"...hier ragen Spuren von deutscher Herrlichkeit". Der Große Feldberg im Taunus als nationaler Versammlungsort (1814, 1844, 1906)


Hausarbeit, 2018

32 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Problemstellung und Vorgehensweise

2. Der Große Feldberg als Ort von Sage und Geschichte

3. Der Große Feldberg als nationaler Versammlungsort (1814 – 1906)
3.1. Die Völkerschlacht-Gedenkfeier (1814)
3.1.1. Vorgeschichte
3.1.2. Protagonisten
3.1.3. Durchführung und Nachwirkung
3.1.4. Textuntersuchungen
3.2. Das erste Feldberg-Turnfest (1844)
3.2.1. Vorgeschichte
3.2.2. Protagonisten
3.2.3. Durchführung und Nachwirkung
3.2.4. Textuntersuchung: Die Eröffnungsrede von A. Ravenstein
3.3. Die Planungen zum Großen Feldberg als Festspielort (1901 – 1906)
3.3.1. Vorgeschichte
3.3.2. Protagonisten
3.3.3. Weitere Entwicklung
3.3.4. Textuntersuchungen: Ernst Lauterer

4. Der Große Feldberg als Ort des deutschen Nationalismus
4.1. Die „Idee vom Feldberg“ und ihre Wandlungen (1814 – 1906)
4.2. Einordnung in die Gesamtentwicklung des deutschen Nationalismus

5. Schlussbetrachtung

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Problemstellung und Vorgehensweise

Im Kurs „Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa“ des Moduls IV wird die Entwicklung des (u.a.) deutschen Nationalismus in ihren Phasen, Ausprägungen und Wandlungen vorgestellt. Die vorzulegende Hausarbeit soll dieser Entwicklung vom frühen 19. bis zum frühen 20. Jahrhundert am Beispiel dreier Versuche, einen bestimmten Ort - den Großen Feldberg im Taunus - für nationale Ziele zu vereinnahmen, nachgehen.

Zunächst wird der Große Feldberg, insbesondere in Bezug auf die mit ihm verbundenen Sagen, kurz vorgestellt. Dann folgt die eigentliche Untersuchung. Aus der Geschichte dieses Berges als Kundgebungs- und Festort wurden folgende drei Momente der Entwicklung ausgewählt:

- Der von Ernst Moritz Arndt als gesamtdeutscher Gedenktag konzipierte Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig am 19.10.1814
- das von August Ravenstein initiierte erste Feldberg-Turnfest (23.6.1844) und
- die Planungen von Ernst Lauterer zu einer Sport- und Festspielstätte auf dem Feldberg (1901 - 1906)

Und den Charakter und die Zielrichtung der jeweiligen Veranstaltungen bzw. Pläne herauszuarbeiten, sollen in der Arbeit primär die Texte, die als Aufruf oder Festrede im Zusammenhang mit den geplanten Versammlungen bzw. Projekten ein möglichst zahlreiches Publikum begeistern sollten, näher untersucht werden. Um diese Texte in ihrem Umfeld richtig einordnen und bewerten zu können, werden den Textbetrachtungen jeweils kurze Darstellungen der drei genannten Fest- bzw. Festspielprojekte vorangestellt, die folgende Aspekte umreißen:

- Vorgeschichte
- Protagonisten
- Durchführung und Nachwirkung

Schwerpunkt der Textuntersuchungen ist die Frage, warum gerade der Große Feldberg als Veranstaltungsort ausgewählt und mit welchen Bedeutungen dieser im Zusammenhang mit den jeweiligen Veranstaltungsideen und zum Zweck ihrer Verbreitung aufgeladen wurde.

Nachdem dies für die untersuchten Quellentexte ermittelt wurde, folgt als Kern der Hausarbeit die vergleichende Einordnung der Ergebnisse in das in der Kurseinheit dargestellte Gesamtbild: Welche Unterschiede in den jeweils mit dem Feldberg zur Verwendung als nationalem Veranstaltungsort in Verbindung gebrachten Ideen, Begriffe und Motive lassen sich feststellen und wie lassen sich diese in die Gesamtentwicklung des deutschen Nationalismus im betrachteten Zeitraum einordnen?

Eine Schlussbetrachtung zu den erzielten Ergebnissen und ihrer Deutung schließt die Arbeit ab.

2. Der Große Feldberg als Ort von Sage und Geschichte

Der Große Feldberg im Taunus, in der Gemarkung der Gemeinde Schmitten im Hochtaunuskreis (Hessen) gelegen, ist mit 880 m ü. NN der höchste Berg dieses Mittelgebirges. Er ist beliebt als Ausflugsziel und Wintersportort, dazu Hausberg des nahe gelegenen Frankfurt am Main und mit seinen drei Türmen und dem hohen Sendemast ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Rhein-Main-Region, über welche er einen weiten Blick bietet.

Sein Ruf als Ort der Sage geht auf eine Urkunde des Mainzer Erzbischofs Bardo aus dem Jahre 1043 zurück, in der der Feldberg (als „veltberc“) zum ersten Mal urkundlich erwähnt und der auf seinem Gipfelplateau aufragende, markante Felsen als „lectulus Brunihilde“, das „Bettchen der Brunhild“ bezeichnet wird.[1] Spätere Ausleger - inspiriert durch das 1782 im Druck erschienene Nibelungenlied[2] - brachten diesen Namen mit der darin eine Hauptrolle spielenden Brunhild bzw. mit der auf einen Felsen inmitten eines Flammenringes schlafenden und von Siegfried / Sigurd erweckten Walküre Brunhild der Edda in Verbindung, ein Stoff, der vor allem von Richard Wagner in aller Breite in seinem „Ring des Nibelungen“ verarbeitet wurde.[3] Wahlweise wurde die Bezeichnung auch auf die Merowingerkönigin Brunhilde (gest. 613) und deren dramatisch-blutige Lebensgeschichte bezogen.[4] Weitere mit dem Großen Feldberg verbundene Sagen ranken sich um die Hl. Hildegard von Bingen sowie um ein auf den fernen Geliebten harrendes Edelfräulein aus dem nahegelegenen Reifenberg, die beide ihre Abdrücke im o.g. Felsen hinterlassen haben sollen.[5]

Neben diesen Sagen haben sichtbare Spuren der Geschichte in der unmittelbaren Umgebung Stoff für spätere Sinnzuweisungen an den Feldberg geliefert: Der im 19. Jahrhundert als „Pfahlgraben“ bezeichnete und als solcher auf langen Strecken gut erkennbare römische Limes - als Sinnbild germanisch-römischer oder in späterer Gleichsetzung deutsch-fremdländischer Konfrontation - verläuft direkt unterhalb seines Gipfelplateaus und auf dem benachbarten Kleinen Feldberg befindet sich eines der zugehörigen Kastelle. Auch das unter Wilhelm II. nach damaligem Kenntnisstand rekonstruierte Kastell Saalburg bei Bad Homburg liegt in direkter Nachbarschaft, ebenso zahlreiche Burgen als Monumente eines verklärten deutschen Mittelalters.[6]

Auf einem weiteren Nachbargipfel, dem Altkönig, sind zwei gewaltige keltische Ringwallanlagen erhalten, die im 18. und 19. Jahrhundert - vor der Aufforstung des Berges - weithin sichtbar waren und wechselnd als germanische Befestigungen oder als das von Tacitus erwähnte Drusus-Kastell „in monte Tauno“ identifiziert wurden.[7] Auf diese Erwähnung geht auch die vor allem vom Frankfurter Kaufmann und Diplomaten Johann Isaak von Gerning (1767 – 1837) propagierte und allgemein durchgesetzte Umbenennung des zuvor als „die Höhe“ oder „der Hainich“ bezeichneten Mittelgebirgszuges in „Taunus“ zurück.[8]

Allein mit diesen hier kurz dargestellten germanisch-vorzeitlichen, römischen und mittelalterlichen Sagen und Hinterlassenschaften boten der Feldberg und seine Umgebung – noch dazu mit Aussicht zum Rhein – ein breites Angebot an für die jeweiligen propagandistischen Zwecke nutzbaren Bezügen. Hinzu kommt, dass über den Feldberggipfel seit September 1813 die Landesgrenze dreier deutscher Kleinstaaten (Hessen-Darmstadt bzw. Hessen-Homburg, Nassau und Frankfurt) verlief, er also ein zur Überwindung mahnendes Sinnbild des zersplitterten Deutschland „im Kleinen“ bot.[9]

3. Der Große Feldberg als nationaler Versammlungsort (1814 – 1906)

3.1. Die Völkerschlacht-Gedenkfeier (1814)

3.1.1. Vorgeschichte

Vier Tage lang, vom 16. bis 19. Oktober 1813, tobte bei Leipzig die Schlacht, die mit Napoleons Niederlage das Ende von dessen Herrschaft über Europa und vor allem des von ihm in Deutschland eingerichteten Systems der mit ihm verbündeten Rheinbundstaaten markierte. Die Schlacht wurde von den national gesinnten Intellektuellen als Beginn der Befreiung Deutschlands von der napoleonischen bzw. französischen Fremdbestimmung begriffen, sie war der empfundene und tatsächliche Höhe- und Wendepunkt in den noch bis 1815 andauernden Befreiungskriegen“. Im behandelten Zeitraum jedoch schien Napoleon endgültig besiegt: Er war am 4.4.1814 als Kaiser der Franzosen zurückgetreten und bis zum 13.3.1815, als er unerwartet für 100 Tage zurückkehrte, auf Elba im Exil.

3.1.2. Protagonisten

Einer der führenden Köpfe und der bekannteste dieser deutsch-nationalen Intellektuellen war Ernst Moritz Arndt (1769 – 1860) dessen umfang- und facettenreiches Wirken als Dichter, Publizist und Politiker im begrenzten Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend dargestellt werden kann. Für diese Untersuchung soll der Blick allein auf seine Tätigkeit als Agitator für die deutsche Einheit und gegen die französische Fremdherrschaft und vor allem auf seine Bemühungen um die dauerhafte Etablierung des Völkerschlacht-Gedenkens gerichtet werden.

Im Frühjahr des Jahres 1814 war Arndt, zuvor Geschichtsprofessor in Greifswald, als Privatsekretär des Freiherren vom Stein, der gerade verschiedene deutsche Länder und Höfe zur Koordinierung des Kampfes gegen Napoleon und zur Werbung um seine Einheitsbestrebungen bereiste, nach Frankfurt am Main gekommen. Dort hatte Stein eine (kurzlebige) „Centralverwaltung“ für die bis zuletzt auf Napoleons Seite verbliebenen Rheinbundstaaten eingerichtet.[10]

Im September 1814 gab Arndt in Frankfurt bei seinem Quartierwirt und Verleger Eisenberg die im Juli 1814 verfasste Flugschrift „Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht“ heraus,[11] die mit drei Auflagen (Erstauflage 5.000) sehr erfolgreich war.[12]. Die Koordination der darin angeregten Festveranstaltungen und Freudenfeuer, die in jeder deutschen Region am die Schlacht erinnern sollten, übernahm für Frankfurt der Oberst des dortigen Landsturms, Karl Hoffmann, der ebenfalls zum weiteren Kreis um den Freiherrn vom Stein gehörte. Er war mit Stein und Arndt in der Kommission für „Deutsche Bewaffnungsangelegenheiten“ in den ehemaligen Rheinbundstaaten tätig[13] und hatte u.a. Konzepte zum Landsturm als Kern zukünftiger Volksbewaffnung entworfen.[14] Für die zentrale Frankfurter Veranstaltung am 18. Oktober schlug dieser den Großen Feldberg vor, da dieser mit seinem einer große Menschenmenge Platz bietenden Gipfelplateau hierfür ideal sei.[15]

Die Vorbereitung der Veranstaltung lag hauptsächlich in den Händen des „gebildeten Publikums“ als Hauptträger der nationalen Identifikation[16], so auch in Frankfurt. Um Mitstreiter und Geldgeber für die Veranstaltung zu gewinnen, hielt Christian Ernst Neeff, der Vorsitzende des „Frankfurter Museums“, eines großbürgerlich geprägten Kulturvereines (welcher heute noch als „Opernhaus- und Museumsgesellschaft“ existiert) vor diesem eine Rede,[17] die kurz danach im Druck erschien und neben Arndts Aufruf in Abschnitt 3.1.4. genauer untersucht werden soll.

Große organisatorische und finanzielle Unterstützung erhielt das Fest durch den Landgrafen Friedrich V. Ludwig von Hessen-Homburg, der u.a. seine komplette Forstverwaltung zur Errichtung eines Unterstandes und vor allem zur Beleuchtung von Wegen und Festplatz abordnete.[18] Der Landgraf war von Anfang an entschiedener Gegner Napoleons und seine sechs Söhne in verschiedenen Armeen gegen diesen eingesetzt gewesen.

3.1.3. Durchführung und Nachwirkung

Von der Durchführung der Gedenkfeier auf dem Feldberg am 18. Oktober 1814, bei der Arndt persönlich anwesend war, existieren mehrere gedruckte Berichte. Die folgende Zusammenfassung folgt deren gekürzter Wiedergabe bei Bode[19].

Nach einem Dankgottesdienst in der Homburger Schlosskirche formierte sich dort ein großer Zug zum Feldberg, ein weiterer kam von Frankfurt aus hinzu. Festgeläut und Kanonendonner begleiteten den Zug, die mit Sicherheit nach Tausenden zu bemessene Gesamt-Teilnehmerzahl ist nicht ermittelbar. Auf der Homburger Seite des Gipfels war ein steinerner „Vaterlandsaltar“ mit (Geld-)Opferschale „zur Wohfahrth für die nothleidenden deutschen Brüder“ errichtet und in einiger Entfernung ein Scheiterhaufen von umgerechnet 30 m Umfang und 7 m Höhe. Um sechs Uhr abends wurde das Feuer entzündet, ebenso zahlreiche Feuer auf den Nachbargipfeln und in der näheren und weiteren Umgebung, Arndt selbst nennt die Zahl von über 500 vom Feldberg aus sichtbaren Feuern. Danach formierte sich ein Zug aus Musikkapelle, Landsturm und Volk zum Altar. Es folgte ein Ansprache von Pfarrer und Schulrektor G.L. Müller aus Oberstedten (Hessen-Homburg) mit allgemeinem Niederknien und Gebet. Gegen Mitternacht ging der Zug unter Absingen von „Nun danket alle Gott“ zurück zum Feuer, wo der Homburger Hofprediger, Kirchenrat Breidenstein, nach einer Ansprache persönlich eine Rheinische Bundesakte und einen „Code Napoleon“ in die Flammen warf. . Als Akt spontanen Volkszorns (anderes lässt sich nicht belegen) wurde hierauf der als „Franzosenwerk“ betrachtet optische Telegraph (Semaphor) auf der Frankfurter Gipfelseite umgehauen und in die Flammen geworfen.Um Mitternacht hielt Arndt als Höhepunkt der Veranstaltung am Feuer eine Rede. Ein Gebet des Hofpredigers Breidenstein und das Lied „Allein Gott in der Höh´ sei Ehr“ beendeten die Feier, dann folgte der Rückmarsch in die Ausgangsorte.

Die Hoffnung Arndts auf dauerhafte Etablierung des Völkerschlacht-Gedenktages als nationalem Feiertag erfüllte sich nicht, auch nicht auf dem Feldberg: 1815 folgte noch eine gering besuchte Feier (ohne Arndt) und ab 1816 fand unter geänderten politischen Rahmenbedingungen und verschärfter Zensur keine Feier mehr statt.

3.1.4. Textuntersuchungen

3.1.4.1. E.M. Arndt: Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht

Arndts erfolgreiche Schrift (s. 3.1.2.) erwähnt den Feldberg als Veranstaltungsort nicht direkt, gibt aber Zielrichtung und Symbolik für Neeffs entsprechendes Werk vor (s. 3.1.4.2.) und soll deshalb hier in ihren Grundzügen ebenfalls berücksichtigt werden.[20]

Zu Beginn seines Aufsatzes begründet Arndt, warum das Gedenken an die Leipziger Völkerschlacht für die Deutschen den gleichen Rang wie die höchsten kirchlichen Feiertage beanspruchen dürfe: Er stellt den Lesern zunächst das Elend, die Ausbeutung und Erniedrigung unter der „fremden Tyrannei“[21] Napoleons und den „Schelmen und Vaterlandsverräthern“[22] seiner im Rheinbund organisierten deutschen Verbündeten eindringlich vor Augen. Erst das Eingreifen Gottes in die Geschichte, dessen man entsprechend wie einer biblischen Offenbarung gedenken solle, habe die Überwindung dieser für das deutsche Volks existenzgefährdenden Lage ermöglicht:

„Da griff Gott der Herr, der wegen unserer Sünden lange geschwiegen hatte, mit seinem allmächtigen Arm darein, er erweckte den Geist der Völker und Herrscher, beseelte die Heere mit seiner Zuversicht, und zerschmetterte den wilden Tyrannen und seine gräulichen Räuberhorden.“[23]

Es folgt ein Überblick über die seit August 1813 gegen Napoleon geschlagenen Schlachten und über den Leipziger Schlachtverlauf selbst. Und aus diesem Verlauf leitet Arndt ab, dass man den 18. Oktober, der die Entscheidung der Schlacht besiegelte, als Vorabend und den 19., der mit der Einnahme Leipzigs die Kämpfe beendete, als Haupt-Festtag begehen solle. Das Schlachtgeschehen gibt für ihn auch die Symbolik für das neue Fest vor, denn so, wie „wir durch Feuer und Schwerdt erlöst sind - so soll denn das Feuer auch unser größtes Freudenzeichen seyn und bleiben.“[24]

Kernelement der Gedenkfeier sollen somit Freudenfeuer sein, „in den Gränzen von ganz Germanien, von Stralsund bis Triest und von Memel bis Luxemburg“[25], mit Schwerpunkt am Rhein, wie Arndt unter Berücksichtigung der Außenwirkung in einem einzigen, zwei Druckseiten des kleinformatigen Werkes überspannenden Satz darlegt:

„Hier aber um den heiligen Rhein von den Bergen über Düsseldorf bis zu den Bergen über Basel und dann auf dem Hundsrück und Donnersberg sollen sie unsern uralten Neidern und Widersachern entgegenflammen und ihnen melden, welches Fest in Teutschland begangen wird; sie sollen flammen Mahner und Verkündiger an unserer Brüder, die in den Vogesen und Ardennen wohnen und nicht mehr von den Fittichen des germanischen Adlers beschirmt werden – diese sollen sie ermahnen und bitten: Brüder, bei diesem Zeichen gedenkt unserer Gemeinschaft und Brüderschaft, welche nimmer ganz zerreissen darf, Brüder, vergesset der Brüder nicht; diesen sollen sie ansagen und verbürgen: Brüder, wir wollen euer nicht vergessen, wir wollen der Treue und Brüderschaft redlich gedenken, und wie ihr einst unser waret und künftig wieder unser seyn sollte – den Wälschen aber sollen sie flammen, Erinnerer dessen, was ihr Uebermuth verbrochen hat und was ihrem Uebermuth widerfahren ist, und was ihm immer widerfahren wird, wenn sie wieder gegen unsere Ehre und Freiheit zu freveln wagen.“[26]

Nach diesem zur Wiedervereinigung mit den noch „unerlösten“ Deutschen im Ausland verpflichtenden Aspekt der zu veranstaltenden Freudenfeuer und der mit ihnen verbundenen Drohung Richtung Frankreich folgen noch ausführliche Instruktionen zum Begehen des zweiten Festtages unter Berücksichtigung von Trachten, Festspielen, an diesem Tag zu verabreichendem Extrafutter für die Haustiere und vielem mehr.[27] Es bleibt allerdings festzuhelalten, dass die von Arndt propagierte Festidee auf die ihm verhassten Franzosen zurückgeht: „Öffentliche Feiern waren während der Französischen Revolution zu kultischen Riten geworden“, inklusive heligen Feuern, Fahnen und und Liedern, auch der „Vaterlandsaltar“ war ein fester Bestandteil dieser religiös grundierten Inszenierungen weihevoller Gemeinschaftsakte als „politische Schauspiele“[28].

3.1.4.2. C.E. Neeff: Die Idee des deutschen Volksfestes

Christian Ernst Neeff (1782 - 1849), Arzt am Frankfurter Bürgerhospital und Vorsitzender des „Frankfurter Museums“, hielt seine Rede, in welcher er den Großen Feldberg als zentralen Veranstaltungsort die Völkerschlacht-Gedenkfeier vorschlug, am 7. Oktober 1814, also gerade einmal elf Tage vor der geplanten Veranstaltung. Unmittelbar danach wurde sie gedruckt und als kleinformatige Broschüre „zum Besten des Frankfurter Vaterländischen Frauenvereins“ verkauft.[29] Rede und Schrift entstanden also unter dem Druck, noch rasch Förderer und Publikum für die bevorstehende Feier zu mobilisieren und sind entsprechend eindringlich formuliert.

Nach einem längeren Resumée über Napoleons letztlich gescheiterte Weltherrschaftspläne beginnt die Überleitung zum bevorstehenden Fest und seiner Symbolik mit dem Hippokrates-Zitat, welches Schiller seinen „Räubern“ vorangestellt hatte, und das Neeffs gebildetem Publikum sicher bekannt war: „Quod ferrum non sanat, ignis sanat“.[30] Neeff greift also Arndts Gedanken der Rettung Deutschlands „durch Feuer und Schwert“ auf, gibt diesem aber mit der Verallgemeinerung zu „Eisen und Feuer“ einen größeren symbolischen Zusammenhang. Wie Arndt beschwört er zunächst das unter der Fremdherrschaft auf den deutschen Ländern lastende Elend, welches er mit einem Feuer vergleicht, stellt aber auch - wie im Hippokrates-Zitat - dessen letztlich heilkräftige Wirkung heraus, denn „so, wie das Unglück ein läuterndes Feuer für das edle Metall, ein verzehrendes für das unedle sey“[31], so sei dieses Unglück notwendig gewesen, damit aus ihm der Mensch bzw. Deutschland „stark und gesund an Geist und Körper, durchgebildet und gestählt im reinigenden Feuer“[32] hervorgehe. Wie Arndt betont er dann, dass Gottes Eingreifen diese Heilung „durch Eisen und Feuer“ ermöglichte:

„Dank den himmlischen Gewalten! Unheilbar war jenes Übel nicht, das uns erfaßt und schon mit dem nahen lebendigen Tode bedräut hatte. Durch das Eisen und das Feuer sind wir gerettet. So seyen denn sie – auch die Symbole unserer Rettung.“[33]

Das Element des Eisens sieht Neeff sodann im „Eisernen Kreuz“ symbolisiert, für dessen Stiftung er den preußischen König Friedrich Wilhelm III. ausdrücklich lobt. Mit dem Element des Feuers leitet er zu den von Arndt vorgeschlagenen Freudenfeuern über und konstruiert bei dieser Gelegenheit eine „uralte“ und seit germanischen Zeiten ununterbrochen bestehende Tradition:

„... so sey das Feuer das Zeichen des teutschen Volksfestes, gestiftet von unsern glorreichen Ahnen in den heiligen Hainen Germaniens, das Gedächtnis unserer Rettung an die Erinnerung uralter Ehre knüpfend.

Es ist nämlich aus vielen gründen wahrscheinlich, daß jene Feuer, welche unsere Vorfahren seit den ältesten Zeiten an gewissen Tagen auf den Berggipfeln anzuzünden pflegten, ein Gebrauch, der häufig bekämpft, nie ganz auszurotten war, - daß diese Feuer nicht so wohl unmittelbar zum Götterdienste unserer Väter, als vielmehr zur Feier großer Kriegsthaten dieses freiheitsstolzen Volkes gehörten.“[34]

Diese Behauptung, dass die bevorstehenden Freudenfeuer nicht einer Idee Arndts aus dem Juli 1814, sondern einer uralten Tradition entspringen, dient Neeff zur Anknüpfung an den allgemein bekanntesten Topos deutscher bzw. germanischer Befreiung von Fremdherrschaft, die Hermannsschlacht:

„Und so waren auch wohl gewiß zum Gedächtnisse des Teutoburger Sieges, den Hermann über die Legionen des Varus erkämpfte, solche Feuer gestiftet worden, welche, nachdem ihre Bedeutung von der undankbaren Nachwelt vergessen war, von den Gebirgsvölkern noch Jahrhunderte hindurch an dem festlichen Tage angezündet wurden; als ob eine innere Stimme ihnen zuflüsterte, diesen schönen Gebrauch ja nicht erlöschen zu lassen.“[35]

Nachdem Neeff diese vorgebliche Tradition des „Hermanns-Feuers“ eingeführt hat, verbindet er sie mit dem Völkerschlacht-Gedenken zu einer einzigen, fast zwei Jahrtausende überspannenden Traditionslinie, die Deutschlands weltgeschichtliche Bestimmung zur Befreiung Europas von den die Weltherrschaft anstrebenden Tyrannen (seien sie römisch oder französisch) und zu eigener Freiheit begründe:

„Darum ist es ein doppeltes Fest, welches die Jahrestage unserer Befreiung zu feiern uns ermahnen: Das Fest der Teutoburger und das der Leipziger Schlacht; beide gleich denkwürdig, nicht nur für die vaterländische, sondern für die Weltgeschichte überhaupt; wie denn Deutschland gerade darum recht in dem Herzen von Europa zu liegen scheint, damit aus seinen Gauen den weltstürmenden Drachen der Kopf zertreten werde.“[36]

Nach dem Neeff so die Verbindung zwischen germanisch-sagenhafter Vorzeit und dem aktuellen Geschehen hergestellt hat, wendet er direkt im Anschluss den Blick auf den Feldberg:

„Droben auf unserm herrlichen Nachbar, dem Feldberge, liegt eine Felskuppe, von uralter Zeit her das Lager der Brynhildis genannt. Er ist aus der dichterischen Sage unseres Volkes bekannt, wie diese königliche Heldin in Mitten des Flammenzaunes Waferloga schlummerte, des tapferen Bräutigams harrend, der allein die prasselnde Lohe zu durchbrechen und die Jungfrau aus ihrem Zauberschlafe zu erwecken vermochte.“[37]

Diese sagenhafte Heldentat deutet er sodann allegorisch auf die deutsche Erhebung gegen Napoleon:

„So lag unser teuerstes Kleinod, die Volksehre, in tiefem, langen Zauberschlummer hingestreckt, und um ihr Felsenbett her loderten die vernichtenden Flammen, bis die edelste Jugend unseres Vaterlandes, ihr Leben zum freudigen Opfer bringend, in die Glut sich stürzte und den köstlichen Kampfpreis, die Braut, heimführte.“[38]

Nachdem somit die Verbindung von germanischer Sagenwelt, Völkerschlacht und Feldberg hergestellt wurde, folgt der eigentliche Aufruf, diesen zum zentralen Kundgebungsort der bevorstehenden Feier zu machen:

„Darum flamme denn um jenen heiligen Stein her in der Festnacht das größte und weithinleuchtendste alle Feuer; daß es in allen Gauen ringsum erinnere, welch Kleinod wir zu verlieren im Begriffe gewesen, und wie nur durch die reinigende Flamme der Vernichtung die Verjüngung und das Heil uns geworden.“

Mit diesem Zirkelschluss zurück auf die eingangs von Neeff dargestellte, phönixgleich verjüngende und heilende Kraft des Feuers endet der gedruckte Redetext.

Diesem folgt in der Broschüre noch ein vielstrophiges, zwischen mythisch grundierter Zeitparabel und launigem Trinklied changierendes Gedicht mit dem Titel „Der Sigurdshort“[39]: Über den Rhein wälzt sich ein „Drache mit blauen Ringeln“, in welchem unschwer Napoleon und die französische Kokarde erkennbar sind, heran. Dieser wird von Sigurd bzw. Siegfried erschlagen, worauf sich das Drachenblut in Rheinwein verwandelt, dessen Genuss die Deutschen allezeit an den wiedergewonnen und zu verteidigenden Hort, den Rhein, gemahnen soll. Die Hervorhebung des Rheins als „deutscher Strom“ und die antifranzösische Grundhaltung sind klar von Arndt übernommen und, im Gegensatz zum Redentext, Hauptelemente des Gedichts. Ob dieses von Neeff stammt ist unklar, zumindest ist kein anderer Autor angegeben.

[...]


[1] Bode, Helmut (Hg.): Das Feldberg-Buch. Aus Sage, Geschichte und Gegenwart der beiden höchsten Taunus-Gipfel, Frankfurt am Main: Verlag Waldemar Kramer 1985, S. 13.

[2] Maier, Gregor: Der Feldberg als Erinnerungsort, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg vor der Höhe (63. Heft), Bad Homburg: Verein für Geschichte und Landeskunde e.V. 2014, S. 56.

[3] Kölsch, Gerhard: Erkundungen des Taunus-Gebirges. Die literarische und künstlerische Entdeckung der Feldberg-Region bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Der Feldberg (Rad und Sparren, Zeitschrift des Historischen Vereins Rhein-Main-Taunus e.V., Nr. 45), Flörsheim: Historischer Verein Rhein-Main-Taunus e.V. 2015, S. 23.

[4] Bode 1985, S. 14 ff.

[5] Bode 1985, S. 19.

[6] Maier 2014, S. 55.

[7] Maier 2014, S. 52.

[8] Bode 1985, S. 78.

[9] Ernst, Eugen: Das Feldbergfest im 19. Jahrhundert, in: Der Feldberg (Nr. 45, Rad und Sparren, Zeitschrift des Historischen Vereins Rhein-Main-Taunus e.V.), Flörsheim: Historischer Verein Rhein-Main-Taunus e.V. 2015, S. 31 – 42.

[10] Bode 1985, S. 82.

[11] Maier, Gregor: Die Freiheitsfeier von 1814 auf dem Feldberg, in: Jahrbuch Hochtaunuskreis 2015, Frankfurt a.M: Societäts-Verlag 2015, S. 12 – 17.

[12] Bode 1985, S. 83 ff.

[13] Ernst 2015, S. 33.

[14] Maier 2015, S. 13.

[15] Maier 2015, S. 13.

[16] Giesen, Bernhard: Die Intellektuellen und die Nation. Eine deutsche Achsenzeit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag 1993, S. 163.

[17] Maier 2015, S. 13 f.

[18] Meß, Paul: Das Feldbergturnfest. Das älteste deutsche Bergturnfest in einhundertzehn Jahren politisch-turnerischer Entwicklung 1844 – 1954, Frankfurt a.M.: Hessischer Turnverband e.V. 1958 S. 15.

[19] Bode 1985, S. 82 ff.

[20] Alle Zitate nach folgendem Originalexemplar: Arndt, Ernst Moritz: Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht, Frankfurt a.M.: P.W. Eichenberg 1814 (Stadtbibliothek Trier, Sign. C 1497).

[21] Arndt 1814, S. 3.

[22] Arndt 1814, S. 8.

[23] Arndt 1814, S. 4.

[24] Arndt 1814, S. 10.

[25] Arndt 1814, S. 10 f.

[26] Arndt 1814, S. 11 f.

[27] Arndt 1814, S. 12 ff.

[28] Mosse, George L.: Die Nationalisierung der Massen. Politische Symbolik und Massenbewegungen in Deutschland von den Napoleonischen Kriegen bis zum Dritten Reich, Verlag Ullstein 1976, S. 17 ff.

[29] Alle Zitate nach folgendem Originalexemplar: Neeff, Christian Ernst: Über die Idee des teutschen Volksfestes. Vorgelesen im Frankfurter Museum, den 7ten October 1814, Frankfurt a.M.: Ohne Verlagsangabe 1814 (Universitätsbibliothek Frankfurt a.M., Bestand „Frankfurtisches Museum“, Sign. Ffm. K1/637).

[30] Neeff 1814, S. 8.

[31] Neeff 1814, S. 8.

[32] Neeff 1814, S. 9.

[33] Neeff 1814, S. 10.

[34] Neeff 1814, S. 11.

[35] Neeff 1814, S. 11 f.

[36] Neeff 1814, S. 12.

[37] Neeff 1814, S. 12 f.

[38] Neeff 1814, S. 13.

[39] Neeff 1814, S. 14 ff.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
"...hier ragen Spuren von deutscher Herrlichkeit". Der Große Feldberg im Taunus als nationaler Versammlungsort (1814, 1844, 1906)
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
32
Katalognummer
V443845
ISBN (eBook)
9783668811256
ISBN (Buch)
9783668811263
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalismus, Ernst Moritz Arndt, Turnbewegung
Arbeit zitieren
Gerhard Schmidt (Autor:in), 2018, "...hier ragen Spuren von deutscher Herrlichkeit". Der Große Feldberg im Taunus als nationaler Versammlungsort (1814, 1844, 1906), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/443845

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