Das Gesicht der DDR-Opposition im Zuge der Entspannungspolitik der 70er Jahre


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

35 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Einige Worte zur Wahl des Themas
1.2 Zielstellungen der Arbeit

Hauptteil

2 Politische Relevanzen in der Honecker - Ära der 70er - Jahre
2.1 Deutsch - deutsche Politik der Annäherung
2.1.1 Das Transitabkommen von 1971
2.1.2 Der Grundlagenvertrag von 1972
2.1.3 Die neue Ostpolitik unter Willy Brandt
2.2 Die zunehmende Anerkennung der DDR auf intern. Ebene
2.3 Tendenzen des Wandels in der Kirchenpolitik der DDR - Führung in den 70er - Jahren

3 Gesichter der Opposition
3.1 Die Blockparteien
3.2 Das „Oppositionspotential Jugend“ im Focus
3.3 Oppositionelle Strömungen im Schutzraum Kirche
3.3.1 Kirche für alle - Offene Arbeit
3.3.2 Kirche und Umweltfrage
3.3.3 Kirche und Menschenrechtsdebatte
3.3.4 Gesichter der Friedensbewegung in der Kirche
3.3.4.1 Die Forderung nach militärischer Entspannung
3.3.4.2 Kirche gegen Militarisierung des persönl. Lebens
3.3.4.3 Unterstützung für Totalverweigerer und Bausoldaten
3.4 Opposition als Reaktion auf einen pervertierten Marxismus
3.4.1 Rudolf Bahro
3.4.2 Wolf Biermann
3.4.3 Robert Havemann

Resümee

Anlagen

1. Vertrag: KSZE - Schlussakte vom 1. August 1975

2. Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR, 21. Dezember 1972

Das Gesicht der DDR - Opposition im Zuge der allgemeinen Entspannungspolitik der 70er Jahre - Fakten, Namen, Hintergründe.

1. Einleitung

1.1 Einige Worte zur Wahl des Themas

Im Proseminar „Einführung in das parlamentarische Regierungssystem der BRD“ (WS 02/03; Prof. Lösche) diente uns das Werk „Grundzüge des politischen Systems Deutschlands“ von Kurt Sontheimer und Wilhelm Bleek als Primärliteratur, Sontheimer und Bleek beschäftigen sich in ihren Buch auch mit der Geschichte des „zweiten deutschen Staates“ - der DDR. Innerhalb dieser Beschäftigung erwähnen sie die „zwischendeutsche Normalisierung“[1] zu Beginn der 70er Jahre, den KSZE - Prozess und eine erstarkende Oppositionsbewegung in diesen Jahren.[2]

Diese Fragmente erschienen mir als interessant genug, um sie in einer Hausarbeit zu vertiefen.

1.2 Zielstellungen der Arbeit

Vörderstes Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, inwieweit sich die eher liberalisierten Bedingungen der 70er Jahre auf oppositionelle Strömungen[3] in der DDR auswirkten.

Es sollen wesentliche politische Relevanzen und Ergebnisse der Zeit aufgezeigt werden, die die Herausbildung einer relativ „systemimmanenten Opposition“[4] begünstigten.

In einem weiteren Schritt soll dann ein Überblick über wesentliche Gruppierungen und Personen gegeben werden, die für die Protestbewegung gegen die SED - Politik prägnant waren. Hierzu ist zu sagen, dass nicht alle Akteure der oppositionellen Bewegungen erwähnt werden können, insbesondere kleinere Gruppierungen[5] und einzelne Protagonisten können - mit Blick auf den begrenzten Umfang dieser Arbeit - nicht genannt werden.

An dieser Stelle sind weitere Einschränkungen hinsichtlich der qualitativen Ausprägung der zu untersuchenden Oppositionsstrukturen notwendig. Der Focus ist klar auf die Zeit nach Honeckers Machtantritt (1971) gerichtet, als die DDR auf der „diplomatischen Anerkennungswelle“[6] schwamm. Die Ausprägungen legaler Opposition, die bereits im Vorfeld der politischen Neuerungen existierten - in erster Linie sind hier die Versuche einer parlamentarischen Opposition seitens der demokratischen Parteien (z.B. CDU, LDPD) gemeint - werden allenfalls marginal erwähnt, da diese in ihrem repressiven Dasein oft eine Schattenexistenz in Kauf nehmen mussten.

Weiterhin steht bewusst die Betrachtung des aktiven Widerstandes im Vordergrund, des Widerstandes, der ernsthaft den Konflikt mit den Herrschenden suchte und gestaltete[7], die vielfältigen Formen der größtenteils unpolitischen, passiven Gegnerschaft[8] sollen hier nicht betrachtet werden.

Abschließend noch eine, mir notwendig erscheinende, Eingrenzung, ein Großteil der nichtkirchlichen (intellektuellen) Opposition fühlte sich der sozialistischen Theorie von Marx verpflichtet, und gründete sich gerade aus der Erkenntnis heraus, realisiert zu haben, dass der real existierende Sozialismus „eine prinzipiell andere Ordnung als die in der sozialistischen Theorie von Marx entworfene“[9] darstellt.

Obwohl ich auf diese Differenz, als Grund für die Herausbildung einer marxistisch geprägten Opposition, eingehen werde, kann es die Arbeit nicht leisten, eine Analyse über den „verratenen und verdorbenen Marxismus“[10] zu erstellen.

2. Politische Relevanzen in der Honecker - Ära der 70er Jahre.

2.1 Deutsch - deutsche Politik der Annäherung

Im Mai 1971 (auf der 16. Tagung des ZK) trat Erich Honecker die Nachfolge des zum Rücktritt getriebenen Walter Ulbricht an. Kurz darauf, vom 15. - 19.Juni 1971, findet der VIII. Parteitag der SED in Ost - Berlin statt.

Honecker macht dort unmissverständlich klar, dass er Ulbrichts Experiment „ partielle Selbständigkeit gegenüber der Sowjetunion zu praktizieren“[11] beenden wird, und sich ideologisch wieder auf den Weg des „Vaterlandes aller Werktätigen“[12] begibt. Die Aufnahme des sowjetischen Gleichschrittes wird insbesondere deutlich durch die Unterzeichnung des Freundschafts- und Beistandsvertrages[13] mit der UdSSR.

Damit einher ging eine sofortige (neuerliche) verstärkte ideologische Abgrenzung zur BRD, was in der historischen Verfassungsänderung zum 25. Jahrestag der DDR 1974 gipfelte, in der alle Hinweise auf die „deutsche Nation“ getilgt wurden. In diesem Sinne straffte Honecker noch einmal die Partei und forderte „eiserne Disziplin“[14].
Allerdings war diese ideologische Abgrenzungspolitik bereits zu einem großen Teil eine Reaktion auf eine sich in den letzten Jahren abzeichnende qualitative Veränderung im weltpolitischen Geschehen. Beide deutsche Staaten folgten dem Kurs der Supermächte, folgten der internationalen Entspannungspolitik. Insbesondere die erste Phase der Honeckerschen Außenpolitik ist gekennzeichnet durch politische Erfolge auf breiter Ebene, einige wesentliche Ergebnisse, unter besonderer Berücksichtigung der deutsch - deutschen Frage, werde ich hier kurz darstellen:

2.1.1 Das Transitabkommen von 1971

Nach der Unterzeichnung des Viermächteabkommens[15] beginnen die Verhandlungen über die Einzelheiten des Transitverkehrs zwischen der DDR und der BRD. Diese Einzelheiten, so ein Ergebnis des Viermächteabkommens, müssen von den beiden deutschen Staaten selbst ausgehandelt werden.

Nach langen Verhandlungen, unterzeichneten beide Parteien[16] am 17. Dezember 1971 das Transitabkommen, welches einschneidende Verbesserungen im Personen- und Güterverkehr zwischen beiden Ländern beinhaltete.

2.1.2 Der Grundlagenvertrag von 1972

Am 21. Dezember 1972 unterzeichnen beide deutsche Länder, wieder vertreten durch Bahr und Kohl, den Grundlagenvertrag.

Hierin wird der Wille zu „normalen gutnachbarlichen Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung“[17] bekräftigt.

Außerdem kommt es seitens der BRD de facto zur staatlichen Anerkennung der DDR.[18] Beide Länder tauschten ständige Vertretungen aus.

Die Parteien verpflichteten sich zur Wahrung der Menschenrechte und zur Nichtdiskriminierung[19].

„ Der Grundlagenvertrag (...) war ein Kompromißprodukt, bei dem beide Seiten von ihren Maximalpositionen Abstand nehmen mußten. Als Geschäftsgrundlage bilateraler Beziehungen aber konnte er immerhin dienen.[20]

2.1.3 Die neue Ostpolitik unter Willy Brandt

Wenn wir über starke positive Bewegungen (Erfolge) innerhalb der DDR - Außenpolitik zu Beginn der 70er Jahre sprechen, so müssen wir auch das Verhalten der damaligen sozial - liberalen Bundesregierung unter Willy Brandt betrachten.

Diese schuf mit ihrem Weg der Vertragspolitik eine wesentliche Grundlage für die Politik der Annäherung beider Länder.
Gegen den teilweise sehr heftigen Widerstand seitens der Opposition wurde vom Kurs der Nichtanerkennungspolitik abgegangen, herausragende Fixpunkte des neuen politischen Kurses waren die staatsrechtliche Anerkennung der DDR (Grundlagenvertrag) und der Verzicht auf die Hallstein - Doktrin[21].

Zum Kurs der deutsch - deutschen Annäherung nach der Machtübernahme Honeckers ist noch folgendes zu sagen, es handelte sich hier nicht um ein plötzliches Entdecken der Bruderliebe, vielmehr war es ein von Moskau gesteuerter Kurs, um die leeren Kassen der sich in der Krise befindenden sozialistischen Planwirtschaft mit westlichen Devisen zu füllen. Dietrich Staritz bringt es auf den Punkt, wenn er von „außenwirtschaftlich bewirkten Modernisierungszwängen“[22] spricht.

Dies zeigen auch die Ergebnisse des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971), kurz nach Honeckers Machtantritt.

Es wird die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ beschlossen, um das „materielle und kulturelle Lebensniveau der Menschen in der DDR zu erhöhen“[23] und somit „das Glück des Volkes“[24] zu fördern.

Dieser Anspruch allerdings bedurfte „fremder“ Hilfe, und somit einer Öffnung der Außenpolitik gen Westen.

2.2 Die zunehmende Anerkennung der DDR auf

internationaler Ebene

Im Zuge der zwischendeutschen Normalisierung und der internationalen Entspannungspolitik kommt es zu einer verstärkten internationalen Anerkennung der DDR. Die „internationale völkerrechtliche Anerkennung“ war ebenso wie „der Aufbau normaler Beziehungen zur BRD“ eine wesentliche Zielstellung des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971).

Insgesamt 63 Staaten erkennen in der Folge die DDR an, darunter auch 1974 die USA, außerdem kommt es im September 1973 zur Aufnahme in die Vereinten Nationen.

Als Höhepunkt der Honeckerschen Außenpolitik dieser Zeit muss aber sicher die Beteiligung am KSZE - Prozess gelten. Dieser wurde bereits 1972 „durch vorbereitende Konsultationen in Helsinki“[25] eingeleitet, und findet ebenfalls in der finnischen Hauptstadt seinen Höhepunkt mit der Unterzeichnung der Schlussakte am 1. August 1975.

„Es kennzeichnet die Helsinki - Erklärung, daß sie erstmalig sicherheitspolitische und humanitäre Anliegen in Verbindung miteinander bringt.“[26]

[...]


[1] Sontheimer, K.; Bleek W.: Grundzüge des politischen Systems Deutschlands. 14.aktualisierte Ausgabe. München: Piper Verlag 2002. S.79.

[2] Vgl. ebd. S.80.

[3] Der Begriff „Opposition“ im „Einparteienstaat“ war und ist in diesem Zusammenhang umstritten.

[4] Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR. 2. Aufl. Berlin: Links, 1998. S.201.

[5] Hiermit sind in erster Linie viele Gruppierungen gemeint, die sich im Schutz der relativen Autonomie der Kirche organisierten, oder aber auch kommunistische Randgruppen (wie z.B. die KPD/ML - die DDR - Sektion der KPD, die 1975 gegründet wurde).

[6] Ehring,K.; Dallwitz: Schwerter zu Pflugscharen. Friedensbewegung in der DDR. Hamburg: Rowohlt; 1982.

[7] Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR. 2. Aufl. Berlin: Links, 1998. S.27.

[8] Hiermit meine ich in erster Linie die immer vorhandenen Flucht- und Auswanderungstendenzen, aber auch subtile, oft nicht sichtbare, den Störenden selbst häufig kaum bewusste Formen des passiven Widerstandes, beispielsweise Defizite im Hinblick auf die Arbeitsmoral.

[9] Bahro, Rudolf: Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus. Köln: Europ. Verlagsanstalt, 1977. S.14.

[10] Ebd. S. 282.

[11] Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949 - 1989. 2. Aufl. Berlin: Links, 1998.

S. 203.

[12] Sontheimer K.; Bleek W.: Grundzüge des politischen Systems Deutschlands. München:

Piper Verlag, 2001. S. 77.

[13] Der Vertrag über „ Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ wurde am 7. Oktober 1975 in Moskau unterzeichnet, die DDR - Führung bekennt sich klar zur Annäherung an den sozialistischen „großen Bruder“.

[14] Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949 - 1989. 2. Aufl. Berlin: Links, 1998.

S. 203.

[15] Das Viermächteabkommen wurde am 3. September 1971 von den vier Siegermächten unterzeichnet, die Sowjetunion garantiert darin den ungehinderten Transitverkehr zwischen der BRD und West - Berlin.

[16] Die Verhandlungen führten auf der einen Seite der Staatssekretär der BRD, Egon Bahr, und auf der anderen Seite der Staatssekretär beim Ministerrat der DDR, Michael Kohl.

[17] Auszug aus dem Grundlagenvertrag (Artikel 1).

[18] Vgl. ebd. Artikel 6.

[19] Vgl. ebd. Artikel 2

[20] Escher, Markus: Die Neuorientierung der DDR - Außenpolitik unter Erich Honecker.

http://www. hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/poj/18905.html (Februar 2003).

[21] 1955 aufgestelltes Programm für die Außenpolitik der BRD, das besagt, dass die BRD als einzige Rechtsnachfolgerin des Dt. Reiches berechtigt ist, dipl. Vertretungen im Ausland zu unterhalten.

[22] Staritz, Dietrich: Tendenzen des Wandels im politischen System der DDR. In: Die DDR in der Ära Honecker. Politik - Kultur - Gesellschaft. Hrsg. von Gert Joachim Glaeßner. Opladen: Westd. Verlag, 1988. S. 297.

[23] http;//www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/KontinuitaetUndWandel/Entw...

[24] Ebd.

[25] Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949 - 1989. 2. Aufl. Berlin: Links, 1998.

S. 210.

[26] Ehring, Klaus; Dallwitz, Martin: Schwerter zu Pflugscharen. Friedensbewegung in der DDR. Hamburg: Rowohlt, 1982. S. 39.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Das Gesicht der DDR-Opposition im Zuge der Entspannungspolitik der 70er Jahre
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Sozialwiss. Institut.)
Veranstaltung
Einführung in das polit. System der BRD
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
35
Katalognummer
V44519
ISBN (eBook)
9783638421058
ISBN (Buch)
9783638657563
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesicht, DDR-Opposition, Zuge, Entspannungspolitik, Jahre, Einführung, System
Arbeit zitieren
Maik Hemmecke (Autor:in), 2003, Das Gesicht der DDR-Opposition im Zuge der Entspannungspolitik der 70er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44519

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