Wenn Paare Eltern werden. Herausforderungen am Übergang zur Elternschaft


Fachbuch, 2019

113 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ausgangslage

3 Begriffsdefinitionen
3.1 Paarbeziehung/Partnerschaft
3.2 Elternschaft
3.3 Familie
3.4 Transition

Theoretischer Teil

4 Familie im Wandel – ein historischer Überblick
4.1 Familie in der Vormoderne
4.2 Die bürgerliche Familie
4.3 Familie in der Moderne

5 Transitionsprozess
5.1 Theoretische Ansätze
5.2 Resilienz

6 Übergang von der Dyade zur Triade
6.1 Gloger-Tippelt - Phasen der Veränderung
6.2 Fthenakis - Modell zum Übergang zur Elternschaft
6.3 Herausforderungen am Übergang zur Elternschaft

7 Sozialpädagogischer Bezug

Empirischer Teil

8 Empirische Untersuchung
8.1 Untersuchungsmethode
8.2 Datenerhebung und Transkription

9 Falldarstellungen
9.1 Familie Hofer
9.2 Familie Müller
9.3 Familie Kaiser
9.4 Familie Sommer

10 Darstellung der Ergebnisse

11 Zusammenfassung

12 Resümee und Ausblick

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Herausforderungen beim Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft näher zu beleuchten sowie bestehende Einflussfaktoren zu identifizieren. Der Fokus liegt hierbei auf der Paarbeziehung. Im theoretischen Teil der Arbeit wird ein historischer Überblick über den Wandel von Familie gegeben. Bezüglich der Transitionsforschung wird ausführlich auf theoretische Grundlagen sowie Modelle, die explizit die Transition von der Partnerschaft zur Elternschaft untersuchen, eingegangen. Den Abschluss des theoretischen Teils der Arbeit bilden der theoretische Zugang zu den Herausforderungen am Übergang zur Elternschaft sowie der sozialpädagogische Bezug des Themas. Im empirischen Teil der Arbeit wird auf die Auswertung der narrativen Interviews eingegangen. Hierzu wurden jeweils vier Paar- und vier Einzelinterviews geführt. Nach Auswertung der Interviews wurde die Erkenntnis gewonnen, dass es nicht den einen Faktor gibt, der die Paarbeziehung beeinflusst, sondern vielmehr entsteht eine Wechselwirkung zwischen mehreren Herausforderungen. Im Konkreten geht es um die Paarkommunikation, die Unterstützung/soziales Netzwerk, die Autonomie der Partnerschaft, Aushandlungsprozesse innerhalb der Paarbeziehung und der Prozess beziehungsweise die Phase der Eingewöhnung. Außerdem ist der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft ein prozesshaftes Geschehen, dass Zeit benötigt. Alle diese genannten Bereiche sind somit gleich wichtig für das erfolgreiche Gelingen des Transitionsprozesses und können dadurch nicht getrennt voneinander betrachten werden.

Abstract

The aim of this master thesis is to show the challenges of the transition from partnership to parenthood and to identify existing influencing factors. The focus here is on the couple relationship. In the theoretical part of the thesis a historical overview of family change is explained. With regard to the transition research, theoretical foundations and models, explicitly exploring the transition from partnership to parenthood, are discussed in detail. The theoretic part of the thesis concludes with the theoretical approach to the challenges of transition to parenthood, as well as the socio-educational relevance of the topic. In the empirical part of the work, the analysis of the narrative interviews will be discussed. For this purpose four couple interviews and four individual interviews were conducted. After evaluating the interviews, it was realized that there is not the factor that influences the relationship, but rather an interaction between multiple challenges. In this case, this applies to the couple communication, the support / social network, the autonomy of the partnership, negotiation processes within the couple relationship and the process or the phase of familiarization. Moreover, the transition from partnership to parenthood is a processional event that takes time. All of these areas are therefore equally important for the success of the transition process and thus cannot be considered separately.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Stressmodell nach Lazarus

Abbildung 2: Modell zum Übergang zur Elternschaft

Abbildung 3: Zeitlicher Aufwand der Kinderbetreuung

Abbildung 4: Abgestimmte Erwerbsstatistik 2013 - Inklusive Lehrlinge

Abbildung 5: Abgestimmte Erwerbsstatistik 2013 - inklusive Lehrlinge

Abbildung 6: Abgestimmte Erwerbsstatistik 2013. – Ausschließlich Haushalte, in denen kein Haushaltsmitglied in Pension, selbständig beschäftigt, arbeitslos oder temporär abwesend ist

Abbildung 7: Anteil der Frau am unselbstständigen Einkommen in Prozent

Abbildung 8: Eigene Darstellung

1 Einleitung

„Kaum ein Ereignis verändert die Lebenssituation so grundlegend und nachhaltig wie die Geburt des ersten Kindes.“

(Fthenakis et al. 2002, S. 355)

In der Regel fiebern Eltern der Geburt ihres ersten Kindes voller Vorfreude entgegen. Sie beschreiben dieses Ereignis mit Worten wie Freude, persönlichem Gewinn oder auch als Erleben von Selbstverwirklichung (vgl. El-Giamal 1999, S. 1). Doch der Übergang in die Elternschaft geht nicht nur mit positiven Gefühlen einher. Die (werdenden) Eltern müssen sich den neuen Herausforderungen, die das Elternsein mit sich bringt, stellen, daher wird dieser Übergang oftmals auch als „kritisches“ Lebensereignis wahrgenommen (vgl. Schadler 2013, S. 13). Die meisten Paare sind sich hierbei im Klaren, dass der Übergang in die Elternschaft neue Herausforderungen in vielen Bereichen, wie zum Beispiel im Alltagsleben oder in der Partnerschaft, mit sich bringt, allerdings werden diese meist unterschätzt (vgl. Fischer 2009, S. 7). Die bisherige dyadische Struktur der Paarbeziehung verändert sich durch die Geburt des Kindes zu einer Triade, wodurch die bisherigen gewohnten Strukturen angepasst werden müssen (vgl. Schon 1995, S. 107). Dies geht häufig mit vielen Herausforderungen einher, wodurch 20 bis 60 Prozent der Eltern eine Verschlechterung in ihrer Paarbeziehung wahrnehmen können (vgl. Doss et al. 2009, S. 602). Welche Herausforderungen sich für (werdende) Eltern am Übergang von der Paarbeziehung zur Elternschaft ergeben, soll vor diesem Hintergrund die zentrale Fragestellung dieser Arbeit sein.

Um dies zu beantworten gliedert sich diese Arbeit in zwei große Abschnitte – in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Das erste Kapitel des theoretischen Teils umfasst die Definitionen der zentralen Begriffe dieser Arbeit, welche für das Verständnis wesentlich sind.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema des Wandels der Familie, beziehungsweise wird ein historischer Überblick über die Bedeutung von Familie in der jeweiligen Epoche dargestellt, da eine explizite Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung von Familie notwendig ist, um eine Gegenwartsanalyse vorzunehmen (vgl. Foltys 2014, S. 17). Grundlage dafür ist die Annahme, dass Familie keine normative Größe ist, sondern sie kann vielmehr als „historisches Gewordensein“ beschrieben werden (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 10). Der Überblick richtet sich auf die Familie in der Vormoderne, die bürgerliche Familie und die Familie in der Moderne.

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem zweiten Themenschwerpunkt dieser Arbeit, nämlich den Transitionen. Dabei werden zunächst einige wichtige theoretische Grundlagen zur Transitionforschung dargestellt. Hierzu zählen die Stressforschung von Lazarus (1995), die Theorie der kritischen Lebensereignisse von Filipp (2010), sowie das Familien-Transitions-Modell von Cowan (1991). Im Anschluss wird noch ein kurzer Einblick in die Resilienzforschung gegeben.

Das vierte Kapitel widmet sich noch einmal explizit der Transition von der Partnerschaft zur Elternschaft und stellt hierzu zwei theoretische Ansätze von Gloger-Trippelt (1988) und Fthenakis, Kalicki und Peitz (2002) vor. Anschließend wird auf die Herausforderungen am Übergang zur Elternschaft eingegangen, welche im Wesentlichen die Retraditionalisierung beziehungsweise die Rollenverteilung, Veränderungen im Tagesablauf, berufliche Veränderungen beziehungsweise auch finanzielle Aspekte sowie Veränderungen in der Paarbeziehung und abschließend die Bedeutung der sozialen Netze in dieser Übergangsphase, betreffen.

Den Abschluss des theoretischen Teils dieser Arbeit bildet der sozialpädagogische Bezug des Themas.

Im Anschluss folgt der empirische Teil der Arbeit. Hier wird auf die empirische Untersuchung eingegangen und die Untersuchungsmethode vorgestellt. Danach erfolgt die Beschreibung der Datenerhebung und Transkription, sowie der Durchführung und Auswertung beziehungsweise Analyse der Interviews. Zu guter Letzt werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt und in einem abschließenden Kapitel zusammengefasst und diskutiert.

2 Ausgangslage

Inhalt des folgenden Kapitels ist es, einen Überblick über die aktuelle Forschung zu schaffen und im Anschluss die Fragestellung dieser Arbeit genauer zu erläutern.

Nach ausführlicher Literaturrecherche konnte festgestellt werden, dass der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft scheinbar mit großen Veränderungen für die (werdenden) Eltern einhergeht. Besonders die Geburt des ersten Kindes verändert die Paarbeziehung grundlegend, da sich die bisherige Zusammensetzung der Familie und damit verbunden, auch die Rollenverteilung, verändert. Dies wird von vielen Eltern als „kritisches“ Lebensereignis wahrgenommen (vgl. Schadler 2013, S. 13). Diese Veränderungen und Einflüsse auf das Alltagsleben, aber auch auf die Partnerschaft der Eltern werden häufig unterschätzt (vgl. Fischer 2009, S. 7), was oftmals zu einer Verschlechterung der Paarbeziehung nach der Geburt des ersten Kindes führt (vgl. Doss et. al., 2009, S. 603). Außerdem ist seit den 1960er Jahren ein Wandel der Frauenrolle festzustellen: Frauen wollen sich nicht entscheiden zwischen Familie oder Karriere, sondern streben eine Vereinbarung von Familie und Beruf an (vgl. Peuckert 2007, S. 50). Dies führt allerdings zu einer Doppelbelastung der Frau. Denn auch wenn die Beziehungen zwischen Partnern heute primär beziehungsorientiert statt aufgabenorientiert sind, so fällt trotzdem noch immer vorwiegend der Frau die Haushalts- und Familienarbeit zu. Viele Studien sprechen sogar von einer Verschärfung der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung nach der Geburt des ersten Kindes. Fthenakis u. a. (2002) nennen dies auch „Gleichberechtigungsfalle“ (vgl. Peukert 2007, S. 51).

In einer Längsschnittstudie konnte Reichle (2002) feststellen, dass eine wachsende Zahl von jungen Frauen, vor allem mit höherer Schulbildung, die häufig vorkommende Retraditionalisierung der Geschlechterrollen nicht mehr hinnehmen wollen, was zu Ärger, Enttäuschung, Streit, Vorwürfen aber auch einer Zunahme von Auseinandersetzungen und einer kontinuierlichen Abnahme der partnerschaftlichen Kommunikation und Partnerschaftsqualität, sowie einem starken Rückgang von körperlichen Zärtlichkeiten/Sexualität, sowie zu einer Abnahme von verbalen Ausdruck von Wertschätzung und Zuneigung nach der Geburt eines Kindes führt (vgl. Peuckert 2007, S. 51).

Auch im Bericht von Statistik Austria (2016) wird ersichtlich, dass mit der Geburt eines Kindes, wichtige Entscheidungen bezüglich des Umfangs der Erwerbstätigkeit und über die Aufteilung der Hausarbeit getroffen werden müssen. In Österreich ist eine „modernisierte Versorgerehe“ erkennbar. Das bedeutet, nach der Geburt des Kindes kehrt die Frau nach einer kurzen Erwerbsunterbrechung häufig nur noch teilzeitbeschäftigt in die Erwerbstätigkeit zurück. Manche Frauen hingegen, geben ihre Erwerbstätigkeit auch gänzlich auf und das obwohl finanzielle Risiken bekannt sind (vgl. Asamer et al. 2016, S. 2). Dies ist zurückzuführen auf die sehr unterschiedliche Aufteilung der Kinderbetreuung. 68,5 Prozent aller unselbstständig erwerbstätigen Frauen mit minderjährigen Kindern unter 18 Jahren arbeiten auf Teilzeitbasis. Bei Männern liegt dieser Wert nur bei 7,7 Prozent (vgl. Asamer et al. 2016, S. 2). Der Anteil der Paare, bei denen die Frau kein Einkommen hat, nimmt mit Anzahl der Kinder deutlich zu. Bei einem Kind steigt der Anteil auf 16,6 Prozent, bei zwei Kindern schon auf 22 Prozent und bei drei Kindern auf 37,9 Prozent. Bei vier oder mehr Kindern haben sogar 59,4 Prozent der Frauen kein eigenes Einkommen. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr schwierig gestaltet (vgl. Asamer et al. 2016, S. 4).

Trotz der unterschiedlichen Bereiche, die untersucht wurden, haben alle Studien gemeinsam, dass Individuen großen Veränderungen in der Zeit des Übergangs in die Elternschaft erleben und diese sehr häufig als Verschlechterungen beschrieben werden (vgl. Schadler 2013, S. 31). Die Veränderungen werden als stressig empfunden und betreffen hauptsächlich die Beziehungsqualität, die Arbeitsaufteilung und die Interessen der Eltern. Desweiteren wird offensichtlich, dass vor allem Frauen mit Nachteilen konfrontiert werden, hierzu ist beispielsweise die Retraditionalisierung der Rollen zu nennen (vgl. Schadler 2013, S. 32). Die Forschung liefert zu diesem Themenbereich größtenteils statistische Ergebnisse, dadurch können zwar Kontextfaktoren aufgezeigt werden, jedoch nicht das Erleben der (werdenden) Eltern im Alltag. Daher erscheint es als sinnvoll, die aktuellen Forschungsergebnisse durch qualitative Auswertungen zu ergänzen. Die vorliegende Arbeit soll daher einen Blick auf den Übergang von der Paarbeziehung in die Elternschaft richten und die damit verbunden Herausforderungen der (werdenden) Eltern aufzeigen. Dieser Übergang stellt ein Ereignis dar, das im Familiensystem einen Prozess einleitet, welcher sich auch als Transition bezeichnen lässt (vgl. Fthenakis 1998, S. 20).

Ein Transitionsprozess impliziert die Entwicklung zu neuem Verhalten nach einem spezifischen Ereignis und kann somit als Chance und Gewinn für individuelle und auch familiäre Weiterentwicklung gesehen werden. Zur Bewältigung müssen individuelle und auch familiäre Veränderungsprozesse eingeleitet werden. Demnach bedeutet die Bewältigung der Transition eine Veränderung der Identität der (werdenden) Eltern. Auf der familiären Eben bedeutet dies eine Reorganisation der Rollen (Fthenakis 1998, S. 23ff.).

Aus diesem aktuellen Stand der Forschung wurde nun die Forschungsfrage beziehungsweise das Forschungsziel abgeleitet. Das Ziel der Arbeit ist es, die Herausforderungen beim Übergang von der Paarbeziehung zur Elternschaft näher zu beleuchten, sowie bestehende Einflussfaktoren zu identifizieren. Der Fokus soll hierbei auf die Paarbeziehung gelegt werden. Der Zweck dieser Forschungsarbeit liegt also darin, diese Herausforderungen auf der Paarebene aufzuzeigen und das Interesse an diesem Forschungsfeld zu wecken. Ausgehend von dem Forschungsziel wurde nun folgende zentrale Fragestellung formuliert: Welche Herausforderungen entstehen für Paare bei der Bewältigung des Transitionsprozesses von Partnerschaft zur Elternschaft? Im nächsten Kapitel werden nun zentrale Begriffe dieser Arbeit näher erläutert.

3 Begriffsdefinitionen

In diesem Kapitel werden immer wiederkehrende, für die Arbeit essentielle Begriffsdefinitionen näher erläutert, um so abzugrenzen und zu definieren, was mit folgenden Begriffen gemeint ist.

3.1 Paarbeziehung/Partnerschaft

Die Partnerschaft beziehungsweise Paarbeziehung kann als Zusammenspiel zweier Individuen definiert werden, das durch wechselseitige Interaktion gekennzeichnet ist. Asendorpf, Banse und Neyer (2017, S. 19) sprechen hier von einer zwischenmenschlichen Dyade, die beobachtbare, stabile und dauerhafte Interaktionsmerkmale aufweist (vgl. Asendorpf/Banse/Neyer 2017, S. 19). Außerdem wird davon ausgegangen, dass die Paarbeziehung gesellschaftlichen und sozialen Wandel unterliegt. Daher sind derzeit neben der klassischen institutionellen Ehe auch andere Beziehungsformen, wie etwa nichteheliche Partnerschaften, Partnerschaften in getrennten oder gemeinsamen Haushalten und Partnerschaften mit oder ohne Elternschaftsbeziehung, etabliert (vgl. Peuckert 2007, S. 40ff).

Die Paarbeziehung umfasst nach Bierhoff und Grau (2003, S. 4f.) zahlreiche Merkmale, die wesentlich für die Definition der Partnerschaft sind. Hierzu zählen:

Intimität: Damit ist eine stabile Vertrautheit gemeint, die zu einer tiefen Verbundenheit führt. Dies bedeutet, dass die Offenbarung gegenseitiger Gefühle und Befindlichkeiten dazu führen, dass das wechselseitige Vertrauen zunimmt. Es entsteht ein inniges gegenseitiges Verständnis.

Gemeinsamkeit: Wenn gemeinsame Aktivitäten und Interessen vorhanden sind, kann das Paar gemeinsame Erfahrungen sammeln. Dadurch wird die partnerschaftliche Nähe gestärkt, da viel Zeit miteinander verbracht wird und auch gemeinsame Pläne gemacht werden.

Emotionale Abhängigkeit: Das Paar hat das Bedürfnis nach Nähe und Intimität zum jeweiligen Partner, was auch als emotionale Bindung verstanden werden kann.

Macht: Jede Partnerschaft weist in gewisser Weise ein wechselseitiges Machtverhältnis auf.

Gegenseitigkeit und sozialer Austausch: Durch den gegenseitigen Austausch in einer Partnerschaft, entstehen Vorteile für beide Partner. Häufig umfasst dies gegenseitige Hilfs- und Opferbereitschaft, dies wird aber auch bis zu einer bestimmten Stelle als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.

Fairness und Gerechtigkeit: Damit sind gemeinsame Vereinbarungen, beziehungsweise gemeinsam festgelegte Normen der Partnerschaft zu verstehen. Werden diese nicht eingehalten, führt dies zu Konflikten und Auseinandersetzungen zwischen dem Paar.

Zeitliche Perspektive: Ein wichtiges Merkmal für eine Partnerschaft spielt nicht nur die Gegenwart, sondern auch Erfahrungen aus der Vergangenheit, sowie die Zukunftsperspektive (vgl. Bierhoff/Grau 2003, S. 4f.).

3.2 Elternschaft

Nach Vaskovics (1998, S. 49f.) wird Elternschaft nach vier Kategorien eingeteilt. Im Folgenden soll hier nun kurz auf alle vier Dimensionen eingegangen werden:

Die biologische Elternschaft meint die Verknüpfung zweier Generationen durch die Blutsverwandtschaft. Das bedeutet Elternschaft entsteht zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern. Dem entgegen steht die soziale Elternschaft. Damit gemeint ist, dass die Wahrnehmung der Elternrolle, das heißt alle normativen Rechte und Pflichten, relevant ist, damit eine Elternschaftsbeziehung entsteht. Eine Trennung von biologischer und sozialer Elternschaft findet zum Beispiel durch eine Adoption statt. Weiters wird die rechtliche Elternschaft unterschieden, damit sind die im Gesetz festgelegten juristischen Bedingungen für eine Vaterschaft/Mutterschaft gemeint. Relativ neu hinzugekommen ist die genetische Elternschaft, die erst mit der Technologie der künstlichen Befruchtung entstanden ist. In diesem Fall ist die genetische Elternschaft nicht ident mit der biologischen Elternschaft, da beispielsweise die Eizelle von einer anderen Frau stammen kann, als von der Frau, von der das Kind ausgetragen wird (vgl. Vaskovics 1998, S. 49f.). Für die vorliegende Arbeit relevant sind nur die biologische und die soziale Elternschaft. Nach den beiden anderen Dimensionen wurden die interviewten Personen nicht gefragt, sie sind daher nicht bekannt.

3.3 Familie

Die eine Familie existiert nicht, daher gibt es keine einheitliche Definition von Familie. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Familienformen sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit. Jede einzelne Familie ist, genauso wie ihre Mitglieder einzigartig und unverwechselbar (vgl. Textor 1993, S. 16). Allerdings findet man Überschneidungen bezüglich der Reproduktions- und Sozialisationsfunktion von Familie (vgl. Hill & Kopp 2006, S. 39). Somit ist also innerhalb der Familie mindestens ein Kind vorhanden, dadurch entsteht auch eine Elternschaftsbeziehung. Gleichzeitig wird so auch das Merkmal der Generationendifferenzierung innerhalb der Familie erfüllt (vgl. Kuhnt & Steinbach 2014, S. 41). Früher wurde durch den Begriff „Familie“ die biologische und soziale Elternschaft verstanden, diese strikte Verbindung scheint sich allerdings immer mehr zu entkoppeln. Dadurch kommt es zu einer Erweiterung des Begriffes (vgl. Kuhnt & Steinbach 2014, S. 41). Diese Arbeit orientiert sich daher bei der Begriffsdefinition an Eva Matthes (2009, S. 109):

„Familie ist eine gesellschaftliche Einrichtung, in der absichtsvoll von der älteren an die jüngere Generation Kenntnisse, Fertigkeiten und – nicht zuletzt – Orientierungen, Einstellungen und Haltungen weitergegeben werden, mit dem Ziel, den Familienmitgliedern der nachwachsenden Generation zur kulturellen und gesellschaftlichen Mündigkeit zu verhelfen“ (Matthes 2009, S. 109).

Diese Definition wurde gewählt, da sie nicht auf die biologische Elternschaft eingeht, sondern vielmehr Erwartungen an das Eltensein stellt, welche verdeutlichen, dass der Übergang in die Elternschaft ein Anpassungsprozess ist, bei dem neue Herausforderungen bewältigt werden müssen.

3.4 Transition

In Anlehnung an Welzer (1993) definiert Griebel (2008) Transitionen wie folgt:

„Mit Transitionen werden komplexe, ineinander übergehende und sich überblendende Wandlungsprozesse bezeichnet, die sozial prozessierte, verdichtete und akzelerierte Phasen eines Lebenslaufs in sich verändernden Kontexten darstellen“ (Griebel 2008, S. 245).

Griebel (2004) macht dadurch deutlich, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens in unterschiedlichen Kontexten Transitionen bewältigen muss. Als Beispiele solcher Situationen nennt er den Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft, den Eintritt des Kindes in das Jugendalter, den Eintritt in das Erwerbsleben, den Eintritt in das Rentenalter, sowie Scheidung beziehungsweise Trennung der Eltern als auch neue Partnerschaften. Dazu zählen des Weiteren Transitionen im Bildungssystem wie beispielsweise der Übergang von der Familie in die Krippe, oder von der Krippe in den Kindergarten, vom Kindergarten in die Schule aber auch von der Grundschule in eine weiterführende Schule (vgl. Griebel 2004, S. 26).

Theoretischer Teil

4 Familie im Wandel – ein historischer Überblick

Beschäftigt man sich mit dem Thema Elternwerden beziehungsweise Familiewerden, so ist eine explizite Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung von Familie notwendig, denn nur durch einen historischen Rückblick ist es möglich eine Gegenwartsanalyse vorzunehmen (vgl. Foltys 2014, S. 17). Familie ist daher keine normative Größe, sondern kann vielmehr als „historisches Gewordensein“ beschrieben werden (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 10). Dieses Kapitel soll deshalb einen historischen Überblick über den Wandel der Familie aufzeigen.

Wie im Kapitel drei „Begriffsdefinitionen“ schon erläutert, gibt es keine einheitliche Definition von Familie, da die Familie nicht existiert. Jede Familie ist einzigartig und unverwechselbar und zwar sowohl in der Gegenwart, als auch auf die Vergangenheit (vgl. Textor 1993, S. 16), daher beschreiben folgende Unterkapitel nur die häufigsten beziehungsweise neuaufkommenden Familienformen zur jeweiligen Zeit und erheben keinen Universalanspruch auf alle Familien der jeweiligen geschichtlichen Epoche.

Nach Ecarius, Köbel und Wahl (2011, S. 16) lässt sich die Geschichte der Familie in Europa in drei Epochen einteilen:

1. die vormoderne Familie (bis zur Aufklärung im späten 18. Jahrhundert),
2. die bürgerliche Familie (bis ins 20. Jahrhundert), sowie
3. die moderne Familie (geprägt von großen Veränderungsdynamiken).

4.1 Familie in der Vormoderne

80 Prozent der Bevölkerung vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren Bauern oder zumindest in der Landwirtschaft tätig. Alle Mitglieder, die in einem Haus zusammenlebten, wurden als ganzes Haus bezeichnet, hierzu zählten nicht nur Verwandte, sondern auch Angestellte wie Mägde und Knechte (vgl. Lenz/Böhnisch 1999, S. 13). Durch die Regeln und Vorgaben der damaligen Gesellschaftsordnung wurde die Einflussnahme des Einzelnen fast völlig entzogen. Man glaubte an eine natürliche, unveränderbare und gottgewollte Ordnung. Für den Einzelnen bedeutete dies vor allem eine schicksalshafte Zugehörigkeit zu einer Familie, wodurch sich unveränderbare Rechte und Pflichten ergaben, die lebenslang verbindlich blieben. Daraus ergab sich aber auch eine Existenzsicherung des Einzelnen vor allem in Notsituationen, wie bei Krankheit, Kindheit oder im Alter. Die Ehe hatte dadurch aber weniger emotionale, als vielmehr materielle Interessen. Sie diente als unauflösbare und verbindliche Lebens- und Arbeitsform (vgl. Foltys 2014, S.19ff.).

Beck-Gernsheim (2000, S. 25) betont hierzu jedoch die Existenz heterogener Familienformen. Wie vorhin schon erwähnt, verweist er auf die Hausgemeinschaften, denen auch nicht blutsverwandte Mägde und Knechte angehörten. Weiters verweist er auf die hohe Zahl von so genannten Fortsetzungsfamilien. So werden Familien bezeichnet, bei denen ein verbleibender leiblicher Elternteil die Familie mit einem neuen Partner fortsetzt. Grund hierfür war vor allem die geringe Lebenserwartung (vgl. Beck-Gernsheim 2000, S. 25).

Bezüglich der Rollenverteilung zwischen den Familienmitgliedern sind unterschiedliche Ergebnisse festzustellen. Beck und Beck-Gernsheim (1994) gehen zum Beispiel davon aus, dass zum Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage die Rollenverteilung der Familienmitglieder strikt getrennt, aber dennoch aufeinander bezogen war. Nave-Herz (2004) sowie Böhnisch und Lenz (1999) gehen hingegen davon aus, dass es eine klare Aufgabenverteilung nur in bestimmten Bereichen gab. Nach ihren Ergebnissen ist zwar schon eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zu erkennen, jedoch kann nicht von einer strengen Trennung von weiblicher und männlicher Arbeit gesprochen werden, da sich die Zuständigkeiten häufig überschnitten (vgl. Nave-Herz 2004, S. 43). Böhnisch und Lenz (1999) verweisen darauf, dass die Aufgaben der Bäuerin keinesfalls nur auf den Haushalt beschränkt waren, sondern sie auch die Versorgung der Tiere und des Gartens übernahm, sowie bei der Herstellung von Lebensmitteln und Kleidung beziehungsweise, wenn notwendig, auch bei der Ernte beteiligt war (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 16).

Auch die Rolle des Kindes hat sich verändert. Die hohe Säuglingssterblichkeit, ökonomische, sowie materiellen Existenznot und das erhöhte Risiko, das für Frauen in der Schwangerschaft entstand, waren Grundlage für eine sachlichere Beziehung zwischen Mutter und Kind als in der heutigen Zeit üblich (vgl. Nave-Herz 2004, S. 43). Es existierten für Kinder keine eigenen Schonräume, sondern sie mussten die Rolle von kleinen Erwachsenen einnehmen. Somit war Erziehung ein integraler Bestandteil des Lebens, der durch die Mutter, aber auch durch Mägde und ältere Schwestern erfolgte. Ab dem vierten Lebensjahr wurden Kinder zur Arbeit herangezogen und oftmals schon sehr früh in fremde Dienste geschickt (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 16). Erziehung und Sozialisation fanden in der Gemeinschaft statt. Kinder lernten im täglichen Leben durch Nachahmen der Erwachsenen. Sie halfen im Alltag mit und eigneten sich so die notwendigen Fähigkeiten an (vgl. Büchner 2010, S. 523). Im Adel gab es für Söhne eine akademische Ausbildung. Adelige Töchter wurden hingegen von der Gouvernante in das damenhafte Verhalten eingeführt, akademischer Unterricht wurde für sie als unwichtig erachtet (vgl. Matthes 2009, S. 110f.).

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass bezüglich der vorindustriellen/vormodernen Familie oftmals der Eindruck einer homogenen Sichtweise entsteht, in der keine Diskrepanzen zwischen den Ansprüchen und der praktischen Umsetzung der Funktion von Familie vorhanden waren. Böhnisch und Lenz (1999, S. 11) verweisen hierzu auf drei hartnäckige Mythen, die immer wieder genannt werden:

- Harmoniemythos:

Dieser Mythos geht davon aus, dass Konflikte ein Phänomen der modernen Familie sind und auf eine Fehlentwicklung hinweisen, da in der Vergangenheit das Familienleben durch Harmonie geprägt wurde.

- Größenmythos:

Dieser Mythos geht von der Vorstellung aus, dass überwiegend in Drei-oder-mehr-Generationen-Haushalten zusammengelebt wurde, was aber durch Faktoren wie eine geringere Lebenserwartung usw. widerlegt werden konnte.

- Konstanzmythos:

Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Familie als Gefühlsgemeinschaft eine natürliche Konstante bildet, die immer vorhanden ist (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 11).

In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass die historische Entwicklung von Familie wichtig für aktuelle Familienthemen sind, diese jedoch nicht in Bezug auf einer Idealisierung der Vergangenheit bewertet werden sollen (vgl. Foltys 2014, S. 23).

4.2 Die bürgerliche Familie

Durch die Industrialisierung und die kapitalistische Produktionsweise entstand eine Trennung von Arbeits- und Wohnstätte im neuaufkommenden Bürgertum. Dadurch erfolgte eine Verlagerung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Mannes nach Außen, während die Frau für Tätigkeiten im Haushalt sowie für die Erziehung der Kinder zuständig war. Die bürgerliche Familie wurde somit auf die Kernfamilie beschränkt und von der Außenwelt abgegrenzt (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 16f.) Durch die Ausbildung von polaren Geschlechtscharakteren erfolgte die Zuschreibung der Frau als von Natur aus passiv und emotional. Männer hingegen wurden als aktiv und rational beschrieben. Durch diese Wesensmerkmale wurde die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung legitimiert und zugleich als natürliche Ordnung angesehen (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 17). Vater und Mutter wurden als von Natur aus wesensmäßig unterschiedlich dargestellt und als ergänzende Teile eines Ganzen angesehen (vgl. Nave-Herz 2004, S. 52).

Zur Zeit der Industrialisierung fand auch eine Emotionalisierung und Intimisierung der familiären Binnenstruktur statt, denn auch in der Ehe galt nicht mehr das Vermögen als Heiratsgrund, sondern die romantische Liebe. Somit veränderte sich auch die Stellung des Kindes. Dadurch, dass die Ehe erst durch die Geburt des Kindes Vollendung erfährt, begann man auf die Bedürfnisse der Kinder zu achten und machte sich bewusst Gedanken über die Kindeserziehung (vgl. Böhnisch/Lenz 1999, S. 18f.). Doch es entstanden auch neue Nachteile, zum Beispiel entstand durch die Arbeitsteilung ein Autoritätsanspruch des Mannes und Frauen waren ökonomisch vollkommen von ihrem Männern abhängig (vgl. Nave-Herz 2004, S. 52).

Diese bürgerliche Familienform wird auch als „klassische Familie“ beschrieben und geht häufig mit der Assoziation einher, dass diese Form von Familie über einen langen Zeitraum Bestand hatte. Tatsächlich hatte sie aber nur über eine relativ kurze Zeitspanne eine Monopolstellung inne (vgl. Foltys 2014, S. 29). Denn auch die Lebensrealität in großen Teilen der Bevölkerung sah zur Zeit der Industrialisierung ganz anders aus. Die meisten Frauen im 19. Jahrhundert mussten einer Erwerbstätigkeit nachgehen, aber auch die Erwerbstätigkeit von Kindern war nicht selten vorzufinden. So unterschied sich vor allem die Kindheit in einer proletarischen Arbeiterfamilie zu der in einer bürgerlichen Familie. In dieser Zeit entstanden auch die Familienfürsorge und die sozialpädagogische Familienhilfe, um die Probleme der Arbeiterfamilien aufzufangen. Durch die Abschaffung der Kinderarbeit und die Durchsetzung der Schulpflicht, kam es zu einer Durchsetzung des bürgerlichen Familienmodells in allen Teilen der Bevölkerung (vgl. Büchner 2010, S. 521f.). Doch erst Mitte der 1950er und 1960er Jahre wurde dieses Modell durch den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme und damit einhergehend ein besseres Einkommen, das dem Mann ermöglichte finanziell allein für die Familie aufzukommen, als häufigste Familienform ermöglicht (vgl. Foltys 2014, S. 28). Eine relativ kurze Zeitspanne, wenn man bedenkt, dass mit Einsetzen des zweiten Individualisierungsschubs (Mitte der 1960er Jahre) die Kinder- und Altenbetreuung zu großen Teilen von staatlichen Institutionen übernommen wurden und gesetzliche Rahmenbedingungen, wie Mutterschutz, Erziehungsgeld usw., eingeführt wurden, um Frauen verstärkt in den Arbeitsmarkt einzubeziehen (vgl. Foltys 2014, S. 29f.). Obwohl sich dieses Modell historisch gesehen nicht lange als tatsächlich gelebte Familienform durchsetzen konnte, ist der bürgerliche Familientyp nach wie vor bestimmend für die heutige Ehe- und Familienform (vgl. Nave-Herz 2004, S. 49).

4.3 Familie in der Moderne

Beck sieht den Übergang in die Moderne als unfreiwilligen Prozess, der nicht vom Individuum ausgeht. Hierzu unterscheidet er drei Dimensionen der Individualisierung:

- Freisetzungsdimension:

Hiermit ist gemeint, dass die Wahlmöglichkeiten und die Handlungsspielräume des Einzelnen durch die Moderne größer wurden.

- Entzauberungsdimension:

Zeitgleich verlieren aber bisher gültige soziale Normen ihre Verbindlichkeit, wodurch es zum Verlust von traditionellen Sicherheiten kommt.

- Kontrolldimension:

Die Folgen dieser Entwicklung sind, dass sich das Individuum immer weniger an kollektiv verbindlichen Handlungsmustern und Leitbildern orientieren kann. Es muss selbst eine Entscheidung zwischen konkurrierenden Wert- und Handlungsoptionen treffen. Daraus ergeben sich aber auch Probleme bei der Entscheidungsselektion und der Identitätsgewinnung beziehungsweise Identitätsfindung. Zudem wird das Individuum in ein neues System eingebunden, dass von institutionalisierten Zwängen, Anforderungen und Kontrollen geprägt ist (vgl. Beck 1986, S. 211).

Beck spricht hierzu auch vom sogenannten „Fahrstuhl-Effekt“. Damit ist gemeint, dass Individualisierung mit neuen Wahlmöglichkeiten und Handlungsspielräumen einhergeht, aber gleichzeitig auch neue Ansprüche und Anforderungen mit sich bringt (vgl. Beck 1986, S. 211). In Bezug auf die Familie bedeutet dies einen Wandel von einer „Notgemeinschaft“ hin zu einer „Gefühlsgemeinschaft“, die auf Freiwilligkeit der Individuen basiert (vgl. Beck-Gernsheim 2000, S. 89). Durch diese Veränderungsprozesse hat das Individuum erstmalig an Bedeutung gewonnen und sich aus einer sozialen Gemeinschaft herausgehoben (vgl. Foltys 2014, S. 24).

Obwohl die Mehrheit unserer Bevölkerung nach konventionellen Mustern lebt, hat der Modernisierungsprozess trotzdem gravierende Veränderungen hervorgebracht. Zu nennen sind unter anderem sinkende Geburtenraten, Zunahme nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften, niedrige Heirats- und hohe Scheidungsraten, aber auch die Pluralisierung der Lebens- und Beziehungsformen sind zu nennen (vgl. Nave-Herz 2000, S. 22f.). Allerdings müssen hier auch längere Schul-, Berufs- und Universitätsausbildungen beachtet werden, die zu einem höheren Heiratsalter führen. Und auch die ökonomische Situation darf nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Nave-Herz 2000, S. 21f.). Festzustellen ist auch eine Entkoppelung von Ehe und Elternschaft (vgl. Lenz 2009, S. 166). Die Kindheit gilt heute als eine eigenständige, geschützte Lebensphase. Kinder stehen im Mittelpunkt der Familie und werden in ihren Wünschen und Bedürfnissen wahrgenommen und als eigenständige Persönlichkeiten respektiert (vgl. Büchner 2010, S. 522f.).

Durch die Pluralisierung und Individualisierung der Lebensformen steht ein wachsender Nichtfamiliensektor einem schrumpfenden Familiensektor entgegen. Wobei der Nichtfamiliensektor, also Alleinwohnende, kinderlose nichteheliche Lebensgemeinschaften, getrennt Zusammenlebende oder kinderlose Ehepaare, etwa ein Drittel ausmachen und der Familiensektor, also Ehepaare mit Kindern, Ein-Eltern-Familien, Nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern und Stieffamilien, zwei Drittel (vgl. Peuckert 2007, S. 40).

Einen wesentlichen Grund für diese Veränderungsprozesse seit den 1960er Jahren stellt der Wandel der Frauenrolle dar. Waren die Lebensentwürfe junger Frauen damals noch familienorientiert, so sind heute viele Mütter mit minderjährigen Kindern erwerbstätig. Allerdings lässt sich beim Großteil der Mütter ein Drei-Phasen-Modell zur Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit erkennen: Vor der Geburt des ersten Kindes wird in der Regel einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen. Ab der Geburt folgt ein Zeitraum der Beurlaubung bzw. eine Reduktion der Erwerbstätigkeit. Mit zunehmendem Alter des Kindes gewinnt immer mehr die Teilzeitbeschäftigung an Bedeutung (vgl. Peuckert 2007, S. 49). Festgehalten werden kann trotzdem, dass es nicht um ein „entweder Familie oder Beruf“ geht, sondern eine Vereinbarung von Familie und Beruf angestrebt wird (vgl. Peuckert 2007, S. 50).

Doch nicht nur die Rolle der Frau hat sich gewandelt, auch die Beziehungsgestaltung unter Partnern unterliegt einem Wandel. So ist die heutige Familie primär beziehungsorientiert, während sie früher vorwiegend aufgabenorientiert war. Trotzdem fällt der Frau noch immer vorwiegend die Haushalts- und Familienarbeit zu. Als „neue Männer“ können bestenfalls ein Fünftel der Männer bezeichnet werden, das heißt sie wollen aktive Väter sein. Viele Studien belegen sogar, dass sich die geschlechtsspezifische Rollenverteilung nach der Geburt des ersten Kindes verschärft (vgl. Peukert 2007, S. 51). Fthenakis u. a. (2002) sprechen hier von einer „Gleichberechtigungsfalle“. Dies führt zu Ärger, Enttäuschung, Streit, Vorwürfen aber auch einer Abnahme der partnerschaftlichen Kommunikation und Partnerschaftsqualität, einer Zunahme von Auseinandersetzungen und einem Rückgang beim Austausch von körperlichen Zärtlichkeiten/Sexualität sowie dem verbalen Ausdruck von Zuneigung und Wertschätzung nach der Geburt eines Kindes (vgl. Peuckert 2007, S. 51).

Und auch in der Eltern-Kind-Beziehung können Veränderungen wahrgenommen werden. Das Erziehungsverhältnis zwischen Eltern und Kind hat sich zu einem Beziehungsverhältnis verändert. Das bedeutet, es hat eine Wandlung vom Befehlshaushalt zum Verhandlungshaushalt stattgefunden. Somit hat sich das Machtverhältnis gelockert und damit einhergehend ist es zu einer Veränderung der Umgangsformen in den Familien gekommen (vgl. Peuckert 2007, S. 51). Kinder werden heute oftmals als gleichberechtigte Familienmitglieder wahrgenommen und dürfen bei Entscheidungen mitbestimmen. Eltern müssen die Erwartungen an ihre Kinder begründen und rechtfertigen. Aber auch Konflikte werden durch Miteinander-Reden und Kompromisse versucht zu lösen. Strafen werden vermieden (vgl. Peuckert 2007, S. 52). Typisch für den modernen Verhandlungshaushalt sind für Ecarius (2007, S. 158) auch eine Intimisierung und Emotionalisierung der Eltern-Kind-Beziehung. Es wird somit deutlich, dass familiäre Interaktion maßgeblich von sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen der jeweiligen Zeit mitbestimmt wird (vgl. Ecarius 2007, S. 153). Der Umgang der Familienmitglieder untereinander und die Erziehungsstile sind liberaler geworden. Fürsorge, Aufmerksamkeit und Zuwendung sind in den Vordergrund getreten und Kinder werden als verantwortliche und selbstständige Partner angesehen (vgl. Winkler 2012, S. 94f.).

In unserer modernen Gesellschaft sind viele unterschiedlichen Familientypen zu finden. Zwar lebt immer noch die Mehrheit im konventionellen Familienmodell der bürgerlichen Kleinfamilie, bestehend aus verheirateten Eltern (Vater und Mutter) und ihren/m Kind(ern), aber auch eine Vielzahl von anderen Familienformen sind heute weit verbreitet. Es handelt sich hierbei aber keinesfalls um neue Phänomene. Es hat schon immer eine größere Zahl von Alleinerziehenden und Stieffamilien gegeben. Allerdings haben sich die Ursachen für diese Lebensformen geändert: War früher der vorzeitige Tod eines Elternteils der Grund für diese Familienformen, sind es heute überwiegend die hohen Scheidungsraten. Dadurch ergibt sich heute eine andere Situation als bei Teil- und Zweitfamilien in früheren Jahrhunderten (vgl. Textor 1993, S. 18).

Der Vollständigkeit halber werden im Folgenden die unterschiedlichen Familienformen genannt, allerdings wird nicht genauer auf die einzelnen Formen eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit übersteigen würde.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen folgenden Familientypen:

1. Alleinwohnenden: Damit gemeint sind 1-Personen-Haushalte.
2. kinderlose Ehen: Hier findet also eine Entkoppelung von Ehe und Elternschaft statt.
3. Getrenntes Zusammenleben: Damit wird das Zusammenleben in einer Partnerschaft mit zwei Haushalten bezeichnet.
4. Nichteheliche Lebensgemeinschaft: hierbei sind die Partner nicht verheiratet. Unterschieden wird zwischen nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kinder und nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kind(ern).
5. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften: Seit 2001 ist in Deutschland auch eine „eingetragene Partnerschaft“ möglich, die eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe bewirkt hat. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften können sowohl mit oder ohne Kinder sein.
6. Ein-Eltern-Familien (Alleinerziehende): darunter versteht man Männer oder Frauen, die ohne Ehe- oder Lebenspartner mit ihren minderjährigen Kindern zusammen in einem Haushalt wohnen.
7. Stieffamilien oder auch Fortsetzungsfamilien (Patchworkfamilien): hier fallen biologische und die sogenannte soziale Elternschaft teilweise auseinander. Nach Trennung der leiblichen Elternteile, kommt mindestens ein sozialer Elternteil hinzu oder aber der verstorbene Elternteil wird durch den sozialen Elternteil ersetzt.
8. Adoptivfamilien: Durch die Adoption erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes der annehmenden Eltern. Biologische und soziale Elternschaft fallen hier ebenfalls auseinander.
9. Heterologe Inseminationsfamilie: Durch Entwicklung neuer Reproduktionstechniken (Samen- oder Eispende) kann die bisherige Norm einer „biologisch-sozialen Doppelnatur“ von Familie abgeschwächt oder sogar ganz aufgehoben werden (vgl. Peukert 2007, S. 40-46).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die familiäre Interaktion maßgeblich von sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen der jeweiligen Zeit mitbestimmt wird (vgl. Ecarius 2007, S. 153). Wesentliche Gründe für aktuelle Veränderungsprozesse sind zum einen die veränderte Rolle der Frau, zum anderen auch die Beziehungsgestaltung unter den Partnern (vgl. Peuckert 2007, S. 51). Frauen wollen keine Entscheidung mehr zwischen Familie oder Beruf, sondern sie streben eine Vereinbarung von Familie und Beruf an (vgl. Peuckert 2007, S. 50). Während die Beziehung der Partner früher aufgabenorientiert war, ist sie heute beziehungsorientiert. Dennoch ist noch immer eine geschlechtsspezifische Rollenverteilung zu erkennen, die viele junge Frauen aber so nicht mehr hinnehmen wollen. Dies führt zu vermehrten Konflikten (vgl. Peuckert 2007, S. 51). Auch die Beziehung zu den Kindern hat sich von einem Befehls- zu einem Verhandlungshaushalt verändert (vgl. Matthes 2009, S. 115). Der Umgang der Familienmitglieder untereinander aber auch die Erziehungsstile sind liberaler geworden (vgl. Winkler 2012, S. 94f.). In diesem Kapitel wurde sich ausführlich mit der geschichtlichen Entwicklung von Familie auseinandergesetzt. Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich nun mit dem Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft, was wissenschaftlich auch als Transition beschrieben werden kann.

5 Transitionsprozess

Dieses Kapitel befasst sich mit dem theoretischen Zugang zum Übergang in die Elternschaft. Wissenschaftlich wird dies auch als Transition bezeichnet. Es folgt eine Erklärung über das Forschungsfeld und anschließend werden drei relevante, theoretische Ansätze zur Bewältigung eines Transitionsprozesses vorgestellt. Abschluss des Kapitels bildet die Resilienzforschung.

Transitionen beziehungsweise Übergänge im Lebenslauf des Menschen bilden schon seit langer Zeit einen wesentlichen Gegenstand von philosophischer Forschung. Die Wurzeln reichen zurück bis 600 v. Chr. zu Solon in das antike Athen. Er teilte den menschlichen Lebenslauf in Lebensjahrsiebte, wobei jedem Abschnitt jeweils ein besonderer Schwerpunkt zugeschrieben wurde. Auch von Konfuzius sind ähnliche Entwürfe bekannt (vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 13). Bei diesen Konzepten, spielten allerdings weder die individuelle, aktive Auseinandersetzungen mit Problemen eine Rolle, noch handelte es sich um tatsächlich im Lebenslauf eines Menschen auftretende Übergangsperioden (vgl. Olbrich 1990, S. 124). Vielmehr basieren diese Vorstellungen und Entwürfe von Lebensordnung auf Astrologie und Kosmologie und sind empirisch nicht überprüfbar (vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 13).

Mittlerweile ist ein internationales Forschungsfeld entstanden, welches sich biografische Wandlungsprozesse im sozialen Kontext zum Gegenstand macht. Beiträge unterschiedlicher Disziplinen beeinflussen die aktuelle Forschung und sind teilweise sehr eng miteinander verflochten. Vor allem aus den Bereichen der Anthropologie, Soziologie, Psychologie und Pädagogik, teilweise zurückreichend bis zu den Ursprüngen der Disziplinen. Dadurch, dass sich die heutige Transitionsforschung auf Erkenntnisse unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen stützt, bildet sie ein sehr heterogenes, komplexes und interdisziplinäres Forschungsfeld (vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 13f.). Aktuelle Transitionskonzepte beziehen sich unmittelbar auf den Prozess des Übergangs beziehungsweise auf die damit einhergehenden Veränderungen. Traditionell gegliedert werden können diese Übergänge von einer Altersstufe zur anderen (Kindheit, Jugend). Aber auch der Übergang zwischen zwei Tätigkeiten, zum Beispiel zwischen Ausbildung und Berufseinstieg, kann als Transition angesehen werden. Desweiteren wird der Übergang von einer Situation in die andere (Heirat, Umzug, Elternschaft) ebenfalls als Transition bezeichnet und bildet somit einen wesentlichen Bestandteil der Transitionsforschung (vgl. Felden & Schiener 2010, S. 21). Im Folgenden Abschnitt werden nun die theoretischen Ansätze vorgestellt und näher beleuchtet.

5.1 Theoretische Ansätze

Die drei nachfolgenden Ansätze werden, bezugnehmend auf die Ausführungen von Griebel und Niesel (2011), näher beleuchtet, da sie die Grundlagen für die heutige Forschung darstellen und auf welche in diesem Zusammenhang immer wieder verwiesen wird. Somit sind sie relevant für das Verständnis der weiteren Arbeit.

5.1.1 Filipp – kritische Lebensereignisse

Nach Filipp (2010, S. 115ff.) besteht bei kritischen Lebensereignissen das Bedürfnis nach Aufrechterhaltung von alten und bewährten Handlungsstrategien, die vor allem das bisherige Leben ausgemacht haben und zudem Sicherheit, Schutz und Geborgenheit symbolisieren. In dieser Zeit der Diskontinuität wird nach Kontinuität gesucht, da die neue Situation verwirrend, komplex aber auch chaotisch erscheint (vgl. Filipp 2010, S. 115ff.). Unter kritischen Lebensereignissen sind Ereignisse zu verstehen, welche einen Widerspruch oder einen Konflikt für die Person mit sich bringen und eine relative Einmaligkeit besitzen. Dies kann zu einem Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Person und Umwelt führen und der/die Betroffene muss versuchen, ein neues Gleichgewicht herzustellen. Als kritisch wird ein Lebensereignis dann bezeichnet, wenn es als Wendepunkte in der Entwicklung angesehen werden kann, da sie zum einen Entwicklungschancen für persönliches Wachstum, zum anderen aber auch negative Entwicklungen und Risiken mit sich bringen kann, wenn nicht in absehbarer Zeit eine Lösung gefunden wird, die zu neuem Gleichgewicht führt. Dies erfordert individuelle Bewältigungskompetenzen und kann zu Veränderungen der Person, aber auch zur Veränderung der Umwelt durch die Person führen. Das individuelle Erleben erscheint in diesem Zusammenhang als besonders wichtig, denn davon hängt ab, ob ein Ereignis wie beispielsweise die Geburt eines Kindes als kritisch, belastend, erfreulich oder herausfordernd erlebt wird (vgl. Filipp 2010, S. 215ff.).

5.1.2 Lazarus – Transaktionales Stressmodell

Das von Lazarus entwickelte psychologische Transaktionale Stressmodell, ist das am häufigsten zitierte Modell zur Entstehung und Bewältigung von Stress (vgl. Wind & Berth 2017, S. 24). Diese Stresstheorie liefert einen Versuch, Belastungsreaktionen und Belastungsbedingungen zu erklären. Im Zusammenhang mit der Stressforschung wird der Belastungsbegriff synonym für „Stress“ verwendet. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die eigene Wahrnehmung (Gedanken, Bewertungen, Beurteilungen), sowie die selbst wahrgenommenen eigenen Ressourcen (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.28). Treffen Person und Umwelt aufeinander, so beeinflussen sie sich wechselseitig. Einerseits wirkt die Situation auf die Person ein, andererseits wird diese durch die Person bestimmt. Stress ist somit eine Verbindung zwischen einer denkenden, handelnden und fühlenden Person und einer sich wandelnden Situation (vgl. Albrecht 2009, S. 17). Reichen die Ressourcen zur Bewältigung nicht aus, oder wird die Bewältigung der Veränderung erschwert, können Stress und Überforderung entstehen. In diesem Zusammenhang kommt es nach Griebel und Niesel (2011) bezugnehmend auf Lazarus (1995) vor allem darauf an, wie der Einzelne die anstehende Veränderung bewertet (vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 26). Lazarus unterscheidet zwischen primärer (primary appraisal) und sekundärer Bewertung (secondary appraisal) der Lage. Sie wirken wechselseitig aufeinander ein und sind miteinander verbunden. Die primäre Bewertung bezieht sich auf die Person-Umwelt-Beziehung. Hierbei entscheidet die Person, ob eine Situation oder ein Ereignis für sie als irrelevant (irrelevant), positiv (benign-positive) oder stressgeladen (stressful) wahrgenommen wird. Die Veränderung ist dann stressgeladen, wenn sie beispielsweise als Herausforderung (challenge), Bedrohung (threat), Schaden (harm) oder Verlust (loss) interpretiert wird. Wie die Situation von der Person eingestuft wird, hängt grundsätzlich davon ab, ob die Person der Meinung ist, die Situation bewältigen zu können oder nicht (vgl. Albrecht 2009, S. 18). Die sekundäre Bewertung betrachtet die eigenen Bewältigungsfähigkeiten und -möglichkeiten (coping resources and options). Hierbei gibt es drei Formen:

- persönliche Ressourcen (z.B. Kompetenzen),
- soziale Ressourcen (z.B. soziales Netzwerk)
- physische Ressourcen (z.B. Geld).

Sind ausreichend Ressourcen vorhanden, ist die Stressphase beendet (vgl. Albrecht 2009, S. 19). Folgende Grafik zeigt nochmal deutlich, dass das wechselseitige Verhältnis von primärer und sekundärer Bewertung das Ausmaß von Stress bestimmt, aber nur schwer messbar ist (vgl. Albrecht 2009, S. 20).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Stressmodell nach Lazarus (vgl. Albrecht 2009, S. 20)

Die beiden Ansätze von Filipp (2010) und Lazarus (1995) sind die meist zitierten Modelle bezüglich des Übergangs in die Elternschaft, allerdings beschreiben sie die Elternschaft als ein kritisches Lebensereignis. In der neueren Forschung wird die Elternschaft nur noch selten als Krise bezeichnet, daher wird im Folgenden ein neuer Ansatz vorgestellt, der hierbei den Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft nicht als direkte Krise interpretiert.

5.1.3 Cowan - Familien-Transitionsmodell

Das Familien-Transitions-Modell nach Cowan (1991) sieht bei Transitionen sowohl auf individueller, als auch auf familiärer Ebene komplexe Veränderungsphasen im Zuge normativer oder auch nicht-normativer Ereignisse. Diese Veränderungen betreffen sowohl die Rollen, die Beziehungen, die Lebensumwelten als auch die Identität. Außerdem betreffen sie nicht nur eine einzelne Person, sondern die gesamte Familie. Die Richtung des Weiterentwicklungsprozesses bleibt vorerst aber offen (vgl. Fthenakis 1998, S. 20). Es findet eine Verdichtung und Beschleunigung von Lernprozessen statt. Somit kann die Geburt eines Kindes einen Veränderungsprozess einleiten und eine Transition stimulieren. Für die erfolgreiche Bewältigung müssen individuelle aber auch familiäre Veränderungsprozesse eingeleitet werden. Es kommt zu einer Reorganisation von Beziehungen und auch der Rollen. Hierbei werden neue erlernt, aber auch alte Rollen gelöscht. Daher kommt es zu einer Veränderung der Identität der (werdenden) Eltern. Die Rolle des Paares erweitert sich um die Mutter- beziehungsweise Vaterrolle (vgl. Fthenakis 1998, S. 23f.). Außerdem kann die Bewältigung dieses Überganges als Chance für eine individuelle und familiale Weiterentwicklung gesehen werden. Die neue Situation stellt eine Herausforderung dar, der man nur mit neuem Verhalten begegnen kann (vgl. Fthenakis 1998, S. 24). Nicht immer läuft der Übergang zur Elternschaft harmonisch ab, und es kann auch zu Belastungen und Konflikten innerhalb des Familiensystems kommen, aus denen sich dann schlussendlich eine Krise entwickeln kann. Wie dieser Übergang erlebt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Durch frühere Belastungen kann das Paar die Sicherheit gewinnen, dass sie die Herausforderung bewältigen können. Wurden noch keine Krisen gelöst oder nur ungünstig gelöst, kann das die Angst den Übergang nicht zu bewältigen, verstärken. Aber auch persönliche Voraussetzungen und Umweltbedingungen sind entscheidend dafür, wie der Übergang in die Elternschaft bewältigt und erlebt wird. Beispiele hierfür sind die finanzielle Situation, soziale Netzwerke, Zukunftsoptimismus aber auch körperliche und psychische Erkrankungen sind wesentliche Faktoren (vgl. Dannhäuser 2010, S. 2).

Es wurde ersichtlich, dass Transitionen vor allem aus psychologischer und soziologischer Sicht beleuchtet werden. Letztere legt dabei den Fokus auf Transition als Ko-Konstruktion, somit auf Entwicklung als Ergebnis verschiedener sozialer Einflüsse. Die Psychologie betrachtet Transition eher eingebunden in das Anlage-Umweltverhältnis des Individuums. Bezugnehmend auf die, der vorliegenden Arbeit zugrundeliegenden Literaturrecherche, kann davon ausgegangen werden, dass eine pädagogische Auseinandersetzung erst in den Anfängen steht (vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 28).

Im folgenden Punkt soll nun ein weiterer Ansatz vorgestellt werden, der für die Bewältigung von Transitionen von Bedeutung ist, nämlich die Resilienzforschung.

5.2 Resilienz

Auch wenn eine Verwandtschaft zu den vorherigen Ansätzen vermutet werden kann, entwickelte sich die Resilienzforschung doch in einem eigenen Rahmen. Hier werden Übergänge mit ihren komplexen Herausforderungen als Phasen erhöhter Verletzlichkeit aufgefasst, welche die Gefahr von Überforderung beinhalten. Ist ein Übergang gelungen, eröffnen sich neue Chancen (vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 191).

„Unter Resilienz kann man die Fähigkeit verstehen, zerrüttenden Herausforderungen des Lebens standzuhalten und aus diesen Erfahrungen gestärkt und bereichert hervorzugehen. Mit Resilienz sind nicht nur allgemeine Stärken gemeint, sondern auch dynamische Prozesse, die unter signifikant ungünstigen Umständen die Anpassung an eine gegebene Situation begünstigen.“ (Walsh 2006, S. 43).

[...]

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Wenn Paare Eltern werden. Herausforderungen am Übergang zur Elternschaft
Autor
Jahr
2019
Seiten
113
Katalognummer
V443199
ISBN (eBook)
9783956876790
ISBN (Buch)
9783956876813
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Partnerschaft, Familie, Sozialpädagogik, Transitionsprozesse, Kinderbetreuung
Arbeit zitieren
Lisa Hacker (Autor:in), 2019, Wenn Paare Eltern werden. Herausforderungen am Übergang zur Elternschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/443199

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