Utopien und Dystopien in der Literatur der DDR


Masterarbeit, 2014

100 Seiten, Note: 2,3

Jana Mussik (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Utopieliteratur der DDR in der wissenschaftlichen Diskussion

2. Utopie, Dystopie und Science Fiction – Problematik der Begriffserklärung

3. Internationale Einflüsse auf die Utopieliteratur der DDR
3.1 Einflüsse des Ostens – Stanisław Lem als Vorbild für die Utopieliteratur der DDR
3.2 Einflüsse des Westens – Orwell und Huxley in der Utopieliteratur der DDR

4. Utopieliteratur der 50er Jahre
4.1 Die Etablierung einer Literatur nach 1945
4.2 Utopieliteratur zwischen politischer Ablehnung und Lesergunst
4.3 Heinz Vieweg Ultrasymet bleibt geheim

5. Utopieliteratur der 60er Jahre
5.1 Einflüsse der Politik auf die Literatur
5.2 Die Utopieliteratur im Kontext der Gesamtliteratur
5.3 Eberhardt del´Antonio Die Heimkehr der Vorfahren

6. Utopieliteratur der 70er Jahre
6.1 Jahre zwischen Lockerung der Ästhetik und Verschärfung der Zensur
6.2 Die Ablösung des Romans durch innovative Kurzprosa
6.3 Christa Wolf Neue Lebensansichten eines Katers

7. Utopieliteratur der 80er Jahre
7.1 Suche nach einer neuen Literatur
7.2 Ambivalenz in der Utopieliteratur
7.3 Angela und Karlheinz Steinmüller Andymon

Fazit

Literaturverzeichnis

Siglenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Seit ihren Ursprüngen sind Utopien, sei es in Form der schwärmerischen Träumereien von einer in allen Belangen besseren Gesellschaft oder aber als Schreckensdarstellung einer in­humanen Welt, immer ein Ausdruck der indirekten beziehungsweise direkten Kritik an den gegenwärtigen gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Umständen. Angefangen bei Platon über Thomas Morus – dem Namensgeber des Genres Utopie – hat beinahe jede Epoche und jedes Zeitalter seine eigenen Utopien und Dystopien hervorgebracht und dabei eindrucksvoll einen Blick auf die Gegenwart der jeweiligen Autoren eröffnet.

Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich mich den Utopien und Dystopien in der Literatur der DDR widmen. Ein Staat, der sich selbst als wahrgewordene Utopie im besten Sinne verstand und sich auch so in der Öffentlichkeit darstellte, jedoch von seinen Bürgern im Laufe der Jahrzehnte durchaus kritisch wahrgenommen wurde, erweist sich als eindrucksvoller Schauplatz und Ursprung für eine ganze Reihe utopischer und dystopischer Literatur. Es wurden bereits einige Versuche unternommen, die literarischen Utopien der DDR wissenschaftlich darzustellen. Die meisten dieser Auseinandersetzungen stammen aus den beginnenden 1990er Jahren und stellen bereits einen anschaulichen Überblick über Werkeigenschaften und litera­rische Entwicklungstendenzen bereit. Jedoch lassen sich die Zusammenhänge aus Literaturbetrieb, Politik und Zensurproblematik erst mit dem nötigen Abstand der zu unter­suchenden Zeit umfassend überschauen. Ziel dieser Arbeit ist somit eine übersichtliche Darstellung der literarischen Utopie in der DDR, die ihre ersten Schritte bereits 1949 machen konnte und sich bis zum Ende sowohl inhaltlich und formal als auch intentional und qualitativ entwickelt und verändert hat.

Ein kurzer historisch-systematischer Abriss, der sowohl die wichtigsten Vertreter der wissenschaftlichen Forschung des Themas beinhaltet, als auch die Schwierigkeit der Begriffsdefinitionen Utopie, Dystopie und schließlich Science Fiction darlegt, sollen eine erste Einführung und Basis der vorliegenden Arbeit sein. Vor allem der Zusammenhang zwischen dem Utopiebegriff und der Science Fiction spielt eine besondere Rolle, da die Definitionsversuche der DDR im Sinne eines sozialistischen Realismus noch ganz andere Maßstäbe gesetzt haben.

Je nach Herkunft mit offenen Armen empfangen oder aber bei Strafe verboten, hatte auch die internationale utopische Literatur einen bedeutenden Einfluss auf die Werke der DDR. Autoren aus den Ostblockstaaten wurden mitunter als erstes in dem hier behandeltem Genre in der DDR veröffentlicht und hatten eine ausdrückliche Vorbildfunktion.

Einer der wichtigsten Vertreter, Stanisław Lem, soll als Beispiel herangezogen und vorgestellt werden. Seine Ideen und Motive wurden bis zum Ende der DDR immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Einige der größten westlichen Utopien dagegen waren aufgrund ihres dystopischen Charakters verpönt. Allen voran George Orwells 1984 und Aldous Huxleys Schöne neue Welt, ein Roman, der nur stark zensiert oder deutlich uminterpretiert erhältlich war, bildeten das von der DDR-Propaganda geschaffene Abbild der verkommenen und kran­ken westlichen Gesellschaft. Dennoch fanden sie ihren Weg in die Besatzungszone und spätere DDR und zogen auch die Autoren in ihren Bann, welche ihre Leseerfahrung und Eindrücke in eigenen Werken verarbeiteten. Exemplarisch soll dazu der Roman Eden City, die Stadt des Vergessens[1] von Reinhard Kriese vorgestellt werden.

Der analytische Hauptteil der Arbeit wird dekadenweise abgehandelt und ist in die vier Jahrzehnte gegliedert. Jedes Jahrzehnt hat seine eigenen besonderen utopischen Werke in der DDR hervorgebracht. So standen die Werke der 50er Jahre noch stark unter dem Einfluss des Regimes. In dieser Phase musste die neue Genretradition erst begründet werden. Das Land befand sich im Aufbau und so auch die Literatur. Der Utopie kam dabei eine ganz besondere Rolle zu. Sie hatte die Aufgabe, die Hoffnungen auf eine Zukunft im sozialistischen Idealstaat zu schüren und das Vertrauen in die DDR-Politik zu festigen. In dieser Zeit wurden nicht grundlos ausnahmslos positive Utopien verfasst. Ein belehrender und immerwährend formender Charakter kann diesen Werken nicht abgesprochen werden. Das Genre Utopie war somit ein Instrument der Erziehung des neuen Bürgers. Aufbau, wissenschaftlicher Fortschritt und die westliche Feindbildung gehörten zu den zentralen Inhalten. Exemplarisch soll das Werk von Heinz Vieweg Ultrasymet bleibt geheim[2] vorgestellt werden, in dem die vorgegebene Doktrin sehr gut umgesetzt wurde.

In den 60er Jahren stand ein Kernthema deutlich im Vordergrund – die Raumfahrt. Sputnik und Juri Gagarin lösten einen regelrechten Literatur-Boom aus, dem die Autoren so schnell gar nicht nachkommen konnten. Die groß angelegten Totalschauen auf eine perfekte sozialistische Gesellschaft verlagerten sich in die Weiten des Weltalls und die utopischen Romane erreichten in diesen Jahren ihren Höhenpunkt. Als Beispiel soll Die Heimkehr der Vorfahren[3] von Eberhardt del´Antonio vorgestellt werden. In diesem Werk wird die Handlung zwar zum Großteil wieder zurück auf die Erde verlagert, jedoch wirft es einen interessanten Einblick in die noch so selbstverständlich anmutenden Fortschritts- und Zukunftsvorstellungen der Autoren des Jahrzehnts.

Die Literatur der 70er Jahre ist ein wahrer Spiegel ihrer Zeit – vor allem im Genre der Utopie. Das Zeitalter des Optimismus neigte sich dem Ende. Die Utopie im besten Sinne mit dem Lobgesang auf den Sozialismus und Kommunismus konnte nicht länger bestehen und wurde dementsprechend nicht mehr ernst genommen. Die Glaubwürdigkeit hatte bereits zu sehr gelitten. Die Zeit der literarischen Dystopien war gekommen und das Genre veränderte sich maßgeblich. War es zunächst hauptsächlich der Roman, so wurden in diesen Jahren immer mehr Kurzgeschichten und Erzählungen veröffentlicht. Damit stieg auch die Qualität der Literatur. Satire, Parodie und mehr oder weniger direkte Zeitkritik beherrschten den Kanon. In den 70er Jahren widmeten sich vermehrt auch genrefremde Autoren der Utopie. So auch Christa Wolf mit der Erzählung Die neuen Lebensansichten eines Katers,[4] in dem der regimetreue Literaturbetrieb und der unbeirrbare Technikoptimismus durch Sarkasmus und Ironie demaskiert werden.

Die 80er Jahre waren bereits gezeichnet vom nahenden Untergang der DDR. Positiv uto­pische Stimmen gab es kaum noch. Stattdessen wurden inzwischen mehr internationale Werke veröffentlicht, die zum neuen Maßstab der utopischen Literatur erklärt wurden. Komplexe Panoramablicke auf eine voll entwickelte utopische Gesellschaft erschienen nur noch vereinzelt. Stattdessen wandten sich viele Autoren den Detailfragen der persönlichen Entwicklung und des Individuums in einer Gesellschaft zu. Die Experimentierfreude am Genre wurde größer und ausdifferenzierter. Bei einigen Werken ist eine konkrete Unterscheidung in Utopie oder Dystopie kaum mehr nachvollziehbar, da sich die einzelnen Elemente stark vermischten. Ein großartiges Beispiel für eine derartige Ambivalenz findet sich in dem Werk des Autorenpaares Angela und Karlheinz Steinmüller. In ihrer letzten Totalschau Andymon. Eine Weltraum-Utopie[5] präsentieren sie gekonnt die Feinheiten der gesellschaftlichen Entwicklung sowohl im guten als auch im schlechten Sinne und verbinden beides zu einem großen Ganzen.

Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, die bereits in den 1970er Jahren aufgestellten Theorien hinsichtlich der utopischen Literatur der DDR genau zu hinterfragen und explizit nah am Werk nachzuweisen. Dabei soll der Blick auf die Gesamtentwicklung der DDR-Literatur nicht aus den Augen verloren werden. Da es bislang zu den Werken von Vieweg und del´Antonio keine umfangreichen Analysen oder anderweitige Forschungsliteratur gibt, soll ihren Romanen eine besondere Sorgfalt zukommen. Demzufolge wird es mitunter Themen­bereiche geben, die nicht erschöpfend und umfangreich thematisiert werden können. Darunter fällt die Utopie in der Kinderliteratur der DDR, welche an sich kaum eigenständige Neuheiten im Gegensatz zur Erwachsenenliteratur aufweist und von daher vernachlässigt werden kann. Ebenso wird Ernst Bloch und seine für die Utopieliteratur grundlegende Theorie vom Prinzip Hoffnung nicht umfassend betrachtet werden, da sie für den Großteil der DDR-Autoren utopischer Literatur keine Rolle gespielt hat. Des Weiteren sollen auch die Rollenproblematik und die Frage der weiblichen Emanzipation nur untergeordnet behandelt werden, da dies Stoff für eine eigenständige Arbeit hergeben würde.

1. Utopieliteratur der DDR in der wissenschaftlichen Diskussion

Die Utopieliteratur der DDR ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass die Gunst und das große Interesse der Leser nicht ausschlaggebend für die wissenschaftliche Berücksichtigung in der Forschung sind. Ausnahmslos kommen alle Literaturwissenschaftler zu dem Ergebnis, dass sich die DDR-Germanistik bis in die 80er Jahre kaum um das Genre bemüht hat. Diese Literatur würde „dem hohen gesellschaftlich-ideologischen Niveau nicht gerecht“,[6] lautet der Versuch einer Begründung. Dies jedoch ist nicht symptomatisch für die DDR. In der BRD verhielt es sich kaum anders, auch dort fielen utopische Texte und Science Fiction schlichtweg aus dem Raster.[7] Dieser Gegensatz zwischen dem hohen Beliebtheitsgrad und der massenhaften Produktion im Vergleich zu dem mangelhaften Forschungsstand bildet eine der ersten und mitunter wichtigsten grundlegenden Erkenntnisse in der späteren Literaturwissenschaft.[8] Die ersten Dissertationen und Diplomarbeiten zum Thema, die in den 70er Jahren veröffentlicht wurden, waren wiederum dem „breiten Publikum schwer zugänglich.“[9] Noch in den 90er Jahren stellte der Germanist Thomas Hartung fest, dass es „keine geschlossene Theorie der Science Fiction und ebenso keine Theorie ähnlicher literarischer Felder gäbe und diese in naher Zukunft wohl auch nicht zu erwarten wären.“[10]

Als einer der ersten versuchte sich Heinz Entner 1972 gemeinsam mit Adolf Sckerl an einer Bestandsaufnahme der „Wissenschaftlichen Phantastik“.[11] Drei Jahre darauf folgte ebenfalls von Sckerl eine Broschüre, die kurz auf erste Entwicklungstendenzen des Genres eingehen sollte.[12] Sckerl erkannte in der Utopieliteratur der DDR zwei Traditionslinien, die sich auf Jules Vernes zum einen und H. G. Wells zum anderen zurückführen lassen. Im selben Jahr veröffentlichte Gustav Schröder eine kurze Gattungsgeschichte.[13] Paul Behla schließt sich ebenfalls 1975 der Gattungsdiskussion an.[14] Mit den 80er Jahren wird die Diskussion um das sich immer neu entwickelnde Genre reger. Werner Förster bildet 1980 den Auftakt und untersucht utopische Werke im Rahmen der sozialistischen Unterhaltungsliteratur.[15] Als erster geht er dabei auch auf antiutopische Elemente ein. Zudem unternimmt er den Versuch, das Genre in die Bereiche wissenschaftliche, utopische und philosophische Phantastik einzuteilen. 1982 folgt Horst Heidtmann, als einziger Forscher aus der BRD, mit einer bereits sehr umfangreichen Darstellung des Genres in seiner Monographie Utopisch-phantastische Literatur der DDR. Immerhin geht er bereits von einem Materialfundus von über 500 Titeln aus und bildet so einen recht repräsentativen Gegenstand der Analyse. Noch in seinem Vorwort geht er darauf ein, wie schwer es war, überhaupt an die gewünschte Primärliteratur zu kommen, da selbst die Bibliotheken nicht alle Werke auf Lager hatten.[16] In seiner Untersuchung des Textkanons und der Periodisierung folgt er weitestgehend den Erkenntnissen Sckerls. Als einer der ersten jedoch stellt Heidtmann die Frage nach dem Einfluss der Zensur auf die Literatur und unternimmt einen Versuch, die Literaturpolitik in seine Betrachtung mit einzubeziehen. Im Verlauf des Jahrzehnts nahmen sich auch Hans-Joachim Schulz, Manfred Wockenfuss und Erik Simon der Thematik an. Simon stellt die Unterschiede der utopischen DDR-Literatur mit ihren Verwandten des Westens fest und listet die fehlenden Motive wie galaktische Kriege und Imperien, Invasionsgeschichten, Roboterrevolten und Weltuntergangsgeschichten auf. Die Theoriebildung wie auch die Gattungsbeschreibung verlaufen dabei auffällig homogen nach einem wiederkehrenden Muster. Zudem greifen die Forscher bei ihren Untersuchungen immer wieder auf die gleichen Autoren und Werke zurück.

Ein Referat zur Erforschung der Science-Fiction-Literatur in Deutschland von Hans-Edwin Friedrich aus dem Jahr 1993 beschreibt, dass die wissenschaftliche Erarbeitung des Genres „selbstredend den marxistisch-leninistischen literaturpolitischen Vorgaben“[17] unterlag und dementsprechend auch sämtliche Literaturtheorien eindeutig dahingehend geprägt gewesen sind. Erst nach 1990 meldeten sich ansatzweise andere Stimmen, die die alten Forschungs­paradigmen revidierten oder neu bewerteten. 1988 gaben Olaf Spittel und Erik Simon das Lexikon Die Science-fiction der DDR. Autoren und Werke heraus und lieferten somit einen umfangreichen Kanon des Genres.

Ab dem Ende der 80er Jahre widmete sich das wissenschaftliche Interesse schließlich weniger dem Versuch einer Gesamtdarstellung, sondern vermehrt den speziellen Einzelaspekten inner­halb der Gattung. So untersuchte Annette Breitenfeld 1989 das Motiv des Außerirdischen, während sich Mikaela Blume den Rollenmustern der Frau annahm. Blume fragt in ihrer Dissertation nach dem Grad der Verwirklichung der Emanzipation[18] und arbeitet schließlich drei typische Rollenbilder heraus. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass „in der überwiegenden Mehrzahl der Werke aus männlichen Wunschvorstellungen heraus immer wiederkehrende weibliche Stereotype reproduziert werden.“[19] In dieser so gesehenen Männerliteratur würde die Emanzipation der Frau keine Rolle spielen. Leider stellt Blume in ihren Überlegungen keinerlei Reflexionen darüber an, dass die Hauptlesergruppe aus wissenschaftlich interes­sierten, männlichen Jugendlichen bestand und dass darin auch die Gründe des zweifelhaften Frauenbildes liegen könnten. Friedrich vergleicht dazu, dass das Genre „wie alle Unter­haltungsgenres eine primär thematisch spezialisierte Literatur“ sei und „man den Stand der Technikreflexion ebenfalls auch nicht an einem Liebesroman ablesen“[20] könne. 1991 ver­öffentlichte Karsten Kruschel seine Dissertation zur DDR-Utopie und ging explizit auf dystopische und utopische Elemente innerhalb der Literatur ein. Bei seiner Betrachtung nimmt er die Rezeptionsperspektive der DDR-Leser ein und erschließt das Genre somit auf ganz neue Weise.

Allgemein verändert sich nach 1990 die Sichtweise auf das Genre grundlegend und erlebt eine Neubewertung. Nicht nur das Leserverhalten rückt in den Vordergrund, sondern auch die Literatur als ein Medium der Kritikäußerung. Ebenso wirft die Retrospektive erstmals einen kritischen Blick auf die ideologischen und institutionellen Zwänge. Spittel, Kruschel, Hartung und das Autorenpaar Steinmüller erkennen in der utopischen Verfremdung ein Mittel der Systemkritik. Spittel formulierte dazu sehr treffend:

„Literatur des Augenzwinkerns, des geheimen Einverständnisses zwischen Autor, Lektor und Leser: Tun wir doch alle einmal so, als hätte diese düstere Sicht auf eine abgewirtschaftete Diktatur auf dem fernen Planeten XYZ tatsächlich nicht das Geringste mit der DDR zu schaffen ...“[21]

In den 90er Jahren entstanden noch einige vereinzelte Aufsätze zur Thematik. Darunter von Wolfgang Emmerich, der das Genre im Gesamtkontext der DDR-Literatur betrachtet[22] und Carla Meyer, die sich den vertauschten Geschlechterbildern annimmt.[23] 1998 veröffentlicht Horst Illmer die Bibliographie Science Fiction & Fantasy und verstärkt darin den Eindruck, wie weiträumig dieser Literaturbereich ist. So heißt es in seinen Aufnahmekriterien für das Werk, dass „darunter auch Utopien, Dystopien sowie einzelne Titel aus den Grenzbereichen zu Kriminalroman, Märchen, Sage, Grusel und Horror“[24] verstanden werden. Nach 2000 wird das Feld zunehmend überschaubarer. Einzig die Autoren Steinmüller veröffentlichten noch rege Theorien zur utopischen Literatur und spezialisierten sich dabei auf die einzelnen Jahrzehnte. Erwähnt sei an dieser Stelle noch die recht sehenswerte Große illustrierte Bibliographie der Science Fiction in der DDR aus dem Jahr 2002, die von Hans-Peter Neumann herausgegeben wurde und vor allem die eindrucksvoll gestalteten Buchumschläge und Illustrationen in den Fokus rückt.[25] Die aktuellste Beschäftigung mit der Thematik bietet Sonja Fritzsche in ihrer 2006 erschienen Studie Science Fiction Literature in East Germany. Auch Fritzsche hält sich an die Ansätze von Sckerl und Heidtmann, bietet jedoch als einzige einen Ausblick des Genres nach dem Fall der Mauer.[26]

Auffällig ist, dass sich selbst die neueren wissenschaftlichen Arbeiten sehr an den ersten Darstellungen aus den 70er Jahren orientieren, ohne diese einer kritischeren Revision zu unterziehen. Zudem werden zahlreiche Thesen wenig oder kaum an Textbeispielen aus den Werken nachgewiesen. Auch die Informationen zu den herangezogenen Autoren oder ge­nauere Angaben zu Lektoren, Verlagen und Zensurproblematiken werden selten berücksichtigt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen diese wesentlichen Forschungsarbeiten zumindest an vier Werken betrachtet werden.

2. Utopie, Dystopie und Science Fiction – Problematik der Begriffserklärung

Der Begriff Utopie ist zurückzuführen auf Morus´ gleichnamiges Werk Utopia aus dem Jahre 1516. Das Kunstwort beschreibt ein ideales „Nirgendreich“ und bezieht sich speziell bei Morus auf eine Insel, auf der „Unglück, Gebrechen und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten durch soziale, politische, ökonomische, kulturelle Reformen oder Revolutionen in das vollkommene Glück aller verwandelt sind.“[27] Die Bewohner einer Utopie sind stets materiell abgesichert, existenzielle Sorgen gibt es grundsätzlich nicht. Die Erziehung ist vollkommen und die Bewohner weisen allesamt ein sehr hohes Bildungsniveau auf. Ebenso wurden sämt­liche Fragen der Mobilität und Technik perfekt gelöst. Somit stellt die Utopie seit jeher einen Gegensatz zu den jeweiligen realen Gegebenheiten der Autoren dar. Seit Morus hielt die Utopie in verschiedenen Textsorten, wie Romanen, Essays, Dialogen und Erzählungen Einzug und erklärt die menschlichen Hoffnungen und Wünsche stets zu einem erreichbaren Ziel.[28] Der Kerngedanke der Utopie, „dass das Glück des Einzelnen in einer idealen Gesellschaftsordnung begründet sein müsse“,[29] stammt bereits aus der griechischen Antike, so auch in Platons Vorstellung seines Idealstaates Politeia aus dem 4. Jh. v. Chr. Nach Morus gingen vor allem die Werke Der Sonnenstaat (1602) von Tommaso Campanella und Nova Atlantis (1627) von Francis Bacon, welcher die Utopie um das perfektionierte Technikbild erweiterte, in die Utopiegeschichte ein.

Schon früh zeigte sich das Genre äußerst wandelbar und flexibel. Als eine Variante des Abenteuerromans gewann es auch die Strukturen der Science Fiction und der phantastischen Literatur und so führten die Reisen im 17. und 18. Jahrhundert immer häufiger in den Weltraum. Viele Autoren verliehen der Utopie den Charakter einer Satire auf die eigene Zeit, die sie durch ironische Überhöhung zu verfremden wussten. So auch in Jonathan Swifts Gullivers Reisen (1726) oder in der Robinsonade Die Insel Felsenburg (1731-43) von Johann Gottfried Schnabel. Im 19. Jahrhundert setzte sich zunehmend das von Bacon begründete naturwissenschaftlich-technische Utopiebild durch. Eines der bekanntesten Beispiele ist Edward Bellamys Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf das Jahr 1887 (1888). Die nicht nur positiven Er­rungenschaften der Industrialisierung sorgten jedoch für einen ersten Bruch in der sonst optimistischen Betrachtung. Zum ersten Mal bildet sich eine negative Form des Genres heraus – die Antiutopie.

Die Utopie-Debatte und die dazu vorgestellten Theorien Blochs einer konkreten Utopie nahmen im 20. Jahrhundert beinahe ausufernde Maßstäbe an,[30] die eine eigene Darstellung verdienen, was im Rahmen der Arbeit nicht gegeben werden kann. Der Begriff Utopie ist historisch gewachsen und birgt auch deshalb solche Schwierigkeiten, weil er sich nicht nur zeitlich stets gewandelt hat, sondern auch je nach Region unterschiedlich aufgefasst wurde. 1732 ist der Begriff erstmals hierzulande in Zedlers Universallexikon unter dem Stichwort Schlaraffenland aufgeführt,[31] erst 1899 nahmen ihn die Gebrüder Grimm in ihr Wörterbuch mit auf.

Das 20. Jahrhundert schließlich löst bei den Autoren und Lesern eine regelrechte „Utopie­skepsis“[32] aus. Joanna Jabłkowska spricht in diesem Zusammenhang von der Krise der Utopie, Klaus L. Berghahn und Hans Ulbrich Seeber sogar von einer „ausgesprochenen Utopie-Feindschaft“.[33] Die Menschen seien ihrer übersättigt und würden utopische Texte stets mit totalitären, in sich geschlossenen Gesellschaftssystemen in Verbindung bringen. Dies birgt die logische Konsequenz – eine Art der Gegenutopie. Diese Gegendarstellung enthielt im Laufe der wissenschaftlichen Untersuchungen die unterschiedlichsten Bezeichnungen, darunter die Mätopie (Huntemann) und Kakotopia (Burgess), die negative Utopie (Broich), die devolutionistische Utopie (Tuzinski) oder die Schreckutopie (Borinski). Am weitesten verbreitet und durchgesetzt haben sich die Begriffe Anti-Utopie und Dystopie, oftmals werden sie synonym gebraucht. Zwar entstanden auch schon vor 1945 bedeutende Dystopien, doch sollten sie ab diesem Zeitpunkt schließlich das Genre dominieren. Jabłkowska erkennt in dieser antiutopischen Tendenz die „negative Erscheinung im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft.“[34] Jedoch scheint diese Sicht zu einseitig, bürgen doch auch andere politische Systeme wie Stalinismus, Kommunismus und Sozialismus ebenfalls genug Stoff für dystopische Texte. Den Werken Samjatins, Orwells und Huxleys ist es vermutlich zu verdanken, dass der Begriff Utopie derart tief in das kulturelle Bewusstsein eingedrungen ist. Ihre Texte jedoch beschreiben allesamt die negativen Auswüchse einer Gesellschaftsform.

Jewgenij Iwanowitsch Samjatin veröffentlichte 1920 den Roman Wir, der prägend für die dystopische Literatur werden sollte und auch Huxleys Schöne neue Welt (1932) und Orwells 1984 (1949) beeinflusst hat. Diesen drei inzwischen klassischen Dystopien folgten in einer schier unüberschaubaren Zahl unzählige weitere Werke mit ähnlicher Struktur und Funktion. Dystopien schildern eine nicht erstrebenswerte Welt, die die negativen Tendenzen der realen Gegenwart aufgreift und zugespitzt überhöhten. Im Gegensatz zur Eutopie oder eben der po­sitiven Utopie sind diese dargestellten Warnbilder eine direkte Kritik an der Entwicklung der Gegenwart. Sie demonstrieren die schlimmstmöglichen Folgen, sollte der in der Realität eingeschlagene Kurs gehalten werden und enden somit auch nie glücklich.

Ob es sich bei einer Utopie um eine positive oder negative Darstellung handelt, ist in manchen Fällen vom Leser nicht gleich zu erschließen, da sich auch die Ideale und Vorstellungen von Glück, Moral und Ethik im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt haben. So ist es nicht verwunderlich, dass selbst die bekanntesten Utopien, wie Campanellas Sonnenstaat, heutzutage kaum mehr positiv gelesen werden können, da sich das Werteempfinden zu stark verändert hat. Zudem gibt es auch zahlreiche Mischvarianten, die beiderlei Tendenzen in einem Werk miteinander vereinen und kombinieren. Allerdings sind die meisten Werke bereits vorab vom Autor dahingehend intendiert, ob es sich um eine positiv utopische oder dysto­pische Welt handeln soll.

In Ermangelung einer umfangreichen wissenschaftlichen Erschließung der utopischen Lite­ratur in der DDR ist die Unsicherheit mit den Begriffen hinsichtlich dieses Zeitraums noch bis heute sehr groß. Diese Arbeit schließt sich nicht dem Streit um eine endgültige Definition an, dies wäre in diesem knappen Rahmen auch nicht möglich, zeigt jedoch wesentliche Posi­tionen diesbezüglich auf. Im weitesten Sinne dehnt sich der Begriff weit über die Grenzen der Literatur hinaus und umfasst ebenso die Politik, Soziologie, Kunst und Architektur. Im all­gemeinen Sprachgebrauch meint „etwas Utopisches“ meist etwas Unmögliches, Irreales, Unrealistisches, nicht zu Verwirklichendes und bezieht sich dabei in der Regel abwertend auf eine Idee oder Illusion. Im engsten Sinne nach Morus bezieht sich die Utopie auf die Beschreibung eines Ortes. Dieser entspricht den Wünschen des Autors, jedoch nicht der Realität. Das ursprüngliche Wort lässt sich auf zweierlei Weise aus dem Griechischen übersetzen. Zum einen bedeutet Utopie „Nicht-„ oder „Keinort“. Er ist ein Wunschtraum, ein Ideal. Zum anderen kann der Begriff genauso mit „Schönort“ übersetzt werden. Kruschel geht davon aus, dass bereits Morus diese Doppeldeutigkeit des Wortes bekannt gewesen sein musste und dieser zur Abgrenzung an die Fehlentwicklungen der realen Welt nun einen Gegenentwurf vorstellen wollte.[35] Zur Bestimmung einer genaueren Begriffsdefinition unterscheidet Kruschel schließlich in die positive Darstellung einer Gesellschaft, der Eutopie, und dem negativen Pendant, der Dystopie. Utopie selbst wird somit zum Oberbegriff und umfasst sowohl die schönen, als auch die hässlichen Gesellschaftsentwürfe.[36] Dieser durchaus schlüssige Definitionsansatz eignet sich zwar hervorragend für die wissenschaftliche Analyse der Texte, wurde allerdings so nicht von den Autoren, Verlagen und Lesern in der DDR verwendet. „Romane wurden utopisch genannt, die von dem Zukünftigen handelten“,[37] erinnern sich die Steinmüllers in ihrer Rolle als Zeitzeugen. Von einer einheitlichen Verwendung der Begrifflichkeiten kann jedoch nicht die Rede sein. Selbst einer der „Väter der DDR-Science-Fiction del´ Antonio“[38] verwendete für seine Werke bevorzugt den Begriff „Zukunftsliteratur“. Erst mit den 70er Jahren folgte ein flächendeckenderer Übergang zur Bezeichnung „utopische Literatur“. Dieser Begriff sollte eher dem Bedürfnis gerecht werden, eine Literatur zu beschreiben, „die eine Zukunft aus der Perspektive der Gegenwart erschaffen sollte.“[39] Derartige Texte umfassten die wissenschaftlich-technischen, die utopischen und auch die philosophisch-spielerischen Komponenten. An dieser Stelle sei noch der Vollständigkeit entsprechend erwähnt, dass der Utopie-Begriff, so wie er in der DDR in diesem Zusammenhang verstanden wurde, nichts mit dem Utopie-Verständnis nach Ernst Bloch zu tun hatte. Bloch selbst äußerte dazu, die Werke der DDR seien lediglich eine Herabsetzung der Utopie auf ideologische Werte und es würde ihnen an konkreter Zukunftsphantastik mangeln.[40]

Science Fiction als Genre bildet an sich einen allgemein sehr gut untersuchten Gegenstand der Literatur. Sie ist eine „Form der phantastischen Literatur, die das (zukünftige) Neue als wissenschaftlich, logisch und rational begründet erscheinen lässt.“[41] Hinsichtlich der DDR jedoch birgt das Genre einige Tücken. Breitenfeld spricht dabei sogar von einem Paradoxon, da es in der DDR im Grunde gar keine Science Fiction gab, sie aber dennoch veröffentlicht und gelesen wurde. „Wenn man in der DDR von phantastischer Literatur sprach, meinte man meist Science-Fiction, denn das war es, was in diesem Genre überwiegend produziert wurde.“[42] Obwohl die Science Fiction zudem per Definition deutlich handlungsorientierter ist, wird der Begriff in der DDR auch nicht von der klassischen Utopie unterschieden. Dies hängt jedoch damit zusammen, dass es seitens der Kulturpolitik schlicht keine Science Fiction in der DDR gab. Schreckbilder und Aliens galten als Tabu und waren somit kein Thema. Während diese Motive im Westen geradezu ausgeschlachtet wurden, wurden sie von der SED immer wieder als Abbild der Darstellung einer kranken Gesellschaft genutzt. Science Fiction galt dabei schon aufgrund seines amerikanischen Ursprungs als verpönt und war als Terminus „schlimmer fast als Jazz und Jeans“.[43] Die Steinmüllers sprechen in diesem Zusammenhang von einer Immunisierungsstrategie der Partei; die westliche Kultur wurde unter den Schlagworten dekadent, formalistisch und antihuman gehandelt. Während Science Fiction also seitens der Politik aus der DDR verbannt wurde, wuchs das Leserinteresse beständig. Wollten die Leser trotz des politischen Gegenprogramms an die Literatur herankommen, so mussten sie indirekter vorgehen. Wer also in der DDR Science Fiction lesen wollte, der fragte nach „utopischer Literatur“. Der Terminus eignete sich vor allem deshalb, weil er keinen konkreten Gegenstand vorgab. Der Begriff Utopie wurde somit sowohl für die Leser als auch für die Autoren zur Legitimation für Texte in der Tradition der Science Fiction.

Auch die Steinmüllers bestätigen, dass Science Fiction und utopische Literatur in der DDR das gleiche meinten.[44] Spittel und Simon beschrieben 1988 die Science Fiction der DDR als einen Teilbereich der phantastischen Literatur,

„in dem die phantastischen (wunderbaren, in der uns bekannten Realität nicht vorkommenden) Vorgänge und Sachverhalte nicht als Wirkung übernatürlicher, magischer Kräfte aufgefaßt werden, sondern als Resultat realer Zusammenhänge erscheinen. […] Die Science Fiction ist nicht wissenschaftlich, sondern berücksichtigt und benutzt ein von wissenschaftlichen Vorstellungen geprägtes Weltbild der Leser […].“[45]

Ursprünglich aus den USA stammend und dort seit 1929 von Hugo Gernsback auch geprägt, war der Begriff Science Fiction in Deutschland bis nach dem Zweiten Weltkrieg weitest­gehend unbekannt. Einige der wichtigsten internationalen Werke des Genres, darunter Klassiker wie Mary Shelleys Frankenstein (1818), wurden erst sehr spät in deutscher Sprache auf den Markt gebracht. Während sich der Begriff Science Fiction in den meisten englischsprachigen Ländern schnell etablierte, unterlag er hierzulande zunächst der nationalsozialistischen Zensur und wurde auch später durch andere, mitunter irreführenden Termini wie Zukunftsliteratur ersetzt. Dennoch erklären auch Spittel und Simon, dass die Termini Zukunftsliteratur, die aus dem russischen entlehnte Wissenschaftliche Phantastik (nautschnaja fantastika) und utopische Literatur für Science Fiction sowohl von den Lesern als auch von den Verlagen zum großen Teil synonym gebraucht wurden.[46] Gemeint ist dabei stets eine „zukunfts- und technisch-utopische Literatur mit gesellschaftspolitischen Implika­tionen.“[47] Je nach Autor, Zielpublikum und Verlag wurden parallel unterschiedliche Bezeichnungen verwendet.[48] Erst im Laufe der 80er Jahre setzte sich auch von offizieller Seite und in der Tagespresse der Begriff Science Fiction durch. Da es trotz der Fülle an Texten, die literaturtheoretisch durchaus der Dystopie oder der Science Fiction zuzuordnen wären, dennoch kein einziges Werk mit dem Untertitel „dystopischer Roman“ gegeben hat, ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Begriffe synonym gebraucht wurden.

Dass Science Fiction und Utopieliteratur so nah beieinanderliegen, ist nicht zwangsläufig ein ostdeutsches Phänomen. Friedrich bietet in diesem Zusammenhang einen interessanten und plausiblen Erklärungsansatz, in dem er die Science Fiction als „moderne Erbin der Utopie“[49] bezeichnet. Demnach würden Science Fiction und vergleichbare Gattungen zur naturwissenschaftlich-technischen Utopie zusammengefasst werden und somit als zusammenhängende Traditionslinie gesehen.

Eine weitere Besonderheit der utopischen Literatur der DDR besteht darin, dass sowohl positive utopische als auch dystopische Motive und Traditionen verwendet werden und so eine Unterscheidung immer schwieriger wird. So erkennt Götz Müller vor allem die Gemeinsamkeiten in dem ausgeprägten Zweiweltenschema, der spielerisch-experimentellen Gesinnung der Autoren und ihrer kontrollierten Spekulation, die Stellung von Wissenschaft und Technik sowie die Erbsündethematik.[50] Auch im Rahmen dieser Arbeit sollen in Bezug auf die utopische Literatur der DDR die Begriffe Science Fiction und Utopie synonym gebraucht werden. Je nach Gewichtung der Tendenzen werden diese in positive Utopien, Dystopien und ambivalente Utopien unterschieden.

3. Internationale Einflüsse auf die Utopieliteratur der DDR

Die systemische Abgeschlossenheit der DDR sorgte für einen sich selbstständig und un­abhängig entwickelnden Ton der utopischen Literatur.[51] Dies wird vor allem in der Rückschau beim Vergleich mit der Entwicklung der internationalen Science Fiction und Utopieliteratur deutlich. Insbesondere das charakteristische utopische Ideal der 50er und 60er Jahre, die sich eben davon abspaltenden dystopischen Pendants der 70er und schließlich die ambivalenten Mischformen der 80er Jahre bleiben im internationalen Vergleich bislang einzigartig und sprechen für eine ganze besondere Spezifik der utopischen Literatur der DDR.

Dem steht jedoch gegenüber, dass auch die DDR-Utopien trotz der hartnäckigen Arbeit der Literaturpolitik nicht gänzlich von internationalen Tendenzen unbeeinflusst sind. Vor allem ab den 70er Jahren nehmen zahlreiche Werke direkten Bezug zu den Dystopien von Orwell und Huxley. Doch nicht nur die dystopischen Klassiker des Westens bahnten sich ihren Weg, auch die Ostblockstaaten trugen einiges zum literarischen Utopiebild der DDR bei.

3.1 Einflüsse des Ostens – Stanisław Lem als Vorbild für die Utopieliteratur der DDR

Im Zuge der von der Kulturpolitik geforderten Neubildung einer eigenen Literatur, die sich in erster Linie von den Traditionen des Westens und ebenso von denen des Nationalsozialismus erkennbar unterscheiden sollte, wurden in den 50er und 60er Jahren vermehrt populäre Autoren aus den Ostblockstaaten veröffentlicht, um den Autoren der DDR eine Richtung und ein Vorbild für ihre eigene Literatur zu geben. Isaac Assimov und Sergej Snegow aus der Sowjetunion wurden schon früh übersetzt und in der Besatzungszone veröffentlicht. Snegows utopischer Roman Menschen wie Götter, eine Space Opera[52] aus den 60er Jahren, gehörte zu den beliebtesten und weitverbreitetsten Werken ausländischer Utopien. Großen Einfluss auf die utopische Literatur übte neben den Brüdern Arkadi und Boris Strugazki und Andrej Tarkowski zudem der polnische Autor Stanisław Lem aus. Kenner halten ihn für den besten heutigen Science-Fiction-Autor überhaupt.[53] Seine beiden Frühwerke Der Planet des Todes (1954) und Gast im Weltraum (1956) wurden tatsächlich beispielhaft für die Autoren der DDR und lieferten für zahlreiche Werke Motive und inhaltliche Schwerpunkte. Insbesondere die technischen Ideen, welche Lem eher beiläufig in seinen Romanen erwähnt, werden buchfüllend adaptiert. Darunter die Saharabewässerung, die Klimaregulierung, künstliche Sonnen, die das Eis der Pole schmelzen sollen oder die Atomenergie. Allerdings bieten die Werke Lems durch verschachtelte Konstruktionen mehrerer Erzählstränge und verschiedener Erzählebenen eine sehr hohe Komplexität, die so nur selten von seinen Nachahmern der DDR erreicht wurde.[54] Insbesondere seine Romane Solaris (1961), Der Unbesiegbare (1964) und die Sterntagebücher (1971) ragen als vielschichtige, philosophische Romane aus der Masse „trivialer Science Fiction“[55] heraus. Dominique Sila formulierte dazu: „Mit Blick auf Wissenschaft und Wissen stellt er Reflexionen über den Menschen, die Gesellschaft und die Literatur an.“[56] Lem ist der Vater einiger der phantastischsten Ideen aus dem Bereich der Science Fiction und der utopischen Literatur. Obwohl sein sprachliches und ideenreiches Geschick von den meisten nicht erreicht wurde, führte er die utopisch-phantastische Literatur der DDR „vom literarischen wie vom inhaltlichen Niveau aus den Niederungen des Heftchenromans“[57] heraus.

Auf Grundlage des Romans Der Planet des Todes erarbeitete Lem in einer Kooperation der DDR mit Polen 1960 ein Drehbuch für den Film Der schweigende Stern. Die Utopie hielt somit auch Einzug in das Massenmedium Film und wurde einem ganz neuen Publikum zugänglich.

Im Lauf seiner schriftstellerischen Tätigkeit löste sich Lem mehr und mehr von den vorge­gebenen Mustern. Bereits sein zweites Werk Gast im Weltraum zeigte erste Ansätze, die die spätere Besonderheit seiner Texte ausmachen sollten. Aus den technischen Fortschrittsutopien wurden differenzierte, psychologische und philosophische Abhandlungen, die immer wieder die Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Technik stellten. Mit der Zeit verlor der Autor in seinen Texten den optimistischen Grundton und er übernahm stattdessen eine pessimistische Warnhaltung. So wurden vor allem seine späteren utopischen Romane, die immer häufiger dystopische Tendenzen miteinbezogen, in der DDR nicht mehr veröffentlicht. Das bis heute bekannte Zitat aus Solaris (1961) „Wir brauchen keine anderen Welten, wir brauchen Spiegel“[58] wurde für die Kulturpolitik nicht länger tragbar und so verschwand Lem aus den Regalen der Buchläden und Bibliotheken der DDR. Den Eindruck, den er jedoch bis dahin bei seiner schier unüberschaubaren Leserschaft hinterlassen hatte, konnten auch Verlage und Buchhandel nicht mehr rückgängig machen.

3.2 Einflüsse des Westens – Orwell und Huxley in der Utopieliteratur der DDR

Aufgrund der rigorosen Kulturpolitik – vor allem in den 60er Jahren – erfuhr die Literatur aus den westlichen Nationen eine scharfe Ablehnung. Ebenso erging es den internationalen Dystopien, die der Forderung nach dem sozialistischen Realismus der Literatur der DDR zuwiderliefen. „Die Zukunft hatte kommunistisch, licht und hell zu sein, eben eutopisch.“[59] Die Hauptmotive der Dystopie, zum Beispiel die mangelnde materielle Absicherung der Menschen, der verlorene Anspruch auf Individualität, die permanente Überwachung, das geringe Bildungsniveau, die Kontrolle physischer Bedürfnisse durch Surrogate oder die extreme Einschränkung der Mobilität hatten innerhalb der idealen Vorstellungen der DDR-Literaturpolitik nichts zu suchen und durften weder von den eigenen Autoren veröffentlicht, noch durch ausländische Werke verbreitet werden, darunter auch die Werke Orwells und Huxleys.[60] Orwells Werk 1984 beschreibt einige Motive, die in der Realität tatsächlich umgesetzt und praktiziert wurden, so zum Beispiel das Spiel mit der Sprache. Schon während des Baus betitelte der Westen den grauen Grenzwall geringschätzig und ablehnend als „die Mauer“, die SED dagegen redete wohlwollend vom „antifaschistischen Schutzwall“.[61] Die in Dystopien oft beschriebene Manipulation der Massen durch den gezielten Einsatz der Sprache wurde in der DDR somit par excellence umgesetzt und bot neben anderen Beispielen einen schlüssigen Grund, aus dem Orwells Werke bis zur Wende nicht veröffentlicht wurden. In einem Gespräch mit Siegfried Lokatis erinnert sich Karlheinz Steinmüller zurück:

„Um auf George Orwell zurückzukommen. Da ging es nicht mehr um Grauzonen in der Literatur, sondern 1984 gehörte zur schwarzen Zone. Dieses Buch allein konnte einen, gefunden zur falschen Zeit am falschen Ort, ins Gefängnis bringen. Allein das Buch genügte, um jemanden in den Ruch des antikommunistischen Kämpfers zu bringen, und entsprechend kritisch wurde Orwell insgesamt betrachtet.“[62]

Trotz des Verbots fanden die DDR-Bürger Wege, meist über das Ausland, wie Ungarn und Rumänien,[63] die westlichen dystopischen Werke zu lesen. Unter Studenten galt neben 1984 Orwells satirische Fabel Farm der Tiere (1945) als absoluter Geheimtipp und ging von Hand zu Hand.[64] Auch die Autoren der DDR waren heimliche Leser und verarbeiteten ihre Ein­drücke und Ideen mehr oder weniger offensichtlich in ihrer eigenen Literatur. Nur ein Beispiel bietet die von dem Diplomingenieur Reinhard Kriese verfasste postapokalyptische Bunkerdystopie Eden City, die Stadt des Vergessens aus dem Jahr 1985. Kriese erzählt darin die Geschichte einer Gesellschaft, die sich nach einem schweren Atomunglück unterirdisch neu formiert hat und nun von einer kleinen Minderheit, den Magistern und dessen Computer, dem Great Calculator, beherrscht wird. Wie schon Huxley und Orwell, entwirft Kriese einen personellen Erzähler, der sich zunächst gut im System zurechtfindet, sich jedoch später von eben diesem zu lösen versucht – Ral.

„Ral ist ein vorbildlicher TC[65] […]. Ein Muster an Diensteifrigkeit und Korrektheit mit dem Ergebnis hoher Effektivität, mit anderen Worten, ein Erfolgsmensch. Er sucht den Erfolg und findet ihn zu seinem Vorteil. Bis auf einige kleine Unkorrektheiten hält er sich strikt an das Ordnungsprinzip und lebt in den Grenzen, die ihm die Hierarchie zubilligt.“ (EC, S. 45)

Höchstes Gut der Gesellschaft sind die Alphas, welche durch ihre Fähigkeit zur natürlichen Fortpflanzung in der Lage sind, den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Sie führen zwar ein angenehmes Leben, stehen jedoch hierarchisch unter den Magistern. Die große Mehrheit der Gesellschaft bilden die Clone, welche durch harte Arbeit für den hohen Lebensstandard der Alphas Sorge zu tragen haben und einem strengen Reglementierungssystem unterstehen. Je besser sich die denkfähigen Clone in das System fügen, desto mehr verbessert sich auch ihr eigener bescheidener Lebensstandard.

Kriese bedient sich einiger der populärsten Motive klassischer Dystopien. Darunter das Clonen, die seelenlosen Ordnungshüter als Teil einer perfekten, lückenlosen Überwachung, die erzwungene Sexualität als Kompensation für das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, die Unterdrückung von partnerschaftlichen Verhältnissen oder die Betäubung des Geistes durch bewusstseinsbeeinflussende Drogen. Die Anleihen aus Schöne neue Welt, 1984 und Wir werden bereits auf den ersten Seiten des Romans überdeutlich. Auch das bereits erwähnte Motiv der Beeinflussung durch Sprache wird übernommen. So sind die sprachlichen Möglichkeiten bereits derart verstümmelt und manipuliert, dass die Figuren nicht mehr in der Lage sind, selbst grundlegende Empfindungen in Worte zu fassen:

„‚Lieben, was ist das? Ich kenne dieses Wort nicht. Wofür steht es?‘ […] ‚Dieses Wort gibt es bei uns schon lange nicht mehr. Es stammt aus der Vorzeit, über die wir alle nur unklare Vorstellungen haben.‘“ (EC, S. 69)

Kriese verdichtet die bekannten Ideen zu einer eigenen Erzählung, legt jedoch das Augenmerk deutlicher auf die abenteuerliche Unterhaltung. Ästhetischer Anspruch und eine niveauvolle sprachliche Gestaltung gehen dabei verloren und haben im Endergebnis nichts mehr mit den Vorbildromanen gemein. Selbst der den Dystopien so typisch anmutende bittere Bei­geschmack hinsichtlich der eigenen zu erwartenden Zukunft geht schließlich verloren, als Kriese sein Werk in einem beruhigenden Happy End auslaufen lässt. Dementsprechend fallen auch die literaturkritischen Stimmen sehr verhalten aus. Vergleichsweise milde bemerkt Hartung, das Werk sei eine „sich selbst genügende Unterhaltung innerhalb der DDR-Science-Fiction der 80er Jahre“.[66] Kruschel dagegen erkannte geringschätzig, dass der Autor nichts anderes tat, „als tradierte dystopische Versatzstücke […] unschöpferisch zu einer statischen, simplifizierten Gesellschaftsform zusammenzuschreiben“.[67]

Auch aus heutiger Sicht scheint das Werk, wie auch andere ähnliche Beispiele dystopischer Schreibversuche der DDR, nicht lesbar. Doch dass sie nichts Neues oder Originelles bieten, hängt auch mit der strengen Kulturpolitik der DDR zusammen. Wenn schon überhaupt dystopische Texte veröffentlicht werden durften, so hatten sich diese an sehr genaue Vorgaben zu halten, wie derartige Texte gestaltet sein müssen.[68] Eden City gilt somit als eines der herausragendsten Beispiele der 80er Jahre für „Gesellschafts-Simplifikationen mittels der Elemente der dystopischen Tradition.“[69] So einfach und trivial das Werk in allen wichtigen Aspekten auch sein mag, gehört es dennoch zu den wenigen in der DDR, die sich so detailfreudig an die Elemente internationaler Dystopien halten und trotzdem veröffentlicht wurden. Dem Werk steht allein deshalb zumindest eine literaturhistorische Bedeutung zu.

4. Utopieliteratur der 50er Jahre

Bereits weit vor der Gründung der DDR wurden der Kultur und dementsprechend auch der Literatur klar strukturierte Aufgaben im Rahmen einer „sozialistischen Transformation der Gesellschaft“[70] zugeschrieben. Nach marxistisch-leninistischer Auffassung hatte die Literatur „Anteil am staatlichen Erziehungsauftrag“.[71] Dem bis dahin herrschenden Nationalsozialismus sollte auf allen Ebenen ein antifaschistisches Gegengewicht geschaffen werden.[72] So zumindest gestaltete sich die Theorie. Die praktische Umsetzung jedoch sah zunächst ganz anders aus. Viele traditionelle Erzählmuster und auch Inhalte blieben vorerst erhalten. Dies galt ganz besonders für den Bereich der Unterhaltungsliteratur und das Genre der Utopie.

4.1 Die Etablierung einer Literatur nach 1945

Um die Anfänge des Genres utopischer Literatur als Teil der Literatur in der DDR nachvollziehen und verstehen zu können, ist der Blick in die Geschichte und auf die politischen und wirtschaftlichen Umstände unumgänglich. Zunächst galt es, in den Jahren 1945 bis 49 die massiv beschädigte Landwirtschaft und Industrie wieder aufzubauen. Hauptaugenmerk lag in den Bereichen der Grundstoffindustrie, zu nennen wären die mangelnde Energiewirtschaft, die Eisenerzeugung und die Chemieindustrie. Bezeichnenderweise sind all diese Bereiche auch in der utopischen Literatur der kommenden 50er Jahre wesentliche inhaltliche Faktoren. Allerdings werden diese Mängel in den utopischen Welten der Literatur längst beseitigt sein. Das Ziel, Energie im Überfluss zur Verfügung zu haben, wird zumindest literarische Realität sein. Zunächst jedoch galt es, dieses Idealbild durch Einsatz und Arbeitswillen der Arbeitergesellschaft in Gang zu bringen. Dabei kam dem Kulturbetrieb eine ganz entscheidende Rolle zu, die inzwischen bekanntermaßen keineswegs dem Zufall überlassen wurde. Nicht ohne Grund erklärt Emmerich die DDR-Literatur zur „Planungsliteratur“.[73] Sämtliche kulturelle Aktivitäten sollten ganz konkret zur „materiellen Arbeit stimulieren, um dem Sozialismus im Systemvergleich zum Sieg zu verhelfen“.[74] Diesem Kernziel entsprechend kamen den Nachkriegsjahren die Aufgaben der Überwindung des deutschen Faschismus und gleichermaßen die Absetzung vom kapitalistischen Imperialismus des Westens zu.

Da bereits in den Jahren um 1948 und 49 von der Sowjetunion absehbar war, dass eine endgültige Teilung Deutschlands in baldiger Zukunft naheliegend sein würde, ersetzten sie die Parole der „antifaschistisch-demokratischen Erneuerung“ durch eine „volksdemokratisch-sozialistische.“[75] In diesem Sinne hatte auch die Literatur stets Humanität zu bewahren und neue sozialistische Tugenden, darunter eine idealisierte Arbeitsmoral und das kollektive Miteinander, zu fördern. Dies wurde konkret in einem fixierten Kanon ästhetischer Normen für die Literatur festgelegt. Diesen Normkanon haben die Steinmüllers für die Science-Fiction-Literatur der DDR zusammengetragen. „Ein Werk hatte […] formvollendet schön, optimistisch, national in der Form, sozialistisch im Inhalt zu sein.“[76] Wissenschaftlichkeit, Optimismus, Humanismus, Rationalität und Realismus waren die Schlagworte für die Literatur der 50er Jahre. Diese Normen wiederum entsprechen den Vorgaben des sozialistischen Realismus, dessen Aufbau und Ausgestaltung die Funktion der Literatur jener Tage innehatte.

Der sozialistische Realismus wurde erstmals als maßgebliche künstlerische Leitlinie 1932 von Stalin in der Sowjetunion formuliert. Verbindlich wurde die Doktrin zwei Jahre darauf durch den sowjetischen Chefideologen Andrej Shdanow, bis sie im August 1946 wiederholt in der Sowjetunion formuliert wurde. Emmerich bringt den Inhalt des sozialistischen Realismus sehr gut auf den Punkt:

„Nach dieser Doktrin soll der Künstler das Leben kennen, es nicht scholastisch, nicht tot, nicht als ‚objektive Wirklichkeit‘, sondern als die objektive Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung darstellen. Dabei muß die wahrheitsgetreue und historisch konkrete künstlerische Darstellung mit der Aufgabe verbunden werden, die werktätigen Menschen im Geiste des Sozialismus ideologisch umzuformen und zu erziehen.“[77]

Ein positiver Held, der sich zur Nachahmung eignete und dem Leser ein vorbildliches Verhalten demonstrierte, lag im Zentrum dieser literarischen Werke. In der Sowjetunion wurde diese Doktrin bereits in den beginnenden 50er Jahren harsch kritisiert, noch deutlicher dann in der Tauwetter-Periode um 1956.

Kritiker warfen dem sozialistischen Realismus Schönfärberei, Schematismus und Konfliktlosigkeit vor. In der Tat werden all diese Punkte auch der folgenden utopischen Literatur der 50er und 60er Jahre vorgehalten werden. Diese Kritik jedoch trat in der DDR erst viel später zutage. Zunächst sollte sich die Doktrin vor allem in der Bauern- und Produktionsliteratur manifestieren. Sie wandte sich somit hauptsächlich an die Arbeiter- und Arbeitskultur.[78]

[...]


[1] Kriese, Reinhard: Eden City, die Stadt des Vergessens. Phantastischer Roman. 2. Aufl. Berlin: Neues Leben Berlin 1987. Nachfolgend mit EC abgekürzt.

[2] Vieweg, Heinz: Ultrasymet bleibt geheim. Zukunftsroman. Berlin: Neues Leben Berlin 1960. Nachfolgend mit Ubg abgekürzt.

[3] Del´Antonio, Eberhardt: Heimkehr der Vorfahren. Utopischer Roman. Berlin: Das Neue Berlin 1966. Nachfolgend mit DHV abgekürzt.

[4] Wolf, Christa: Neue Lebensansichten eines Katers. Gesammelte Erzählungen. Berlin: Aufbau-Verlag 1989. Nachfolgend mit NLK abgekürzt.

[5] Steinmüller, Angela/Karlheinz: Andymon. Eine Weltraum-Utopie. 2. Aufl. Berlin: Das Neue Leben 1989. Nachfolgend mit And abgekürzt.

[6] Breitenfeld, Annette: Die Begegnung mit außerirdischen Lebensformen. Untersuchungen zur Science-fiction-Literatur der DDR. Wetzlar: Förderkreis Phantastik in Wetzlar 1994. Vorwort [keine Seitenangabe].

[7] Vgl. Kruschel, Karsten: Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. Eutopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren. Passau: Erster deutscher Fantasy-Club 1995. S. 11.

[8] Vgl. Heidtmann, Horst: Utopisch-phantastische Literatur in der DDR. Untersuchungen zur Entwicklung eines unterhaltungsliterarischen Genres von 1945-1979. München: Wilhelm Fink 1982. S. 11.

[9] Simon, Erik/Spittel, Olaf R. (Hg.): Die Science-fiction der DDR. Autoren und Werke: Ein Lexikon. Berlin: Das Neue Berlin 1988. S. 5.

[10] Hartung, Thomas: Die Science-fiction der DDR von 1980 bis 1990. Eine unterhaltungsliterarische Bestandsaufnahme unter thematischem und wirkungsspezifischem Aspekt. Magdeburg: Block 1992. S. 3.

[11] Vgl. Entner, Heinz/Sckerl, Adolf: Zu Entwicklungsstand und -problemen der utopischen und wissenschaftlich-phantastischen Literatur der DDR. In: Mitteilungen. Sonderheft 1. o.O.a.: Schriftstellerverband der DDR 1973.

[12] Vgl. Sckerl, Adolf: Wissenschaftlich-phantastische Literatur. Anmerkungen zu ihrem Wesen und ihrer Entwicklung, Überlegungen zum Umgang mit ihr in unserer Gesellschaft. Arbeitsmaterial für die literaturpropagandistische Arbeit im Kulturbund der DDR. Berlin: Kulturbund der DDR. Präsidialrat. Zentrale Kommission Literatur 1976.

[13] Vgl. Schröder, Gustav: Zur Geschichte der utopischen Literatur in der DDR. In: Potsdamer Forschungen der Pädagogischen Hochschule "Karl Liebknecht", Reihe A (Gesellschaftswissenschaftliche Reihe) Nr. 31-47.

Potsdam: 1975.

[14] Vgl. Behla, Paul: Die wissenschaftlich-phantastische Erzählung. In: Sowjetische Kinderliteratur. In Überblicken und Einzeldarstellungen. Bussewitz, Wolfgang/Ludwig, Nadeshda (Hg.). Berlin: Der Kinderbuchverlag Berlin 1981.

[15] Vgl. Förster, Werner: Realität und Entwurf. Zu einigen Aspekten des Genres Phantastik in der DDR-Literatur der 70er Jahre. Leipziger Diss., Leipzig 1980.

[16] Vgl. Heidtmann: Utopisch-phantastische Literatur der DDR. S. 11.

[17] Friedrich, Hans-Edwin: Science Fiction in der deutschsprachigen Literatur. Ein Referat zur Forschung bis 1993. 7. Sonderheft. Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Tübingen: Max Niemeyer 1995. S. 257.

[18] Vgl. Blume, Mikaela: Untersuchungen zur Rolle der Frau in der Science-fiction-Literatur der DDR seit 1970. Leipziger Diss. Leipzig: 1989. Referat [keine Seitenangabe].

[19] Vgl. Ebd.

[20] Friedrich: Science Fiction in der deutschsprachigen Literatur. S. 282.

[21] Spittel, Olaf R.: Wie denkt Science Fiction? Utopie und Realität, Science Fiction und Zukunft – made in G.D.R. In: Steinmüller, Karlheinz/Burmeister, Klaus (Hg.): Streifzüge ins Übermorgen. Science Fiction und Zukunftsforschung. Weinheim/Basel: Beltz 1992. S. 171.

[22] Vgl. Emmerich, Wolfgang: Die andere deutsche Literatur. Aufsätze zur Literatur aus der DDR. Opladen: Westdeutscher Verlag 1974.

[23] Vgl. Meyer, Carla: Vertauschte Geschlechter – verrückte Utopien: Geschlechtertausch-Phantasien in der DDR-Literatur der siebziger Jahre. Freiburg: Centaurus 1999.

[24] Illmer, Horst: Bibliographie Science Fiction & Fantasy. Buch-Erstausgaben 1945-1995. 50 Jahre alternative Weltenentwürfe in Deutschland. Wiesbaden: Harrassowitz 1998. S. 15.

[25] Vgl. Neumann, Hans-Peter: Die große, illustrierte Bibliographie der Science Fiction in der DDR. Berlin:

Shayol 2002.

[26] Vgl. Fritzsche, Sonja: Science Fiction Literature in East Germany. East German Studies/DDR-Studien. Vol. 15. Edited by Zipster, Richard A. Bern: Peter Lang AG 2006. S. 277.

[27] Burdorf, Dieter/Fasbender, Christoph/Moennighoff, Burkhard (Hg.): Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. 3., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: J. B. Metzler 2007. S. 795.

[28] Ebd.

[29] Ebd.

[30] Vgl. Berghahn, Klaus L./Seeber, Hans Ulrich: Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Königstein/Ts.: Athenäum 1986. S. 10ff.

[31] Ebd. S. 16.

[32] Vgl. Jabłkowska, Joanna: Literatur ohne Hoffnung. Die Krise der Utopie in der deutschen Gegenwartsliteratur. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1993. S. 11.

[33] Berghahn: Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. S. 8.

[34] Jabłkowska: Literatur ohne Hoffnung. S. 11.

[35] Vgl. Kruschel: Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. S. 15.

[36] Vgl. Kruschel: Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. S. 16.

[37] Steinmüller, Angela/Karlheinz: Die befohlene Zukunft. DDR-Science Fiction zwischen Wunschtraum und (Selbst-)Zensur. In: Brockmeier, Peter/Kaiser, Gerhard R. (Hg.): Zensur und Selbstzensur in der Literatur. Würzburg: Königshausen & Neumann 1996. S. 276.

[38] Breitenfeld: Die Begegnung mit außerirdischen Lebensformen. S. 13.

[39] Ebd.

[40] Vgl. Kruschel: Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. S. 25.

[41] Burdorf: Metzler Lexikon Literatur S. 698.

[42] Breitenfeld, Annette: Kein Feld für Fantasy. Phantastische Literatur in der ehemaligen DDR. In: Phantastische Welten. Märchen, Mythen, Fantasy. Le Blanc, Thomas/Solms, Wilhelm (Hg.). Regensburg: Erich Röth Verlag 1994. S. 117.

[43] Steinmüller, Angela/Karlheinz: Das Zukunftsbild der utopischen Literatur der DDR in den fünfziger und

sechziger Jahren. Gelsenkirchen: Sekretariat für Zukunftsforschung 1994. S. 20.

[44] Ebd. Vorwort [keine Seitenzahl].

[45] Simon/Spittel: Die Science-fiction der DDR. S. 5f.

[46] Vgl. Ebd. S. 6.

[47] Opitz, Michael/Hofmann, Michael: Metzler Lexikon DDR-Literatur. Stuttgart: J. B. Metzler 2009. S. 309.

[48] In der DDR wurden je nach Verlag mehrere Termini für das Genre verwendet: Verlag Neues Leben,

Greifenverlag zu Rudolstadt: Wissenschaftliche-phantastische Literatur, Mitteldeutscher Verlag: Wissenschaftlich-phantastische oder Utopische Literatur, Militärverlag DDR, Buchverlag Der Morgen: Utopische Literatur, Das Neue Berlin: Utopische oder phantastische Literatur oder SF-Utopia. Eine umfangreiche Auflistung bietet zudem Breitenfeld: Die Begegnung mit außerirdischen Lebensformen. S. 15ff.

[49] Friedrich: Science-fiction in der deutschsprachigen Literatur. S. 130.

[50] Vgl. Müller, Götz: Gegenwelten. Die Utopie in der deutschen Literatur. Stuttgart: J. B. Metzler 1989. S. 155.

[51] Vgl. Opitz: Metzler Lexikon DDR-Literatur. S. 311.

[52] Dies ist die einzige in der DDR veröffentlichte Space Opera überhaupt. Das Genre war in der DDR nicht

vertreten.

[53] Vgl. Biesterfeld, Wolfgang: Die literarische Utopie. 2., neubearb. Aufl. Stuttgart: J. B. Metzler 1982. S. 110.

[54] Vgl. Heidtmann: Utopisch-phantastische Literatur in der DDR. S. 56.

[55] Vgl. Burdorf: Metzler Lexikon Literatur. S. 368.

[56] Sila, Dominique: Lems Spiel mit dem Universum. In: Berthel, Werner (Hg.): Über Stanisław Lem. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1981. S. 52.

[57] Zweck, Axel: Technikfolgenabschätzung und Science Fiction. In: Steinmüller, Karlheinz/Burmeister, Klaus (Hg.): Streifzüge ins Übermorgen. Science Fiction und Zukunftsforschung. Weinheim: Beltz 1992. S. 187.

[58] In der vorliegenden Ausgabe wurde das Zitat mit „Andere Welten brauchen wir gar nicht. Wir brauchen

Spiegel.“ übersetzt. Lem, Stanisław: Solaris. 3. Aufl. Berlin: Volk und Welt 1986. S. 80.

[59] Kruschel: Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. S. 45.

[60] Während der Phase der kulturpolitischen Lockerung wurde Huxleys Werk 1982 schließlich doch noch in der DDR in deutscher Sprache veröffentlicht.

[61] Vgl. Emmerich, Wolfgang: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Erw. Neuausg. 1. Aufl. Berlin: Aufbau

Verlag 2000. S. 174.

[62] Lokatis, Siegfried: Science Fiction und Schallplatten – unter dem Ladentisch und über die Grenze. In: Lokatis, Siegfried/Sonntag, Ingrid (Hg.): Heimliche Leser in der DDR. Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Literatur. Berlin: Ch. Links 2008. S. 374.

[63] Vgl. Ebd.

[64] Haase, Baldur: George Orwells Bücher und wie sie Leser in der DDR ins Zuchthaus führten. Herausgegeben von der Landesbeauftragten des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der

ehemaligen DDR. Erfurt 2005. S. 63.

[65] TC sind Thinking Clones. Sie unterscheiden sich von den SC, den Special Clones, durch ihre Fähigkeit, selbstständig zu denken und sind somit auch für geistig niveauvollere Arbeiten geeignet. Die SC dagegen sind bis auf die niedersten Grundbedürfnisse degenerierte Clone, die nur zu stumpfsinnigen und groben Arbeiten fähig sind.

[66] Hartung: Die Science-fiction der DDR von 1980-1990. S. 33.

[67] Kruschel: Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. S. 52.

[68] Vgl. Ebd. S. 46.

[69] Ebd.

[70] Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. S. 115.

[71] Schichtel, Alexandra: Zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Das Phänomen Anpassung in der Prosaliteratur der DDR. Opladen: Westdeutscher Verlag 1998. S. 30.

[72] Vgl. Heidtmann: Utopisch-phantastische Literatur in der DDR. S. 31.

[73] Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. S. 48.

[74] Ebd. S. 115.

[75] Vgl. Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. S. 73.

[76] Steinmüller: Das Zukunftsbild der utopischen Literatur. S. 13.

[77] Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. S. 120.

[78] Vgl. Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. S. 121.

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Utopien und Dystopien in der Literatur der DDR
Hochschule
Universität Leipzig  (Geisteswissenschaftliches Institut)
Note
2,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
100
Katalognummer
V444971
ISBN (eBook)
9783668816947
ISBN (Buch)
9783668816954
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Utopien, Dystopien, DDR, DDR-Literatur, Science Fiction, Utopieliteratur, dystopische Literatur, Dystopieliteratur, Stanislaw Lem, Orwell, Huxley, Heinz Vieweg, Ultrasymet bleibt geheim, Eberhardt del Antonio, Die Heimkehr der Vorfahren, DDR Zensur, Christa Wolf, Neue Lebensansichten eines Katers, Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller, Andymon
Arbeit zitieren
Jana Mussik (Autor:in), 2014, Utopien und Dystopien in der Literatur der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444971

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Titel: Utopien und Dystopien in der Literatur der DDR



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