Kinderarmut in Deutschland


Seminararbeit, 2005

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsdefinition
2.1 Was ist Armut?
2.2 Armutskonzepte
2.2.1 Das Ressourcenkonzept
2.2.2 Das Lebenslagenkonzept
2.2.3 Subjektive Armutskonzepte
2.3 Was ist Kinderarmut?
2.3.1 Definition von Kinderarmut über die Armut der Eltern
2.3.2 An Lebenslagen von Kindern orientierte Armutskonzepte

3 Armutsbetroffenheit von Kindern
3.1 Zahlen und Fakten zur Armutsbetroffenheit von Kindern
3.2 Bedeutung der Dauer von Armut bei Kindern

4 Folgen der Armut für Kinder
4.1 Auswirkungen von Armut auf die Gesundheit von Kindern
4.2 Auswirkungen von Armut auf die schulische Laufbahn von Kindern
4.3 Auswirkungen von Armut auf die kognitiven Entwicklungen der Kinder
4.4 Folgen im Hinblick auf Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen
4.5 Folgen im Hinblick auf Kurz – und Langzeitarmut

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

„Es ist unbestritten, dass Kinderarmut eines der drängendsten und gravierendsten Probleme unserer Zeit ist.“ (Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)[1]

Der zweite Armuts– und Reichtumsbericht der Bundesregierung vom März 2005 macht es deutlich: die Kinderarmut als Phänomen gewinnt in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr an Bedeutung.

Auch die UNICEF Studie vom 1. März 2005 „Child Poverty in Rich Countries 2005“ zeigt, dass die Zunahme der Kinderarmut in Deutschland mit 2,7 Prozentpunkten seit 1990 höher ist als in den meisten Industrienationen[2].

Dieses Problem möchte ich aufgreifen und mich in meiner Hausarbeit im Fach Sozialpolitik mit dem Thema „Kinderarmut in Deutschland“ beschäftigen.

Genauer will ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob Kinderarmut ein eigenständiges Problem in der Gesellschaft ist und somit auch in der sozialpolitischen Diskussion als solches betrachtet werden sollte oder ob Kinderarmut nur als ein „Teilphänomen“ familialer Armut zu betrachten ist.

Es wird herausgearbeitet, inwiefern Kinder in besonderem Maße von Armut betroffen sind.

In meiner Hausarbeit werde ich auf einen Vergleich von Ost- und Westdeutschland verzichten. Auch wird nicht auf Kinderarmut in Bezug auf Migrantenfamilien eingegangen.

In Kapitel zwei – Begriffsklärung möchte ich im ersten Punkt den Begriff Armut allgemein definieren. Da es keinen einheitlich anerkannten Armutsbegriff gibt, werden zum besseren Verständnis im zweiten Unterpunkt drei Armutskonzepte herangezogen und kurz erläutert.

Im dritten Unterpunkt werde ich den Begriff Kinderarmut näher erläutern, um hierbei auch den Begriff der Armut vom Begriff der Kinderarmut abzugrenzen. Auch hier möchte ich zwei für Kinder angewandte Konzepte vorstellen – die Definition von Kinderarmut über die Armut der Eltern und das an Lebenslagen von Kindern orientierte Armutskonzept.

Es wird jedoch nur kurz der Gedanken der Armutsdefinition bei Kindern über die Eltern aufgegriffen und in der Literatur genannte Kritik an diesem Ansatz benannt, um auch hier deutlich zu machen, inwiefern Kinderarmut als eigenständiges Problem gesehen werden sollte.

Bei dem an Lebenslagen von Kindern orientierten Armutskonzept, möchte ich die Armutsdefinition der AWO- ISS- Studie vorstellen.

Das Kapitel drei meiner Hausarbeit beschäftigt sich mit der Armutsbetroffenheit von Kindern anhand von Zahlen und Fakten zur Kinderarmut (Punkt eins) und der Dauer von Armut (Punkt zwei).

Im vierten Kapitel werde ich dann explizit auf die Folgen der Armut für die Kinder eingehen. Hier beschränken ich mich auf Auswirkungen der Armut auf die Gesundheit der Kinder (Punkt eins), die schulische Laufbahn (Punkt zwei), die kognitive Entwicklung der Kinder (Punkt drei), den Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen (Punkt vier) und auf Folgen im Hinblick auf die Dauer der Armutssituation von Kindern. Ich möchte durch dieses Kapitel nochmals die kinderspezifischen Armutsfolgen herausarbeiten, um im Hinblick auf meine Ausgangsfrage festzustellen, ob Kinderarmut als eigenständiges Problem zu betrachten ist.

2 Begriffsdefinition

2.1 Was ist Armut?

Armut ist eine extreme Form sozialer Ungleichheit. Der Armutsbegriff hat sich für Deutschland in den letzten Jahren gewandelt, da sich die Gruppe der von Armut betroffenen gewandelt hat. Nicht mehr Randgruppen, chronisch Kranke, behinderte oder alte Menschen sind vornehmlich von Armut betroffen, sondern Arbeitslose, allein Erziehende und kinderreiche Familien (vgl. Chassé, Zander, Rasch 2003, S. 11).

Umstritten ist, wann aus sozialer Ungleichheit Armut wird und wie die Armut gemessen werden kann (vgl. Hölscher 2003, S. 15).

Für die soziale Lage der Bevölkerung in einem Land ist das Ausmaß der Armut ein wichtiger Indikator, doch in Politik und Wissenschaft gibt es bis heute keinen allgemein akzeptierten Armutsbegriff. Es gibt jedoch eine Vielfalt von Ansätzen zur Begriffserklärung und Messung der Armut (vgl. Hanesch 2002, S. 47).

Wenn wir heute bezogen auf Deutschland vom Begriff Armut sprechen, ist dieser nicht verbunden mit Hunger und Elend. Diese „absolute Armut“ herrscht in den Ländern der dritten Welt vor und meint die Nichtgewährleistung von Grundbedürfnissen des physischen Existenzminimums (vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2005, S. XV).

In hoch entwickelten Ländern wie Deutschland spricht man daher von „relativer Armut“, da das durchschnittliche Wohlstandniveau in Deutschland wesentlich über dem physischen Existenzminimum liegt. Der Armutsbegriff hier - und damit natürlich auch der Reichtumsbegriff - orientiert sich an gesellschaftlichen Werturteilen und Wertüberzeugungen (vgl. ebd.). „Die relative Armut bezeichnet Personen oder Familien (Haushalte), die über nur so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in der Bundesrepublik als unterste Grenze des Akzeptablen annehmbar ist.“ (Klocke / Hurrelmann 2001, S. 12).

„Armut wird als auf einen mittleren Lebensstandard bezogene Benachteiligung aufgefasst.“ (ebd. S.15).

Hölscher (2003, S. 16) ordnet die verschiedenen Definitionen relativer Armut drei Kategorien bzw. „Konzeptarten“ zu:

- Armut als Unterschreitung eines materiellen Existenzminimums (Ressourcenkonzept)
- Armut als Unterversorgung in mehreren wichtigen Lebensbereichen (Lebenslagenkonzept)
- Vorliegen von Armut, wenn jemand weniger als das zum Leben Notwendige zur Verfügung hat (subjektive Armutskonzepte)

Im Folgenden Punkt möchte ich diese Armutskonzepte vorstellen.

2.2 Armutskonzepte

2.2.1 Das Ressourcenkonzept

Laut der Ressourcenkonzepte liegt Armut vor, wenn die finanziellen Mittel wie Einkommen, Vermögen, private Unterstützung und staatliche Leistungen einer Person oder eines Haushaltes zur Lebensbewältigung nicht ausreichen. Armut wird gleichgesetzt mit dem Unterschreiten einer bestimmten Einkommensschwelle (vgl. Hölscher 2003, S. 16).

Für die Festlegung von Einkommensschwellen gibt es verschiedene Möglichkeiten:

1. Das politische Armutskonzept
2. Die Relative Einkommensarmut

Bei ersterem wird die Sozialhilfebedürftigkeit als objektives Existenzminimum zur Bestimmung von Armut herangezogen.

Beim Konzept der relativen Einkommensarmut ist das Definitionskriterium der Abstand zum durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen einer Gesellschaft. Im Unterschied zum politischen Armutskonzept werden hier auch die Menschen erfasst, die verdeckt in Armut leben (vgl. ebd. S. 16 und S. 19).

Da bei dem Ressourcenansatz das Einkommen die wesentliche Kategorie ist, kann Armut gut messbar gemacht werden im Hinblick auf fehlende monetäre Ressourcen. Jedoch werden aber übrige Lebensumstände nicht berücksichtigt, somit ist das Ressourcenkonzept ein eindimensionaler Ansatz. Armut ist heute eine vieldimensionale Problemlage – nicht nur der Mangel an Geld sollte bei der Armutsmessung mitbetrachtet werden, sondern auch die Lebensbedingungen der Menschen. Aus diesem Grunde gibt es die „mehrdimensionalen“ Lebenslagenkonzepte, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte haben (vgl. Chassé / Zander / Rasch 2003, S. 18).

2.2.2 Das Lebenslagenkonzept

Das Lebenslagenkonzept stellt wie erwähnt auf die Vieldimensionalität des Phänomens Armut ab und erfasst es somit am ehesten. Der Blick wird nicht mehr nur auf die ungenügenden ökonomischen Ressourcen gerichtet, sondern durch den Begriff „Lebenslage“ auch auf bestehende Unterversorgungen in anderen zentralen Bereichen des Lebens wie z.B. Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Ausbildung, soziale Integration und soziokulturelle Teilhabe (vgl. Chassé / Zander / Rasch 2003, S. 18).

Jedoch geht es nicht nur um das Fehlen bedeutsamer Güter, sondern auch um Einschränkungen der subjektiven Handlungsspielräume und die Kategorien des subjektiven Wohlbefindens und der Zufriedenheit (vgl. ebd.).

„Mit dem Lebenslagenkonzept werden sowohl Unterversorgungen in einzelnen Bereichen als auch ihre Kumulation analysiert. Armut wird als Lebenslage definiert, in der in verschiedenen Bereichen Minimalstandards nicht erreicht werden, wobei die Versorgung mit Einkommen (…) die wichtigste Dimension darstellt.“ (Hölscher 2003, S. 21).

Trotzdem das Lebenslagenkonzept wie erwähnt das Phänomen Armut am besten erfasst, gibt es einige Kritikpunkte. Diese beziehen sich insbesondere auf die Armutsmessung nach diesem Konzept, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum möglich ist (vgl. ebd. S. 19).

Es stellen sich die Fragen:

- Welche Lebensbereiche und Handlungsoptionen sollen einbezogen werden?
- Wie sollte die Gewichtung der Lebensbereiche und Handlungsoptionen untereinander aussehen?
- Welche zur Bestimmung von Armutslagen festzulegenden Schwellenwerte sollen gelten?

Auch wird kritisiert, dass die Erweiterung des Begriffes „Armut“ durch die einbezogenen Lebenslagen, die ökonomischen Ursachen von Armut aus dem Auge verliert. Die erwähnten Defizite und Handlungseinschränkungen sind Auswirkungen der nicht ausreichenden finanziellen Ressourcen (vgl. ebd.).

Daher müssen, wie oben im Zitat von Hölscher erwähnt, die finanziellen Ressourcen die wichtigste Dimension der Armut als Lebenslage sein.

Einschränkungen in einigen Lebensbereichen (z.B. Kontaktarmut, Ernährungsarmut) können zwar auch bei ausreichenden finanziellen Mitteln auftreten, sind dann aber nicht Gegenstand der Armutsforschung (vgl. ebd.).

2.2.3 Subjektive Armutskonzepte

Beim subjektiven Armutskonzept stehen die Sichtweisen der Bevölkerung und von Armut betroffenen Menschen im Mittelpunkt (vgl. Hölscher 2003, S. 22).

Das Konzept beschäftigt sich damit, welche Kosten für den Lebensunterhalt von Jugendlichen und Kindern für Eltern anfallen und wie sich dies auf den Lebensstandard der Familien auswirkt im Vergleich zu kinderlosen Haushalten (vgl. ebd.).

Das Konzept verwendet Ergebnisse aus Einkommens – und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes sowie Analysen des Sozialwissenschaften-Bus III/1996.

Die hier Befragten wurden - zur Festsetzung einer subjektiven Einkommensarmutsgrenze - gebeten, ihr Haushaltsnettoeinkommen anzugeben, welches für ihren Haushalt unter den gegenwärtigen Lebensbesingungen notwendig ist, um „zurecht zu kommen“ (vgl. ebd.).

Die politische Armutsgrenze wird durch dieses Konzept durch eine demokratische Variante ergänzt.

2.3 Was ist Kinderarmut?

„Tatsache ist, dass es den Begriff Kinderarmut nicht gibt, denn Kinder sind weder voll geschäftsfähig, noch (…) haben sie Eigentum und Grundbesitz. Dementsprechend kann es keine Kinderarmut geben. Der Begriff ist schwachsinnig.“[3]

In der Literatur gibt es kaum konkrete Definitionen des Begriffes „Kinderarmut“.

Der oben aufgeführte Absatz, der die Meinung eines Mitgliedes eines Politikforums widerspiegelt, wirft die Frage auf, ob es Kinderarmut als eigenständiges Problem überhaupt gibt oder ob sie mit familiärer Armut gleichzusetzen ist.

2.3.1 Definition von Kinderarmut über die Armut der Eltern

In der Vergangenheit wurde dem Problem „Kinderarmut“ in Deutschland oft nur wenig Aufmerksamkeit beigemessen – das Augenmerk wurde zum großen Teil auf die Erwachsenenarmut gelegt. Kinder wurden nur als zukünftige Erwachsene gesehen und die Auswirkungen der Armut wurden nicht auf ihre Lebensbedingungen bezogen (vgl. Hock / Holz 1999, S. 10).

Armut von Kindern wird tatsächlich oft mit der Armut der Haushalte gleichgesetzt, in denen sie leben. Dies leuchtet auf den ersten Blick ein, da die Kinder von der Armut der Eltern durch das Zusammenleben mit ihnen mit betroffen sind (vgl. Hölscher 2003, S. 23).

Jedoch ist die Kinderarmut ein eigenständiges Problem, da die Betroffenheit von Kindern durch Armutslagen anders gestaltet ist als die von Erwachsenen. Eine „erwachsenenzentrierte“ Definition von Armut kann die Lebenslagen und Bedürfnisse von Kindern nicht hinreichend berücksichtigen (vgl. ebd. S. 15).

Einerseits ist die Definition von Kinderarmut über den Haushalt insoweit ungenügend, als dass sich die finanzielle Situation der Kinder innerhalb des Haushaltes von den Eltern deutlich unterscheiden kann. Dies hängt mit dem Einsatz der finanziellen Mittel durch die Eltern zusammen, d.h. wie viel Geld im Endeffekt für die Kinder und z. B. deren Gesundheit und Förderung eingesetzt wird (vgl. ebd.).

Andererseits befinden sich Kinder noch im Entwicklungsprozess, auf den die Armut einwirkt.

„Lebensumstände, die sich bei den Erwachsenen als Beschränkungen der Handlungsmöglichkeiten auswirken, haben bei Kindern zugleich Auswirkungen auf ihre Entwicklung und auf ihre Entwicklungspotentiale.“ (Chasse 2004, S. 6).

Dies bedeutet also, dass Kinderarmut und elterliche Armut zusammenhängen und Kinderarmut durch die elterliche Armut verursacht wird, es sich aber trotzdem um unterschiedliche Problemlagen handelt. Diese These möchte ich im Verlauf meiner Arbeit noch genauer herausarbeiten bzw. untermalen (vgl. Hock / Holz 1999, S. 10).

Hier möchte ich natürlich auch erwähnen, dass sich elterliche Armut zwar auf das Kinderleben auswirken kann, aber nicht zwangsläufig zu Kinderarmut führen muss. Soziale Netzwerke, schulische Angebote und Freizeitangebote können die Benachteiligung der Kinder ausgleichen (vgl. Chassé 2004, S. 12).

[...]


[1] http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Presse/pressemitteilungen,did=21484.html

[2] siehe Anhang A

[3] http://www.politikforum.de/forum/archive/13/2004/09/4/78217

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Kinderarmut in Deutschland
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Veranstaltung
Seminar Sozialpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
29
Katalognummer
V43963
ISBN (eBook)
9783638416405
Dateigröße
1337 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinderarmut, Deutschland, Seminar, Sozialpolitik
Arbeit zitieren
Christine Schlapa (Autor:in), 2005, Kinderarmut in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43963

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