Werbung und Kunst


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Kunst als Werbung
1.1. Politische Kunst – Autonome Kunst
1.2. Kunst und Werbung aus systemtheoretischer Perspektive

2. Werbung als Kunst
2.1. Ästhetisierung des Alltags – Werbung als autonome Kunst
2.2. Werbung als politische Kunst

3. Kulturkritik

Fazit

Literatur

Einleitung

So verschieden die Avantgarden des 20. Jahrhunderts auch gewesen sind, so haben sie doch eines gemein: Immer zielten sie ab auf eine Entgrenzung der Kunst über den Rahmen ihres Systems hinaus. Es ging ihnen entweder um die Ästhetisierung der alltäglichen Lebenswelt – wie etwa im Futurismus – oder umgekehrt um das Alltäglichmachen der Kunst und ihrer Objekte – wie etwa beim Pissoir Marcel Duchamps. Dabei haben sie eine Fülle von Strategien und Techniken entwickelt, um das Publikum zu erregen, zu bewegen, zu verstören, zu irritieren und schockieren oder zu mobilisieren. Auf all diese Techniken konnte und kann avancierte Werbung zurückgreifen, um ihrerseits auf ihre Zielgruppen einzuwirken. Mehr noch: Im Zuge der modernen Entwicklung haben sich die Grenzen zwischen Kunst und Werbung selbst immer mehr verwischt, selbst und zum Teil gerade da, wo Kulturkritik die Kunst scharf vom Kommerz hat trennen wollen. Es würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen, die einzelnen Avantgarden differenziert zu betrachten und die Geschichte ihres Einflusses auf die Werbung zu schreiben. Daher soll hier diesbezüglich nur eine grobe Skizze gezeichnet werden. In einem ersten Schritt soll systematisch und historisch beschrieben werden, wie Kunst als Werbung sich begreifen lässt, in einem zweiten, auf welche Weise umgekehrt Werbung als Kunst sich begreift. Zum Schluss soll kurz beleuchtet werden, inwiefern dies klassische kulturkritische Positionen erschwert wenn nicht gar obsolet macht.

1. Kunst als Werbung

1.1. politische Kunst – autonome Kunst

Es lassen sich in den klassischen Avantgarden und der modernen Kunst – ohne allzusehr verkürzen zu wollen – zwei große, einander entgegengesetzte und doch auf vielfach verschlungene Weise miteinander verbundene Felder abstecken. Man könnte unterscheiden zwischen jener Kunst, die politisch zu sein und als solche auf ihr Publikum einzuwirken sucht, und jener Kunst, die sich als autonom begreift und, selbstreferentiell immer weiter sich ausdifferenzierend, hauptsächlich auf sich selbst verweist. Einen Vorschlag des Kunsthistorikers Walter Grasskamps aufgreifend, möchte ich hier als Beispiele auf der einen Seite Bertolt Brechts Theorie eines epischen Theaters und der verfremdenden Unterbrechung anführen, auf der anderen Seite Franz Marc und seine „blauen Pferde“. Bei der Kunst, die eine politische Intention hat, was sie bis zur Propaganda führen kann, ist offenbar, dass sie immer auf ein Anderes verweist. Beim Beispiel Brecht wäre dieses Andere in letzter Instanz ein marxistisch geprägtes Weltmodell, dem Veränderbarkeit als dialektisches Moment eingeschrieben ist. Die Momente der Verfremdung im epischen Theater verweisen nicht auf sich selbst, sondern auf eben dieses Modell, machen somit auf eine spezifische Weise dafür „Werbung“. Im übrigen hat Brecht selbst nie klar unterschieden zwischen Werbung und Kunst und bereits in den zwanziger Jahren ein Werbegedicht für Steyrwägen verfasst, in Anlehnung an sein Vorbild Frank Wedekind, der seinerseits Werbeverse für Maggi hergestellt hatte. Das im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ gehaltene Brecht-Gedicht sei als exemplarisch hier zitiert:

SINGENDE STEYRWÄGEN

Wir stammen

Aus einer Waffenfabrik

Unser kleiner Bruder ist

Der Manlicherstutzen.

Unsere Mutter aber

Eine steyrische Erzgrube.

Wir haben:

Sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte.

Wir wiegen:

Zweiundzwanzig Zentner.

Unser Radstand beträgt:

Drei Meter.

Jedes Hinterrad schwingt geteilt für sich: wir haben

Eine Schwenkachse.

Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen.

Unser Motor ist:

Ein denkendes Erz.

Mensch, fahre uns!!

Wir fahren dich so ohne Erschütterung

Dass du glaubst, du liegst

In einem Wasser.

Wir fahren dich so leicht hin

Dass du glaubst, du musst uns

Mit deinem Daumen auf den Boden drücken und

So lautlos fahren wir dich

Dass du glaubst, du fährst

Deines Wagens Schatten.[1]

Als autonom sich begreifende Kunst hingegen scheint zunächst von allen, also auch von solch kommerziellen Intentionen sich fernzuhalten. Worauf das blaue Pferd von Franz Marc verweisen soll, ist schwer oder gar nicht zu sagen. Dabei fällt aber auf, dass es ebenfalls auf einem Verfremdungseffekt beruht, ein Pferd blau zu malen. Vorstellbar wäre sogar, dass ein solchermaßen verfremdetes Pferd vielleicht auch sich einbinden ließe in den Kontext etwa eines politischen Theaters. Dies liegt daran, dass auch eine vordergründig autonome Kunst etwas präsentieren, bewerben und letzten Endes verkaufen will: sich selbst und ihre eigenen Spezifika, durch die sie sich absetzt von allen anderen Kunstwerken. Das blaue Pferd hat gerade seine tautologische Qualität darin, dass es blau ist, und nicht braun oder weiß. Darin liegt sein besonderer Wert, der es, ironisch formuliert, anderen Darstellungen von Pferden gegenüber „neu und verbessert“ erscheinen lässt. Gleichgültig wie ihre Rhetorik ausfällt - autonome Kunst muss darauf abzielen, sich selbst als Marke zu produzieren und zu präsentieren, ansonsten wird sie sich auf dem anonymen Kunstmarkt der Moderne nicht durchsetzen können. Dabei werden ihr Eigenschaften zugeschrieben, die sich auch in der Semantik der Produktwerbung wiederfinden. Moderne Kunst wird als neu, innovativ, dynamisch, gewagt, unkonventionell oder revolutionär betrachtet und übernimmt diese Attribute häufig auch in ihre Selbstbeschreibung. Gerade das Beispiel Franz Marcs und der Künstlergruppe um den „Blauen Reiter“ lehren, wie schon um die Jahrhundertwende darin eine Überlebensnotwendigkeit für moderne Kunst liegt, die zu dieser Zeit schon auf Kunstschulen und Akademien gelehrt wurde.

Wolfgang Ruppert hat 1998 die große Studie „Der moderne Künstler“ vorgelegt, in der er die Kunstausbildung um die Wende zum 20. Jahrhundert vor allem am Beispiel der Münchner Akademie untersucht. Dabei hat er als das geheime Lernziel solcher Institutionen, die vorgeblich nur künstlerische Techniken und Traditionen lehren, die Vermittlung eines spezifischen Künstlerhabitus ausgemacht, der sich grob als ein Komplex von Denk- und Verhaltensweisen zwischen kunstreligiösem Sendungsbewusstsein und pittoresker Selbstinszenierung auf dem Markt charakterisieren lässt.

[...]


[1] Brecht, Gedichte 3; GBFA 13; S. 392/393

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Werbung und Kunst
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltung
Werbung, Marketing und Public Relations in der BRD nach 1945
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V44116
ISBN (eBook)
9783638417709
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werbung, Kunst, Werbung, Marketing, Public, Relations
Arbeit zitieren
Sebastian Kirsch (Autor:in), 2004, Werbung und Kunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44116

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