Karl Martell - der "illegitime" Erbe Pippins des Mittleren?


Seminararbeit, 2005

16 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die rechtliche Stellung Karl Martells
2.1. Geburtsrechtliche Stellung Karls
2.1.1. Friedelehe vs. Muntehe
2.1.2. Chalpaidas Ehe mit Pippin dem Mittleren
2.2. Erbrechtliche Ansprüche Karls und Pippins Erbregelungen

3. Zusammenfassung

4. Abkürzungsverzeichnis

5. Bibliographie

1. Einleitung

„Der erste ‚Karolinger’ Karl Martell“[1], der immerhin die Voraussetzungen für die gewaltige Expansion des fränkischen Reiches unter seinem Enkel Karl dem Großen schuf[2], ist seit jeher in der Legitimität seines Herrschaftsanspruches mit dem Makel eines Sohnes zweifelhafter oder unklarer Herkunft behaftet gewesen.

Die Einordnung Karl Martells als „politischer Abenteurer ohne eigentlichen Rechtstitel auf die Nachfolge seines Vaters“, getroffen von Eugen Ewig 1953[3], erscheint aus der Sicht der heutigen Forschung in ihrer Bestimmtheit aber als zumindest fragwürdig.

Bis in die 1930er Jahre herrschte in der Forschung weitgehender Konsens darüber, dass Karl ein legitimer Sohn Pippins des Mittleren war[4].

Erst durch die Arbeiten von Herbert Meyer[5] und der Anerkennung der sogenannten ‚Friedelehe’ als Rechtsinstitut erfolgte eine Neubewertung der rechtlichen Stellung Karls, und zwar dahingehend, dass er ein illegitimer Sohn Pippins ohne fundierte Erb- und Herrschaftsansprüche gewesen sei[6]. Seine Mutter Chalpaida wird in diesem Kontext verstärkt von der Ehefrau in die Nähe einer bloßen Konkubine Pippins gerückt[7]. Diese Anschauung und insbesondere der Begriff der ‚Friedelehe’ sehen sich in jüngster Zeit vermehrt fundamentaler Kritik ausgesetzt.

Die Quellen aus der Zeit Karl Martells sind nicht nur äußerst begrenzt[8], sondern auch durch Widersprüche[9] und teilweise tendenziöse Motivationen[10] gekennzeichnet. Hier ist somit eine äußerst genaue Quellenkritik vonnöten.

Die vorliegende Arbeit soll sich mit der rechtlichen Stellung Karl Martells als Sohn und Erbe Pippins des Mittleren beschäftigen. Dazu sollen die Ehe von Karls Mutter Chalpaida mit Pippin und die sich daraus ergebenden Erbansprüche von Karl untersucht werden; in diesem Zusammenhang sollen auch die verschiedenen Erbregelungen Pippins berücksichtigt werden.

Von besonderer Bedeutung für die spezielle Thematik von Karls Qualität als Erbe Pippins müssen die Arbeiten von Waltraud Joch gelten.

Im Zusammenhang mit dem Problemkreis der ‚Friedelehe’ und des Konkubinats sei auf Else Ebels[11] und vor allem auf Andrea Esmyols eingehende Untersuchungen hingewiesen.

2. Die rechtliche Stellung Karl Martells

2.1. Geburtsrechtliche Stellung

Um die sich aus seiner Geburt ergebende rechtliche Stellung Karl Martells und dann weiterführend die sich daraus ableitenden Erbansprüche zu beleuchten, ist es notwendig, nicht nur die Herkunft von Karls Mutter Chalpaida zu klären, sondern auch ihre Beziehung zu Pippin in Vergleich zu setzen zu dessen Ehe mit Plectrud. Es gilt, die Frage zu klären, ob anhand der Quellen ein rechtlicher Unterschied beider Verbindungen erkennbar ist[12]. Nur so wird sich klären lassen, ob die Vernachlässigung Karls gegenüber seinen Stiefbrüdern Drogo und Grimoald, bzw. seinem Neffen Theudoald bei den unterschiedlichen Erbregelungen Pippins rechtlich begründet ist, oder ob andere Beweggründe Pippins anzunehmen sind.

Zunächst soll jedoch ein grundsätzlicher Blick auf die sogenannte ‚Friedelehe’ geworfen werden, da sie in der Literatur in fast schon beliebiger Definitionsvielfalt[13] auftaucht und im allgemeinen als Bezeichnung für die Beziehung zwischen Pippin und Chalpaida verwendet wird[14].

Wie bereits angeführt, setzt sich immer mehr die Auffassung von der Überprüfungsbedürftigkeit der ‚Friedelehe’[15] durch. Es wird also zunächst zu klären sein, welche Bedeutung der ‚Friedelehe’ für weiterführende Betrachtungen überhaupt zukommt.

2.1.1. ‚Friedelehe’ vs. ‚Muntehe’

Die ‚Muntehe’ stellt nach Ogris „die normale, landläufige und in ihren rechtlichen Wirkungen vollkommenste Form der Ehe im älteren Recht dar.“[16] Ihr hervorstechendstes Charakteristikum bestand darin, dass der Mann durch die Heirat die eheherrliche Gewalt (Munt) über die Frau erlangte[17].

Im Gegensatz dazu wird die ‚Friedelehe’ dahingehend definiert, dass sie nicht auf „einer Vereinbarung zwischen den Sippen der Brautleute“[18] beruhe, sondern ihr lediglich der (übereinstimmende) Wille der Ehewerber zugrunde liege. Auch erlange der Mann in der ‚Friedelehe’ nicht die Muntgewalt über die Frau[19], vielmehr verbleibe diese in der Muntgewalt des väterlichen Hauses[20].

Einerseits wird die Friedel als „echte Ehefrau und Herrin des Hauses“[21] apostrophiert, andererseits soll die ‚Friedelehe’ auch als „Neben-Ehe“[22] aufgetreten sein, die wohl „als Lebensgemeinschaft minderer Art angesehen wurde“[23]. „Die ‚Friedelehe’ war eine Minderehe (Löwenstein), eine rechtsgültige Vollehe (Becker, Schott), ein Konkubinat (Schwab).“[24]

Die Vielfalt der Meinungen ist also groß und die Aussagekraft einer Einordnung Karl Martells als Friedelsohn, bzw. seiner Mutter Chalpaida als Friedelfrau[25] ist hinsichtlich der Legitimität Karls dementsprechend dürftig, da ohne eine allgemein anerkannte und gültige Definition der ‚Friedelehe’ nur zu vermuten ist, was der einzelne Autor unter dem Begriff versteht. D. h. im Grunde hat sich mit der Verwendung des Begriffs ‚Friedelehe’ eine große Sprachlosigkeit etabliert, was die Legitimität, bzw. Illegitimität von Karls Herkunft anlangt.

Else Ebel hat bei der Überprüfung der altnordischen Quellen, auf die sich Herbert Meyer bei der Entwicklung der ‚Friedelehe’ auch vornehmlich gestützt hat[26], herausgearbeitet, dass es „weder in heidnischer noch in christlicher Zeit die Institution einer ‚Friedelehe’ im Sinne von Herbert Meyer gegeben“ habe, vielmehr habe es sich bei den in Rede stehenden Verhältnissen um bloße Konkubinate (also außereheliche Verbindungen ohne rechtliche Verankerung) gehandelt.[27]

Andrea Esmyols Untersuchungen haben ergeben, dass „seit 1927 fast die gesamte, auch die neueste einschlägige Forschungsliteratur die ‚Friedelehe’ als weitere Beziehungsform [akzeptiert] und [...] sich hierbei ausschließlich und zudem mehr oder weniger unkritisch auf Herbert Meyers Publikationen von 1927 und 1940“[28] bezieht.

Esmyol bescheinigt Meyers Beweisführung methodische Unzulässigkeiten[29] und kommt zu dem Schluss, dass die ‚Friedelehe’ ein „Konstrukt“[30] sei und dass es die ‚Friedelehe’ nicht geben konnte[31].

Angesichts der Fragwürdigkeit der ‚Friedelehe’ und ihrer Unergiebigkeit hinsichtlich der Rechtsstellung Karl Martells erscheint es für die vorliegende Arbeit zweckmäßig, die ‚Friedelehe’ im weiteren Verlauf weitgehend außer acht zu lassen.

Vielmehr ist das Augenmerk auf den oben angeführten Vergleich zwischen den jeweiligen Beziehungen von Chalpaida und Plectrud zu Pippin zu richten und sich der Frage zuzuwenden, ob Chalpaida aufgrund der Quellen als Konkubine oder als Ehefrau einzuordnen ist, „unbelastet vom Friedelehen-Konstrukt“[32] und gewissermaßen in Anknüpfung an die ältere Forschung vor Herbert Meyer, die sich dahingehend einig war, dass „es neben der üblichen Muntehe nur das außereheliche Konkubinat in unterschiedlicher Ausprägung gab“[33].

[...]


[1] Ulrich Nonn: Art. Karl Martell, in: LexMA 5, München/Zürich 2000, Sp. 954-956.

[2] Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter (Hrsg.) unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch: Karl Martell in seiner Zeit, (Beihefte der Francia 37), Sigmaringen 1994, S. 7.

[3] vgl. Waltraud Joch: Karl Martell – Ein minderberechtigter Erbe Pippins?, in: Karl Martell in seiner Zeit, hrsg. von Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch, (Beihefte der Francia 37), Sigmaringen 1994, S. 149.

[4] Waltraud Joch: Legitimität und Integration: Untersuchungen zu den Anfängen Karl Martells (Historische Studien; Bd. 456) (Diss. 1998), Husum 1999, S. 12.

[5] Herbert Meyer: Friedelehe und Mutterrecht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Band 47 (1927), S. 198-286; ders.: Ehe und Eheauffassung der Germanen, in: Festschrift Ernst Heymann, Band I: Rechtsgeschichte, Weimar 1940, S. 1-51.

[6] Joch: Karl Martell, S. 149.

[7] Pierre Riché: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa, München 1991, S. 51.

[8] Ingrid Heidrich: Die Urkunden Pippind d. M. und Karl Martells: Beobachtungen zu ihrer zeitlichen und räumlichen Streuung, in: Karl Martell in seiner Zeit, hg. von Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch, (Beihefte der Francia 37), Sigmaringen 1994, S. 23.

[9] Andrea Esmyol: Geliebte oder Ehefrau – Konkubinen im frühen Mittelalter (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte) (Diss. 2000), Köln 2002, S. 142.

[10] Ulrich Nonn: Das Bild Karl Martells in mittelalterlichen Quellen, in: Karl Martell in seiner Zeit, hrsg. von Jörg Jarnut, Ulrich Nonn und Michael Richter unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch, (Beihefte der Francia 37), Sigmaringen 1994, S. 12.

[11] Else Ebel: Die sog. Friedelehe im Island der Saga- und Freistaatszeit (870-1264), in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Mikat, hrsg. von Dieter Schwab, Dieter Giesen, Joseph Listl, Hans Wolfgang Strätz, Berlin 1989, S. 243-258.

[12] Joch: Legitimität, S. 14.

[13] Esmyol: Geliebte, S. 12.

[14] Joch: Karl Martell, S. 149.

[15] Joch: Legitimität, S. 13.

[16] Werner Ogris: Art. Munt, Muntwalt, in: HRG 3 (1984) Sp. 757. Auch Edith Ennen: Frauen im Mittelalter, 5. überarb. und erw. Aufl. München 1994, S. 35.

[17] Clausdieter Schott: Art. Ehe, in: LexMA 3, München Zürich 2000, Sp. 1629 und Dieter Schwab: Eheschließungsrecht und nichteheliche Gemeinschaft – eine rechtsgeschichtliche Skizze, in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, Heft 12 (1981), S. 1151.

[18] Werner Ogris: Art. Friedelehe, in: HRG 1 (1971) Sp. 1293.

[19] Schott: Ehe, Sp. 1630.

[20] Ogris: Friedelehe, Sp. 1294.

[21] Ebd.

[22] Schott: Ehe, Sp. 1630.

[23] Ogris: Friedelehe, Sp. 1294.

[24] Esmyol, Geliebete, S. 12.

[25] Jörg W. Busch: Vom Attentat zur Haft. Zur Behandlung von Konkurrenten und Opponenten der frühen Karolinger, in: HZ 263 (1996) S. 571. Auch Nonn: Karl Martell, Sp. 954, Riché, Karolinger, S. 51 und Ennen: Frauen, S. 56.

[26] Joch: Legitimität, S. 13. Und Esmyol: Geliebte, S. 23.

[27] Ebel: Friedelehe, S. 258.

[28] Esmyol: Geliebte; S. 13.

[29] Ebd., S. 36. Nach Esmyol basieren Meyers Kernthesen auf Rückschlüssen, die dieser aus (strittigen) Quellen viel späterer Zeit zog.

[30] Ebd. Esmyol vermutet, der Zeitgeist der Germanenverehrung um 1940 habe der ‚Friedelehen’-Theorie als gewissermaßen gesetzmäßigem und regelhaftem Institut gegenüber einem rechtlosen Konkubinats-Verhältnis Vorschub geleistet.

[31] Ebd., S. 255.

[32] Ebd., S. 36.

[33] Ebd., S. 13. Vgl. auch Ennen: Frauen, S. 35f. Auch Edith Ennen verneint einen Eheformendualismus von Munt- und Friedelehe.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Karl Martell - der "illegitime" Erbe Pippins des Mittleren?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V43948
ISBN (eBook)
9783638416283
ISBN (Buch)
9783638806459
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Martell, Erbe, Pippins, Mittleren, Pippin, Mittlere, Große, Karl
Arbeit zitieren
Andreas Lehmann (Autor:in), 2005, Karl Martell - der "illegitime" Erbe Pippins des Mittleren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43948

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Karl Martell - der "illegitime" Erbe Pippins des Mittleren?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden