bereits erwähnt, ist es nicht nur die warme Strömung, die beispielsweise den Hafen von Murmansk eisfrei hält, sondern auch die anhaltenden Winde, welche die freigelassene Wärme der Ozeane in Richtung Festland befördern. Die wärmende Wirkung des Nordatlantikstroms zeigt sich auch im Landesinneren nordeuropäischer Staaten, wenn auch in abgeschwächter Form (Seager, 2002, S.2563). Aus diesem Grund wird der Golfstrom auch als ״Fernheizung“ oder ״Warmwasserheizung Europas“ bezeichnet, der durch seinen Ausläufer, dem Nordatlantikstrom, Europa warme Temperaturen beschert.

2.5. Messmethoden

Für die Erforschung des Golfstroms und seiner klimatischen Bedeutung für Europa waren neue Messmethoden unerlässlich. Anhand dieser sollten neue Daten über Temperatur, Salinität, Strömungsverlauf und Strömungsgeschwindigkeit ermittelt werden. Lange Zeit versuchten Forscher anhand von punktuellen Kurzzeitmessungen das Strömungsverhalten im Nordatlantik zu untersuchen. Seit einigen Jahren haben sich qualitativ bessere, satellitengestützte Messvorrichtungen etabliert, um die Meeresströmungen über längere Zeitspannen zu untersuchen. Eines der aufwändigsten und umfangreichsten Forschungsprojekte ist das internationale ״Argo- Programm“ zur Beobachtung der Weltmeere. Dabei wurden über 3000 Messbojen für einen Zeitraum von acht Jahren in den Ozeanen ausgesetzt. Die Treibsonden sanken dabei auf eine Tiefe von bis zu 2000m. Im Zehn-Tages-Rhythmus stiegen die Treibsonden an die Oberfläche, um ein Temperaturprofil sowie weitere Messdaten per Satellit an Verrechnungszentralen weiterzuleiten. Um eine höhere Messgenauigkeit gewährleisten zu können, werden alle Daten mit Beobachtungen weiterer Satelliten verglichen (Roemmich, Boebel & Freeland, 1998, S.3).

2.6. Kritische Auseinandersetzung mit Medienberichten

Immer wieder hört man in den Medien vom Versiegen des Golfstroms und einem damit verbundenen Abbruch des Wärmetransports für Europa. So schrieb beispielsweise Die Welt in ihrer Onlineausgabe am 23.01.2017: ״Forscher prophezeien Kollaps des Golfstroms“ Aufgrund seiner wichtigen Bedeutung für die klimatischen Verhältnisse in Europa gibt es immer wieder Bedenken bei der betroffenen europäischen Bevölkerung. Kritisch zu beurteilen sind dabei die immer wiederkehrenden Falschmeldungen. Oftmals wird von journalistischer Seite keine Differenzierung zwischen den Begriffen Golfstrom und Nordatlantikstrom vorgenommen. Somit ist es wie vorhin bereits erwähnt der

Nordatlantikstrom, der die warmen Wassermassen des Golfstroms nach Nordwest Europa transportiert. Dieser Fakt wird von den meisten Medienberichten aber völlig außer Acht gelassen und nicht berücksichtigt. Möglicherweise weil die meisten Journalisten befürchten, ihre Leser damit zu überfordern (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.146).

Nach heutigem Wissensstand ist ein vollständiges Versiegen des Golfstromsystems auszuschließen (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.146). Begründen lässt sich diese Annahme damit, dass wie bereits erwähnt, die Strömungen überwiegend von Winden angetrieben werden, welche wiederum auf die Corioliskraft zurückgehen. Setzt man voraus, dass die Erde sich weiter um ihre Achse dreht, werden die Winde nicht aufhören, sondern sich allenfalls geringfügig um wenige Längengrade verschieben (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.34). Somit sind die Medienberichte, die über ein Versiegen des Golfstroms berichten, letztendlich auf eine begriffliche Unschärfe zurückzuführen (Rahmstorf & Richardson, 2007, s.146). Eine Abschwächung, Richtungsänderung bzw. auch ein Versiegen des nördlichen Golfstromausläufers (Nordatlantikstrom) scheint hingegen möglich. Forscher haben in diesem Zusammenhang versucht anhand von Modellrechnungen und Klimasimulationen bestimmte Komponenten zu beeinflussen, die den Nordatlantikstrom beeinflussen könnten. In ihren Modellannahmen kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass vor allem ein Umstürzen des Nordatlantikstroms in der Arktisregion kritisch zu beurteilen wäre, da dies zu einer Veränderung der Tiefenwasserbildung führen würde. Die Tiefenwasserbildung in der Arktisregion ist für das Bestehen der nordatlantischen Strömung von enormer Bedeutung und kann durch äußere Einflüsse durchaus zum Versiegen gebracht werden (Rahmstorf & Richardson, 2007, S.147).

3. Einflussfaktoren, die den Nordatlantikstrom belasten und zum Versiegen bringen könnten

Für Forscher ist es von hohem Interesse herauszufinden, wie sensibel das Golfstromsystem und der damit verbundene Nordatlantikstrom sind und inwieweit äußere Einflüsse darauf einwirken. Ziel ist es daher herauszufinden, wo sich mögliche Schwachstellen und Angriffspunkte herausbilden. Den stärksten Einfluss auf den Nordatlantikstrom hat die anthropogene Klimaerwärmung. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es im Verlauf der Erdgeschichte immer wieder zu klimatischen Veränderungen kam, welche natürlichen Ursprungs waren. Auch heutzutage unterliegt die Erde natürlichen klimatischen Schwankungen. Somit sind die im Folgenden aufgelisteten Punkte letztendlich nicht ausschließlich auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen, sondern auch zu einem geringen Teil auf die natürlichen klimatischen Veränderungen. Nichtsdestotrotz sind viele der seit 1950 beobachteten klimatischen Veränderungen, in diesem Ausmaß über Jahrzehnte bis Jahrtausende zuvor noch nie aufgetreten und somit definitiv auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen (Pachauri & Meyer, 2014, S.40). Daher richtet diese Arbeit im Folgenden ihren Fokus auf die anthropogene Klimaerwärmung, da sie nach aktuellen wissenschaftlichen Stand Hauptverursacher der globalen Erwärmung ist und somit auch das Strömungsverhalten des Nordatlantikstroms maßgeblich beeinflusst.

[...]

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Der Golfstrom in Zeiten der anthropogenen Klimaerwärmung. Auswirkungen und Folgen für Europa
Autor
Jahr
2017
Seiten
37
Katalognummer
V445367
ISBN (eBook)
9783668821378
ISBN (Buch)
9783668821385
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Golf, Klimaerwärmung, Europa, Klima, Meer, Wasser, Strömung, Erwärmung
Arbeit zitieren
Philip Müller (Autor:in), 2017, Der Golfstrom in Zeiten der anthropogenen Klimaerwärmung. Auswirkungen und Folgen für Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/445367

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