Wohlfahrtsstaatpräferenzen. Wie regionales soziales Vertrauen die individuelle Einstellung gegenüber dem Wohlfahrtsstaat beeinflusst


Forschungsarbeit, 2017

40 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Bisherige Forschungsergebnisse
2.2. Hypothesen

3. Daten, Variablen und Methode
3.1. Datensatz und Analysestrategie
3.2. Unabhängige Variablen
3.3. Abhängige Variable
3.4. Kontrollvariablen

4. Deskriptive Analysen

5. Ergebnisse Mehrebenenanalyse
5.1. Zwei Ebenen Model
5.2. Drei-Ebenen-Modell
5.3. Robustheitstests

6. Zusammenfassung und Diskussion

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Soziales Vertrauen ist ein wichtiges gesellschaftliches Gut, das in der Soziologie bereits häufig untersucht und dabei meistens als Charakteristikum des einzelnen Individuums betrachtet wurde. Dabei definiert sich soziales Vertrauen, welches auch als generalisiertes oder interpersonales Vertrauen bezeichnet wird, als „Glaube, dass man den meisten Menschen Vertrauen kann“ (Jensen und Svendsen 2011 ร. 3) und bezieht sich dabei vor allem auf Individuen außerhalb der engeren Netzwerke von Familie und Freunde. Davon zu unterscheiden, ist das sogenannte partikularistische Vertrauen, welches sich hingegen darauf bezieht, dass man Per­sonen aus seinem Freundeskreis und vor allem der eignen Familie vertrauen kann (Jensen und Svendsen 2011; Pitlik und Kouba 2015).

In der bisherigen Forschung, wurde bereits der Einfluss sozialen Vertrauens auf unterschiedlichste Phänomene wie Lebenszufriedenheit, Wirtschaftswachstum, Stabilität von Demokratien, Wahlpräferenzen oder Gesundheit analysiert (Beming und Ziller; Delhey und Newton 2003). Ziel dieser Forschungsarbeit, soll es ทนท sein näher zu betrachten, welchen Effekt soziales Vertrauen auf Wohlfahrtsstaat­präferenzen hat. Allerdings soll soziales Vertrauen dabei nicht als Individualvari­able betrachtet werden, sondem als Kontextressource, die zwischen verschiedenen Wohngebieten variiert und die dort lebenden Personen beeinflusst. Im Detail soll untersucht werden, wie Unterschiede im regionalem sozialen Vertrauen (Makro­ebene), die Einstellungen der Individuen zum Wohlfahrtsstaat (Mikroebene) be­einflusst. Dabei soll im Besonderen auch auf einen möglichen moderierenden Ef­fekt von ökonomischen Faktoren eingegangen werden. Dieser Zusammenhang war auf Länderebene bereits Thema mehrerer anderer Studien (vgl. Voicu und Voicu 2011; Jensen und Svendsen 2011; Pitlik und Kouba 2015; Daniele und Geys 2015).

Im weiteren Verlauf dieser Forschungsarbeit, werde ich zunächst auf Theorien und bisherige empirische Studien eingehen, die sich mit Ursprüngen von sozialem Vertrauen und seinem Einfluss auf Einstellungen allgemein befasst haben, sowie mit den Detemiinanten, die die Einstellungen des Einzelnen gegenüber Umvertei­lung bzw. dem Wohlfahrtsstaat bestimmen. Im Anschluss daran, werde ich meine auf Basis der bisherigen Theorien abgeleiteten Hypothesen vorstellen, bevor ich näher auf die für die empirischen Analysen benutzen Daten und Variablen, als auch meine Analyse Strategie eingehen werde. Danach folgen noch einige erste deskriptive Analysen, die die genutzten Daten und Variablen näher beschreiben sollen, bevor ich mit der Darstellung der Zwei-Ebenen- und Drei-Ebenen-Modelle (Kap. 5.1. bzw. 5.2.) fortfahre. Zum Test meines Modells werden dann noch eini­ge Robustheitstest durchgeführt, deren Ergebnisse in Kapitel 5.3. näher beschrie­ben sind. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und diskutiert deren Implikationen für mögliche weitere Forschung.

2, Theoretischer Hintergrund

2,1, Bisherige Forschungsergebnisse

Beschäftigt man sich mit den Detemiinanten von sozialem Vertrauen, erkennt man, dass eine enge Verbindung zur Theorie des sozialen Kapitals besteht. Sozia­les Vertrauen ist, neben sozialen Netzwerken und Normen der Solidarität, eine Manifestation von sozialem Kapital und wird oftmals als Hauptindikator bei Ana­lysen diesbezüglich genutzt (Delhey und Newton 2003; Voicu und Voicu 2011). Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kann soziales Vertrauen sowohl als Indivi­dualvariable, als auch als Kontextvariable betrachtet werden. Da es Ziel dieser Arbeit ist, soziales Vertrauen als Charakteristikum der Region zu analysieren, werde ich im Folgenden nur kurz auf die individuellen Determinanten eingehen und im Anschluss ausführlicher die gesellschaftlichen Einflussfaktoren beschrei­ben.

Auf Individuallevel gibt es verschiedene Theorieansätze, um die Entstehung von sozialem Vertrauen zu erklären. Dabei wird soziales Vertrauen allgemein als eine Eigenschaft des Individuums gesehen, welche durch demographische Merkmale wie Alter bzw. Geschlecht oder Lebenserfahrungen beeinflusst wird. Demnach verfügen jene Individuen eher über ein hohes soziales Vertrauen, die positive Er­fahrungen gemacht haben und zu den „Gewinnern der Gesellschaft“ gehören (Delhey und Newton 2003, ร.96), während Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, Ar­mut oder soziale Ausgrenzung das generalisierte Vertrauen verringern. Gleichzei­tig gibt es aber auch die theoretische Annahme, das soziales Vertrauen eine Per­sönlichkeitseigenschaft ist, die eng mit anderen Charakteristika wie Optimismus und Kontrolle verbunden ist, die bereits in der frühen Kindheit, während der Sozi- alisation, erlernt wird und sich danach kaum mehr verändert (Delhey und Newton 2003; บร!ander 2002; บร!ander 2004).

Beim zweiten Theorieansatz, wird soziales Vertrauen dagegen nicht als Eigen­schaft des Individuums gesehen, sondern als ein Charakteristikum der Gesell­schaft in der das Individuum lebt (Delhey/Newton 2003; Putnam 2000). Zum ei­nen argumentieren Rothstein und บร!ander (2005), dass Individuen mit hohem sozialem Vertrauen dieses zeigen, weil sie in ihrer Gesellschaft einen hohen mora­lischen Standard wahmehmen, der ein Gefühl von Solidarität mit Anderen vermit­telt und dazu fährt, dass man sich für Schwächere in der Gesellschaft verantwort­lich fühlt (Rothstein und บร!ander 2005). Des Weiteren, diskutieren Delhey und Newton (2003) vier verschiedene Theorieansätze bezüglich der Determinanten von sozialem Vertrauen auf Kontextebene. So geht beispielsweise die sogenannte „voluntary organiation theory“ davon aus, das Gesellschaften, in denen es viele Freiwilligenorganisationen gibt, sich auch durch ein höheres soziales Vertrauen auszeichnen. Dies liegt laut den Autoren darin begründet, dass man durch Enga­gement in Freiwilligenorganisationen und dem damit einhergehendem engen Kon­takt zu Anderen, reziprokes Verhalten, Kooperation und Vertrauen erlernt. Die Gültigkeit der „voluntary organisation“ Theorie ist allerdings nicht unangefoch­ten. So berufen sich Rothstein und บร!ander (2005) auf eine empirische Analyse, in der keiner der Indikatoren zum Test dieser Theorie signifikant war und argu­mentieren stattdessen, dass ökonomische Gleichheit bzw. Ungleichheit, neben Chancengleichheit, Hauptursache für soziales Vertrauen ist.

Als zweites, nennen Delhey und Newton (2003) die Theorie der sozialen Netz­werke, die davon ausgeht, dass die Anzahl der Kontakte bzw. Freunde ein Indika­tor für die soziale Integration des Individuums in die Gemeinschaft ist. Diese Ein­bindung in lokale Netzwerke, geht wiederum einher mit einer höheren Verfügbar­keit von Unterstützung im Falle von persönlichen Krisen und steigert somit das Vertrauen in die Mitmenschen. Des weiterem kann zur Erklärung von variieren­dem sozialem Vertrauen zwischen Regionen, die „community theory“ herangezo­gen werden, die von einer Korrelation zwischen sozialen Vertrauen und verschie­denen Eigenschaften der Regionen ausgeht. Demnach, sollte es Variationen im regionalem sozialem Vertrauen in Bezug auf die Größe der Region, der Zufrie­denheit mit der Region und der wahrgenommenen Sicherheit geben. Die „societal theory“, als vierte beschriebene Theorie, legt im Gegensatz zur „community theo­ry“, ihren Fokus nicht auf einzelne Gemeinden bzw. Regionen, sondern auf die Länderebene und argumentiert für den signifikanten Einfluss von wahrgenomme­nen Konflikten und Polarisation zwischen Gruppen in einer Gesellschaft. Dem­nach führen große Einkommensungleichheiten, soziale Spannungen zwischen sozialen Klassen oder auch eine hohe ethnische Diversität zu einer Verringerung des sozialen Vertrauens (Delhey und Newton 2003; Welch et al 2005).

In der bisherigen Forschung zum Thema Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat, gibt es ebenfalls verschiedene Theorieansätze, die ihren Fokus, wie die Theorien zum sozialem Vertrauen, entweder auf den Einfluss individueller Eigenschaften oder den Effekt von Länderfaktoren legen. Auf der Ebene der individuellen Eigen­schaften beziehen sich Erklärungen zu Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat meis­tens entweder auf Ideologien oder Wertevorstellen des Individuums oder die An­nahme des Eigeninteresses (Voicu und Voicu 2011). Der Untersuchungsgegen­stand beim ersten Ansatz war in bisherigen Studien hauptsächlich der unterschied­liche Einfluss von politischen und materialistischen Werten. So zeigt sich sowohl eine stärkere Zustimmung zum Wohlfahrtsstaat bei Materialisten, als auch bei Personen, die politisch eher links gerichtet sind. Die Theorie des Eigeninteresses argumentiert dagegen, dass die Zustimmung zur staatlichen Sozialpolitik größer bei jenen Personen ist, die von dieser besonders profitieren. Zu diesen Gruppen zählen vor allem Ältere und Rentner, Personen mit niedrigen sozialem Status und Bildungsniveau, sowie Frauen und Arbeitslose. Um diese Faktoren und ihren möglichen meditierenden Einfluss auf den Zusammenhang zwischen sozialen Vertrauen und Einstellungen gegenüber dem Wohlfahrtsstaat zu berücksichtigen, werde ich diese in den Analysen als Kontrollvariablen auf Individualebene in die Analysen integrieren (siehe Kapitel 3.4.). Bezüglich der Länderfaktoren, lag der Fokus vergangener Studien zu meist auf der Untersuchung des Effekts des Wohl­fahrtsstaattyps oder ökonomischen Faktoren wie Arbeitslosenquote und Einkom­mensungleichheit (Voicu und Voicu 2011; Rothstein und Uslander 2005). Bishe­rige Studien zeigten, dass die Zustimmung zur Umverteilung in sozialdemokrati­schen Wohlfahrtsstaaten besonders hoch ist, moderat in konservativen und medi­terranen Wohlfahrtsstaaten und nur niedrig in den Liberalen (Rothstein und Us­lander 2005). Während der Wohlfahrtsstaattyp konstant für alle Regionen eines Landes ist, können die ökonomischen Faktoren nicht nur zwischen Ländern, son- dem auch zwischen Regionen innerhalb eines Landes signifikant variieren, was die Relevanz begründet, diese als Kontrollvariablen auf Kontextebene in den Ana­lysen zu berücksichtigen.

Eine Studie, die sich bereits explizit mit dem Zusammenhang von sozialem Ver­trauen und Wohlfahrtsstaateinstellungen in europäischen Ländern befasst hat, sieht soziales Vertrauen als eine notwendige Bedingung für die Ermöglichung von Geldtransfers in Wohlfahrtsstaaten, da diese die Erwartung erhöht, dass auch an­dere ihren Beitrag leisten und das Risiko von Free Rider Problemen reduziert wird (Jensen und Svendsen 2011). In ihrer Studie argumentieren die Autoren, das es zwei Typen von sozialen Vertrauen gibt, das generalisierte und das partikularisti- sche, die erklären, warum Personen in verschiedenen Wohlfahrtsstaatarten bereit zur monetären Umverteilung sind. Dabei definieren Jensen und Svendsen (2011), generalisiertes soziales Vertrauen als Vertrauen in Personen außerhalb von Fami­lie und Freundeskreis, welches die große Bereitschaft zur Umverteilung in sozial­demokratischen Wohlfahrtsstaaten erklärt. Auf der anderen Seite, steht das parti- kularistische soziale Vertrauen, dass als „Vertrauen in den wohlbekannten Ande­ren“ (Jensen und Svendsen 2011, ร. 4) definiert ist und laut den Autoren erklärt, warum Umverteilung in konservativen Wohlfahrtsstaaten funktioniert. In Ländern mit diesem Typ Wohlfahrtsstaat, sind die wohlfahrtsstaatlichen Programme fami­liär orientiert, so dass die Bürger zu deren Finanziemng bereit sind, Steuern und Sozialversichemngsbeiträge zu bezahlen, weil sie darauf abzielen, die traditionelle Familie als „kleinste soziale Einheit “ (Jensen und Svendsen 2011, ร. 5) zu unter­stützen.

In der Studie von Voicu und Voicu (2011) sehen diese soziales Vertrauen, neben sozialen Netzwerken, als eine informelle Forni von sozialem Kapital und untersu­chen dessen Effekt auf Wohlfahrtsstaateinstellungen im Vergleich zu formellen Sozialkapital wie Vertrauen in Institutionen und dem Engagement in Freiwilli­genorganisationen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass generalisiertes soziales Vertrauen einen negativen Effekt auf die Einstellung zum Wohlfahrtsstaat hat und begrün­den dies damit, dass Individuen mit einem hohen sozialen Vertrauen über viele soziale Kontakte, sowie über ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit verfügen und sich daher weniger auf staatliche Unterstützungssysteme verlassen. Gleichzei­tig argumentieren die Autoren aber auch, dass generalisiertes soziales Vertrauen Misstrauen gegenüber Mitmenschen, sowie die Erwartung von Sozialmissbrauch reduzieren sollte und so zu einem höheren Zustimmungswert zu Sozialprogram­men führen könnte und regen zu weiterer Forschung diesbezüglich an.

Interessant ist auch die Stadie von Algan et al. (2015), die die Größe des Wohl­fahrtsstaates, gemessen an den Sozialausgaben, in Abhängigkeit vom sozialen Vertrauen untersuchen und mit ihren Ausführungen, sowohl die starke Zustim­mung zum Wohlfahrtsstaat in Ländern mit hoher, als auch mit niedriger Ausprä­gung von sozialen Vertrauen erklären können. Im Detail zeigen die Autoren, dass transparente und effektive Wohlfahrtsstaaten nur unterstützt werden, wenn ein hoher Anteil vertrauensvoller Individuen in der Gesellschaft lebt. Gleichzeitig, können aber auch intransparente Wohlfahrtsstaaten überleben, da sie von einem hohen Anteil nicht vertrauensvoller Bürger unterstützt werden, die von sozialen Leistungen profitieren wollen, ohne sich an den Kosten dieser zu beteiligen.

Von besonderem Interesse für das vorliegende Projekt, ist die Studie von Daniele and Geys (2015), da diese zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozia­lem Vertrauen und Wohlfahrtsstaateinstellungen, ebenfalls die vierte Welle des European Social Survey von 2008 nutzen (zur näheren Beschreibung der Daten siehe Kapitel 3). Im Detail analysieren Daniele und Geys, wie sich das generali­sierte soziale Vertrauen und die wahrgenommene Fairness Anderer, auf die Zu­stimmung zu Steuererhöhungen zwecks Finanzierung von Sozialleistungen aus­wirkt. Ihre Ergebnisse zeigen sowohl einen positiven Effekt von generalisiertem sozialen Vertrauen, als von Fairness auf die Zustimmung zur Umverteilung. Dies lässt die Interpretation zu, dass Personen mit stärker ausgeprägtem generalisierten sozialem Vertrauen eher bereit sind höhere Steuern zu bezahlen, wenn diese der Finanzierung von Sozialleistangen dienen. Wichtig ist in der Studie von Daniele und Geys (2015) auch das institutionelle Vertrauen, welches misst, wie groß das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen wie etwa die Polizei, das Rechts­system oder das Parlament ist. So kontrollieren die Autoren bei ihren Analysen für den Effekt von institutionellen Vertrauen auf Individual- und Kontextniveau, wobei bei letzterem der sogenannte CPI (Corruption Perception Index) als Proxy genutzt wird und testen ebenfalls auf eine mögliche moderierende Wirkung von institutionellen Vertrauen auf den Effekt von sozialen Vertrauen bzw. Fairness auf die Wohlfahrtsstaateinstellung. Dabei zeigt sich, dass der beobachtete positive Zusammenhang von sozialem Vertrauen und wahrgenommener Fairness der Mit­bürger, unabhängig vom institutioneilen Vertrauen ist. Gleichzeitig zeigen die Autoren aber auch, dass für beide unabhängigen Variablen eine signifikant positi­ve Interaktion mit dem Corruption Perception Index besteht, welche einen positi­ven Zusammenhang zwischen Wohlfahrtsstaatunterstützung und Fairness bzw. sozialen Vertrauen in Ländern mit geringer Korruption bestätigt. Weiterer Beleg für die Wichtigkeit des institutionellen Vertrauens für die Zustimmung zum Wohlfahrtsstaat, liefert ebenfalls die Studie von Rothstein und บร!ander (2005). Hier zeigen die Analysen, dass institutionelles Vertrauen, zusanmien mit geringer Ungleichheit in der Gesellschaft und generalisiertem sozialen Vertrauen notwen­dig ist, damit universalistische Wohlfahrtsstaatprogramme erfolgreich implemen­tiert werden können. Begründet wie die große Bedeutung von institutionellen Ver­trauen dabei im Hinblick auf drei Aspekte. So benötigen universale Wohlfahrts­staatprogramme zur Finanzierung mehr durch Steuern finanzierte Mittel, die die Bürger nur bereit sind zu zahlen, wenn sie vertrauen haben, dass diese Gelder von der Regierung zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt werden. Außerdem führt Korruption, als Indikator für aggregiertes institutionelles Vertrauen, zu größerer Ungleichheit und Misstrauen in einer Gesellschaft, was für die erfolgreiche Ein­führung von universalen Wohlfahrtsstaatprogrammen hinderlich ist. Darüber hin­aus, widersprechen universale Wohlfahrtsstaatprogramme dem Credo von korrup­ten bzw. unehrlichen Regierungen, die eher um das Wohl einer kleinen Elite, als dass der breiten Gesellschaft besorgt sind (Rothstein und Uslander 2005).

Sucht man nach Gemeinsamkeiten zwischen Detemiinanten von sozialem Ver­trauen und Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat, erkennt man in beiden For­schungsgebieten, die Bedeutung von ökonomischen Faktoren wie Arbeitslosigkeit und Einkommensungleichheit. Beide nehmen als Lebenserfahrungen und gesell­schaftliche Charakteristika, Einfluss auf die Bildung von sozialen Vertrauen und Wohlfahrtsstaatpräferenzen.

2.2. Hypothesen

Auf Basis der zuvor beschriebenen Ergebnisse in vorherigen Studien, habe ich mehrere Hypothesen spezifiziert, die darauf abzielen, sowohl einen negativen, als auch einen positiven Zusammenhang zwischen sozialem Vertrauen als Kontext­ressource und individuellen Wohlfahrtsstaateinstellungen zu überprüfen. Des Weiteren, wurden ebenfalls zwei Hypothesen aufgestellt, um den Einfluss öko­nomischer Faktoren, hier am Beispiel von regionaler Arbeitslosigkeit, zu testen.

H 1: Individuen, die in Regionen mit hohem sozialem Vertrauen leben, sollten weniger misstrauisch gegenüber ihren Mitmenschen sein und daher einen höheren Zustimmungswert zum Wohlfahrtsstaat aufweisen (Positiver Zusammenhang).
H2: In Regionen mit ausgeprägtem sozialen Vertrauen, sollte dieses zu einer hö­heren wahrgenommenen Unterstützung außerhalb staatlicher Regulation führen und daher die Zustimmung für einen starken Wohlfahrtsstatt geringer ausgeprägt sein (Negativer Zusammenhang).
H3a: Hohe regionale Arbeitslosigkeit sollte das Misstrauen gegenüber den Mit­menschen erhöhen und daher einen negativen Effekt auf den Zusammenhang zwi­schen sozialem Vertrauen und Wohlfahrtsstaateinstellungen haben (negativer Ef­fekt).
H3b: Hohe regionale Arbeitslosigkeit reduziert die wahrgenommene Unterstüt­zung außerhalb staatlicher Regulation und sollte daher den negativen Zusammen­hang zwischen sozialem Vertrauen und Wohlfahrtsstaatpräferenzen abschwächen (Positiver Effekt).

Abbildung 1: Erwarteter Zusammenhang gemäß spezifizierter Hypothesen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

In Abbildung 1, sind noch einmal alle in den Hypothesen erwarteten Zusammen­hänge und Effekte, sowie deren Richtung graphisch dargestellt. Dabei bezieht sich der obere Teil der Grafik auf die Kontextebene, also hier insbesondere die Regio- nen, während der untere Bereich, den erwarteten Zusammenhang auf Individual­ebene anzeigt.

3. Daten, Variablen und Methode 3.1. Datensatz und Analysestrategie

Für die Analyse der zu vor erläuterten Fragestellung und Hypothesen, nutze ich die vierte Welle des European Social Surveys (ESS) aus dem Jahr 2008. Diese eignet sich besonders für meine Analysen, da sie nicht nur Fragen zum sozialem Vertrauen beinhaltet, sondern in jenem Jahr ein Schwerpunktmodul mit Fragen zum Thema Wohlfahrtsstaat enthält. Der Datensatz enthält neben Individualdaten, auch Angaben zum regionalen Kontext und zwar sowohl auf Länder- und Regio­nalebene, als auch für die verschiedenen NUTS Regionen (NUTS 1, NUTS2, NUTS3). Diese Daten sind erforderlich, da ich ein Multilevel Modell analysieren möchte, dass aus drei Ebenen besteht. Auf der ersten Ebene befinden sich die In­dividuen, die wiederum in Regionen genestet sind (Ebene 2), die in sich in ver­schiedenen Ländern befinden (Ebene 3). Der von mir genutzte Datensatz enthält insgesamt 24 Länder und 218 Regionen, wobei die Anzahl der Regionen zwischen den Ländern variiert, da sich die Informationen zu den Regionen auf unterschied­liche NUTS Level beziehen (siehe Tabelle 1). Es ist anzumerken, dass nicht alle sich im Originaldatensatz befindlichen Länder mit in den Analysedatensatz über­nommen wurden. Dies ist zum einen Israel, da für dieses Land lediglich Informa­tionen auf Länderebene, nicht aber auf Regionenebene vorliegen, sowie Zypern, dessen Regionen keinem NUTS Level zugeordnet sind. Des Weiteren wurden Russland, die Ukraine und die Türkei ebenfalls aus dem Datensatz entfernt, da für diese Länder zu einigen wichtigen Variablen (z.B. der regionalen Arbeitslosen­quote) keine Informationen vorliegen und somit die Hypothesen für diese Länder nicht komplett getestet werden könnten.

Bei der Analysestrategie, orientiere ich mich an der Vorgehensweise von Hox (2010) und werde zunächst ein leeres Modell, das sogenannte Random Intercept Only Modell (MO), spezifizieren, welches lediglich die abhängige Variable wel­fare und die Regionen-ID id_r enthält. Die Regionen ID wurde dabei aus den in Datensatz vorhandenen Regionen Variablen der einzelnen Länder rekodiert. Wichtig, ist die Berechnung des leeren Modells deshalb, da sich daraus der in­il traclass Correlation Coefficient (ICC) berechnen lässt, der anzeigt wie viel der erklärten Varianz auf die Kontextebene zurückzufiihren ist. Außerdem dient die Ausgabe der Maßzahlen AIC und BIC für Modell MO als Vergleich für die Mo­dellgüte der

Tabelle 1: Länder, Regionen und NUTS-Level

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

weiteren Modelle. Im zweiten Schritt, werde ich dem Modell die unabhängigen Variablen und die Kontrollvariablen auf Individualniveau hinzufügen und ein Random Intercept Model berechnen (Ml), bevor im nächsten Schritt dann eine Modell Spezifizierung mit allen Individual- und Kontextvariablen (М2) erfolgt. บท! zu testen, ob der Effekt von individuellen sozialen Vertrauen auf Wohlfahrts­staateinstellungen zwischen Kontexten variiert, wird ein Random Slope Modell, sowohl ohne (M3a), als auch mit Kovarianz (M3b) zwischen Slope und Intercept spezifiziert, welche mittels Likelihood Ratio Tests mit Modell М2, sowie unterei­nander verglichen werden. Zum Abschluss der Zwei-Ebenen Modelle, wird auf den möglichen Einfluss der Interaktion von regionalem sozialen Vertrauen und regionaler Arbeitslosigkeit (M4) untersucht.

บท! den Ländereffekt zu berücksichtigen, werden im nächsten Teil der Analysen, das Null-Modell, das finale Random Slope Modell und das Modell mit Interakti­onsterm, noch einmal mit einer zusätzlichen Länder-ID gerechnet, welche aus den vorhanden Variable entry generiert wird. Außerdem sei erwähnt, dass zum Ab­schluss der Analysen, noch mehre Robustheitstest durchgeführt werden, die die Stabilität des Zusammenhangs zwischen sozialem Vertrauens und Wohlfahrts­staatpräferenzen überprüfen sollen.

3.2. Unabhängige Variablen

Als unabhängige Variable wurde auf Individualebene die Indexvariable trust (Cronbach's a= 0.77, Korrelationstabelle siehe Tabelle Al) aus den drei Items pplfair, ppltrst und pplhlp gebildet. Im Detail, wurden die Befragten auf einer 11- Punkt Likert Skala von 0 bis 10, nach ihrer Zustimmung zu folgenden Aussagen gefragt: a.) Most people can be trusted or you can Ί be too careful, b.) Most peo­ple try to take advantage of you, or try to be fair, c.) Most of the time people help­ful, or looking out for themselves. Dabei sind die Variablen bereits so codiert, das höhere Werte größere Zustimmung anzeigen. Die neu gebildete Variable trust zeigt ทนท wiederum, für jeden Befragten den Mittelwert aus allen drei ursprüngli­chen Variablen an. บท! neben den! individuellen sozialen Vertrauen, auch den Einfluss des sozialen Vertrauens auf Kontextebene zu untersuchen, wurden aus der zuvor gebildeten Indexvariable, Gruppenmittelwerte für jede Region gebildet und diese in einer neuen Variable (trust) gespeichert (siehe Tabelle 2). Wie be­reits in den Hypothesen erwähnt, soll auch auf eine mögliche Interaktion zwischen Arbeitslosigkeit und aggregierten sozialen! Vertrauen getestet werden, wozu die Variable regunemp (siehe Kapitel 3.4. Kontrollvariablen) genutzt wird.

Tabelle 2: Bildung der unabhängigen Variablen

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

3.3. Abhängige Variable

Als abhängige Variable, wurde die Variable welfare generiert, welche einen Wer­tebereich von 0 (Not governments’ responsibility at all) bis 10 (Entirely govern­ments ' responsibility) hat. Diese ist eine Indexvariable (Cronbach's a=0.84, Kor­relationsmatrix siehe Tabelle A2), gebildet aus sechs Items mit Fragen nach Ein- Stellungen zu Teilaspekten des Wohlfahrtsstaats. Die Befragten wurden danach gefragt, ob die Regierung verantwortlich ist für den Lebensstandard der Älteren und den der Arbeitslosen, für die Gesundheitsvorsorge und die Kinderbetreuung, sowie für die Schaffung vor Arbeitsplätzen und die Möglichkeit einer beruflichen Auszeit zur Betreuung kranker Familienangehöriger. Eine Übersicht mit allen Variablen, die zur Bildung der abhängigen Variable welfare genutzt wurden, ih­rem Wertebereich und der genauen Fragestellung, ist zur besseren Übersicht in Tabelle 3 dargestellt.

Tabelle 3: Bildung der abhängigen Variable

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.4, Kontrollvariablen

Bei den Kontrollvariablen lässt sich, wie bei den unabhängigen Variablen, eben­falls eine Unterteilung in Individual- und Kontextvariablen vornehmen. Auf Indi­vidualebene wurde zum einem für das Geschlecht kontrolliert, wobei die ur­sprüngliche Variable zur besseren Identifikation, in gender umbenannt und reko- diert wurde, so dass sie den Wert o flir männliche und 1 flir weibliche Befragte annimmt· Die Kontrolle flir Geschlechterunterschiede bezüglich Präferenzen zur Umverteilung ist sinnvoll, da sich in bisherigen Studien gezeigt hat, dass Frauen höhere Zustimmungswerte zum Wohlfahrtsstaat aufweisen (Voicu und Voicu 2011). Außerdem wird mit der Variable age flir das Alter der Individuen kontrol­liert und um für mögliche nicht lineare Effekte des Alters zu kontrollieren, wurde zusätzlich die Variable age2 generiert, die das quadrierte Alter anzeigt. Des Wei­teren wird die Variable mar stat genutzt, um Unterschiede auf Basis des Familien­stands zu kontrollieren. Hierzu wurde die im Datensatz vorhandene Variable ma­ritala rekodiert, so dass sie Kategorien flir verheiratete, geschiedene, verwitwete und ledige Befragte umfasst. Um flir das Bildungsniveau der Befragten zu kon- trollieren wurde die Variable edulvla in educ umbenannt und die fehlenden Werte rekodiert. Es handelt sich dabei um eine kategoriale Variable, die auf Basis des ISCED zwischen fünf Kategorien unterscheidet und die Befragten bezüglich ihres höchsten Bildungsabschlusses unterteilt. Außerdem wird zur Kontrolle für das Einkommen, die Variable income genutzt, die das monatliche Haushaltsnettoein­kommen des Befragten anzeigt. Zusätzlich wurde, um für die Religiosität der Be­fragten zu kontrollieren, die Variable reli in das Modell aufgenommen, welche auf einer Skala von 0 bis 10, die Ausprägung der Religiosität der Person anzeigt. Un­terstützung für die Aufnahme dieser Variable in das Model, liefert der Text von Be'ery und Ben-Nun Bloom (2015), die argumentieren, dass der Glaube an Gott, die Zustimmung zur staatlichen Umverteilung erhöht. Als letzte Kontrollvariable auf Individualniveau, wird für den derzeitigen Erwerbsstatus des Befragten kon­trolliert, um zu überprüfen, ob ein Befragter nur deshalb einen höheren Zustim­mungswert zur Umverteilung hat, da er auf Grund von eigener Arbeitslosigkeit besonders davon profitiert (Theorie des Eigeninteresses). Da diesbezüglich keine Variable im Datensatz vorhanden war, habe ich die Variable unemployed gene­riert, die den Wert 1 annimmt, wenn der Befragte in den letzten sieben Tagen er­werbslos war und 0 in allen anderen Fällen. Zur Identifikation jener, die arbeitslos sind, habe ich die beiden vorhanden Variablen U empli und uempla verwendet, die erfragen, ob der Befragte in den letzten sieben Tagen arbeitslos war und aktiv bzw. nicht aktiv nach einer Arbeit gesucht hat. Befragte, die auf einer der beiden zuvor genannten Variablen den Wert 1 haben, erhielten im Gegenzug auch für die Variable un employed den Wert 1, Befragte, die dagegen auf beiden Variablen den Wert 0 hatten, erhalten für die Variable unemployed den Wert 0.

Auf Kontextebene wurde zum einem für die regionale Arbeitslosenquote (regun- emp) kontrolliert. Dazu wurden für die einzelnen Regionen Multileveldaten von der Intemetseite des European Social Survey (ESS) heruntergeladen und dem In­dividualdatensatz hinzugefügt. Außerdem wurde für das regionale GDP kontrol­liert, um den Einfluss der wirtschaftlichen Lage in der Region zu erfassen. Die Daten hierzu stammen, genau wie die Daten zur regionalen Arbeitslosigkeit, eben­falls vom ESS. Aufgrund seiner hohen nummerischen Ausprägung, wurde das regionale GDP durch 1000 geteilt und in dieser transformierten Form (r_gdp2) in das Modell aufgenommen, um eine leichtere Interpretation der Koeffizienten zu ermöglichen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Wohlfahrtsstaatpräferenzen. Wie regionales soziales Vertrauen die individuelle Einstellung gegenüber dem Wohlfahrtsstaat beeinflusst
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
40
Katalognummer
V445123
ISBN (eBook)
9783668839977
ISBN (Buch)
9783668839984
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wohlfahrtsstaat, Soziales Vertrauen, Einstellungen, Kontexteffekte
Arbeit zitieren
Annika Frings (Autor:in), 2017, Wohlfahrtsstaatpräferenzen. Wie regionales soziales Vertrauen die individuelle Einstellung gegenüber dem Wohlfahrtsstaat beeinflusst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/445123

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