Schwarze Pädagogik. Hintergründe, Ideologie und Methoden des gesellschaftstauglichen Kindesmissbrauchs


Hausarbeit, 2018

16 Seiten, Note: 1

Sven Frueh (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1 Begriffserklärung und Definition

2 Geschichtlicher Hintergrund
2.1 Die Erziehungseuphorie
2.2 Bürgertum
2.3 Familiensituation im 18. bis 19. Jahrhundert

3 Die Ideologie der schwarzen Pädagogik
3.1 Unterordnung und Gehorsam
3.2 Die bürgerlichen Ideale
3.3 Affenliebe

4 Methoden
4.1 Körperliche und seelische Strafen
4.2 Drohungen und Lügen
4.3 Das "Nicht-Merken"

5 Schlusswort

6 Literaturverzeichnis

Einleitung

"Eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet." Noch 29 Jahre nach dem Gewaltverbot in der Erziehung findet diese Aussage bei einigen wenigen österreichischen Bürgern weiterhin Zuspruch. Dennoch scheint offensichtlich, dass sich die Gesellschaft und die Pädagogik am Ende eines langen Weges befinden, der weg von der körperlichen und seelischen Gewalt an Kindern und hin zu einer wertschätzenden und respektvollen Erziehungskultur führt.

Diese Seminararbeit wirft einen Blick auf die Bedeutung der schwarzen Pädagogik; sie ist eine dunkle Epoche der Erziehungsgeschichte, die ohne Katharina Rutschky fast in Vergessenheit geraten wäre. Nach der Klärung der Definition wird ein historischer Blick auf die gesellschaftlichen Strukturen und die Entwicklung der Pädagogik im Zentraleuropa des 18.- 19. Jahrhunderts geworfen um herauszufinden welche Rahmenbedingungen für die Entstehung der schwarzen Pädagogik nötig waren. In Kapitel 2 und 3 werden die Hintergründe der Ideologien und Wertvorstellungen einer Gesellschaft analysiert, die den systematischen Kindesmissbrauch akzeptiert und sogar einfordert. Es folgt ein Überblick über die Wertestruktur der Menschen um zu klären welche Bildungsziele aus der Wertestruktur abgeleitet wurden. Danach folgt eine Erörterung der Methoden, und somit die Antwort auf die Frage, wie Kinder an eben diese Werte herangeführt werden sollten. Die Methoden werden im Kapitel 4 praxisnah erläutert. Dazu wurden primär Texte aus Katharina Rutschky's Werk „Schwarze Pädagogik, Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung“ und dem Buch "Am Anfang war Erziehung" von Alice Miller herangezogen. Die beiden Autorinnen sind die Hauptbegründer der schwarzen Pädagogik.

Die Arbeit beschäftigt sich größtenteils mit Texten des 17. bis 19. Jahrhundert, nicht aber mit tagesaktuellen Themen oder der Pädagogik während der beiden Weltkriege. Des Weiteren werden die Auswirkungen der beschriebenen Methoden nicht thematisiert, da dies der Rahmen dieser Seminararbeit nicht zulässt.

1 Begriffserklärung und Definition

Der Begriff „schwarze Pädagogik“ wurde von der deutschen Publizistin Katharina Rutschky mit ihrem Buch „Schwarze Pädagogik, Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung“ eingeführt und später von der schweizerischen Autorin und Psychologin Alice Miller weiterentwickelt (vgl. Rutschky, 1977, S.1). Katharina Rutschky trug, mit der Absicht die Schattenseiten der Pädagogik aufzuzeigen, in dem 1977 veröffentlichten Werk die erschreckenden Methoden und Theorien der Pädagogik vom 18. bis 19. Jahrhundert zusammen. Sie wählte dabei viele Texte der Aufklärung und von den Philanthropen (ebd.). Den eigens eingeführten Begriff beschreibt sie in ihrem Buch so: „Die schwarze Pädagogik ist der tendenziöse Versuch, die Folgen und Begleiterscheinungen der Aufmerksamkeit zu dokumentieren, der Heranwachsende seit dem 18. Jahrhundert ausgesetzt sind.“ (Rutschky, 1977, S1). Mit „Aufmerksamkeit“ sind die pädagogischen Bemühungen des 18. Jahrhunderts gemeint, welches Rutschky als „Zeitalter der Erziehungseuphorie" bezeichnet (ebd.).

Für Alice Miller ist die Konditionierung der Kinder zum Nicht-Merken ein zentrales Merkmal der schwarzen Pädagogik (vgl. Miller, 1983, S.7-10). Dabei werden die Kinder darauf abgerichtet, die negativen erzieherischen Handlungen und Methoden zu verdrängen. Eine explizite Definition des Begriffs gibt sie allerdings nicht. Alice Miller bearbeitete in zahlreichen Büchern und Schriften den Begriff der Schwarzen Pädagogik mit psychologischen Hintergründen. Sie interpretiert den Begriff als eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen des Kindes zu brechen und es mit Hilfe der offenen oder verborgenen Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Untertan zu machen (ebd.).

2 Geschichtlicher Hintergrund

Die Erziehung von Kindern ist seit den frühesten Aufzeichnungen der Menschheit von Kindesbildern und Erziehungsmethoden geprägt, die aus heutiger Sicht als Missbrauch einzuordnen sind (vgl. Kuhlmann, 2013, S. 13). Schon in der Bibel im Buch Sirach ist zu lesen: "Wer seinen Sohn liebhat, der hält für ihn die Rute bereit, damit er später Freude an ihm erlebe." (Bibel, Sirach 30) Die berühmtesten Aufzeichnungen zur christlichen Sicht auf die Erziehung stammen vom Kirchenvater Augustinus von Hippo (vgl. Kuhlmann, 2013, S. 13-15). Er führte im vierten Jahrhundert Praktiken und Werte des christlichen Unterrichts und der christlichen Erziehung ein, die auf Trieb- und Lustunterdrückung und völliger Unterwerfung des Kindes basierten. Über viele Jahrhunderte dienten diese Schriften als Leitfaden der Kindeserziehung im mehrheitlich christlichen Europa. Nicht nur die Erziehungspraktiken, sondern auch das Kindheitsbild der Vergangenheit ist für heutige Verhältnisse befremdlich. Die Kindheit als Entwicklungsphase mit natürlichen Merkmalen und Eigenschaften wurde noch nicht erkannt. Kinder wurden als kleine Erwachsene angesehen; sie waren eher Teil eines Standes als Teil einer Familie. Erst im 16. Jahrhundert mit den sozialen und geistlichen Umbrüchen der Reformation, kam es nach und nach zu einer Änderung der Bildungsziele und dem Status des Kindes. Es rückte sehr zu seinem Leidwesen in den Mittelpunkt der Familie. Der Höhepunkt dieser Entwicklung zeichnete sich im Zeitalter der Erziehungseuphorie, dem 18. Jahrhundert, ab (ebd.).

2.1 Die Erziehungseuphorie

Wie bereits beschrieben gibt es seit der Entstehung der Menschheit pädagogische Bemühungen und Theorien. Aber erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Pädagogik zu einer gesellschaftlichen Aufgabe mit hoher Priorität, die aus einer Umschichtung der gesellschaftlichen Bedürfnisse entstand. Zuvor drehten sich erzieherische und pädagogische Bemühungen nicht um die Förderung von Potential oder der Erziehung zur Mündigkeit. Die Kinder wurden einer Standeserziehung unterzogen, die sich mit der Vermittlung der Sitten und Bräuche und den nötigen Kompetenzen zur Erfüllung der standestypischen Aufgaben beschäftigte. Im gesellschaftlichen Wandel, der mit der Aufklärung einherging, änderten sich die erzieherischen Bemühungen und legten den Grundstein der folgenden Industrialisierung (vgl. Sesink, 2007, S. 4). Erklärtes Ziel war eine Arbeitshaltung, die durch Werte wie Fleiß, Genauigkeit, Pflichtbewusstsein und Ordnungsliebe definiert wurde. Um das Arbeitshandeln zu maximieren, waren Bedürfnisse und Triebe störende Faktoren, die im besten Falle auszutreiben waren (vgl. Ulrich H. 1993, S. 573). Um diese Störfaktoren schnell und effektiv zu beseitigen, stellte sich die Kindeserziehung als bedeutsamste Methode dar. Erziehung wurde als notwendige und harte Arbeit angesehen, die selbst bei konsequenter Umsetzung nicht immer zum Erfolg führte. Um die größtmögliche Chance auf den Erziehungserfolg nach den genannten Kriterien zu erreichen, musste man den Wiederstand und den Willen des Kindes so effektiv wie möglich brechen. Die entstandenen Schriften und Ratgeber, die Rutschky in ihrem Buch sammelte, boten dafür subtile Methoden an, die es den Kindern möglichst schwer machen sollte, den Missbrauch zu erkennen (ebd.).

2.2 Bürgertum

Die von Katharina Rutschky zusammengetragenen pädagogischen Ratgeber und Texte genossen zu dieser Zeit große Beliebtheit im Bürgertum. Das Bürgertum war die zur führenden Gesellschaftsschicht heranwachsende Variante der Mittelschicht. Da die ärmeren Schichten und die ländliche Bevölkerung größtenteils des Lesens nicht mächtig waren, und für den Adel eine Erziehung zur bestmöglichen Arbeitshaltung uninteressant war, konnte sich das Bürgertum nach oben und unten abgrenzen. Erziehung und Bildung wurde das Mittel um die angestrebte Vorherrschaft des Bürgertums zu legitimieren (vgl. Kuhlmann, 2013, S. 8). Um moralisch dem Adel ebenbürtig zu werden, musste der Bürger mit großen Mühen und Entbehrungen arbeiten. Die aus heutiger Sicht negativen und für Kinder ungeeigneten erzieherischen Methoden und Ziele sind Sinnbild für das Streben nach Abgrenzung, das durch zwanghafte Arbeitsmaximierung ausgedrückt wurde (vgl. Rutschky K. 1977, S. 35).

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Schwarze Pädagogik. Hintergründe, Ideologie und Methoden des gesellschaftstauglichen Kindesmissbrauchs
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz
Note
1
Autor
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V441199
ISBN (eBook)
9783668802285
ISBN (Buch)
9783668802292
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schwarze Pädagogik, pädagogik, pädagogik früher, die schwarze pädagogik, schule früher, züchtigung, körperliche züchtigung, affenliebe, nicht merken, katharina rutschky, alice miller
Arbeit zitieren
Sven Frueh (Autor:in), 2018, Schwarze Pädagogik. Hintergründe, Ideologie und Methoden des gesellschaftstauglichen Kindesmissbrauchs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441199

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