Scarrons Virgile travesti und der Sprachpurismus im 17. Jahrhundert


Hausarbeit, 1999

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer, gesellschaftlicher und biographischer Hintergrund
2.1. Entstehung der Burleske.
2.2. Sozialgeschichtlicher Hintergrund
2.3. Biographie Scarrons
2.4. Ursprung der Burleske und Abgrenzung zu Lalli
2.5. Funktion und Auswirkung seines Werkes

3. Analyse der Textpassage 1051-1190
3.1. Inhaltsangabe bzw. Gliederung
3.2. Heldendegradierung
3.3. Sprachanalyse
3.3.1. Vokabular
3.3.2. Syntax
3.3.3. Stilmittel

4. Schlußbemerkung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Eine Sprache ist in vielerlei Hinsicht Produkt und zugleich Spiegel ihrer Zeit. Inhalt dieser Hausarbeit bildet eine kritische Auseinandersetzung mit Scarrons Virgile travesti und dem Sprachpurismus im 17. Jahrhundert.

Welchen Charakter hat die burleske Dichtung und was unterscheidet sie von anderen Dichtungen? Bars oft zitierter Satz Ainsi c'est trop peu de dire que le burlesque échappe à la règle, il est fait contre la règle[1] wird in der Sprachanalyse zu untersuchen sein. Unter Punkt 2 stelle ich die Hintergründe dar, welche sich auf Paul Scarron und damit auf sein Werk Le Virgile travesti ausgewirkt haben.

Der dritte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Sprachanalyse der ausgewählten Textpassage aus dem zweiten Buch, welche die Verse 1051-1190 umfaßt. Aufgrund des Umfanges dieser Partie, die sehr viel Typisches an burlesker Dichtung aufzeigt, kann ich nur einige Wortbeispiele aus dem Text behandeln, da sonst die Betrachtung über den Rahmen einer Proseminararbeit hinausgehen würde. Hauptaufgabe bildet die Beschäftigung mit dem Wortschatz, dem Satzbau und den Stilmitteln, um folgendes Zitat aus der Einleitung des Virgile travesti überprüfen zu können: Le burlesque, c'est en effet une écriture, caractérisée par un vocabulaire (familier, bas, proverbial, technique, archaïque, pittoresque, forgé), par une syntaxe (où dominent les ruptures de construction, les ellipses, les inversions), par une rhétorique (de l'entassement, de l'antithèse, de l'emphase, du cocasse), le tout formant un style dont l'élément essentiel est la dissonance, le décalage, la rupture.[2]

Abschließend werden im vierten Abschnitt der Arbeit die Ergebnisse zusammengefaßt.

Zur Literatursuche ist anzumerken, daß es schwierig war, geeignete Schriften zur Burleske zu finden, vor allem hinsichtlich der Sprachanalyse, bei der hauptsächlich auf das Standardwerk von Bar zurückgegriffen wird.

2. Historischer, gesellschaftlicher und biographischer Hintergrund

2.1. Entstehung der Burleske

Während im Zeitalter des Humanismus im 16. Jahrhundert die Poeten versucht haben, die Sprache zu bereichern, so ist unter der absolutistischen Herrschaft im klassischen 17. Jahrhundert eine Umkehrentwicklung festzustellen, die sich durch die Schlagworte clarté und pureté bezüglich des Sprachgebrauchs auszeichnet. Die Académie fran Vaise wird 1635 von Richelieu gegründet. Ihre vordergründige Zielsetzung ist literarischer Art, d.h. sie soll der Pflege von Sprache und Literatur dienen und zu diesem Zweck ein Wörterbuch, eine Grammatik, eine Rhetorik und eine Poetik erarbeiten. Einer der bedeutendsten Sprachtheoretiker, Claude Favre de Vaugelas, setzt als Anhaltspunkt seiner Arbeit den bon usage der gehobenen Pariser Gesellschaft an, den er in den Werken der besten Autoren seiner Zeit verwirklicht sieht.

Dies hat zur Folge, daß sich zwei Tendenzen auf den bon usage ausbilden, zum einen la préciosité und zum anderen le burlesque.[3] Die Preziösität, die sich u.a. bei Molières Werken auffindet, zeichnet sich durch verkürzte Metaphern, Hyperbolik und Wortschwulst aus. Ihre Gegentendenz, die Burleske, parodiert häufig literarische Vorlagen und kehrt die gesellschaftliche Werteskala um, indem sie Alltägliches in hohem Stil darstellt und umgekehrt Erhabenes herabsetzt.[4] Ihr Hauptvertreter ist Paul Scarron, der in Le Virgile travesti die Äneis des Vergil parodiert.

2.2. Sozialgeschichtlicher Hintergrund

Mit dem Tod Ludwig XIII. im Jahre 1643 beginnt eine neue Regentschaft, die von seiner Frau Anna von Österreich und dem Kardinal Mazarin für den gerade fünfjährigen Ludwig XIV., dem späteren Sonnenkönig, ausgeübt wird.

In den Jahren 1648-53 kommt es zur Herausbildung der Fronde, durch welche die offene Gewalt im politischen Raum ausbricht. Im Deutschen bedeutet fronde ‘Schleuder’und ist hier im Kontext als Symbol für den Aufstand gegen Mazarin zu verstehen. Teile des Adels versuchen, ihre Interessen mit den Mitteln des Krieges zu verteidigen. Die Fronde ist der letzte Aufstand, aus deren Niederschlagung die Monarchie gestärkt hervorgeht.[5]

Auffällig erscheint, daß die Fronde und der Virgile travesti (1648-52) im gleichen Zeitraum auftreten, was nun die Frage nach der gegenseitigen Beeinflussung aufwirft. Unter den Sprachwissenschaftlern ist diese Frage ein umstrittenes Thema, generell kann man aber festhalten, daß zwischen 1643 und 1661 ein bestimmtes Geistesklima in der Öffentlichkeit vorherrscht, das sowohl auf die Literatur als auch auf die Politik einwirkt.[6]

2.3. Biographie Scarrons

Die Biographie wird dahingehend betrachtet, inwieweit sie für das Nachvollziehen von Scarrons Travestie wichtig ist.

Am 4.(14.?)7.1610 wird er in Paris geboren. Mit neunzehn Jahren erhält er die kirchlichen Weihen, um Abbé zu werden. Er verkehrt in den Salons der gehobenen Pariser Gesellschaft, wo er als ein geistreicher Zeitgenosse angesehen wird. Dieser Umgang prägt seine Dichtung, denn sein Virgile travesti weist einen urbanen Witz, einen gewagten, aber nie gewöhnlichen Salon-Plauderton auf.

Der Vater von Scarron, ein konservativer Gerichtsrat, hängt dem Klassizisten Ronsard an, wohingegen Scarron Malherbe favorisiert, da jener Kritik an den antiken, von Ronsard als Vorbilder dargestellten, Dichtern übt, somit macht sich schon früh eine antikenkritische Neigung bei Scarron bemerkbar. Dies zeigt sich z.B. bei Scarron, indem er Spott an den angeblichen Schwächen Vergils übt.

Zu Beginn der dreißiger Jahre wird er Sekretär bei dem Bischof von Le Mans, Charles des Beaumanoir. Mit ihm reist er 1635 nach Rom, wo Lalli bereits in den Jahren 1633 und 1634 je eine Ausgabe der Eneide travestita veröffentlicht hat. Da Scarron die italienische Sprache beherrscht, kann er Lallis Werk lesen, so daß hier seine Inspiration für den Virgile travesti zu suchen ist. 1638 beginnt seine immer schlimmer werdende Krankheit, multiple rheumatische Arthritis, die sich am einschneidensten auf sein Leben auswirkt. Fünf Jahre später kann Scarron nicht mehr laufen und behilft sich oft mit Opium.

Auch hinsichtlich dieser Lebenserfahrung muß die burleske Dichtung betrachtet werden. Auffallend erscheint sein Verhalten, da er seine Schmerzen in komischem und scherzhaften Stil äußert. Die Fähigkeit jeder Lage mit Komik zu begegnen kennzeichnet somit seinen Charakter und auch den Stil des Virgile travesti.

Lediglich durch die anonym erschienene Mazarinade 1651, die ebenfalls in den gereimten Achtsilbern verfaßt ist, rechnet Scarron sich zu der Seite der Frondeanhänger. Doch dies reicht nicht aus, um seine Travestie aus seiner politischen Haltung heraus zu deuten.

Am 7.10.1660 stirbt Scarron in Paris.[7]

2.4. Ursprung der Burleske und Abgrenzung zu Lalli

Die ‘Burleske’ findet ihren Ursprung im italienischen Wort burla, was ‘Schwank, Posse, Schabernack’ bedeutet. Hiervon abgeleitet ist das Zeitwort burlare ‘scherzen, necken, jemandem einen Streich spielen’.[8] Der Virgile travesti wird der Stilrichtung nach in die französische Barockliteratur der burlesken Dichtung eingeordnet. Der Umfang an Gattungen ist zahlreich, vor allem sind hier die literarische Parodie und die Mythentravestie zu nennen.[9] Scarron parodiert Vergils Äneis. Er schreibt nicht im traditionellen Versmaß der Epik, dem Alexandriner, sondern im Achtsilber, dem vers burlesque.

Scarron wählt zwar dieselbe Vorlage seines Werkes und übernimmt auch im Titel travesti, doch in seinem eigenen Verfahren zeigt sich seine Selbständigkeit. Zu den Gemeinsamkeiten von Lalli und Scarron zählen die Anachronismen und die allgemeine Familiarisierung. Scarrons individueller Akzent liegt in der eher großstädtischen Ausdrucksweise und Gewandtheit, desweiteren schweift er auch zu seiner Person selbst ab. Lalli dagegen erscheint nie unmittelbar als Erzähler oder Autor.[10]

Ein Kennzeichen von Scarrons Virgile travesti und generell auch von der Travestie ist die Planlosigkeit, mit der die Vorlage komisiert wird, d.h. er führt sich nicht das Werk als Ganzes vorab vor Augen, sondern beschäftigt sich Stück für Stück mit der Äneis. Somit hält er seine spontanen Ideen fest, was zur Folge hat, daß die einmal gewählte

niedrige und komische Darstellung verfolgt werden muß und wenig Modifikationsspielraum gegeben ist. In seinem Vorgehen liegt auch der Grund für die schrittweise publizierten acht Bücher des Virgile travesti.[11]

2.5. Funktion und Auswirkung seines Werkes

Im Virgile travesti finden sich, wie schon in 2.3. erwähnt, kritische Aspekte in Bezug auf den Vorlagenautor Vergil, die auf dem Hintergrund des herrschenden Geistesklima zu sehen sind. Durch die Kritik sind die Liebhaber der Antike seiner Zeit schwer getroffen. Das Verständnis beim Leser kann nur durch einen hohen Bekanntheitsgrad der Vorlage gesichert werden, denn die burleske Komik, die auf der Diskrepanz von Stoff und Stil beruht, kann sich nur entfalten, wenn diese Diskrepanz als solche erkennbar ist. Vergils Äneis ist im 17. Jahrhundert die bekannteste und mit der größten Autorität ausgestattete antike Dichtung.[12] Innerhalb des Virgile travesti findet sich auch die Zeitkritik und die allgemein unpolitische Sittensatire.[13] Scarrons Virgile travesti ist sehr erfolgreich und löst eine literarische Modeerscheinung aus, die aber nur bis in die sechziger Jahre anhält. Die französische Travestie ist im Vergleich mit anderen Ländern durch die literarische Qualität des Virgile travesti am besten erforscht.[14]

[...]


[1] Bar, F., Histoire de la langue fran Vaise, 76.

[2] Scarron, P., Le Virgile travesti, 14.

[3] Geckeler,H./Dietrich, W., Einführung in die französische Sprachwissenschaft, 213-219.

[4] Perrault, Ch., Parallèle des Anciens et des Modernes, 296.

[5] Stauder, T., Die literarische Travestie, 397.

[6] A.a.o., 111f.

[7] A.a.o., 112-115.

[8] Fraenger, W., Formen des Komischen, 34.

[9] Kindler, 850.

[10] Stackelberg, J., Arcadia, 236.

[11] Stauder, T., Die literarische Travestie, 118f.

[12] Stackelberg, J., Arcadia, 236.

[13] Stauder, T., Die literarische Travestie,122.

[14]A.a.o., 109.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Scarrons Virgile travesti und der Sprachpurismus im 17. Jahrhundert
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Französische Sprache und Sprachpolitik im 17. Jahrhundert
Note
2,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
15
Katalognummer
V44414
ISBN (eBook)
9783638420204
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Scarrons, Virgile, Sprachpurismus, Jahrhundert, Französische, Sprache, Sprachpolitik, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Yvonne Dämgen (Autor:in), 1999, Scarrons Virgile travesti und der Sprachpurismus im 17. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44414

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