Das Motiv des Blicks in Brian Forbes' Verfilmung "Die Frauen von Stepford" (1975)


Seminararbeit, 2015

18 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Der Blick als filmisches Element
2.1. Der männliche Blick und das Schauobjekt Frau: Feministische Theorien
2.2. Der weibliche Blick im Horrorfilm

3. Dimensionen des Blicks bezüglich ״Die Frauen von Stepford“
3.1. Die Blick-Motivik in ״Die Frauen von Stepford“ vor dem Hintergrund von ״Visual Pleasure and Narrative Cinema“
3.2. Kamera- und Zuschauerblick
3.3. Einflüsse des Blick-Motivs auf die Gender-Thematik des Films

4. Fazit und Schlussfolgerungen

5. Literaturverzei chni s

6. Filmverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

“I like to watch women doing little domestic cores” (Dale Coba)

"You came to the right town." (Joanna Eberhardt)[1]

In Brian Forbes' Verfilmung "The Stepford Wives" (1975), basierend auf dem gleichnamigen Roman von Ira Levin aus dem Jahr 1972, wird die Gender-Debatte des Second-Wave-Feminismus anhand verschiedener Motive und Techniken aufgegriffen, darunter das ständig wieder auftauchende Motiv des Blicks.

Immer wieder dreht es sich (nicht nur beim Zuschauer) um Hinsehen und Wegschauen, um Äußerlichkeiten und Visuelles, um Beobachtungsgabe, um monströse Blicke. Denn der forschende Blick der Protagonistin Joanna hilft ihr dabei, nach und nach (wenn auch zu spät) das Geheimnis von Stepfords Männerclub aufzudecken: Nacheinander werden die Frauen der Stadt in Hausfrauen-Roboter verwandelt. Das genannte Netzwerk aus Assoziationen zum Motiv des Blicks soll in der vorliegenden Arbeit spezifischer ausgearbeitet werden und exemplarische Szenen aus dem Film sollen als Grundlage für die Diskussionsfragen dienen, welche eine solche Auseinandersetzung mit dem Klassiker hervorrufen:

Welche Blicke dominieren den Film? Ist eher von männlichen oder von weiblichen Blicken zu sprechen? Kann diese Motivik den Film bei seiner gesellschaftskritischen Annäherung unterstützen? Was für einen Beitrag leistet der Blick also für den Diskurs des Films? Inwieweit ist möglicherweise auch der Zuschauer bestimmten Anblicken ausgeliefert? Damit eine fundierte Beantwortung dieser Fragen überhaupt erst möglich ist, sollen vorab einige theoretische Vörüberlegungen zum Thema stattfinden. Vor allem Laura Mulvey hat sich mit ihrem Aufsatz "Visual Pleasure and Narrative Cinema" auf psychoanalytischer Ebene mit dem ihrer Ansicht nach auf Männlichkeit ausgerichteten Mainstream-Kino beschäftigt und einige provokante Aussagen konstatiert. Auch Linda Williams hat mit "When the woman looks" den weiblichen Blick als Ausdruck von Begierde und Schaulust analysiert.

Joanna Barek hat bezüglich des Blicks Folgendes behauptet:

"Der Blickaustausch ist [...] konstitutiv, das heißt, das Empfangen und Aussenden von Blicken bildet die Basis einer gelungenen facialen Verständigung und damit auch die Basis der Selbstbestätigung als soziales Subjekt"[2]

Wie verändert sich diese Aussage, wenn bestimmte Blicke dominieren und andere Blicke kontrollieren? Auch dies scheint eine interessante Leitfrage für die Diskussion innerhalb dieser Hausarbeit.

Abschließend sollen die gewonnenen Erkenntnisse in einer Schlussfolgerung zusammengefasst werden und es ist hoffentlich eine Beurteilung der Einblicke in die behandelte Thematik möglich.

II. Der Blick als filmisches Element

Das vorliegende Kapitel wird vorab einige theoretische Ansätze behandeln, um den Blick als Element des (feministischen) Films und seine Bedeutung für bestimmte Interpretationen herauszustellen.

2.1. Der männliche Blick und das Schauobjekt Frau: Feministische Theorien

Zeitgleich mit Forbes' Verfilmung erschien auch Laura Mulveys bekannter Aufsatz "Visual Pleasures and Narrative Cinema" (1975), in dem sie sich mithilfe von psychoanalytischen Überlegungen mit dem männlichen Blick in Hollywood-Filmen auseinandersetzt und der unter anderem als exemplarisch für die Zeitspanne des Second-Wave-Feminismus betrachtet werden kann.[3]

Ausgehend von der Annahme, dass der Mensch schon in der Kindheit voyeuristische Erfahrungen (wie Z.B. das Erforschen der unterschiedlichen Geschlechtsorgane) sammele, behauptet Mulvey (und dabei beruft sie sich auf Gedankenzüge Freuds[4] ), dass es sich bei der sogenannten Skopophilie (“pleasure in looking”[5] ) um einen natürlichen Instinkt des Menschens handele, der Teil seiner Sexualität ist.[6] Sie beschreibt die skopophilen Ange­wohnheiten folgendermaßen: ״ [...] taking other people as objects, subjecting them to a controlling and curious gaze.“[7] Schon in dem kindlichen Vergleich des männlichen und weiblichen Körpers würde bei der Frau unterbewusst Neid auf das männliche Geschlechts­teil hervorgerufen, wohingegen der Mann unter einer Kastrationsangst leide, der er durch zwei Möglichkeiten entgegenwirken kann: Einerseits könne er sich mit dem ״re-enactment of the original trauma“[8] befassen, indem er sich mit der Frau beschäftige und ihr Geheimnis enthülle, sie demystiflziere. Oder aber er könne die Frau in ein Fetischobjekt umwandeln. Damit würde er die Kastrationsangst ignorieren und die Frau würde nicht mehr als Bedrohung betrachtet werden.[9]

Essentiell in Mulveys Argumentation ist weiterhin die Unterscheidung ״[...] between aeti­ve/male and passive/female.“[10] Im Kino, das auch von patriarchalischen Strukturen geprägt sei, sei der männliche Blick von Dominanz geprägt, die weiblichen Figuren würden auf exhibitionistische Weise eine Objektposition einnehmen: Während der Mann die Frauenfi­gur bestarre, projiziere er all seine Fantasien auf sie. Die Frau werde somit zwangsläufig zum passiven Objekt, das den Männerblick ertragen muss. Mulvey stellt hier die Skopohi- lie des Mannes der Idee des ״to-be-looked-at-ness“[11] der Frau gegenüber.[12] Ferner führt Mulvey den Gedanken der angeborenen Schaulust weiter aus, indem sie ihn auf die Kinosituation an sich überträgt:

״Moreover, the extreme contrast between the darkness in the auditorium (which also isolates the spectators from another) and the brilliance of the shifting patterns of light and shade on the screen helps to promote the illusion of voyeuristic separation.“[13]

Im Kino entstehe also eine anonyme Situation, die es dem (männlichen) Zuschauer erlaubt, sich mit den männlichen Protagonisten des Film zu identifizieren, wodurch gleichzeitig die Frau objektiviert werde. Im Kontext der Kinosituation und in Anlehnung an den Psycho­analytiker Jaques Lacan spricht Mulvey weiterhin von einem narzisstischen Blick: Laut Lacan finde im ersten Blick eines Kindes in den Spiel, ein Moment der Selbstverkennung da; das Spiegelbild werde als ein vollkommeneres Selbst wahrgenommen. Es entstehe eine erste subjektive Begegnung mit dem Ich. Eine vergleichbare Situation finde im Kino statt: Die Kinoleinwand als Spiegel biete den männlichen Zuschauern die Möglichkeit eines Identifikationsmoments mit den männlichen Protagonisten.[14]

Der männliche Blick finde im Kinokontext auf drei Ebenen statt: So 1.) durch den Kamera­blick bzw. dem, was dem Zuschauer durch die Kamera vermittelt werde, 2.) die Blicke der männlichen Figuren innerhalb des Films und 3.) den Blick des männlichen Zuschauers.[15] Die weibliche Passivität in Filmen wird unter anderem auch durch Linda Williams bejaht:

״Like the female spectator, the female protagonist often fails to look, to return the gaze of the male who desires her. In the classical narrative cinema, to see is to desire. It comes as no surprise, then, that many of the 'good girl' heroines of the silent screen were often figuratively, or even literally, blind. Blindness in this context signifies a perfect absence of desire, allowing the look of the male protagonist to regard the woman at the requisite safe distance necessry to the voyeur's pleasure [...].“[16]

Auch in dieser Aussage spiegelt sich die Ansicht der skopohilen und voyeuristischen Akti­vitäten des Mannes wider.

Häufig an Mulveys Theorie kritisiert wurde das Ignorieren der weiblichen Zuschauerin.[17] Doch in ihren ״Afterthoughts on 'Visual Pleasure and Narrative Cinema'“ erweitert sie ihre Überlegungen um den Gedanken, dass die Identifikation mit dem männlichen Protagonis­ten für die weibliche Zuschauerin sogar eine Art Horizonterweiterung oder insofern ein Vergnügen darstellen kann, als dass sie der Frau eine Grenzüberschreitung ihres eigenes Geschlechts ermöglicht.[18] 2.2 Der weibliche Blick im Horrorfilm

Wurde der weibliche Blick von Mulvey und Williams im Hollywood-Kino grundsätzlich als passiv und kaum vorhanden beschrieben, so lässt sich in Bezug auf das Genre des Horrorfilms eine Lockerung dieser Aussagen feststellen.

So besäße der gestattete entsetzte Blick der Frau in einer Konfrontationssituation mit einem Horrorszenario (z.B. Begegnung mit einem Monster) als ״active investigating gaze“[19] den Ausdruck ״of women's sexual potency and desire.“[20]. Doch obwohl dieser Blick als ein autonomer Sehakt beschrieben werden könne, so argumentiert Williams, käme es zu einer gleichzeitigen Bestrafung der Frau für genau diese Handlung (״[...] but it does so [...] only to punish her this very act, only to demonstrate how monstrous female desire can be.“[21] ). Einen Schritt weiter formuliert Williams provokativ, dass das Blickobjekt der Frau, das Monströse/ Gefährliche, sogar ein Spiegelbild ihrer selbst darstelle.

״The female look—a look given preeminent position in the horror film—shares the male fear of the monster's freakishness, but also recognizes the sense in which this freakishness is similar to her own difference. For she too has been constituted as an exhibitionist-object by the desiring look of the male. There is not that much difference between an object of desire and an object of horror as far as the male look is concerned.“[22]

In anderen Worten: Es geht demzufolge in solchen Sequenzen also gerade nicht um die Identifikation oder die Verbündung des männlichen Zuschauers bzw. Protagonisten mit dem Monster, sondern gerade vielmehr um die Tatsache, dass auch der Mann sich durch die Abnormalität und Andersartigkeit des Monsters im Vergleich zu sich selbst bedroht fühlt (Kastrationsangst) und daher eine Verbindung zum Weiblichen hergestellt wird.

Was genau als monströs im Film ״Die Frauen von Stepford“ betrachtet werden kann, worin der Horror spezifisch besteht, und wie es sich in diesem Zusammenhang mit den Blicken verhält, gilt es unter anderem in dem nächsten Kapitel zu klären.

III. Dimensionen des Blicks bezüglich ״Die Frauen von Stepford“

In diesem Kapitel soll nun erforscht werden, wie sich der Film vor dem Hintergrund der zuvor erarbeiteten Theorien lesen lässt. Verschiedene Filmsequenzen, in denen die Blick- Motivik eine ganz bestimmte Rolle spielt, sollen in Zusammenhang mit unter anderem Mulveys Ideen gebracht werden und die Anwendbarkeit dieser Theorien überprüft werden.

Bevor nun expliziter auf die Rolle des Blicks in ״The Stepford Wives“ eingegangen wird, macht es zunächst Sinn, kurz den Inhalt und die Thematik der Buchverfilmung zu klären. Knapp zusammengefasst passiert Folgendes: Man verfolgt die Geschichte der Hausfrau und Mutter Joanna Eberhart, die mit ihrem Mann und zwei Kindern von New York in das beschauliche Stepford im Staat Connecticut umzieht. Zwischen ihren Rollen als Mutter und (Hobby-)Fotografin hin- und hergerissen, ist sie entsetzt über die peniblen, banal-denkenden und übereifrigen Hausfrauen, denen sie in Stepford begegnet. Einzig al­lein mit Bobbie Markowes stürmischen, herzlichen Charakter kann sie sympathisieren und die beiden Frauen schließen Freundschaft.

Gemeinsam beobachten sie schockiert, wie sich die anderen Frauen der Stadt nach und nach in monotone, abgestumpfte und putzeifrige Hausfrauen verwandeln und beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen. Doch auch Bobbie verändert sich und erst zu spät erkennt Joanna die Wahrheit: Der Männerclub aus Stepford tauscht nach und nach jede einzelne Frau der Stadt durch einen Roboter aus, der dem Mann jederzeit sexuell verfügbar ist und sich den Haushalt zur Hauptaufgabe macht. Auch Joanna wird schließlich Opfer dieser Tat. Der Film endet mit einer Supermarkt-Szene, in der alle Stepford-Frauen mit ihren Einkaufswagen durch die Gänge gehen und sich gegenseitig grüßen. Schlussbild bildet ein Extreme CI ose-Up von Joannas Augen.

3.1. Die Blick-Motivik in ״Die Frauen von Stepford“ vor dem Hintergrund von ״Visual Pleasure and Narrative Cinema“

Nicht nur die Tatsache, dass beide Medien ein Zeitdokument des Second-Wave-Feminis- mus darstellen, haben Forbes' und Mulveys Werke gemein. Es lassen sich auch viele Paral- leien zwischen den Gedankenzügen Mulveys und Forbes Regisseurarbeit entlarven. Wei­terhin soll an dieser Stelle nun auch herausgearbeitet werden, inwiefern und ob sich beide unter Umständen sogar gegenseitig ergänzen.

Die Frau als männliches Schauobjekt

In den Roboter-Frauen aus Stepford kann man deutlich die Personifikation der männlichen Erwartungen an die Frau herauslesen: Neben dem Haushaltsfleiß spielt hier vor allem die visuelle Wahrnehmung eine große Rolle. Auf Äußerlichkeiten reduziert, stellen die Andro­iden für ihre Männer sexuelle Lustobjekte dar, ihre nach männlichem Empfinden idealen Körper werden zum Schauobjekt bzw. Projektionsfläche männlicher Fantasien. Im Sinne Mulveys kann man hier von einer Fetischisierung der Frau sprechen (״This [...] fetishistic scophilia builds up the physical beauty of the object“[23] ).

Beispielhaft für die Objekti sierung der Frau im Film kann an dieser Stelle die Szene ge­nannt werden, in der Joanna mit Dale Coba, dem Vorstandsmitglied des Männerclubs, eine Unterhaltung in ihrer Wohnung führt: Während Dale beobachtend im Türrahmen der Kü­che steht, sagt er zu Joanna mit einem dreisten Blick: ״I like watching women doing little domestic chores.“ Ganz deutlich repräsentiert er hier den aktiven männlichen Blick, von dem Mulvey spricht, wohingegen Joanna als ״passive/female“, eingeengt in der Küche und den Augen von Dale ausgesetzt, da steht. Dales voy euri sti sches Verhalten ist außerdem ein unverkennbares Indiz für die männliche Kastrationsangst.

Vergleichbar ist die Szene, in der Joanna von Ike Mazzard gezeichnet wird: Auch hier ist sie dem eindringlichen männlichen Blick ausgesetzt und verharrt selbst in einer passiven Position, den Blick gesenkt und aus der allgemeinen Situation relativ ausgeschlossen.

[...]


[1] The Stepford Wives. Columbia Pictures, 1975. Regissem: Bryan Forbes

[2] Barek, Joanna: Gesichter des Films. Bielefeld 2005, s. 20

[3] vgl. Chaudhuri.Shoİlini: Feminist Film Theorists. New York 2006, s. 3-10

[4] vgl. Mulvey, Laura: Visual Pleasures and Narrative Cinema. In: The Sexual Subject. A Screen Reader in Sexuality. London: 1992, S.24

[5] ebd.

[6] vgl. ebd.

[7] ebd.

[8] ebd., s. 29

[9] vgl. ebd.

[10] ebd. s. 27

[11] ebd.

[12] vgl. ebd.

[13] ebd., s. 25

[14] vgl. ebd.

[15] vgl. ebd., s 33

[16] Williams, Linda: When the Woman Looks. In: Grant, Keith (Hrsg.): The Dreads of Difference. Gender and the Horror Film. US 1996, s. 15

[17] vgl. Chaudhuri 2006, s. 39

[18] vgl. ebd, s. 40

[19] Doane, Mary Ann: The ‘Woman’s Film’ : Possession and Address . In: Re-Vision: Essays in Feminist Film Criticism. Frederick 1984, s. 72

[20] Williams 1996 s. 32

[21] ebd., s. 32f.

[22] ebd., S.20 f.

[23] Mulvey 1992 , s. 29

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Motiv des Blicks in Brian Forbes' Verfilmung "Die Frauen von Stepford" (1975)
Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Note
1,0
Jahr
2015
Seiten
18
Katalognummer
V441121
ISBN (eBook)
9783668795235
ISBN (Buch)
9783668795242
Sprache
Deutsch
Schlagworte
motiv, blicks, brian, forbes, verfilmung, frauen, stepford
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Das Motiv des Blicks in Brian Forbes' Verfilmung "Die Frauen von Stepford" (1975), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441121

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