Argumentlinking. Die Lexikalische Dekompositionsgrammatik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Argumentlinking.
2.1 Kiparsky’s Linking Theory
2.2 Die Lexikalische Dekompositionsgrammatik

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was versteht man unter Argumentlinking? Dieter Wunderlich, ein deutscher Linguist und Sprachforscher, benennt mit diesem Begriff die Art der Spezifizierung von Argumenten eines Pradikats innerhalb eines Satzes durch morphologische oder syntaktische Mittel. Seine Linking-Theorie, die lexikalische Dekompositionsgrammatik, beschaftigt sich im Allgemeinen mit Argument- und Kasusstrukturen sowie mit der Representation der semantischen Form. Daruber hinaus behandelt sie intensiv die Argumentstruktur lexikalischer Eintrage.

Seine Theorie gehort zu einer von vielen unterschiedlichen Theorien der sogenannten Linking Theories verschiedener Forscher, die alle einen unterschiedlichen Linkingmechanismus vorweisen konnen. Dennoch haben all diese Theorien eins gemeinsam: Sie versuchen, Generalisierungen zwischen overten Kasusmarkierungen, der Argumentstruktur und grammatischen Relationen aufzustellen.

Der Begriff des linking gewann seine Bedeutung in sprachlichen Theorien aufgrund der Arbeit von Ostler (1979) uber die Regeln fur die Fallrealisierung in Sanskrit. Ostler wiederum macht Carter (1977) fur den ersten Gebrauch dieses Begriffs verantwortlich und stutzt sich anfanglich hauptsachlich auf Carters Ansatze und Ideen, doch tatsachlich waren Ostlers Formulierungen ausschlaggebend fur die Etablierung dieses Begriffs in der Sprachwissenschaft. Ostler beschaftigte sich mit der Frage, wie man eine gewisse Korrelation zwischen den Kasus und den thematischen Relationen im Sanskrit formulieren kann. Dabei stutzte er sich auf Jackendoffs (1976) Ansatze, der eine geringe Verwendung von thematischen Rollen in der linguistischen Analyse feststellte. Er arbeitete unter der Fragestellung, wie man thematische Rollen wie beispielsweise Agens und Patiens in eine Art semantische Analyse einbinden konnte, welche die standardisierte Pradikation zerlegte.

Um das Wesen des Argumentlinkings sowie der lexikalischen Dekompositionsgrammatik Wunderlichs zu verstehen, benotigt man ein gewisses MaB an Verstandnis des Begriffs case ‘Kasus’ und all das, was mit diesem Themengebiet zusammenhangt. Man muss bedenken, dass ‘Kasus’ ein durchaus mehrdeutiger Begriff ist und weitere linguistische Konzepte miteinbezieht. Diese Arbeit veranschaulicht nicht die einzelnen Bedeutungen von case, sondern verschafft lediglich einen Uberblick und Vergleich zweier Theorien des Argumentlinkings: die lexikalische Dekompositionsgrammatik Dieter Wunderlichs und die Linking Theory von Paul Kiparsky.

Zuerst folgt eine kurze Erklarung der Termini ,,Argument“, „Argumenthierarchie“ und „Argumentlinking“ anhand von einigen Beispielen. Im Hauptteil dieser Arbeit werden zwei Theorien des Argumentlinkings vorgestellt, beginnend mit der Linking Theory von Paul Kiparsky. Bei der Vorstellung der Theorie werden weitere linguistische Konzepte wie die semantische Form und die thematischen Rollen definiert, Termini, die fur das Verstandnis des Linkings notwendig sind. Darauffolgend stellt diese Arbeit die lexikalische Dekompositionsgrammatik von Dieter Wunderlich und seine Forschungsansatze vor. AnschlieBend werden die Unterschiede beider Theorien vorgestellt und in einem direkten Vergleich miteinander im Fazit ausgewertet.

2. Argumentlinking

Dieter Wunderlich, ein deutscher Linguist, stellte im Jahr 1997 erstmals die lexikalische Dekompositionsgrammatik vor. „Die lexikalische Dekompositionsgrammatik (LDG) ist eine Theorie der Argumentstruktur und des Argumentlinkings“ (Stiebels, 2002:41). Die Ableitung sowohl von der Argumentstruktur als auch des Argumentlinkings erfolgt auf dekomponierten, also zerlegten Bedeutungseintragen der sprachlichen bzw. lexikalischen Elemente, die auf der Ebene der semantischen Form (SF) reprasentiert werden (vgl. Stiebels, 2002:46). Das Hauptziel der LDG ist das „krosslinguistische“ Berucksichtigen von Argumentations- und Fallmustern sowie von Argumetationswechseln (vgl. Butt 2006:111).

Unter ,,Argumentlinking“ versteht man in der Grammatik Verallgemeinerungen uber die Verbindung von dekompositionalen semantischen Strukturen mit den syntaktischen Ausdrucken der Argumente, also die morphologische oder syntaktische Realisierung von Argumenten (vgl. Butt 2006:91). „Als linker, d.h. als Exponenten der morphosyntaktischen Realisierung, treten dabei Kasus, Kongruenz und/oder designierte syntaktische Positionen auf (Stiebels, 2002:10).

Pradikate konnen ein oder mehrere Argumente haben. Bei Substantiven unterscheidet man zwischen absoluten Nomina, wie beispielsweise Baum oder Tisch, die nur ein Argument besitzen, und relativen Nomina, wie Vater oder Kopf, die zwei Argumente besitzen. Diese zwei Argumente haben eine strikte Ordnung:

head refers to the head of someone, and it is this lower argument that can be realized by an inalienable possessor. Moreover, most absolute nouns can undergo a possessor extension [...], thus becoming relational with an alienable possessor as the lower argument. (Wunderlich o. J.:1)

Die Denotation von Nomina, die von Wunderlich (1997) verwendet wird, erfolgt durch die Kennzeichnung einzelner Argumentvariablen mit einem Lambda, dem griechischen Symbol „X“. Die niedere Variable befindet sich links, die hoheren Variablen dementsprechend rechts, wie in (1) dargestellt:

(1) Classification of nouns

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Klassifizierung von Verben kommen zwei weitere Variablen hinzu: bei statischen Verben die Zeit-Variable t, bei dynamischen Verben die Situationsvariable 5. So haben intransitive Verben, je nach Art, eine der beiden Variablen, die als referentielles Argument fungiert und ein weiteres Argument, wahrend relative Verben uber zwei Komplemente verfugen (Wunderlich o. J.:1).

Die Klassifizierung von Verben unterscheidet weitere semantische Gesichtspunkte wie Aspekt, Aktionsart und Tempus, sodass eine Reihe an moglichen Variablen und Komplementen fur unterschiedlich spezifizierte Verben entsteht, wie in (2) an zwei ditransitiven Verben der give type und speech type - Arten dargestellt:

(2) Ditransitive predicates

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

‘speech’ type: Xz Xy Xx Xs [ACT(x) & BECOME KNOW(y,z)](s)

(Wunderlich o. J.:4)

Um eine Ordnung zu schaffen, muss eine Argumenthierarchie eingefuhrt werden, die besagt, dass die einzelnen Argumente eines Pradikats eine strenge Ordnung einhalten mussen. Die jeweiligen Positionen werden sowohl nach semantischen als auch teilweise nach willkurlich gewahlten Faktoren geordnet. Diese Ordnung spielt eine wichtige Rolle fur die morphosyntaktische Realisierung von Argumenten (vgl. Wunderlich o. J.:2).

GroBe lexikalische Kategorien werden also nach den einzelnen Eigenschaften ihrer Argumente klassifiziert:

a. Nouns and verbs have a referential argument, that is, an argument that is affected by functional categories.
b. The referential argument of verbs is situational, so that it has a temporal component.
c. Referent structure is expressed by a structured index assigned to the referential argument. (Wunderlich 1997:6)

Das Argumentlinking bezieht sich also auf die Art und Weise, in welcher die Argumente eines Pradikats innerhalb eines Satzes entweder durch morphologische oder syntaktische Mittel spezifiziert sind.

Bei der lexikalischen Dekompositionsgrammatik handelt es sich primar um eine Theorie des Argumentlinkings, die auf der Linking Theory von Kiparsky (1987) basiert (vgl. Butt 2006:111). Um die lexikalische Dekompositionsgrammatik veranschaulichen zu konnen, wird zuerst ein Uberblick uber Kiparskys Theorie gewahrt.

2.1 Kiparsky's Linking Theory

Paul Kiparsky stellte 1987 ein System des Argumentlinkings vor, basierend auf der Arbeit von Ostler (1979) uber die Relationen zwischen den einzelnen Fallen und den thematischen Rollen in Sanskrit. Seine Theorie beruht auf drei gleichwertigen Komponenten, die die syntaktische Form eines Arguments bestimmen: Kongruenz, Kasus und Position (vgl. Butt 2006:100). Das Argumentlinking selbst betrifft die strukturellen Argumente des Verbs. Der Hauptgedanke fokussiert sich auf die Rolle des Kasus in Bezug auf die Identifizierung der grammatischen Relationen (vgl. Butt 2006:101).

Kiparskys Theorie zeigt einen Unterschied zwischen der semantischen Form und den thematischen Rollen. Die semantische Form (SF) reprasentiert die fur das sprachliche System relevante Untergruppe des begrifflichen Wissens und unterscheidet sich von unserem Begriff- und Allgemeinwissen, interagiert jedoch mit diesem (vgl. Butt 2006:101). Sie dient hauptsachlich zur „Beschreibung der grammatischen Informationen eines Wortes, beispielsweise [der] Art und Anzahl der geforderten Argumente“ (Rothmayr 2016:136), liefert also die grammatischen Informationen, anders als z. B. die logische Form (LF) (Chomsky 1995), fur die Bedeutung einzelner Worter.

Laut Butt (2006:102) muss sich die Beziehung zwischen den syntaktischen Funktionen und den thematischen Rollen, also die mit der Syntax interagierende Information, nicht unbedingt exakt gleichen, da Englisch, wie die meisten Sprachen der Welt uber eine sogenannte middle construction ‘eine mittlere Konstruktion’ verfugt. Die mittlere Konstruktion gleicht dem Passiv in der Hinsicht, dass der Agens unterdruckt wird. Die Morphologie und die semantische Interpretation unterscheiden sich allerdings vom Passiv (vgl. Butt 2006:102).

(3) This house shows well.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(4) The real estate agent showed the customers the house.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die semantische Form von show in (3) gleicht der semantischen Form von show in (4). Das wurde bedeuten, dass jede Handlung von show, also des Zeigens, notwendigerweise ein Agens (der Zeiger), ein Objekt bzw. ein Thema (das Gezeigte) und ein Ziel, in diesem Fall einen Rezipienten (die Person, der das Objekt gezeigt wird), benotigt (vgl. Butt 2006:102). Allerdings wird in der oben erwahnten mittleren Konstruktion nur eine der thematischen Rollen in der Syntax ausgedruckt, so zeigen die semantische Form und die Argumentstruktur eine Fehlanpassung: Obwohl die semantische Form drei T eilnehmer enthalt, wird nur ein T eilnehmer, markiert durch z, in der Argumentstruktur reprasentiert. Ebenfalls ist nur dieser T eilnehmer an eine syntaktische Funktion gebunden, in diesem Fall an ein Subjekt (vgl. Butt 2006:102, Kiparsky 1997:474).

Bei thematischen Rollen handelt es sich um eine Untermenge der semantischen Form, die mit der Syntax einer Sprache in Wechselwirkung steht, also die Semantik und die Grammatik einer Sprache verbindet.

Die thematischen Rollen sind keine syntaktischen Funktionen, die den grammatischen T eil eines Satzes ausmachen, stehen allerdings in einem engen Verhaltnis zu diesen. Dieses Verhaltnis wird von Diathesen geregelt, also durch unterschiedliche Verbkategorien wie beispielsweise den Aktiv oder den Passiv.

Thematische Rollen bezeichnen keine absoluten Begriffe, sondern beziehen sich immer auf eine bestimmte Situation, so kann es die Rolle des Rezipienten nur in einer Situation geben, in welcher eine Person einen Gegenstand erhalt.

Die Reihenfolge der thematischen Rollen ist hierarchisch nach den Parametern der Kontrolle (die Funktion einer thematischen Rolle, die Situation zu kontrollieren) und der Zentralitat (die Nahe einer thematischen Rolle zum Situationskern) aufgebaut (Lehmann o. J.). So ist der Agens die zentralste aller thematischen Rollen und gleichzeitig die mit dem hochsten Grad an Kontrolle uber die Situation. Sie ist also laut der Hierarchie-Skala an hochster Stelle. Zu den wichtigsten thematischen Rollen zahlen beispielsweise der Agens, das Patiens, der Rezipient und das Thema.

Der Theorie zufolge konnen die thematischen Rollen aus der lexikalisch zerlegten semantischen Form abgelesen werden (vgl. Butt 2006:101). Das Entnehmen der thematischen Rollen findet uber die lambda abstraction statt, was der klaren Veranschaulichung der Rollen dient und grundsatzlich in der formalen Semantik eingesetzt wird, um alle moglichen Variablen aneinander zu binden und somit eine Formel zu erstellen. Die thematischen Rollen werden in der Representation mit einem Lambda gekennzeichnet. Die aus dieser Abstraktion resultierende Argumentstruktur steht links von der Notation in den rechteckigen Klammern „[]“.

(5) show: kzkykx [x CAUSE [CAN [y SEE z]]]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man kann an (5) erkennen, dass hier eine Handlung stattfindet, bei der das x-Argument eine weitere verursacht (vgl. Butt 2006:101). Durch die von dem x-Argument verursachte Handlung wird es dem y-Argument ermoglicht, das z-Argument zu sehen.

Die Reihenfolge der thematischen Rollen ist hierarchisch aufgebaut. Das x tragt die hochste thematische Rolle und gleichzeitig das Argument, was am ehesten dazu neigt, mit der prominentesten syntaktischen Funktion verbunden zu sein - mit dem Subjekt (vgl. Butt 2006:101). Das ztragt die niedrigste thematische Rolle und wird dadurch mit der schwachsten syntaktischen Funktion verbunden - oft mit einer obliquen prapositionalen Phrase oder einem sekundaren Objekt (vgl. Butt 2006:101). Um das Prinzip hinter der Relation zwischen den thematischen Rollen und den syntaktischen Funktionen zu verstehen, muss man einen Blick auf Kiparskys Feature System, sein Merkmalsystem werfen.

Im Merkmalsystem Kiparskys sind thematische Rollen durch genau zwei Merkmale an die Syntax gebunden: durch die Highest Role ([±HR]) - die hochste Rolle und die Lowest Role ([±LR])- die niedrigste Rolle (vgl. Butt 2006:103). Beispielsweise sagt das Merkmal [+HR] aus, dass es sich bei dem spezifizierten Argument um die hochste Rolle handelt, [-HR] betont

lediglich, dass das beschriebene Argument nicht das am hochsten rangierte ist (vgl. Butt 2006:103). Die beiden Merkmale tragen die Bezeichnung case features, also Kasusmerkmale.

(6) show: Xz Xy Xx [x CAUSE [CAN [y SEE z]]]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das z-Argument in (6) ist das am meisten in die semantische Form eingebundene Element und erhalt deshalb das Merkmal der niedrigsten Rolle. Das x-Argument ist das am wenigsten in die semantische Form eingebundene Element und erhalt dementsprechend das Merkmal der hochsten Rolle. Da das y-Argument weder die hochste, noch die niedrigste Rolle belegt, erhalt es kein Merkmal. Miriam Butt (vgl. 2006:103) schaut sich die Moglichkeit an, das y- Argument mit Hilfe von Merkmalen wie [-HR] oder [-LR] zu bezeichnen, da Kiparsky allerdings nach einem feature unification System arbeitet und somit genau solche Denotationen vermeiden will, wird diese Moglichkeit auBer Acht gelassen.

Die Kasus werden gleichzeitig spezifiziert. Kiparsky unterscheidet zwischen dem abstrakten Kasus, welcher mit grammatischen Relationen korrespondiert, und dem morphosyntaktischen Kasus (vgl. Butt 2006:103).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Intransitive Subject: [+HR, +LR]

Higher (Indirect) Object: [-HR, -LR]

Lower (Direct) Object: [-HR, +LR]

(Butt 2006:30)

Kiparsky klassifiziert sowohl thematische Rollen als auch grammatische Relationen nach dem gleichen Prinzip, was das Linking der Relationen und der Rollen untereinander erleichtert. Das Linking erfolgt nach mehreren, von Kiparsky aufgestellten Prinzipien. Die Ubersicht in

(8) zeigt die drei Grundprinzipien:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

b. Unification: Merkmale mussen sich nicht eindeutig voneinander unterscheiden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Argumentlinking. Die Lexikalische Dekompositionsgrammatik
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
21
Katalognummer
V441967
ISBN (eBook)
9783668803152
ISBN (Buch)
9783668803169
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Argumente, Linguistik, Sprache, Prädikat, Linking, Morphologie, Syntax, Kasus, Struktur
Arbeit zitieren
Viktorija Rot (Autor:in), 2017, Argumentlinking. Die Lexikalische Dekompositionsgrammatik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441967

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