Funktionelle Überlegungen zur Optimierung der Stabilisationsfähigkeit der Wirbelsäule


Hausarbeit, 2003

35 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anatomie und Physiologie der Wirbelsäule
2.1. Aufbau der Wirbelsäule
2.2. Der Wirbel als Bauelement
2.3. Die Wirbelkörperbänder
2.4. Die Beweglichkeit der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte
2.5. Funktion der Wirbelsäule
2.6. Die Umgebung der Wirbelsäule
2.6.1. Das Becken
2.6.2. Der Brustkorb
2.6.3 Der Schultergürtel

3. Die Wirkung der Beckenposition auf die Wirbelsäule

4. Die Muskulatur
4.1. Die Muskulatur des Beckengürtels und der Beine
4.1.1. Der Lenden-Darmbein-Muskel (M. iliopsoas)
4.1.2. Der Vierköpfige Oberschenkelmuskel (M.quadrizeps femoris)
4.1.3. Die Ischiocurale Muskulatur
4.1.4. Der große Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus)
4.1.5. Der mittlere und kleine Gesäßmuskel (M. glutaeus medius und minimus)
4.2. Die Muskulatur des Rumpfes
4.2.1. Die Bauchmuskeln
4.2.1.1. Der Gerade Bauchmuskel (M. rectus abdominis)
4.2.1.2. Der Äußere Schräge Bauchmuskel (M. obliquus abdominis)
4.2.1.3. Der Innere Schräge Bauchmuskel (M: obliquus internus abdominis)
4.2.1.4. Der Quere Bauchmuskel (M: transversus abdominis)
4.2.2. Die Rückenmuskeln
4.2.2.1. Die Langen Rückenmuskeln
4.2.2.2. Die Mittellangen Rückenmuskeln
4.2.2.3. Die Kurzen Rückenmuskeln
4.2.2.4. Das Zusammenspiel der Rückenmuskulatur und die Konsequenz für das Training zur Stabilisierung der Wirbelsäule

5. Koordination als Teildisziplin zur Stabilisierung der Wirbelsäule
5.1. Definition Koordination
5.1.1. Nach Müller, W. / Schwesig, R., 1999
5.1.2. Nach Jasper, B., 2002
5.2. Koordinatives Training
5.3. Koordinative Fähigkeiten nach Jasper 1998
5.3.1. Orientierungsfähigkeit
5.3.2. Differenzierungsfähigkeit
5.3.3. Gleichgewichtsfähigkeit
5.3.4. Reaktionsfähigkeit
5.3.5. Rhythmisierungsfähigkeit
5.3.6. Kopplungsfähigkeit
5.4. Netzwerk koordinativer Fähigkeiten modifiziert nach Hirtz (Die Säule 4/99)
5.5. Trainingsmethodik
5.6. Ziel des Trainings

6. Propriozeption
6.1. Definition
6.2. Propriozeptives Training

7. Praxisbeispiele
7.1. Therapiekreisel
7.1.1. Gewöhnung an das Trainingsgerät
7.1.2. Partnerstabilisationsübungen
7.1.3. Fangübungen
7.1.4. Jonglierübungen
7.1.5. Theraband-Übungen
7.1.6. Partnerübungen mit Theraband
7.2. Bodyblade
7.2.1. Übung 1
7.2.2. Übung 2
7.2.3. Übung 3

8. Fazit

9. Literaturliste

1. Einleitung

Eine bewusste Wahrnehmung der Körperbewegungen, der Körperhaltung und der Körperbelastung kann eine Grundlage zur Verbesserung der Wirbelsäuleposition und ihrer Stabilisation darstellen.

Diese These stellen wir bewusst an den Anfang unserer Ausarbeitung, da sie bereits unsere Präsentation sowie die anschließende Ausarbeitung geprägt hat. Die Auswahl der Literatur sowie der präsentierten Praxisbeispiele beziehen sich aus diesem Grund auch vornehmlich auf „die bewusste und unbewusste Verarbeitung afferenter Informationen über Gelenkstellung, -bewegung und –kraft durch das Zentralnervensystem“ (Rücken–Fit, 2002), auch Propriozeption genannt.

Doch die Wahrnehmung des Körpers setzt u. E. auch Kenntnisse über die Anatomie und Physiologie der Wirbelsäule sowie der sich ihr angrenzenden Umgebung voraus. So haben wir uns nicht nur mit der Anatomie der Wirbelsäule, sondern auch mit dem Brustkorb, dem Schultergürtel und natürlich dem Becken beschäftigt. Gerade das Becken beeinflusst die Stellung der Wirbelsäule. Die Veränderung der Beckenposition sowie das Wirken auf die Extremitäten haben wir im Kapitel 3 zu verdeutlichen versucht.

Denkt man über funktionelle Überlegungen zur Verbesserung der Wirbelsäulenstabilität nach, so verbindet man damit in den meisten Fällen auch ein Training der an die Wirbelsäule ansetzenden Muskeln. Die Muskeln, die die Stellung und Stabilität der Wirbelsäule am meisten beeinflussen, haben wir im Kapitel 4 zusammengefasst und dabei auch das Zusammen- und Gegenspiel von Muskeln betrachtet.

Im Kapitel 5 gehen wir auf die Koordination und das koordinative Training ein, bevor wir uns mit den koordinativen Fähigkeiten: Orientierung (Kapitel 5.3.1.), Differenzierung (Kapitel 5.3.2.), Gleichgewicht (Kapitel 5.3.3.), Reaktion (Kapitel 5.3.4.), Rhythmus (Kapitel 5.3.5.) und Kopplung (Kapitel 5.3.6.) beschäftigen.

Nach dem propriozeptiven Training im Kapitel 6.2. befassen wir uns im Kapitel 7 mit einigen Praxisbeispielen. Hier gehen wir ausschließlich auf die bewusste und unbewusste Wahrnehmung des Körpers im Raum ein. Aus diesem Grund haben wir auch auf Übungen, die die so genannten „großen“ Muskeln speziell stärken, verzichtet. Die Koordination und das Zusammenspiel der Muskeln und Gelenke stellen wir in unseren Praxisbeispielen in den Vordergrund.

Der Therapiekreisel sowie das Theraband spielen in unseren funktionellen Überlegungen zur Verbesserung der Stabilität der Wirbelsäule die entscheidende Rolle.

2. Anatomie und Physiologie der Wirbelsäule

2.1. Aufbau der Wirbelsäule

“Die Wirbelsäule ist ein langes Ding, das den Rücken runterläuft. Oben sitzt mein Kopf und unten ich.“ (Spruch eines Kindes) (KEMPF,H.D., 1997)

Ganz so einfach kann man die Anatomie und Physiologie der Wirbelsäule sicherlich nicht wiedergeben. Die Aussage des Kindes verdeutlicht aber in hohem Maße die Bedeutung der Wirbelsäule als zentrales Achsorgan des Körpers. Dabei ist die Wirbelsäule einerseits statisch belastbar, z.B. bei längerem Stehen, andererseits kann man sie aber auch in hohem Maße drehen und beugen (wie z.B. beim Turnen). Diese verschiedenen Einsatzmöglichkeiten ziehen selbstverständlich Fragen nach sich, wie die Wirbelsäule aufgebaut ist, welche Gelenke an die Wirbelsäule grenzen sowie welche Muskelgruppen die Stabilität bzw. die Beweglichkeit der Wirbelsäule beeinflussen.

“Die Wirbelsäule bildet das sogenannte Achsorgan des Rumpfes. Die freie Wirbelsäule ist vergleichbar mit einem gegliederten beweglichen Stab, der aus den Wirbeln, den Zwischenwirbeln oder Bandscheiben und den Bändern besteht.“(GEHRKE,T., 2000)

Das Rückgrat besteht aus sieben Halswirbeln (Vertebra cervicalis), zwölf Brustwirbeln (Vertebra thoracica) sowie fünf Lendenwirbeln (Vertebra lumbalis). An dem beweglichen Teil der Wirbelsäule schließen sich nach unten das Kreuzbein und das Steißbein an. Das Kreuzbein und das Steißbein sind eine Verschmelzung von ursprünglich neun bis zehn Wirbeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(KEMPF,H.D.: Die Rückenschule.Reinbek.1997)

Die Wirbelsäule wird demnach in vier Abschnitte unterteilt. Die Halswirbelsäule (HWS), die Brustwirbelsäule (BWS), die Lendenwirbelsäule (LWS) und das Kreuzbein, das sich an die LWS anschließt und mit dem Ilio-Sacral-Gelenk die Verbindungsstelle zum Becken darstellt und als großflächige Knochenplatte verschiedenen Muskeln Ansatzfläche bietet.

“Zwischen den Wirbeln liegt eine Faserknorpelscheibe (Anulus fibrosus) mit einem weichen Kern in der Mitte (Nucleus pulposus). Scheibe und Kern bilden zusammen eine Art Stoßdämpfer und werden Zwischenwirbel- oder Bandscheibe genannt.“ (WIRHED, R., 1984)

Neben den Zwischenwirbelscheiben sind auch noch Bandstrukturen, das vordere Längsband (Lig. Longitudinale anterius) und das hintere Längsband (Lig. Longitudinale posterius), als passive Halteelemente und Muskeln als aktive Halteelemente mit der Wirbelsäule verbunden.

Durch die unterschiedliche Stellung der Wirbelgelenke in den einzelnen Abschnitten erhält die Wirbelsäule eine (Doppel-) S-förmige Schwingung und kann so Belastungen, Stöße und Verwringungen abfedern und ausgleichen. Die Krümmungen in den jeweiligen Wirbelsäuleabschnitten heißen nach der jeweiligen Krümmungsrichtung entweder Lordose (Krümmung nach vorne im Bereich der Halswirbelsäule (1. - 6. Halswirbel) und der Lendenwirbelsäule (10. Brustwirbel - 5. Lendenwirbel)) oder Kyphose (Krümmung nach hinten in der Brustwirbelsäule (7. Halswirbel – 9. Brustwirbel) und im Bereich des Kreuzbeines (Sakralkyhose)).

2.2. Der Wirbel als Bauelement

Den größten Teil des Wirbels macht der zylinderförmige Wirbelkörper aus. Entsprechend der nach unten zunehmenden Last nehmen die Wirbelkörper auch in der Größe nach unten hin zu. Die freien Wirbel sind mit einer Ausnahme, dem Atlas, alle nach dem gleichen Prinzip aufgebaut:

1. Wirbelkörper (Corpus vertebrae)
2. Wirbelbogen (Arcus vertebrae)
3. Wirbelloch (Foramen vertebrale)
4. Querfortsatz (Processus transversus)
5. Dornfortsatz (Processus spinosus)
6. Gelenkfortsatz (Processus articularis)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(GEHRKE,T.: Sport-Anatomie. Reinbek.2000)

Vom Wirbelkörper (1) gehen zwei nach hinten gerichtete Wirbelbogen ab (2). Beide umschließen gemeinsam das Wirbelloch (3). Die Gesamtheit aller zylinderförmig übereinander gereihten Wirbellöcher bildet den Wirbelkanal. Dieser knöcherne Kanal bietet Schutz für das darin verlaufene Rückenmark. An jedem Wirbelbogen gehen sieben Knochenfortsätze ab. Zwei seitlich liegende paarige Querfortsätze (4) und ein nach hinten gerichteter, fühlbarer Dornfortsatz (5) dienen als Ansatzpunkt und als Hebel für die tiefe Rückenmuskulatur. Jeweils zwei obere und zwei untere Gelenkfortsätze (6) bilden eine gelenkige Verbindung (Wirbelgelenk) zu den Gelenkfortsätzen des darüber und darunter liegenden Wirbels. Die Neigung der Gelenkflächen an den Gelenkfortsätzen bestimmt, wie beweglich der jeweilige Wirbelsäulenabschnitt ist.

2.3. Die Wirbelkörperbänder

Wie bereits bei dem Aufbau der Wirbelsäule erwähnt, werden die Wirbelkörper an der Vorder- und Rückseite durch Bänder miteinander verbunden. Man unterscheidet das vordere und das hintere Längsband. “Das vordere Längsband (siehe Abbildung 2.2.) (A) (Lig. longitudinale anterius) beginnt am obersten Wirbel, dem Atlas, und verläuft an der Vorderseite der Wirbel und Bandscheiben bis zum ersten Kreuzbeinwirbel. Es besteht aus zwei Schichten, von denen die oberflächliche Schicht mehrere Wirbelkörper überbrückt und die tiefe Schicht immer zwei Nachbarwirbel miteinander verbindet.“ (GEHRKE,T., 2000) “Ein Überstrecken der Wirbelsäule nach hinten wird durch das Aneinanderstoßen der Dornfortsätze und durch die Spannung des vorderen Längsbandes verhindert.“ (WIRHED, R., 1984). “Mit den Bandscheiben geht das Band keine Verbindung ein. Das hintere Längsband (B) (Lig. longitudinale posterius) ist wesentlich schmäler und schwächer als das vordere Längsband und verläuft vom Hinterhauptsbein an der Rückfläche der Wirbel hinunter bis zum Kreuzbein. Im Gegensatz zum vorderen Längsband ist es an den Rändern der Wirbelkörper und an den Bandscheiben befestigt. Dennoch bleibt ein großer Teil der Bandscheiben seitlich ohne Bandverstärkung.“ (GEHRKE,T., 2000) “Einer Beugung nach vorne arbeitet teils die Rückenmuskulatur, teils das hintere Längsband entgegen.“ (WIRHED, R., 1984)

2.4. Die Beweglichkeit der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte

Die Stellung der einzelnen Gelenkflächen der Wirbelgelenke ist für die verschiedenen Bewegungen des Körpers innerhalb der Wirbelsäulenabschnitte (HWS, BWS, LWS) verantwortlich. “Die Halswirbelsäule ermöglicht uns eine große Bewegungsfreiheit des Kopfes, die Brustwirbelsäule ist für die Rotationsbewegungen des Oberkörpers zuständig (“Die BWS ist als mittlerer Abschnitt durch die frontale Orientierung der Wirbelgelenke relativ unbeweglich und durch die Halterung des knöchernen Brustkorbes stärker fixiert.“(KEMPF,H.D.,1997) und die Lendenwirbelsäule macht die Beugebewegung des Rumpfes vor- und rückwärts möglich (Drehbewegungen sind hier weniger möglich(KEMPF,H.D.,1997).“ (FERIÈ, C. und LANGER, Dr. H. H., 2002)

2.5. Funktion der Wirbelsäule

Wie schon festgestellt, hat die Wirbelsäule als zentrales Achsorgan des Körpers verschiedene wichtige Funktionen zu erfüllen. “Einerseits stabilisiert sie die aufrechte Haltung (statische Funktion), andererseits hat sie alle notwendigen Bewegungen wie Beugung und Streckung, Seitneigung und Rotation zuzulassen (dynamische Funktion).“ (KEMPF,H.D.,1997) Sowohl die statische als auch die dynamische Funktion wird neben den passiven Elementen der Wirbelsäule (Bandscheiben und Bandstrukturen) vor allem durch die aktiven Elemente, die Muskeln, ermöglicht.“ Durch den S-förmigen Verlauf der Wirbelsäule und die Bandscheiben werden senkrechte Stoßbewegungen abgepuffert, was vorrangig unseren Kopf vor Erschütterung schützt, aber auch unsere Gelenke schont. Die Wirbelsäule wirkt praktisch wie ein mechanischer Stoßdämpfer. Neben ihrer stoßdämpfernden und tragenden Funktion für Kopf und Rumpf schützt die Wirbelsäule auch das im Wirbelkanal verlaufende Rückenmark.“ (FERIÈ, C. und LANGER, Dr. H. H., 2002)

2.6. Die Umgebung der Wirbelsäule

2.6.1. Das Becken

“Das Becken hat als Basis der Wirbelsäule und als Verbindungsglied zwischen Rumpf und Beinen eine besondere Bedeutung. Es verankert die Wirbelsäule, ist Ansatzpunkt vieler Muskeln und Bänder, stabilisiert den Rumpf bei Bewegungen der Beine und überträgt die Last des Rumpfes beim Gehen über die Hüftgelenke auf die Beine. Da sich die Bewegungen des Beckens gleichzeitig auf die Hüftgelenke übertragen, spricht man auch von der Lenden-Becken-Hüft (LBH)- Region als funktionierende Einheit.“ (KEMPF,H.D.,1997) Diese Einheit werden wir im Kapitel 3 an Hand eines Beispiels noch einmal verdeutlichen. “Die Beckenstellung beeinflusst dabei wesentlich die Form der Wirbelsäule. Die richtige Balance des Beckens sowie der das Becken stabilisierenden Muskulatur stellt dabei die Grundlage für eine aufrechte Körperhaltung dar.“ (KEMPF,H.D.,1997)

Der Beckenring wird aus den symmetrisch gestalteten Hüftbeinen (Os coxae) und dem Kreuzbein gebildet. Das Hüftbein setzt sich aus drei Knochen, dem Darmbein (Os ilium), dem Sitzbein (Os ischii) und dem Schambein (Os pubis) zusammen. Das Ileosakralgelenk geht dabei eine elastische Verbindung mit den Hüftbeinen ein. Vorne wird der Beckenring durch die Schamfuge , die sogenannte Symphyse, geschlossen.

2.6.2. Der Brustkorb

“Der Brustkorb stabilisiert den Oberkörper im Bereich der BWS, schützt den Brust- und Bauchraum und unterstützt die Atmung. Er besteht aus 12 Rippen, die an die Querfortsätze der Brustwirbel ansetzen. Vorne sind die obersten Rippen über knorpelige Anteile am Brustbein befestigt, welches wiederum über das Schlüsselbein mit dem Schultergürtel in Verbindung steht.“ (KEMPF,H.D.,1997)

2.6.3. Der Schultergürtel

“Der Schultergürtel ist die Verbindung zwischen Arm und Rumpf. Er wird gebildet aus den beiden Schlüsselbeinen und den Schulterblättern. Das Schlüsselbein ist gelenkig mit dem Schulterblatt und dem Brustbein verbunden, der Oberarm über das Schultergelenk mit dem Schulterblatt. Der ganze Schultergürtel ist von zahlreichen Muskeln eingehüllt und damit beweglich aufgehängt. Er sitzt leicht auf dem Brustkorb auf. Wird der Schultergürtel angehoben, verliert er seine Auflage und hängt mit dem ganzen Gewicht an der HWS und dem Kopf, was für die Nackenregion eine unnötige Belastung darstellt.“ (KEMPF,H.D.,1997)

3. Die Wirkung der Beckenposition auf die Wirbelsäule

“Der Schweizer Arzt Alois BRÜGGER hat die Bewegungszusammenhänge der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit einem Zahnradmodell verglichen. Das schematische Bild des Zahnrades verdeutlicht die Bewegungszusammenhänge innerhalb der Wirbelsäule und macht die Zusammenhänge von Beckenposition und Kopfhaltung nachvollziehbar. So hat eine Beckenkippung eine Lordosierung der Lendenwirbelsäule und in weiterer Konsequenz eine Aufrichtung des Brustkorbes, die sich in eine Streckung der Halswirbelsäule fortsetzt, zur Folge.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

FERIÈ, C. u. LANGER, Dr. H. H.: Rücken - Fit. Melle. 2002

Die Beckenposition wirkt aber nicht nur auf die Wirbelsäulenschwingung, sondern auch auf die Bein- und Armhaltung. Die Aufrichtung des Beckens setzt Impulse zur Beinadduktion, so dass sich die Knie annähern und die Beinachsen nicht achsengerecht ausgerichtet sind. Das Beugemuster setzt sich meist bis zu den Füßen fort, die innenrotiert positioniert und über die Fußfläche ungleichmäßig gewichtsbelastet sind. Die durch die Beckenaufrichtung verursachte Kyphosierung der Wirbelsäule wirkt auch auf den Schultergürtel, der sich nach vorn verlagert und die Arme, die –wie die Beine – einen Impuls zur Innenrotation bekommen und meist auch hier das Beugemuster bis in die Finger wirkt.“ (FERIÈ, C. und LANGER, Dr. H. H., 2002)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

FERIÈ, C. u. LANGER, Dr. H. H.: Rücken - Fit. Melle. 2002

Nach diesen Erkenntnissen wird deutlich, wie wichtig es ist, die Wirbelsäule nicht als unabhängiges Element im Körper (auch hinsichtlich der Optimierung ihrer Stabilisierung) zu betrachten, sondern den Fokus der Untersuchung auf die Ganzheitlichkeit, das Zusammenspiel von Muskeln und Gelenken an der Wirbelsäule sowie in der Umgebung der Wirbelsäule zu richten.

4. Die Muskulatur

Die Wirkung der Beckenposition auf die Arm- und Beinhaltung haben wir im vorherigen Kapitel verdeutlicht. Aus diesem Grund gehen wir bei der nun folgenden Betrachtung der Muskeln auch nicht nur auf die Muskeln ein, die direkt an der Wirbelsäule ansetzen, sondern auch auf die Muskeln, die die Stellung des Beckens beeinflussen bzw. aktiv auf die Stellung wirken. Ihre Funktionen werden allgemein, aber auch speziell in bezug auf das Wirken auf das Hüftgelenk bzw. das Becken kurz beschrieben.

“Der passive Bewegungsapparat, mit der Wirbelsäule als Achsorgan, ist ein Gerüst aus Knochen, Knorpel und Bindegewebe. Er besitzt eine innere, mechanische und passive Stabilität. Alleine ist er aber nicht in der Lage, seine Stellung zu halten oder zu verändern. Erst die Muskulatur der Wirbelsäule und der angrenzenden Gebiete ermöglicht eine aufrechte Haltung und die zum Leben notwendige Beweglichkeit. Die Wirbelsäule kann man bildlich mit einem Schiffmast vergleichen, der über ein Verspannungssystem (Muskulatur) senkrecht im Boden (Becken) verankert ist. Ist das Verspannungssystem im Gleichgewicht, so ist der Mast im Lot.“ (KEMPF,H.D.,1997)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(KEMPF,H.D.: Die Rückenschule.Reinbek.1997)

4.1. Die Muskulatur des Beckengürtels und der Beine

4.1.1. Der Lenden-Darmbein-Muskel (M. iliopsoas)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(GEHRKE,T.: Sport-Anatomie. Reinbek.2000)

“Der M. iliopsoas ist einer der wichtigsten Muskeln für die Funktion und Statik des Hüftgelenkes und der Wirbelsäule. Er ist der stärkste Beuger im Hüftgelenk und ist dadurch gerade beim Sport von größter Bedeutung. Er ist der beim Laufen, Gehen, Treppensteigen, Klettern oder Springen am meisten beanspruchte Muskel. Der Lenden-Darmbein-Muskel besteht im Grunde aus zwei eigenständigen Muskeln, dem großen Lendenmuskel (M. psoas maior) und dem Darmbeinmuskel (M. iliacus), die sich erst in der Höhe der Beckenschaufel miteinander vereinigen und gemeinsam zum Oberschenkel ziehen.“(GEHRKE,T., 2000) Neben seiner Funktion als Beuger ist der M. iliopsoas für die Aufrichtung des Oberkörpers aus der liegenden oder halb liegenden Position ins Sitzen zuständig. “Der M. psoas maior kann darüber hinaus die LWS in eine verstärkte Hohlkreuzhaltung (zusammen mit einer zu schwachen Bauchmuskulatur) ziehen und das Becken nach vorne kippen. Der Lenden-Darmbein-Muskel ist ein tonischer Muskel und neigt daher zu Verkürzungen. “ (GEHRKE,T., 2000)

4.1.2. Der vierköpfige Oberschenkelmuskel (M. quadrizeps femoris)

“Der vierköpfige Oberschenkelmuskel streckt das Bein im Kniegelenk, unterstützt die Hüftbeugung und ist für die richtige Steuerung bzw. Fixation der Kniescheibe verantwortlich.“ (KEMPF,H.D.,1997) “Er ist der größte und kräftigste Muskel des Menschen. Er besteht aus vier Anteilen. Alle vier Muskelanteile laufen oberhalb des Knies zusammen und setzen über die Kniescheibe mit einer kräftigen Sehne am Schienbein an. Die Hauptfunktion ist demnach in der Streckung des Kniegelenkes aus der Beugestellung heraus. Diese Bewegung ist nahezu an allen Bewegungen des Menschen beteiligt.“ (GEHRKE,T., 2000) Neben der Streckung im Kniegelenk kann der gerade Anteil des Muskels, der M. rectus femoris, auch im Hüftgelenk beugen. “Außer den dynamischen erfüllt der Quadrizeps auch statische Aufgaben. Er verhindert beim Stehen das Einknicken der Beine. Ein sicheres und aufrechtes Stehen ist daher ohne ihn gar nicht denkbar. Dieses stellt wiederum die Grundlage für die Stabilität der Wirbelsäule dar.“ (GEHRKE,T., 2000)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(GEHRKE,T.: Sport-Anatomie. Reinbek.2000)

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Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Funktionelle Überlegungen zur Optimierung der Stabilisationsfähigkeit der Wirbelsäule
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltung
Neuere Erkenntnisse zum Kraft-, Schnelligkeits- und Beweglichkeitstraining
Note
1.0
Autoren
Jahr
2003
Seiten
35
Katalognummer
V44173
ISBN (eBook)
9783638418249
Dateigröße
2906 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine bewusste Wahrnehmung der Körperbewegungen, der Körperhaltung und der Körperbelastung kann eine Grundlage zur Verbesserung der Wirbelsäuleposition und ihrer Stabilisation darstellen. Diese These stellen wir bewusst an den Anfang unserer Ausarbeitung, da sie bereits unsere Präsentation sowie die anschließende Ausarbeitung geprägt hat. Die Auswahl der Literatur sowie der präsentierten Praxisbeispiele beziehen sich aus diesem Grund auch vornehmlich auf 'die bewusste und unbewusste Verarbeitung
Schlagworte
Funktionelle, Optimierung, Stabilisationsfähigkeit, Wirbelsäule, Neuere, Erkenntnisse, Kraft-, Schnelligkeits-, Beweglichkeitstraining
Arbeit zitieren
Johannes Beckering (Autor:in)Jens Beintken (Autor:in), 2003, Funktionelle Überlegungen zur Optimierung der Stabilisationsfähigkeit der Wirbelsäule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44173

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