Otto der Große und das Kaisertum im Abendland


Hausarbeit, 2013

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Otto I. als König des Ostfrankenreiches
1. Krönung in Aachen
2. Die Italienpolitik

III. Die Schlacht auf dem Lechfeld und ihre Folgen

IV. Die Kaiserkrönung in Rom

V. Otto und die Mächte seiner Zeit
1. Die westfränkischen Karolinger
2. Byzanz
3. Stellung zum Papst

VI. Fazit

VII. Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Forschungsliteratur

I. Einleitung

Im Jahr 2012 konnten zwei Jubiläen der ottonischen Dynastie begangen werden: der 1100. Geburtstag Ottos des Großen und der 1050. Jahrestag seiner Kaiserkrönung in Rom.

Die Historiker weisen inzwischen vermehrt darauf hin, dass diese Persönlichkeit nicht nur für uns Deutsche eine besondere Rolle spielen sollte, sondern auch für die Geschichte vieler anderer Länder. Obwohl er aus Sachsen kam, herrschte Otto doch über ein Reich, in dem mehrere Sprachen gesprochen wurden. Auch hatte er sich durch seine Stellung als mächtigster Herrscher im Abendland mehrere Länder und Völker tributpflichtig oder ihre Fürsten zu Vasallen gemacht. Das gilt z. B. für Böhmen, Polen und Dänemark. Auch in die Geschicke des Westfrankenreiches, aus dem später Frankreich hervorgehen sollte, griff er mehrfach ein. Schließlich gelang es ihm, sich zum König Italiens zu erheben und in Rom die Kaiserkrone aus den Händen des Papstes zu empfangen.

Genau mit dieser Geschichte will ich mich im Folgenden befassen und herausarbeiten, inwiefern unter der Herrschaft Ottos des Großen noch karolingische Traditionen und Handlungsmuster fortwirkten und inwieweit sich Otto selbst in der Nachfolge Karls des Großen sah. Denn die Forschung weist seit einigen Jahrzehnten vermehrt darauf hin, dass bei der Beschäftigung mit den Ottonen nicht nur auf das Trennende zwischen den sich allmählich auseinanderentwickelnden Teilen des ehemaligen Karolingerreiches zu achten ist. Ebenso sollten die Kontinuitäten karolingischer Prägung Europas in dieser Epoche betrachtet werden. Schließlich war Otto nicht nur Herzog von Sachsen. Er war auch König der Ostfranken und Kaiser eines übernationalen Herrschaftskomplexes.

Als Quellen stehen vor allem die Schilderungen der geistlichen Autoren Widukind von Corvey, Liudprand von Cremona und Thietmar von Merseburg zur Verfügung. Liudprand und Widukind waren Zeitzeugen, Liudprand kannte den Kaiser persönlich. Thietmar allerdings wurde zwei Jahre nach dem Tod Ottos geboren. Trotzdem hatte er durch seine Verwandtschaft mit dem Herrscherhaus einen guten Einblick in die Geschehnisse. Und natürlich lebten noch viele Zeitzeugen.

Außerdem sind 2001 und im Jubiläumsjahr 2012 zwei Biographien von Johannes Laudage und Matthias Becher erschienen, die den aktuellen Forschungsstand abbilden und übernationale Zusammenhänge der Ottonenzeit darstellen. Es gibt ferner eine große Zahl an Aufsätzen, die sich mit der Frage nach karolingischen Kontinuitäten im Ottonischen Reich und auch mit der Kaiserproblematik im Abendland und der Auseinandersetzung mit Byzanz befassen.

Zuerst soll bei dieser Untersuchung im Vordergrund stehen, wie Otto als König des Ostfrankenreiches seine Vorherrschaft in Europa sicherte und ausbaute. Dazu werde ich auf die Königserhebung, die Italienpolitik und die Lechfeldschlacht eingehen. Ausführlich werden die Kaiserkrönung und ihre Auswirkungen dargestellt. Danach wird das Verhältnis Ottos zu folgenden anderen Mächten in Europa betrachtet: zu den Karolingern im westfränkischen Reich, zu Byzanz und zum Papsttum als wichtigster geistlicher Macht im Abendland.

Ziel dieser Seminararbeit ist es, einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Otto dem Großen zu vermitteln. Intensive Quellenanalysen dienen der Unterstützung meiner Betrachtungen.

II. Otto I. als König des Ostfrankenreiches

1. Krönung in Aachen

Die Königskrönung 936 in Aachen zeigte einerseits, dass Otto sich in der Tradition Karls des Großen als König der Franken sah. Andererseits konnte er durch die Wahl des Krönungsortes seinen Anspruch auf Lothringen untermauern, der zu diesem Zeitpunkt von Ludwig IV. angefochten wurde.[1] Der Unterschied zu Ottos Vater war deutlich. Heinrich war noch in Fritzlar erhoben worden, nur von den Großen aus der Francia Saxoniaque und ohne anschließende Salbung.

Obwohl Widukind von Corvey sonst großen Wert auf den sächsischen Hintergrund der Liudolfinger legt, lässt er Otto in seiner Sachsengeschichte mit fränkischer Tracht zur Krönung schreiten.[2] Ihm, dem Sachsen, sei „durch Gottes Willen alle Macht des ganzen Frankenreiches übertragen“ worden. Auch hier spricht Widukind bemerkenswerterweise nicht von den Sachsen und Franken, sondern sogar vom „ganzen Frankenreich“.[3] Das ist interessant, betont Widukind doch sonst stets die sächsische Herkunft des Königs. Trotzdem betrachtet er die Reichsgewalt als von den Franken auf die Sachsen übergegangen.[4]

Werner Ohnsorge weist hierbei darauf hin, dass Otto bereits König war, bevor er gesalbt und gekrönt wurde. Denn schon in der Vorhalle der Aachener Pfalzkapelle war er von den Großen des Reiches zum Herrscher ausgerufen worden. Dabei dürfte Byzanz als Vorbild gedient haben.[5]

2. Die Italienpolitik

Im Jahr 937 musste Otto bereits in die Angelegenheiten eines anderen Königreiches eingreifen. Nach dem Tod des Burgunders Rudolf II. verhinderte er, dass Hugo von Arles und Ludwig IV. sich in dessen Reich festsetzten.[6] Er verteidigte das Erbe des minderjährigen Konrad, indem er ihn an seinen Hof holen ließ. Gleichzeitig sicherte er damit seinen Einfluss in dieser zentralen Region.

Bereits Ottos Vater soll einen Romzug geplant haben, musste aber aufgrund einer Erkrankung davon Abstand nehmen. Er starb, bevor er dieses Unterfangen realisieren konnte. So berichtet es zumindest Widukind.[7] Ob Heinrich aber tatsächlich eine Kaiserkrönung angestrebt hatte, ist ungewiss. Widukind zeigt mit dieser Passage, dass er bereits den ersten Liudolfinger auf dem Königsthron als zum Kaisertum berufen erachtet. Untersuchungen zur Politik Ottos gegenüber dem italienischen regnum deuten aber in eine ähnliche Richtung. Mit König Hugo von Arles sollte er schon vier Jahre später erneut in Konflikt geraten. Im Jahr 941 erreichte er, dass dieser seine Ambitionen auf das römische Kaisertum begraben musste.[8] Es gibt Hinweise, dass Otto bereits 941 in Verfolgung der Politik seines Vaters nach der Kaiserkrone greifen wollte.[9] Wahrscheinlich aber konnte er es sich 941 noch nicht leisten, einen aufwändigen Italienzug anzutreten, weil die Verhältnisse im eigenen Land zuerst konsolidiert werden mussten.[10] In jedem Fall spricht einiges dafür, dass die Liudolfinger lange vor der eigentlichen Kaiserkrönung 962 mit dem Gedanken an einen Romzug spielten. Die Politik gegenüber den Teilreichen aus dem ehemaligen Herrschaftskomplex Lothars I. zielte aber sicher auf eine Vorherrschaft der Ostfranken in diesen karolingischen Kernlanden, denn seit Arnulf von Kärnten hatten sie dort kontinuierlich ihre Position ausgebaut.[11]

Schon 940, vor dem Tod der beiden italienischen Könige Hugo und Lothar, war Berengar von Ivrea zu Otto über die Alpen geflüchtet und hatte sich diesem verpflichtet. Der ostfränkische Herrscher half ihm anschließend, sich wieder mit Hugo zu versöhnen. In Italien war Berengar seit diesem Zeitpunkt der zweite Mann nach dem König und Teilhaber an der Herrschaft.

Als Hugo und Lothar kurz hintereinander starben, letzterer möglicherweise durch Gift, sah Berengar seine Gelegenheit gekommen, selbst den Thron zu besteigen. Er nahm Lothars junge Witwe Adelheid gefangen und ließ sich zum König ausrufen. Seinen Sohn Adalbert ernannte er zum Mitkönig.

Dieses Mal war Otto stark genug, um seinerseits Anspruch auf das Regnum Italicum zu erheben. Noch im Jahr 951 wurde für ihn ein kaiserlicher Bullenstempel angefertigt. Dadurch ist belegt, dass er bereits vor dem ersten Italienzug mit einer anschließenden Kaiserkrönung rechnete.[12]

Es gelang Otto rasch, den militärisch unterlegenen Berengar zu verdrängen und in die Hauptstadt Pavia einzuziehen. Dort ließ er sich bald schon „König der Franken und Langobarden“ nennen. Auch die Urkunden wurden mit je verschiedenen Herrschaftsjahren für die beiden regna Ostfranken und Italien bezeichnet. Die Reminiszenz an Karl den Großen war offenkundig. Bernd Schneidmüller sieht durch diesen Feldzug „das Kräfteverhältnis unter den Nachfolgern“[13] des Karolingerreiches empfindlich gestört. Der ostfränkische Herrscher schickte sich an, seinem Geschlecht die Vorherrschaft in Europa zu sichern. Bisher hatte Otto zwar in Westfranken und Burgund oft eingegriffen, aber sich nicht selbst zum König erhoben. In Italien wollte er nun offen Herrschaft ausüben. Widukind von Corvey erwähnt allerdings weder eine Krönung noch eine Salbung. Otto zieht zwar in Pavia ein und heiratet Adelheid, aber von einer Inthronisation ist keine Rede. Selbst Berengar, der sich zu Otto nach Magdeburg begibt, wird weiterhin als König genannt. Die Situation Italiens ab 951 scheint folglich ungeklärt zu sein. In jedem Fall unterwarf sich Berengar zusammen mit seinem Sohn Adalbert, wie Widukind berichtet. Zwar erwähnt er auch eine ostfränkische Besatzung in Pavia, aber vorerst sollte Berengar wohl als Ottos Vasall in Italien weiter regieren dürfen.[14]

Es gibt auf der anderen Seite Belege, die dafür sprechen, dass es Otto ernst war mit der Herrschaftsübernahme in Italien. Dass er sich von den Großen im regnum südlich der Alpen huldigen ließ, ist hierfür ein starkes Indiz.[15] Möglicherweise änderte er dann seine Pläne, als deutlich wurde, dass es vorerst zu keiner Krönung in Rom kommen würde und die Verwerfungen nördlich der Alpen ein bedrohliches Ausmaß anzunehmen drohten.

Vermutlich sollte der Sieg über Berengar und die Einnahme Italiens nur der Auftakt zu einem Romzug darstellen. Auf diese Weise war schon Karl der Große Kaiser geworden. Bereits in Pavia ließ Otto eine Urkunde mit einer Metallbulle ausstellen - ein Privileg des Kaisers.[16] Zu einer Krönung durch den Papst kam es aber nicht, obwohl Otto Erzbischof Friedrich von Mainz zu Agapet II. gesandt hatte. Der Aufstieg zum Kaisertum wurde verhindert, weil Alberich II. als Herr über Rom einen ostfränkischen König nur ungern in seiner Stadt geduldet hätte und darum Druck auf den Pontifex ausübte.[17]

Für die Zeit nach 951/952 ist eine deutliche Veränderung in Ottos Handlungen als König zu erkennen. Er hatte alle inneren Gegner überwunden oder mit sich versöhnt und seiner Dynastie das Regnum Italicum gesichert. Als König zweier Reiche betonte er nun stärker seinen Anspruch, der erste Mann nördlich der Alpen zu sein. Auch gegenüber Rebellen zeigte er spürbar weniger Milde.[18] Unter ihm gewann das Königtum viel von dem zurück, was es zu Beginn des zehnten Jahrhunderts an die Großen verloren hatte. Otto kehrte zwar nicht zum System der herrschaftlichen Durchdringung mittels Königsboten zurück, aber er stärkte doch die Krongewalt gegenüber seinen Herrschaftsträgern.[19] In dieser Hinsicht regierte er wieder mehr wie ein Karolinger.[20]

Am 9. Juli 953 wurde Ottos jüngster Bruder Brun zum Erzbischof von Köln gewählt. Der Kontakt mit der Kaisertradition in Lothringen bestärkte den ostfränkischen König in seinem Streben, die höchste Würde des Abendlandes zu erlangen.[21] Prinzipiell trachtete er danach, ein fränkisches und kein römisches Kaisertum zu begründen. Denn ein Titel, der durch den Papst verliehen wurde, konnte einerseits für diesen ein Mitspracherecht und andererseits für Byzanz eine Provokation bedeuten. Karl der Große und Ludwig der Fromme als Herrscher von Gottes Gnaden, deren Macht nicht vom Pontifex in Frage gestellt werden konnte, dienten ihm hier als Vorbilder.[22]

III. Die Schlacht auf dem Lechfeld und ihre Folgen

Vor dem Beginn der Schlacht lässt Widukind Otto die Ostfranken als „Herren fast ganz Europas“ bezeichnen. Als tapferer Feldherr ergreift der König die Heilige Lanze und führt seine Krieger in die Schlacht.[23]

Nach dem Sieg rufen ihn seine Truppen zum „Vater des Vaterlandes und Kaiser“[24] aus. Widukind ist der einzige, der diese Szene erwähnt. Unabhängig davon drückt ihre Schilderung aus, dass Otto für Widukind schon seit der Schlacht auf dem Lechfeld Kaiser ist und keiner Krönung durch den Papst mehr bedarf. Wie bei den antiken Imperatoren ist hier also nicht der Akt der Krönung, sondern die Erhebung durch das Heer konstitutiv. Die spätere Kaiserkrönung, die Widukind zwar für Otto II. (III, 70), nicht aber für seinen Vater erwähnt, erscheint ihm folglich weniger als Rechtssetzung denn als Bestätigung der schon erlangten kaiserlichen Würde. Damit drückt er zugleich die Unzufriedenheit vieler Sachsen aus, die sich mit dem italienischen Königtum Ottos nie recht anfreunden konnten und ihren Kaiser wieder nördlich der Alpen sehen wollten.

Da auch Ruotger von kaiserlichen Ehrungen nach der Lechfeldschlacht berichtet, können diese als ziemlich wahrscheinlich angenommen werden.[25] Rechtliche Folgen hatte die Schlacht aber vorerst nicht. Otto nannte sich weiterhin „König“, nicht „Kaiser“.

Martin Lintzel weist darauf hin, dass Otto schon vor seiner Krönung in Rom eine Suprematie über die anderen Nachfolgereiche errichtet hatte. Diese Ordnung wurde nicht erst 962 begründet. Ihr wurde eine größere Legitimität verliehen. Aber real veränderte die Inthronisation die politische Lage in Europa nicht. Deshalb hat es eine gewisse Konsequenz, wenn Widukind den König seit der Lechfeldschlacht als Kaiser betitelt. Die Hegemonie des ottonischen Herrschers war zu diesem Zeitpunkt bereits hergestellt.[26]

Eventuell wurde schon unmittelbar nach dem Sieg in der Lechfeldschlacht mit dem neuen Papst Johannes XII. über eine Kaiserkrönung in Rom verhandelt. Nun konnte Otto diesen Punkt wieder auf die Tagesordnung setzen. Alle inneren und äußeren Feinde waren besiegt und Alberich II. gestorben.[27] Es sollte aber noch mehrere Jahre dauern, bis sich der siegreiche Ostfrankenherrscher erneut über die Alpen begab. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen war Otto nach dem Ungarnsieg in Kämpfe gegen die Elbslawen verwickelt. Danach war er längere Zeit krank. Schließlich wusste er seine Nachfolge noch nicht vollständig geregelt. Bei einem plötzlichen Tod des Königs in Italien hätte es im Reich zu einem Bürgerkrieg kommen können. Zwar gab es einen erwachsenen Sohn, nämlich Liudolf. Aber ihm war kurz zuvor wegen der Erhebung gegen seinen Vater das Herzogtum Schwaben entzogen worden. Außerdem hatte Ottos zweite Frau Adelheid ihm bereits drei Söhne geboren, von denen allerdings nur der dritte überlebte. Mit dem Bruder des Königs, Heinrich, verband Liudolf eine intensive gegenseitige Abneigung. Ein Tod des Herrschers südlich der Alpen hätte also zu einem Thronstreit im Reich führen können. Das musste verhindert werden.[28] Deshalb wurde Liudolf nach Italien entsandt. Dort hatte sich Berengar inzwischen viele Feinde gemacht. Der Versuch Liudolfs, in Italien Fuß zu fassen, wird in der Forschung inzwischen als mögliche Überlassung eines Unterkönigtums an Ottos ältesten Sohn verstanden. Ruotger spricht von der Übertragung „ganz Italien[s]“. Indem er seinem Sohn ein eigenes Teilreich anvertraute, beteiligte er ihn erneut an der Herrschaft und griff damit die Tradition der Karolinger auf. Sein Vater Heinrich hatte ihm kaum echte Handlungsspielräume zugestanden.[29] Nachdem Liudolf aber bereits im September 957 am Lago Maggiore gestorben war, endete dessen Engagement in Oberitalien, ohne dass Ottos weitere Pläne für Italien ersichtlich geworden waren. Schließlich musste er sich 961 selbst auf den Weg über die Alpen begeben.

IV. Die Kaiserkrönung in Rom

Bereits vor dem zweiten Italienzug Ottos spielte man im Reich nördlich der Alpen mit dem Gedanken an eine eigene Kaiserkrönung. Es wurden jeweils ein römischer und ein fränkischer ordo zusammengestellt. Die Mitwirkung des Papstes wurde folglich noch nicht als obligatorisch betrachtet.[30]

Ottos Macht hatte inzwischen ein Ausmaß erreicht, das mit der Bezeichnung „imperiales Königtum“ umschrieben wird. Anders ausgedrückt war der Sachse schon Kaiser, bevor er diesen Titel führte. Die Krönung in Rom erscheint damit gleichsam als Bestätigung einer Würde, die ihm ohnehin zustand.[31] Dem „imperialen“ Königtum fehlte lediglich der Titel zur Kaiserwürde.[32] Nach mittelalterlicher Auffassung mussten Name und Bedeutung zusammen passen. Otto besaß die Macht eines imperator. Deshalb sollte er auch so genannt werden.[33] Ähnlich hatte schon Pippin der Jüngere dem Papst gegenüber seine Erhebung zum König gerechtfertigt. In der gleichen Weise wurde dann die Kaiserwürde für dessen Sohn Karl den Großen gefordert.

Der zweite Zug nach Italien sollte nicht durch Probleme in der Heimat gestört werden. Deshalb ließ Otto seinen gleichnamigen Sohn in Mainz zum König wählen und in Aachen krönen. Die Nachfolge war dadurch gesichert. Es ist Ottos umsichtigen Vorkehrungen im Ostfrankenreich zu verdanken, dass der zweite und dritte Italienzug so erfolgreich verliefen.[34]

Ein Hilferuf des Papstes als Auslöser für Ottos Feldzug findet sich bei Widukind nicht. Er beschreibt lediglich, wie Otto nach Rom zieht, sobald die inneren Angelegenheiten des Reiches geregelt sind. Die Gefangennahme Berengars, der immer noch König genannt wird, und die Einnahme Roms werden zwar geschildert. Von einer Kaiserkrönung ist aber keine Rede, und Widukind entschuldigt sich damit, dass seine Erzählkunst nicht ausreiche, um von diesen Vorgängen zu berichten.[35] Für Widukind ist Otto schließlich bereits Kaiser und bedarf keiner Krönung mehr.

[...]


[1] Lintzel, Martin: Die Kaiserpolitik Ottos des Grossen, München, Berlin, 1943, S. 44–45

[2] Widukind von Corvey: Widukinds sächsische Geschichten, in: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, X. Jahrhundert, 6. Band, hrsg. v. Georg Heinrich Pertz, Jakob Grimm, Karl Lachmann, Leopold Ranke, Karl Ritter, Berlin 1852, II, 1

[3] ebenda, II, 1

[4] Beumann, Helmut: Das Kaisertum Ottos des Großen: Ein Rückblick nach tausend Jahren, in: HZ 195 (1962), S. 529–573, hier S. 544–545

[5] Ohnsorge, Werner: Otto I. und Byzanz, in: Festschrift zur Jahrtausendfeier der Kaiserkrönung Ottos des Großen, Graz 1962/63, S. 107–121, hier S. 111–112

[6] Laudage, Johannes: Otto der Grosse: (912 - 973). Eine Biographie, Regensburg, 2001, S. 161

[7] Widukind, I, 40

[8] Huschner, Wolfgang: Kaiser der Franken oder Kaiser der Römer: Die neue imperiale Würde Ottos I. im euromediterranen Raum, in: Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter. Ausstellungskatalog. Landesausstellung Sachsen-Anhalt aus Anlass des 1100. Geburtstages Ottos des Großen; [Landesausstellung Sachsen-Anhalt im Kulturhistorischen Museum Magdeburg vom 27. August bis 9. Dezember 2012], hrsg. v. Matthias Puhle, Regensburg, Magdeburg 2012, 1. Aufl., S. 519–527, hier S. 520

[9] Beumann, S. 563–564

[10] Laudage, S. 159

[11] Beumann, S. 536–537

[12] Ohnsorge, S. 112

[13] Schneidmüller, Bernd: Otto I. der Große (936-973), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919 - 1519), hrsg. v. Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, München 2003, S. 35–61, hier S. 48

[14] Widukind, III, 9-11

[15] Roswitha von Gandersheim: Der Hrotsuitha Gedicht von den Thaten Kaisers Oddo I., in: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, X. Jahrhundert, 5. Band, hrsg. v. Georg Heinrich Pertz, Jakob Grimm, Karl Lachmann, Leopold Ranke, Karl Ritter, Berlin, 1860, Verse 683-689

[16] Laudage, S. 167–168

[17] Althoff, Gerd/Keller, Hagen: Heinrich I. und Otto der Grosse. Neubeginn auf karolingischem Erbe, Göttingen, 1994, 2. Aufl., S. 166–167

[18] Schneidmüller, S. 51

[19] Laudage, S. 261–262

[20] ebenda, S. 252–253

[21] Beumann, S. 539–540

[22] Ohnsorge, S. 114

[23] Widukind, III, 46

[24] ebenda, III, 49

[25] Beumann, S. 551

[26] Lintzel, S. 29

[27] Beumann, S. 561–562

[28] Becher, Matthias: Otto der Große: Kaiser und Reich. Eine Biographie, München, 2012, S. 212

[29] Ruotger von St. Pantaleon: Ruotgers Leben des Erzbischofs Bruno von Köln, in: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, X. Jahrhundert, 3. Band, hrsg. v. Georg Heinrich Pertz, Jakob Grimm, Karl Lachmann, Leopold Ranke, Karl Ritter, Berlin, 1851, S. 36

[30] Beumann, S. 551–552

[31] Althoff/Keller, S. 158

[32] Beumann, S. 547

[33] Becher, S. 217

[34] ebenda, S. 229–230

[35] Widukind, III, 63

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Otto der Große und das Kaisertum im Abendland
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte I)
Veranstaltung
Proseminar: Die karolingischen Nachfolgereiche
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
28
Katalognummer
V444413
ISBN (eBook)
9783668814035
ISBN (Buch)
9783668814042
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Otto der Große, Karl der Große, Heinrich der Vogler, Arnulf von Kärnten, Liudolf von Schwaben, Berengar von Ivrea, Kaiserin Adelheid, Königin Edgitha, Ostfränkisches Reich, Italien, Rom, Papsttum, Kaisertum, Heiliges Römisches Reich
Arbeit zitieren
Daniel Scholaster (Autor:in), 2013, Otto der Große und das Kaisertum im Abendland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444413

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