Entwicklungsquadratische Innovationspotenziale im Einzel-Assessment. Neue Wege der Optimierung


Masterarbeit, 2018

266 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einfuhrung
1.1 Einordnungdes Themas
1.2 Vorgehensweise

2 Entwicklungdes Bezugsrahmens
2.1 Management-Diagnostik
2.1.1 Verfahrensklassen
2.1.2 Definition und Eingrenzung wesentlicher Fachtermini
2.1.3 Psychologisches Design und Gestaltungsprinzipien
2.1.3.1 Prinzip der Multimethodalitat und -perspektivitat
2.1.3.2 PrinzipderStimulus-Mehrdeutigkeit
2.1.3.3 PrinzipderResponse-Offenheit
2.1.3.4 Prinzip des Ego-Involvements
2.1.4 Akzeptanz und Wirkung von Feedback
2.1.5 Wettbewerbsuberblick und Anbieter im deutschen Markt
2.2 Konzept des Entwicklungsquadrates
2.2.1 Herkunft und Entstehung
2.2.2 Inhaltliche Ausgestaltung
2.2.3 Einordnung
2.3 Entwicklungsquadratische Kompetenzprofile - eine Uberblicksdarstellung
2.3.1 Perspektive der Kompetenzbereiche
2.3.2 Perspektive der Kompetenzmodelle auf Basis des Wertequadrates
2.3.3 Perspektive der BFWQ-Methode
2.3.4 Perspektive der Personlichkeitseinschatzung
2.3.5 Perspektive der Komplementaren Verhaltenskriterien
2.3.6 Perspektive der Komplementaren Einschatzungs-Hilfen
2.3.7 Perspektive des Fuhrungskraftehandelns
2.3.8 Perspektive des Versatile Leader
2.3.9 Perspektive der Paradoxes of Leadership
2.3.10 Perspektive der Paradox Principles
2.3.11 Perspektive der Paradox - The Next Strategic Dimension
2.3.12 Perspektive der integrativen Fuhrung als Wertebalance
2.3.13 Perspektive des Balance-Modells der Fuhrung
2.3.14 Perspektive der Fuhrungskrafteentwicklung
2.3.15 Perspektive des psychodynamischen Coachings
2.3.16 Perspektive der Wertespannungen
2.3.17 Perspektive der Interventionsquadranten im Wissensmanagement
2.4 Ableitung managementbezogener Schlusselkompetenzbereiche

3 Ziel und Forschungsfragen

4 Methodik
4.1 QualitativeForschung
4.1.1 Teilstandardisierte Interviews
4.1.2 Erstellung des Interviewleitfadens
4.2 Bestimmung und Rekrutierung der Stichprobe
4.3 Durchfuhrung der Interviews
4.4 Auswertung der Interviews
4.4.1 Transkription der Gesprachsaufnahmen
4.4.2 Entwicklung des Kategoriensystems
4.4.3 Einordnung der Interviewaussagen in das Kategoriensystem
4.4.4 Gutekriterien der wissenschaftlichen Forschung

5 Ergebnisse
5.1 Beschreibung des Befunds
5.1.1 Forschungsfrage 1
5.1.2 Forschungsfrage 2
5.1.3 Forschungsfrage 3
5.1.4 Forschungsfrage 4
5.2 Interpretation der Ergebnisse
5.2.1 Forschungsfrage 1
5.2.2 Forschungsfrage 2
5.2.3 Forschungsfrage 3
5.2.4 Forschungsfrage 4
5.3 Diskussion im theoretischen Rahmen
5.3.1 Forschungsfrage 1
5.3.2 Forschungsfrage 2
5.3.3 Forschungsfrage 3
5.3.4 Forschungsfrage 4
5.4 ImplikationenfurdieTheoriebildung
5.5 Handlungsempfehlungen zur Optimierung im Einzel-AC

6 Kritische Wurdigung

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Anhang

Abstract

In qualitativen Einzelinterviews wurden psychologisch tatige Berater in der Ma- nagement-Diagnostik (n=12) zum Untersuchungsgegenstand des Einzel- Assessments befragt, um die in der Praxis angewandte diagnostische Instrumentie- rung aufzudecken. Das von den Interviewpartnern angewandte Design und die zu- grundeliegenden Gestaltungsprinzipien offenbaren eine anforderungsbasierte Kon- zipierung. Hierbei werden dertrimodale Ansatz, die Prinzipien der Multimethodalitat und -perspektivitat, der Response-Offenheit und des Ego-Involvements berucksich- tigt. Jedoch zeigt die Praxis der Interviewpartner ein begrenztes Innovationspoten- zial in der Management-Diagnostik, das sich mehrheitlich auf die Optimierung und Verschlankung von Prozessen sowie die konkrete Modellierung situativer Verfah- ren beschrankt. Als limitierende Einflussfaktoren konnten spezifische Konzeptions- aufwande sowie die zeitliche und finanzielle Ressourcenzuteilung seitens der Auf- trag gebenden Unternehmen identifiziert werden. Bezuglich des Stellenwertes der Personalentwicklung im Einzel-Assessment zeigen die qualitativen Daten einen inhomogenen Befund, der auf die unterschiedliche entwicklungsdiagnostische Fo- kussierung der Interviewpartner zuruckzufuhren ist. Nur bei wenigen Interviewpart­nern konnte ein Verstandnis von Auswahl und Entwicklung im Einzel-Assessment als zwei ineinandergreifende Phasen eines Prozesses festgestellt werden. Dabei entstand im Forschungsprozess der Eindruck einer vorrangig statisch gepragten Eignungsdiagnostik bei gleichzeitiger Unterreprasentanz von Impulsen einer dyna- mischen Passungsdiagnostik. Diesen Erkenntnissen wurde das Instrument des Entwicklungsquadrates gegenubergestellt, um sowohl Anwendungsmoglichkeiten der entwicklungsquadratischen Systematik im Einzel-Assessment zu evaluieren als auch relevante managementbezogene Schlusselkompetenzbereiche eines Mana- ger-Anforderungsprofils in der Praxis der Interviewpartner zu erheben. Daraus soll- te insgesamt ein Innovationspotenzial abgeleitet werden. Die Mehrzahl der Inter­viewpartner erkannte einen Nutzen des entwicklungsquadratischen Instruments in der Feedbackgabe, um kandidatenbezogene Lernfelder und Entwicklungsbereiche in einen Rahmen zu integrieren und dem Kandidaten wunschenswerte Entwick- lungsrichtungen visualisiert darstellen zu konnen.

Schlusselworter: Manager, Einzel-Assessment, psychometrische Tests, situative Verfahren, Interview, Entwicklungsquadrat, managementbezogene Schlusselkom­petenzbereiche, entwicklungsquadratische Anwendungsmoglichkeiten.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Verfahrensklasse der Potenzial-Analyse und des Assessment-Centers

Abbildung 2. Verfahrensklasse des Einzel-Assessments

Abbildung 3. Ubersicht eines idealtypischen Ablaufs im Vollverfahren eines Einzel- Assessments

Abbildung 4. TrimodalerAnsatz in der Eignungsdiagnostik nach Schuler

Abbildung 5. Stimulus-Response-Kombinationen

Abbildung 6. Ziele des Feedbackgespraches

Abbildung 1. Bedingungen fur entwicklungsforderliche Wirkungen von Potenzial- analysen

Abbildung 8. Ausgewahlte Top-Trends in der Personalberatungsbranche

Abbildung 9. Wertequadrat

Abbildung 10. Manager-Kompetenzprofil zur Verhaltensbeurteilung in 12 Kompe- tenzbereichen

Abbildung 11. Komplementare Kompetenzen

Abbildung 12. Uberfuhrung des Big Five-Ansatzes in funf Wertequadrate

Abbildung 13. Kriterienmatrix

Abbildung 14. Komplementare Verhaltenskriterien

Abbildung 15. Personlichkeitseinschatzung

Abbildung 16. 14 Dilemmata der Fuhrung

Abbildung 17. Dynamische und befahigende Fuhrung mit zugeordneten Tugenden

Abbildung 18. Strategische und operative Fuhrung mit zugeordneten Tugenden..

Abbildung 19. Eigenschaften des Level 5 Leaders

Abbildung 20. 5 paradoxe Prinzipen

Abbildung 21. Komplementare Gegensatze im Transformationsprozess

Abbildung 22. Elemente der Wertebalance

Abbildung 23. Spannungsfelder und ubergeordnete Managementbereiche des Balance-Modells

Abbildung 24. Wertequadrate in der Fuhrungskrafte-Entwicklung

Abbildung 25. Grundbedurfnisse mit zugeordneten Gegenpolen

Abbildung 26. Denken in Wertgegensatzen

Abbildung 27. Interventionsquadranten

Abbildung 28. Abgeleitete Erkenntnisse aus inhaltlicher Sichtung der Einzel- abbildungen des Kapitels 2.3 und zugeordneterAnhange

Abbildung 29. Inhaltliche Bestimmung ubergeordneter Managementbereiche

Abbildung 30. Zuordnung identifizierter entwicklungsquadratischer Kompetenz- profile zu ubergeordneten Managementbereichen nach dem Ansatz von Grote et al. (2012) mitAnzahl und prozentualerVerteilung

Abbildung 31. Auswahlkriterien der Stichprobe

Abbildung 32. Angewandte psychometrische Tests in der Management-Diagnostik

Abbildung 33. Fehlende Schlusselkompetenzbereiche eines Manager-Anfor- derungsprofils aus der beruflichen Praxis der Interviewpartner

Abbildung 34. 12 als relevant eingeschatzte managementbezogene Schlussel­kompetenzbereiche eines Manager-Anforderungsprofils aus der beruflichen Praxis der Interviewpartner

Abbildung 35. Zuordnung der durch die Interviewpartner als relevant einge- schatzten managementbezogenen Schlusselkompetenzbereiche zu den uber- geordneten Managementbereichen des Ansatzes von Grate et al. (2012) nach Anzahl und prozentualerVerteilung

Abbildung 36. Einschatzung entwicklungsquadratischer Anwendungsmoglichkeiten im Einzel-Assessmentaus Expertensicht

Abbildung 37. Erganzende Themenfelder zur Nutzung von Entwicklungsquadraten aus Expertensicht

Abbildung 38. Spezifische Bedingungen fur die Nutzung von Entwicklungs­quadraten und ihrer spezifischen Systematik

Abbildung 39. Zuordnung der Perspektiven des theoretischen Rahmens nach Kapitel 2.3 zu den relevanten managementbezogenen Schlusselkompetenz- bereichen eines Manager-Anforderungsprofils nach Abb. 34

Abbildung 40. Handlungsempfehlungen fur Management-Diagnostik-Anbieter...

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Aufteilung und Umsatzwachstum ausgewahlter Beratungsfelder in der Personalberatung

Tabelle 2: Aufgestellte Forschungsfragen und zugeordnete Interviewfragen unter Bezugherstellung zu den 101 abgeleiteten Interviewfragen aus dem Datenmaterial des theoretischen Rahmens

Tabelle 3: Qualitativer Stichprobenplan

Tabelle 4: Anpassung der Ober- und Unterkategorien

Tabelle 5: Befund zu wesentlichen managementbezogenen Schlusselkompetenz- bereichen eines Manager-Anforderungsprofils in der Praxis

Tabelle 6: Befund zur praxisbezogenen Nutzung des Entwicklungsquadrates und dessen spezifischer Systematik als Instrument im Einzel-AC

1 Einfuhrung

Das Treffen von richtigen Entscheidungen bei der Personalauswahl und -entwicklung von Fuhrungskraften und Managern ist fur viele Unternehmen, die sich in einem starken Wettbewerb um Kunden und Marktanteile befinden, von au- Rerordentlicher strategischer Bedeutung, um sowohl Fehlbesetzungen zu vermei- den als auch erfolgreich am Markt agieren zu konnen. Unter dem Titel „Manger & Moral - Elite auf Abwegen" stellen Afhuppe et al. (2017) fest, dass der gesellschaft- liche Wandel „nach einem Managertyp verlangt, der fur weit mehr steht als Ge- winnmaximierung um jeden Preis. Die Zeit fur eine eindimensionale Unterneh- mensfuhrung ist seit der Weltfinanzkrise, die den Steuerzahler Milliarden gekostet hat, vorbei" (Afhuppe et al., 2017, S. 46). Es existiere vielmehr eine gesellschaftli- che Sehnsucht nach einem ehrbaren Kaufmann mit Vorbildfunktion. Welches Licht werfen aber die aktuellen Exzesse, wie der Volkswagen-Dieselskandal und ein- schlagige Kartellabsprachen in der deutschen Wirtschaft (vgl. Eckl-Dorna, 2017; Jung, Mussgens & Peitsmeier, 2017), auf den Teilaspekt der Personalauswahl in den Unternehmen, die den heute handelnden Fuhrungskraften und Managern in ihre jeweilige Position verhalf? Vor Begrundung einer Leistungspartnerschaft zwi- schen Unternehmen und Kandidaten werben etablierte Beratungsfirmen der Ma- nagement-Diagnostik fur ihre Dienstleistung des Einzel-Assessments, um Unter­nehmen beim Treffen von (wirtschaftspsychologisch) richtigen Personalentschei- dungen in der Auswahl und Entwicklung von Fuhrungskraften und Managern ziel- fuhrend zu unterstutzen. „Die Fahigkeit, uber Potenzial, Kompetenzen, Motivation und Affinitaten eines Kandidaten zu urteilen" (Kewes, 2017, S. 14) stuft der Deutschlandchef einer der groRten Personalberatungen dabei als wesentlich ein. „Also gerade die tiefere Kenntnis der Personen" (Kewes, 2017, S. 14) soil im Ideal- fall den Auftrag gebenden Unternehmen in Zukunft helfen, direkte Kosten wie ver- tragliche Abfindungen und Outplacement-Beratungen sowie indirekte Kosten einer geringeren Performance zu vermeiden. Daruber hinaus stellt sich die Frage, mit welchen qualitativen Instrumenten Fuhrungskrafte und Manager zum Abschluss ihres Einzel-Assessments im Feedbackprozess als qualitatives Modell uber sich selbst unterstutzt werden konnen, um in alltaglichen Arbeits- und Fuhrungssituatio- nen die Vielfaltigkeit und Uneindeutigkeit von Jobanforderungen und organisationa- len Erwartungen erfolgreich bewaltigen zu konnen und das eigene Verhaltensre- pertoire gezielt weiterzuentwickeln.

1.1 Einordnung des Themas

Unter dem Begriff der Management-Diagnostik, die sich seit Mitte des 20. Jahrhun- derts aus der allgemeinen psychologischen Eignungs- und Leistungsdiagnostik herausbildete (vgl. Moser & Schuler, 2013), werden „Konzepte, Instrumente und Moglichkeiten psychologischer Eignungsdiagnostik fur das besondere Anwen- dungsgebiet des Managements" (Sarges, 2013a, S. 23) subsumiert, die den Teilbe- reichen der Personalauswahl und der Personalentwicklung dienen. Mit dem Mittel der qualitativen Forschung durch teilstandardisierte Interviews soil das Vorgehen von Beratungsfirmen im Segment des Einzel-Assessments naher ergrundet wer­den, das bei der Zielgruppe des oberen und obersten Managements in den zuruck- liegenden Jahren verstarkt Anwendung findet, und die Einsatzmoglichkeiten des Wertequadrates nach Helwig (1936) sollen erortert werden, das in der heutigen Form als Entwicklungsquadrat (vgl. Westermann, 2007a) bei Beratern, Kandidaten und Unternehmen vielfach Anwendung findet.

1.2 Vorgehensweise

In Kapitel 2 wird der Bezugsrahmen dieser Master-Thesis entwickelt, indem der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Theorie und Forschung zu angewandten Verfahrensklassen in der Management-Diagnostik naher vorgestellt wird und eine Eingrenzung auf den Untersuchungsgegenstand des Einzel-Assessments erfolgt. Uber die Definierung diesbezuglicher Fachtermini werden das psychologische De­sign und die Gestaltungsprinzipien sowie deren diagnostische Instrumentierung erlautert, urn darauffolgend die Akzeptanz und die Wirkung des Kandidatenfeed- backs vorzustellen. Ausgewahlte Kennzahlen liefern einen aktuellen Einblick in die Personalberatungsbranche in Deutschland und eroffnen zugleich das Feld fur die spatere Auswahl von potenziellen Interviewpartnern fur die qualitative Datenerhe- bung. Ausgehend vom Instrument des Wertequadrates nach Helwig (1936), das als Grundlagenmodell der Untersuchung im anwendungsbezogenen Kontext dient, werden fur den Forschungsrahmen in der Fachliteratur identifizierte entwick- lungsquadratische Kompetenzprofile als Uberblicksdarstellung vorgestellt, urn in der Folge managementbezogene Schlusselkompetenzbereiche ableiten zu konnen. Ausgehend von der Entwicklung des Bezugsrahmens liefert Kapitel 3 die Zieldefini- tion dieser Master-Thesis und die dazu aufgestellten Forschungsfragen. In Kapitel 4 wird der theoretische Hintergrund durch die Anwendung der qualitativen For- schungsmethodik in Form von leitfadengestutzten teilstandardisierten Interviews naher vorgestellt. Mithilfe von 12 Interviewpartnern als Fachexperten konnten die in Kapitel 5 genannten Ergebnisse gewonnen werden, um die aufgestellten For- schungsfragen zu beantworten. Aus der sich anschlieRenden Diskussion im theore- tischen Rahmen folgen die Ableitung von Implikationen fur die Theoriebildung so- wie Handlungsempfehlungen fur die Praxis zur Optimierung des Einzel- Assessments. Die dabei erzielten Ergebnisse, ihre Aussagefahigkeit und das wis- senschaftliche Vorgehen des Autors dieser Master-Thesis werden in Kapitel 6 kri- tisch reflektiert. AbschlieRend wird in Kapitel 7 ein Fazit gezogen, welches die we- sentlichen Erkenntnisse dieser Master-Thesis zusammenfasst.

2 Entwicklung des Bezugsrahmens

2.1 Management-Diagnostik

Die Management-Diagnostik wird begrifflich als „eine Untermenge der beruflichen Eignungsdiagnostik" (Sarges, 2013a, S. 23) eingeordnet. Als Grunde der Schwer- punktsetzung nennet Sarges (2013a) das marktbezogene Motiv der hohen Bedeu- tung der Manager-Personlichkeit und ihres Handelns fur den jeweiligen Unterneh- menserfolg, woraus sich eine „Akzentsetzung auf diagnostische Ansatze und Ver- fahren [...] speziell fur Manager [... ergebe, deren] eignungsdiagnostische Konzep- te und Instrumente" (Sarges, 2013a, S. 24) in praxi einen arbeitsteiligen Vorteil bie- ten. In den vergangenen „zwei bis drei Jahrzehnten [sei ...] besonderes Gewicht auf die Entwicklung von Fuhrungskraften [(FK)] gelegt [... worden und zukunftig sollte] doch wieder mehr [...] die Auswahl" (Sarges, 2013a, S. 32) fokussiert wer­den, begrundet in aktuellen Skandalen des oberen und obersten Managements einiger Unternehmen (UN), wie in Kapitel 1 vorgestellt wurde. Im Folgenden wer­den zunachst die Verfahrensklassen Assessment-Center (AC) und Einzel- Assessment (Einzel-AC) naher vorgestellt und voneinander abgegrenzt, um uber die Definierung von Fachtermini den theoretischen Rahmen dieser Master-Thesis im breiten Feld der Management-Diagnostik weiter einzugrenzen.

2.1.1 Verfahrensklassen

Nach Saaman (2016a, 2016d) erfolgt die Implementierung diagnostischer Verfah­rensklassen bei Personalauswahlprozessen i.d.R. am Ende der Prozesskette und sollte „explizit auf die Zielgruppe derer ausgerichtet [sein], die Fuhrungsverantwor- tung tragen Oder zukunftig dafur infrage kommen" (Saaman, 2016b, S. 1). Daher erfasst die Management-Diagnostik sowohl Personlichkeitsmerkmale, bei denen auf nomothetische Konstrukte der Differenziellen Psychologie zuruckgegriffen wird, als auch Management- und Leadership-Merkmale (vgl. Sarges, 2015), also die „Ar- beit in und an der Organisation [... und die] Arbeit mit und an Menschen" (Saaman, 2016b, S. 1). Als Kernaufgabe der beruflichen Eignungsdiagnostik sieht Sarges (2016) die valide Abschatzung der Eignung und des Potenzials von Kandidaten fur deren Auswahl und Platzierung in UN (vgl. von Rosenstiel, 2001), wie in Kapitel

2.1.2 naher definiert wird. Die Abb. 1 stellt die diagnostischen Verfahrensklassen der Potenzial-Analyse und des AC naher vor:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Verfahrensklasse der Potenzial-Analyse und des Assessment-Centers (Eigene Darstellung nach Blickle, 2014, S. 244 ff.; Gloor, 1997, S. 22 ff.; Klein- mann, 2013, S. 809 ff.; Obermann, 2013, S. 86 ff.; Saaman, 2016b, S. 1; Sarges, 2005, S. 4 ff.; Sarges, 2013a, S. 25 ff.; Schumacher, 2014, S. 61 ff.; Westermann, 2016, S. 391).

Kritisch ist zu bemerken, dass mithilfe von AC „Aussagen im Personalauswahlbe- reich getroffen werden konnen, die Aussagen zur Personalentwicklung jedoch frag- lich sind, da die genaue Erfassung der Dimensionsauspragungen (Konstruktvalidi- tat) offensichtlich nicht gelingt" (Kleinmann, 2013, S. 810) (vgl. Sackett & Dreher, 1982; Lance, Foster, Nemeth, Gentry & Drollinger, 2007). In Abgrenzung zum AC der Abb. 1 wird hingegen das Einzel-AC bei der Zielgruppe des mittleren bis obe- ren Managements seit den 1970er Jahren verstarkt angewendet (vgl. Moser & Schuler, 2013) und „fuhrt naturgemaR zu mehr in die Tiefe gehenden Ergebnissen" (Saaman, 2016b, S. 1) als klassische AC-Verfahren, urn die Entscheidungsfindung bezuglich einer zukunftigen Leistungspartnerschaft zu unterstutzen. Die Abb. 2 stellt die Verfahrensklasse des Einzel-AC naher vor:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. Verfahrensklasse des Einzel-Assessments (Eigene Darstellung nach Backer, 2002, S. 23; Kleinmann, 2013, S. 817; Obermann, 2013, S. 361 ff.; Saaman, 2016b, S. 1; Sarges, 2005, S. 3 f.; Sarges, 2013b, S. 825 ff.; Schuma­cher, 2014, S. 67).

Guion und Highhouse (2004) stellen bezuglich der Abgrenzung zwischen AC und Einzel-AC fest, dass bei AC die Struktur im Vordergrund stehe und weniger die fachliche Expertise der Beobachter, bei denen es sich vielfach um Laien handle (vgl. Saaman, 2016f). Bei Einzel-AC sei das Gegenteil der Fall, indem weniger Wert auf die Struktur gelegt werde und stattdessen starkeres Gewicht auf die Ex­pertise der Diagnostiker. Sarges wirft die Frage auf, inwiefern eine Verbesserung von Auswahlprozessen durch die Erganzung von „Heuristiken (z.B. Take-the-best, effizienter Entscheidungsbaum, Tallying) [erreicht werden kann], die mit weniger Informationen auskommen und in einigen Bereichen schon bessere Prognosen erzielen konnten als aufwendigere Verfahren" (Sarges, 2013b, S. 838) und inwie- weit diese Entwicklung traditionelle Methoden zukunftig ersetzt. Dies hange we- sentlich von weiteren Forschungsbemuhungen ab (vgl. Marewski & Gigerenzer, 2013).

2.1.2 Definition und Eingrenzung wesentlicher Fachtermini

Aufgrund der unterschiedlichen inhaltlichen Bestimmungen der Verfahrensklassen nach Abb. 1 und 2 wird der Untersuchungsgegenstand des Einzel-AC fur diese Master-Thesis nachfolgend naher eingegrenzt:

Etablierte individualdiagnostische Verfahrensklasse der Management- Diagnostik, die im Gegensatz zum AC keiner standardisierten Methode folgt, sich aber methodischer Standards des AC bedient und an der klinischen Be- gutachtung orientiert, auf nur einen teilnehmenden Kandidaten fokussiert ist, der unter Wahrung der Diskretion durch einen einschatzenden Psychoiogen Oder psychologisch tatigen Berater unter Heranziehung multipler Assessment- Methoden und dem festen Bestandteil des Interviews tiefergehend analysiert wird, um eine Leistungsbeschreibung oder/und Verhaltensbeschreibung des Kandidaten vorzunehmen, die als Grundlage der Empfehlung zur Selektion, Entwicklungsberatung und Platzierung ggu. den Auftraggebern dienen (vgl. Ba­cker, 2002; Birkhan, 1998; Saaman, 2016d; Sarges, 2013a; Sarges, 2013b; Sil- zer & Jeanneret, 2011).

Im Verfahrensablauf sollen nach Saaman (2016c, 2016d, 2016g, 2016h) die Po- tenziale und die Fahigkeits- und Fertigkeitsmerkmale im Kontext des jeweiligen UN-Kompetenzmodells sowie vorhandene Management- und Leadership- Kompetenzen des Kandidaten identifiziert werden (vgl. Sauter & Staudt, 2016, Kap.

2). Der Begriff des Potenzials wird in Anlehnung an Schuler (2007) und Becker (2008) im Rahmen dieser Master-Thesis definiert als

,,bestehende sowie noch nicht entwickelte Leistungsmoglichkeiten einer Person [..., die] sowohl durch gezielte Entwicklungsaktivitaten als auch durch personale Entwicklungsprozesse entwickelbar[11] (Gunkel, 2014, S. 26) sind.

Im Prozessverlauf sieht Saaman (2016h) den Fokus auf der Klarung von Motiven und Werten, dem Rollenverstandnis bzw. erfolgskritischen Faktoren und berufsre- levanten Merkmalen der Personlichkeit des Kandidaten und seiner Denkbeweglich- keit bzw. -festigkeit, um die Passgenauigkeit zwischen Stellenanforderungen, dem UN-Kompetenzmodell und dem aufgedeckten Kompetenzprofil des Kandidaten feststellen zu konnen. Im Rahmen dieser Master-Thesis werden Kompetenzen de­finiert als

,,Kombinationen aus psychologischen Grunddimensionen, [... indem] eine Kompetenz [... als] ein multidimensionaler Komplex von psychologischen Attri- buten [gesehen wird], der Personlichkeitsmerkmale und Fahigkei- ten/Fertigkeiten und Antriebe mit Verhalten verknupft[11] (Sarges & Westermann, 2013, S. 877), die sich systematisch erfassen lassen.

Silzer und Jeanneret (2011) stellen dazu fest, dass „heutzutage die Jobanforderun- gen und die organisationalen Erwartungen an einen einzelnen Manager vielfaltiger und oft auch uneindeutiger sind als noch vor zwei Oder drei Jahrzehnten" (Sarges, 2013b, S. 827), wie in Kapitel 1 aufgegriffen wurde. Daher gestaltet sich die Be- stimmung von personalen Schlusselmerkmalen und Kompetenzkomplexen eines intendierenden Manager-Erfolges auf der Seite der Anforderungsdefinierung als herausfordernd, sodass Sarges feststellt, dass es „kein homogenes Anforderungs- profil furalle Managementjobs [gibt]: Je nach Branche, Ressort/Funktion, hierarchi- scher Position etc. werden neben den unterschiedlichen Gewichten der generellen Anforderungsmerkmale zusatzlich spezifische Anforderungen der besonderen Si­tuation von Bedeutung sein“ (Sarges, 2013b, S. 829), was beispielhaft am kontra- ren Anforderungspaar Management vs. Fuhrung festgemacht wird. Vor diesem Hintergrund wird die Aufgabe eines Diagnostikers wie folgt eingegrenzt:

,,Assessoren mussen berichtetes Oder gezeigtes Probandenverhalten akkurat den Beurteilungsdimensionen zuordnen, Informationen integrieren und Proban- den auf den spezifischen Verhaltensdimensionen zutreffend einstufen [... und ggf.] konfigurale Interpretationen finden, die zum Verstehen der Beziehungen

zwischen personlichen Charakteristiken, Kompetenzen und Kontext-Variablen fuhren“(Sarges, 2013b, S. 834).

Die in diesem Zusammenhang z.T. von UN genutzten Kompetenzmodelle fur FK stellen „ein auf die Zukunft gerichtetes Instrument [... dar und mussen aktualisiert werden], sobald sich die wesentlichen Eckpfeiler zur Zukunftssicherung des Unter- nehmens geandert haben" (Saaman, 2016g, S. 1). Veraltete Anforderungen seien zu streichen Oder durch neue im Sinne einer Modellpflege zu erganzen, damit er- folgskritische Merkmale der Rollenverantwortung definiert sind, die der Kandidat in seiner zukunftigen Tatigkeit erfullen konnen muss. Das aufzustellende UN- Kompetenzmodell stellt damit nach Saaman (2016g) den Orientierungsrahmen sowohl fur die Fuhrenden dar, urn das zu Leistende und erfolgsrelevante Verhal- tensweisen festzulegen, als auch fur die Mitarbeiter (MA), die daruber erfahren, was sie an Verhaltensweisen von ihren Fuhrungsverantwortlichen erwarten kon­nen. Dies unterstutzt nach Saaman (2016g) die Entwicklung von Fuhrungsqualitat insgesamt.

2.1.3 Psychologisches Design und Gestaltungsprinzipien

Auf der theoretischen Ebene dient die DIN 33430 als Prozessnorm fur diagnosti- sche Verfahren sowie die von der Federation Deutscher Psychologenvereinigun- gen erlassene Fortbildungs- und Prufungsordnung zur Personenlizenzierung fur berufsbezogene Eignungsbeurteilungen, die durch Fortbildungsangebote und Li- zenzprufungen erweitert ist (vgl. Sarges, 2013b). Auf europaischer Ebene sind Qualitatsstandards in der ISO 10667-1 und ISO 10667-2 festgelegt. Durch den Ar- beitskreis Assessment Center e. V. werden erganzend Praxisinhalte und deren theoretische Fundierung veroffentlicht (vgl. Arbeitskreis Assessment Center e. V. [AkAC], 2016a), der als „Forum fur Personalauswahl und -entwicklung [... dient und] Spezialisten aus Wirtschafts- und Dienstleistungsunternehmen, Wissenschaft sowie der offentlichen Verwaltung" (AkAC, 2017) umfasst. Der idealtypische Ablauf eines Vollverfahrens nach Abb. 3 stellt die wesentlichen Inhalte zusammen, die Kandidaten in einem Einzel-AC durchlaufen. Saaman sieht dabei aus der psycho- logischen Perspektive zwei Auftraggeber des Einzel-AC: Das Auftrag gebende UN und den Kandidaten, „der sich im Vertrauen auf eine professionelle Bewertung dem Diagnostiker anvertraut" (Saaman, 2016a, S. 1). Daher sei zuerst auf Ebene des Auftraggebers eine prazise Formulierung der Anforderungen und modellhaften Kompetenzen unerlasslich, urn in der Folge bezogen auf den Kandidaten „kontu- renklare Antworten [... geben zu konnen, die sich] aus neutraler Distanz und Ex- pertensicht substanziell" (Saaman, 2016c, S. 1) begrunden lieRen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3. Ubersicht eines idealtypischen Ablaufs im Vollverfahren eines Einzel- Assessments (Eigene Darstellung nach Saaman, 2016d, S. 1; Saaman, 2016e, S. 1).

Bei der Ermittlung „der Passung eines Kandidaten zu einer Aufgabe mitsamt ihrer Einbettung in ein bestimmtes organisatorisches Umfeld [... sei] ein mehrstufiges Passungsmodell [... aus] person organization fit, person group fit [... und] person job fit" (Sarges, 2016, S. 9) zu kombinieren (vgl. Hoefert, 2013; Kristof-Brown & Guay, 2011; Sarges, 2013a). Sarges sieht in diesem Kontext in der Flexibility und Wandelbarkeit des Managerverhaltens (vgl. Kapitel 2.4) einen wesentlichen er- folgswirksamen Aspekt: „Der oft rasche Wechsel und die effiziente Ubernahme verschiedener Rollen macht Inkonsistenz [... im Verhalten des Managers] gerade- zu zur Voraussetzung [... des] Erfolges. Konsistent allerdings muss die Zielorientie- rung all seiner Aktionen sein“ (Sarges, 2013c, S. 11). Dabei nimmt Sarges Bezug auf Moser (1991), der von konsistenten Dispositionen spricht, die mit inkonsisten- tem Verhalten zusammenfallen und daher fur Sarges im Vollverfahren eines Einzel-

AC zu fokussieren seien. Der eigenschaftstheoretische Ansatz und dessen Erfas- sung der Personlichkeitsmerkmale in Person-Situation-Interaktionen sei eine rele- vante und „gunstige Vorbedingung [...] des Managementerfolgs, d.h. [... eine] not- wendige, aber nicht hinreichende" (Sarges, 2013c, S. 19) Bedingung, worauf Sar- ges die Frage nach der Universalitat von herangezogenen Personlichkeitskonstruk- ten fur eignungsdiagnostische Uberlegungen aufwirft. Besondere Bedeutung kommt nach Saaman (2012) und Sarges (2016) zudem der Dechiffrierung der UN- Kultur und Prufung der Vertraglichkeit zwischen Kandidat und UN zu, um Belastun- gen und AbstoRungsreaktionen im Vorfeld der Personalentscheidung identifizieren zu konnen. Bezogen auf die Kandidaten der oberen und obersten Managerebene sieht Sarges (2016) die Informationserhebung durch Selbsturteile im Verfahrensab- lauf gem. Abb. 3 Punkt 6 jedoch kritisch, da die betreffenden Kandidaten im Verlauf ihrer zuruckgelegten beruflichen Entwicklung und ihres bisherigen Aufstieges i.d.R. die Darstellung der eigenen Personlichkeit nach auRen strategisch optimiert und verfeinert hatten, um so Karriereambitionen gezielt verwirklichen zu konnen. Das Auftreten der sozialen Erwunschtheit bei der Erfassung der Selbsteinschatzung von Personlichkeitsmerkmalen in eignungsdiagnostischen Fragebogen kann daher nicht ausgeschlossen werden. Renner und Laux (2013) stellen diesem Phanomen die Studienergebnisse von Blickle, Momm, Schneider, Gansen und Kramer (2009) entgegen: eine exponierte Selbstdarstellung verbessert die Kriteriumsvaliditat von Personalentscheidungen, da bei der Bearbeitung von Personlichkeitsfragebogen „dieselben selbstdarstellungsbezogenen Ziele, Motive und Kompetenzen eine Rolle spielen wie in realen Interaktionen am Arbeitsplatz" (Renner & Laux, 2013, S. 377). Daher hangt nach Saaman (2016c) die Ergebnisqualitat und Treffsicherheit der Prognose wesentlich von der Qualitat des diagnostizierenden Assessors, seiner diagnostischen Ausbildung und Erfahrung sowie seiner „Modellbildung uber das Handeln, Verhalten und Empfinden von [...] Managern durch Literatur, tagliche Er­fahrung und Austausch mit anderen psychodiagnostisch tatigen Experten" (Sarges, 2013b, S. 832) ab. Ein abgerundetes Verfahren sollte sowohl diagnostische als auch prognostische Aussagen uber vorhandene Fahigkeiten des Kandidaten, des­sen Potenziale, sein zukunftiges Leistungsverhalten und wunschenswerte Entwick- lungsrichtungen geben konnen (vgl. Saaman, 2016h). Der abschlie^ende Ergeb- nisbericht des Diagnostikers sollte den „Kandidaten so kantenscharf und treffsicher wie moglich" (Saaman, 2016a, S. 1) abbilden, um in der Folge dem Auftrag geben- den UN die Entscheidung uber die Personalauswahl und Stellenbesetzung zu er- leichtern. Sarges (2013b) erganzt, dass z.T. erst die detaillierte Kandidaten- Beschreibung den Auftrag gebenden UN bewusst mache, wie das gesuchte Anfor- derungsprofil tatsachlich beschaffen sein musste (vgl. Schmid, 2000). Dorner (1976) beschreibt dies als dialektisches Problem, bei dem die spezifischen Beurtei- lungskriterien mit dem Konstruieren des Zielzustandes zusammen entstehen. Das aufbereitete Kompetenz- und Potenzial-Bild im Ergebnisbericht sollte auch diag- nostische Auskunft uber genutzte und ungenutzte Potenziale des Kandidaten lie- fern und individuelle Laufbahnmoglichkeiten und Entwicklungsrichtungen offenle- gen, urn im Sinne einer Standort- und Potenzialbestimmung ggu. dem „Teilnehmer ein sehr differenziertes, in die Tiefe gehendes Feedback zu seinen Starken ebenso wie zu den Entwicklungsfeldern und -chancen" (Saaman, 2016d, S. 1) abgerundet liefern zu konnen, wie in Kapitel 2.1.4 bezugnehmend auf die Forschungsergebnis- se von Gunkel (2014) vertiefend vorgestellt wird. Damit lieRen sich praventiv zu- kunftige Fehlentwicklungen im beruflichen Kontext abwenden, urn den in Kapitel 1 vorgestellten Defiziten in der UN-Praxis bezuglich der Personalauswahl und -entwicklung entgegenzuwirken.

2.1.3.1 Prinzip der Multimethodalitat und -perspektivitat

Gem. Schuler und Schmitt (1987) sind Prognosen, die auf multiplen Prozeduren beruhen, treffsicherer als singulare Verfahren. Das von Schuler (2000) entwickelte Bezugskonzept kombiniert die drei methodischen Ansatze in der beruflichen Eig- nungsdiagnostik in Form des Eigenschafts-, Verhaltens- und Ergebnisansatzes, wie die Abb. 4 naher zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4. Trimodaler Ansatz in der Eignungsdiagnostik nach Schuler (RMC, 2017, S. 1).

Gem. Sarges (2013b) gelten die angewendeten Instrumente in dreifacher Hinsicht als geeignet, wenn sie die exakte Merkmalserfassung der Anforderungs- und Eig- nungsmerkmale, die Erzielung einer moglichst hohen Akzeptanz bei dem Kandida- ten und die Einfugung in den okonomischen Zeit- und Kostenrahmen zugleich er- moglichen (vgl. Blickle, 2014). Ausgehend von der Abb. 3 ist der Bereich an Tests bei Einzel-AC aufgrund der zu begutachtenden Zielgruppe unterreprasentiert: ,,Dif- ferenziell-psychologische Eigenschaftsvariablen benotigen aber zumindest im Ein- zel-Assessment substanzielle idiografische Erganzungen" (Sarges, 2013b, S. 831), weil das beobachtbare „Verhalten nicht auf simple Art und Weise stabil und konsis- tent ist, wie es das theoretische Konzept der Eigenschaften impliziert" (Rammsayer & Weber, 2010, S. 217, zitiert nach Sarges, 2013b, S. 831), wie in der Folge in Ka- pitel 2.3.7 anhand der Position von Neuberger (1983) kritisch vorgestellt wird. Stattdessen liegt im Einzel-AC der Fokus auf den biographischen Ergebnissen im Interview und dem evozierten simulationsbasierten Verhalten, das „individuumsbe- zogene Bedingungsanalysen fur bestimmtes (erwunschtes Oder unerwunschtes) Verhalten" (Sarges, 2013b, S. 831) ermoglicht (vgl. Saaman, 2016i). Neben der Multimethodalitat sieht Sarges (2005) die Multiperspektivitat als erganzendes Ele­ment, urn weitere Beurteiler-Quellen, wie Informationen z.B. von Vorgesetzten, Kol- legen Oder ehemaligen Arbeitgebern, zu bundeln und diese erganzenden Erkennt- nisse in das Vollverfahren der Abb. 3 zu integrieren. Urn das Spektrum diagnosti- scher Informationen gezielt zu erweitern, werden im Folgenden drei erganzende diagnostische Gestaltungsprinzipien naher vorgestellt, die bei der praktischen Kon- struktion von Einzel-AC nach dem trimodalen Ansatz der Abb. 4 Berucksichtigung finden sollten.

2.1.3.2 Prinzip der Stimulus-Mehrdeutigkeit

Ausgehend von dem Ansatz der Eignung als Passung von Person und Situation konnen die Anforderungen an eine Situation als „Umstande und Bedingungen, un- ter denen der prospektive Manager ergebnisorientiert agieren muss [definiert wer­den]. Diese sind bedingt durch die Funktion des Jobs, die organisationalen Gege- benheiten sowie markt-, volks- und weltwirtschaftliche Dynamiken" (Sarges, 2013a, S. 25). Dem Gestaltungsprinzip der Stimulus-Mehrdeutigkeit folgend, sollte die Si- tuationskreierung nur schwach strukturierte und mehrdeutige Stimuli beinhalten, damit Personlichkeitsmerkmale in individuellen Verhaltensauspragungen voll zur Entfaltung kommen konnen. Hierbei lasst sich beurteilen „wie gut ein Kandidat be- stimmte uneindeutige Situationen mitgestalten kann - eine uberaus wichtige Infor­mation fur valide Managementpotenzial-Einschatzungen" (Sarges, 2013a, S. 29). Ausgehend von Mischel (1977) nennt Sarges als wesentlichen Vorteil einer solchen Situationsgestaltung, dass „etliche neuralgische Personlichkeitsmerkmale (z.B. Dominanz, Wettbewerbsorientierung) nur in eher schwachen Situationen vielfaltige Verhaltensweisen bzw. viel Verhaltensvariabilitat zulassen - d.h. hier kann uber- haupt erst Personlichkeit gezeigt" (Sarges, 2013a, S. 30) und folglich beobachtet und entsprechend der Aufgabe des Diagnostikers nach Kapitel 2.1.2 den Beurtei- lungsdimensionen zugeordnet werden. Zudem entsprechen schwache Situationen eher den vielfaltigen Arbeitssituationen im beruflichen Kontext des Managers, so- dass hierbei „der Einfluss von Merkmalen seiner Personlichkeit samt ihrer psycho- logischen Dynamik (Denkprozesse, Emotionen und Motive und deren Interaktion) auf seinen beruflichen Erfolg deutlich grower" (Sarges, 2013a, S. 30) zu erwarten ist als in einem eng geschnittenen, untypischen Arbeitsrahmen, der zugleich ver- haltenseinengenden wirken kann.

2.1.3.3 Prinzip der Response-Offenheit

Bei dem Prinzip der Response-Offenheit, das mit dem Prinzip der Stimulus- Mehrdeutigkeit eng verbunden ist, pladiert Sarges dafur, die aus messtechnischen Grunden dominante Tendenz der eineindeutigen Stimuli und folglich geschlosse- nen Reaktionen der vergangenen Jahrzehnte zugunsten mehrdeutiger Stimuli und offener Reaktionen zuzulassen, urn damit „dann in einem qualitativ viel breiteren Spektrum diagnostische Informationen einholen" (Sarges, 2013a, S. 30) zu konnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5. Stimulus-Response-Kombinationen (Eigene Darstellung nach Sarges, 2013a, S. 30).

Dies eroffne den Beobachtern die Wahrnehmung individueller Zwischentone und helfe, plakativen Verhaltenszuordnungen durch zu grab gerasterte Schubladensys- teme entgegenzuwirken (vgl. Krohne & Hock, 2007, Kap. 11 u. 16). Sarges kriti- siert, dass „aus lauter Sorge, den 'sicheren' Boden empirischer Psychology zu verlassen - das simple behavioristische S-R-Schema herangezogen [wird] statt [... des adaquateren S-O-R-Schemas], das auch die Innenwelt (O fur Organismus, [...] z. B. 'Identifikation mit der Aufgabe') als intervenierende Variable mit einbezieht" (Sarges, 2013a, S. 31).

2.1.3.4 Prinzip des Ego-Involvements

Nach Sherif und Cantril (1947) wird das Prinzip des Ego-Involvements als „die Be- troffenheit einer Person durch die subjektive Bedeutsamkeit der Stimuli fur das ei- gene Selbst" (Sarges, 2013a, S. 31) beschrieben. Die im Einzel-AC verwendeten Ubungen, Arbeitsauftrage und Fallstudien sollten so konzipiert werden, dass an- gemessene situative Reize ein aktives Einlassen des Kandidaten gezielt fordern, urn individuelles Verhalten und damit diagnostisch relevante Informationen evozie- ren zu konnen. Bei einem niedrigen Ego-Involvement sieht Sarges (2008, 2013a) bei den Kandidaten die Gefahr der tendenziellen Orientierung an aktivierungsstar- ken auReren Reizen, die validitatsmindernd auf die Reaktionen wirken konnen.

2.1.4 Akzeptanz und Wirkung von Feedback

Die Ruckmeldung uber wahrgenommenes Verhalten sowie die Starken und Lern- felder eines Kandidaten sind „zudem neben ihrer selbstwertrelevanten Bedeutung haufig mit bedeutsamen beruflichen Entscheidungen gekoppelt [..., weshalb] ein solches Gesprach viel Fingerspitzengefuhl" (Kleinmann, 2013, S. 816) erfordere. Birkhan und Ringelband (2013) sprechen daher von hohen inhaltlichen und forma- len Anforderungen an den Intellekt und die Kommunikationsfahigkeiten des Feed- backgebers, urn komplexe Modelle und angewandte Methoden der Psychologie ggu. dem Kandidaten verstandlich ubersetzen zu konnen, und legen dar, welche praktischen Instrumente dazu genutzt werden konnen. Ausgehend von dem in Abb. 2 genannten einstundigen qualifizierten Feedback ggu. Einzel-AC-Kandidaten lie- fert die Abb. 6 erganzend einen Uberblick uber die Ziele eines Feedbackgespra- ches, differenziert nach den Prozessbeteiligten. Birkhan und Ringelband (2013) weisen erganzend auf die wesentlichen Determinanten der Verfahrensakzeptanz seitens des Kandidaten hin, indem neben der Art und dem Umfang der selbstwert- schutzenden Attributionen auch die Personlichkeit des Kandidaten, dessen erlebte

Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild sowie die fachlich-kommunikative Kompetenz des feedbackgebenden Diagnostikers abhange; je „geringer die Dis­krepanz [zwischen Selbst- und Fremdbild] desto hoher die Akzeptanz" (Birkhan & Ringelband, 2013, S. 938). Destruktive Tendenzen konnen zudem einem Aufgrei- fen und Umsetzen von empfohlenen Entwicklungsrichtungen seitens des Kandida- ten entgegenstehen, was bei der konkreten instrumentellen Ausgestaltung zu be- rucksichtigen ist (vgl. Kapitel 2.2.2 und 2.3.1).

Ziele

Firmensicht (Auftraggeber): Feedbackgebersicht (Diagnostiker):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6. Ziele des Feedbackgespraches (Eigene Darstellung nach Birkhan & Ringelband, 2013, S. 932; AkAC, 2016b, S. 14; AkAC, 2016c, S. 15).

Negatives Feedback bewirke nach Kluger und DeNisi (1996) nur in einem Drittel der Falle Leistungssteigerungen, die ubrigen zwei Drittel teilten sich halftig auf in keine Veranderungen bzw. eintretende Verschlechterungen. Nach Atwater und Waldmann (2008) ist der Akzeptanzfaktor des Feedbackempfangers zudem von „seiner Personlichkeit [... abhangig und es bestehen] Wechselwirkungen zwischen negativem und positivem Feedback einerseits und Selbstwertgefuhl, Selbstwirk- samkeitseinschatzung, Extraversion, emotionaler Stabilitat und Narzissmus" (Brikhan & Ringelband, 2013, S. 938) andererseits. Gunkel (2014) spricht in ihrer Dissertation zur Akzeptanz und Wirkung von Feedback in Potenzialanalysen (vgl. Abb. 7) in Anlehnung an Moser (2000) und Wottawa (2000) von wirksamem Feed­back als erstem „Schritt zur Personalentwicklung [_ und dem] zunehmenden Ver­standnis von Personalauswahl und -entwicklung als zwei ineinandergreifende Pha-

sen eines Prozesses" (Gunkel, 2014, S. 20), der auf der Identifikation von konkre- ten Potenzialen beruht, wie in Kapitel 2.1.2 definiert wurde.

1. Prozessfairness:

- Verfahrenstransparenz von Beginn bis Abschluss
- Anforderungsbezug der angewendeten Instrumente
- Zusammensetzung der Assessoren/Diagnostiker(-Teams)
- Zwischenmenschlicher Umgang und positive Atmosphare
- Kontrollierbarkeit der Situation, der Aufgaben und der Ergebnisse durch gezeigte Kandi- datenleistung

2. Individualisiertes Feedback:

- Feedback-lnhalte (Starken, Lernfelder, Entwicklungsrichtungen)
- Feedback-Gabe durch glaubwurdige, kompetente, neutrale, vertrauenswurdige Beurteiler
- Art der Feedback-Gabe

- spezifisch, verstandlich und wertschatzend (auch: beschreibend statt bewertend)
- mit konkretem Verhaltensbezug zu veranderbarem Verhalten, um hohe Akzep- tanz zu erreichen
- bei Schwachen, wie sie sich im Verhalten zeigen und durch welche Verhaltens- weisen diese ausgeglichen werden konnen
- Vermittlung des Gefuhls der Weiterentwicklungsfahigkeit auf Kandidatenseite zur Mobilisierung intrinsischer Motivation
- Hinweise zum Nutzen der Weiterentwicklung

3. Verknupfung von Diagnose und Entwicklung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7. Bedingungen fur entwicklungsforderliche Wirkungen von Potenzial- analysen (Eigene Darstellung nach Gunkel, 2014, S. 277-285).

Ausgehend von McPhail und Jeanneret (2012) sei Feedback ggu. Kandidaten vor- hersagend, empfehlend Oder verordnend. Die Ergebnisse der von Gunkel (2014) untersuchten Fragestellung, inwiefern Feedback in Potenzialanalysen auf Individu- ums-Ebene zu entwicklungsforderlichen Wirkungen fuhrt, lassen sich thematisch in drei Kernbereiche gliedern, die die Abb. 7 komprimiert darstellt. Damit wird der in Abb. 2 genannte Aspekt eines qualitativen Kandidaten-Feedbacks inhaltlich weiter prazisiert, um dies in Kapitel 2.2 fur die UN-Praxis mit dem qualitativen Instrument des Entwicklungsquadrates zu erganzen. Gunkel weist darauf hin, dass „aufgrund der vorliegenden Befunde in kunftigen Studien weitere Einflussfaktoren in das Mo- dell aufgenommen und untersucht werden [_ sollten, wie z.B.] der Feedback-Inhalt als weiteres Merkmal der Feedback-Botschaft" (Gunkel, 2014, S. 266). Dieser

Punkt wird in Kapitel 3 im Rahmen der aufzustellenden Forschungsfragen aufge- griffen. Den Erkenntnissen von Gunkel im Rahmen untersuchter Potenzialanalysen gegenubergestellt, sieht Sarges in der Praxis der Management-Diagnostik den Be- reich der Entwicklung kritisch: „Wir reden hier von der richtigen Auswahl geeigneter Kandidaten, nicht von einer wunschenswerten Entwicklung irgendwie interessanter Kandidaten, denn Entwicklung wird in ihren Moglichkeiten nach wie vor uber- schatzt" (Sarges, 2016, S. 13). Auch unter der Annahme, dass das zunehmende Lebensalter eines Kandidaten den personlichen Entwicklungsraum reduziert, stellt sich dennoch bezuglich der in Kapitel 1 genannten Fehlentwicklungen die Frage, inwiefern sich Sarges Auffassung in der heutigen Beraterpraxis bei Einzel-AC tat- sachlich widerspiegelt.

2.1.5 Wettbewerbsuberblick und Anbieter im deutschen Markt

Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. hat im Fruhjahr 2016 im Rahmen einer Marktstudie 307 Personalberatungsgesellschaften zur Suche, Aus­wahl und Gewinnung von FK und Spezialisten befragt: „Der demografische Wandel und [...] die gute konjunkturelle Entwicklung [...] haben zunehmend auch Einfluss auf die Fachkraftesituation im deutschen Arbeitsmarkt entwickelt" (Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. [BDU], 2016a, S. 4). Der Anhang 1 liefert einen Uberblick uber die bedeutendsten Personalberatungen in Deutschland nach Umsatzverteilung fur das Kalenderjahr 2015. Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt die Aufteilung nach Beratungsfeldern:

Tabelle 1

Aufteilung und Umsatzwachstum ausgewahlter Beratungsfelder in der Personalbe- ratung (BDU, 2016a, S. 7)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bezuglich der spezifischen Beratungsfelder habe sich speziell die Management- Diagnostik neben dem Bereich der Besetzung von Beiraten und Aufsichtsraten weitgehend etabliert und die Berater setzten hierbei „unterschiedliche Verfahren - zum Beispiel Interviews, Rollenspiele, Personlichkeitsfragebogen, Leistungstests und Assessment Center - ein, um zielgerichtet und systematised relevante Infor- mationen uber die Potenziale interner Oder externer Kandidaten zu sammeln, auf- zubereiten und zu interpretieren" (BDU, 2016a, S. 7). Der Anteil der Management- Diagnostik am Gesamtumsatz im Jahr 2015 belauft sich auf 139 Millionen Euro Honorarvolumen; bei der Kandidatenstruktur lag der zweithochste Anteil an Such- und Auswahlprojekten im Bereich der obersten Managementebene und der UN- Leitung (vgl. BDU, 2016a). Dies begrundet sich zum einen in der „Motivation von Fuhrungskraften insgesamt und im Besonderen fur einen Wechsel [..., der] heute stark auf die Frage nach kunftigen Gestaltungsmoglichkeiten fokussiert" (Kewes, 2017, S. 14) sei. Der Deutschlandchef einer der groRten Personalberatungen stellt weiter fest, dass sich das Segment der Beratungsdienstleistungen ,,auf spannende Weise [verandert]. Die Komplexitat steigt, und am Horizont stehen potenzielle Dis- ruptoren. Die Digitalisierung bringt auch uns neue Konkurrenz" (Kewes, 2017, S. 15). Als identifizierte Trends in der Personalberatungs- und Consultingbranche wird die nachfolgende Auswahl an Thesen aus zwei Marktstudien des BDU in Abb. 8 vorgestellt:

- Die Aufteilung des Marktes in „schnelle und preisgunstige Rekrutierung" versus ,,qualitats-, prozess- und tiefergehende Personalberatung" wird im Executive Segment noch starker spurbar (84% Zustimmung der 307 befragten Personalberatungsgesellschaften)
- Das starkste Motiv von Kandidaten fur einen Stellenwechsel liegt in einer besse- ren Weiterentwicklungsmoglichkeit (84% Zustimmung der 307 befragten Personalberatungsgesellschaften)
- Vor allem mittelstandische Unternehmen werden starker als bisher uber Executive Search versuchen, Top-Kandidaten zu finden (70% Zustimmung der 307 befragten Personalberatungsgesellschaften)
- Die Qualitatsvermutung des betreffenden Beratungsunternehmens wird aufseiten des Klienten zu einem zentralen Auswahlkriterium (64% Zustimmung der 520 befragten Consultinggesellschaften)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8. Ausgewahlte Top-Trends in der Personalberatungsbranche (Eigene Darstellung nach BDU, 2016a, S. 15-18; BDU, 2016b, S. 14-16).

Saaman kritisiert, dass sich in den zuruckliegenden vier Jahrzehnten eine „Auditie- rungs-lndustrie" (Saaman, 2016a, S. 1) von unterschiedlicher Qualitat in der An- wendung der eignungsdiagnostischen Verfahren entwickelt habe, und vertritt die Position der Trennung zwischen Personalsuche bzw. -vermittlung und der spezifi- schen diagnostischen Tatigkeit, um der Gefahr von Interessenskonflikten vorzu- beugen: „Erfolgshonorierung und diagnostische Neutralist schlieften sich aus“ (Saaman, 2016b, S. 1). Zudem stellt nach Birkhan die „Diagnostik, die vornehmlich unter dem Entwicklungsaspekt betrieben wird, [...] andere Anforderungen in den Mittelpunkt als die Auswahldiagnostik" (Birkhan. 2007, S. 27).

2.2 Konzept des Entwicklungsquadrates

In Anlehnung an die Fragestellung nach qualitativen Instrumenten fur FK und Ma­nager in Kapitel 1 und entsprechend der beschriebenen Vorgehensweise in Kapitel

1.2 wird im Folgenden der Bezugsrahmen dieser Master-Thesis um das Instrument des Entwicklungsquadrates (Westermann, 2007a; Porksen & Schulz von Thun, 2014, Kap. 6) erweitert, das anhand seiner Herkunft und Entstehung als Wer- tequadrat (vgl. Helwig, 1936 u. 1948) sowie seiner inhaltlichen Systematik naher vorgestellt wird. Einordnend wird dabei auch auf spatere Veroffentlichungen von Helwig aus den 1950er bis 1960er Jahren zuruckgegriffen, in denen er Bezug auf sein Wertequadrat nimmt.

2.2.1 Herkunft und Entstehung

Helwig (1936, allgem. Teil, Kap. 1) beschreibt den Begriff des Charakters aus der psychologischen Perspektive als Verhalten, Handlungen und Ausdruckserschei- nungen eines Menschen sowie seiner inneren Selbstwahrnehmung. Dabei liefte sich das Verhalten zu sog. Gestaltbildern (vgl. Wertheimer, 1923; Sander, 1928) ordnen. Helwig (1951, allgem. Teil, Kap. 4) fuhrt weiter aus, dass Eigenschaften im Innenleben des Menschen zu Spannungen und in der Folge zu problembehaftetem aufterlich wahrnehmbarem Verhalten fuhren konnten, sofern diese Spannungen im Widerspruch zueinander stunden. Das Innere des Menschen sei von auften nur indirekt am Verhalten beobachtbar und nur in der Brechung mit dem eigenen Erle- ben reflektierbar, wobei die Selbstwahrnehmung nicht Voraussetzung der Fremdwahrnehmung sei. Bei der Beschreibung von Charaktereigenschaften, die Helwig unter Typologien einordnet, kritisiert er psychologische Veroffentlichungen seiner Zeit: „Wissenschaftliche Charakterologie fangt damit an, die Voraussetzung fallen zu lassen, daft hinter den Charakterformen, die sich [...] in den Handlungen der Menschen zeigen, genau entsprechende 'innere' 'Eigenschaften' lagen" (Hel­wig, 1936, S. 32). Ferner musse „einem sich klar abhebenden aufteren Verhalten [... nicht zwangslaufig] etwas ebenso Einfaches im Inneren des Charakters ent- sprechen" (Helwig, 1951, S. 63). Dem stellt er unter der thematischen Einordnung sog. Wertideal-Typen ein quadratisches Schema gegenuber, um die beobachtete „‘Vierheit‘ aller Wertbegriffe" (Helwig, 1936, S. 60) und deren Struktur erfassen, abbilden und in der Folge sprachlich prazisieren zu konnen. Die Ursprungsform des Quadrates (Helwig, 1936, darstellender Teil, Kap. 2) ist in Anhang 2 abgebildet und wird von Helwig in Folgeveroffentlichungen als sog. Wertequadrat (Helwig, 1948) bezeichnet.

2.2.2 Inhaltliche Ausgestaltung

Ausgehend von sog. Typenbegriffen und ihrer Nutzung zur Charakter- Beschreibung erkennt Helwig, dass menschliches Verhalten auf eine „bunte Fulle" (Helwig, 1948, S. 121) charakterlicher Gestalteinheiten zu dessen Beschreibung stoRe. Zur „Klarung dieser vorwissenschaftlichen psychologischen Begriffe [... nutzt Helwig stattdessen den] 'Kunstgriff' [des Wertequadrates], der eine schnelle und radikale Prazisierung dieser Begriffe und zugleich eine Prazisierung des in ihnen liegenden Problems" (Helwig, 1948, S. 121) ermogliche. Jeder Typbegriff und sein Wertcharakter wird erst durch seinen „Gegenbegriff in negativer Abstutzung prazisiert [..., indem sich dieser als eine] 'Vierheit' von Werten beziehungsweise Unwerten [... und damit als] eine 'Quaternitat von Werten'" (Helwig, 1948, S. 122) darstellen lieRe, wie die Abb. 9 anhand eines von Helwig verwendeten Beispiels naher zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9. Wertequadrat (Eigene Darstellung nach Helwig, 1948, S. 122).

Im Vergleich zum Ur-Wertequadrat (vgl. Helwig, 1936), das in Anhang 2 abgebildet ist, nahm Helwig in seiner spateren Veroffentlichung (Helwig, 1948) eine Modifika- tion vor, indem er die Pole, die sich in einem positiv besetzten Spannungsverhaltnis zueinander befinden, im Modell grafisch in die beiden oberen Positionen verschob (vgl. hierzu Abb. 9, Pol Nr. 1 und Nr. 2 mit Anhang 2). Die negativen Gegenpole Nr. 3 und Nr. 4 wurden in der Folge unterhalb angeordnet und sind zum einen durch die Diagonalen zu den kontraren oberen Polen gekennzeichnet, zum anderen aber auch durch die vertikale Gegenuberstellung als direkte „Entartungsformen [(EF) der positiven oberen Pole ...] [. Das] Wertequadrat 'verklammert' also die vier Begriffe miteinander. Jeder wird damit doppelt gegensatzlich prazisiert“ (Helwig, 1948, S. 122). Die horizontal Querverbindung zwischen den beiden unteren Unwerten Nr. 3 und Nr. 4 beschreibt Helwig als sog. Uberkompensation (UK) bzw. uberkompensa- torische Fehllosung, die eintritt, wenn „wir dem einen Unwert entfliehen wollen, aber nicht die Kraft haben, uns in die geforderte Spannung der oberen Pluswerte hinaufzuarbeiten. [...] Kein Wert ist an sich allein schon, was er sein soil - er wird es erst durch Einbeziehung des positiven Gegenwertes" (Helwig, 1948, S. 123). Fur Helwig (1936) legt diese Relation, in der alle vier Begriffe zueinanderstehen, erst ihre eigentliche inhaltliche Bedeutung fest. Der Gegendruck der oberen Pole Nr. 1 und Nr. 2 zueinander hilft im Verhaltensrepertoire, einem Abkippen und Um- schlagen in die Unwerte Nr. 3 und Nr. 4 entgegenzuwirken (vgl. Helwig, 1957). Ausgehend von den Unwerten lasst sich die Problemstellung abweichenden Ver- haltens und gleichzeitig die wunschenswerte Entwicklungsrichtung anhand der sechs verschiedenen Beziehungen innerhalb des Quadrates ableiten. Helwig (1948) weist darauf hin, dass Schwierigkeiten in der inhaltlichen Bildung neuer Wertequadrate auf begriffliche Unscharfen hindeuteten und sich daran die generel- le Brauchbarkeit von Begriffen uberprufen lieRe.

2.2.3 Einordnung

Helwig greift in seiner zweiten Auflage (Helwig, 1951, darstellender Teil, Kap. 1) Allports Ausfuhrungen zu 17.953 Personlichkeitsausdrucken (Allport & Odbert, 1936; Allport, 1948) auf: Eine systematische Ordnung sei aus seiner Sicht nicht moglich, wohl aber eine Gruppierung von Allports Personlichkeitsausdrucken, um einzelne Charaktereigenschaften zu prazisieren und als Ausdrucksformen zur tagli- chen Verstandigung uber Charaktere nutzen zu konnen. Unabhangig von Helwigs Ansatz des Wertequadrates entwickelte sich aus Allports Grundlagenarbeit in den folgenden Jahrzehnten das Funf-Faktoren-Modell (sog. Big Five-Ansatz) als uni- verselles Standardmodell in der Personlichkeitsforschung (vgl. Barrick & Mount, 1991; Stemmier, Hagemann, Amelang & Spinath, 2016, Kap. 7), das heute z.B. in Form des NEO-Pi-R-Tests als Instrument zur Ermittlung von berufs- und personal- entwicklungsbezogenen Potenzialen in der wirtschaftspsychologischen Praxis viel- fach Anwendung findet. In einer weiteren psychologischen Veroffentlichung, in der Helwig Bezug auf sein Wertequadrat nimmt, stellt er erganzend fest, dass Men- schen eine Wert-ldentitat und Wert-Kausalitat anstreben: Bei Gefahren fur den

Wert-Zusammenhang werde oftmals der Wirk-Zusammenhang abgeblendet (Hel- wig, 1958, Kap. C III), weshalb der Einsatz des Wertequadrates zur Veranschauli- chung der Zusammenhange im Verhalten hilfreich sei. Da das Lebensgeschehen stets ein Wirken von Werten und Unwerten bedeute, verstarke der Selbsterhal- tungstrieb eine Selbstbehauptungstendenz und fuhre zu intensivem Tun; jeder Mensch konne sich aus eigener Kraft zu etwas Besserem entwickeln, als er sei, und sollte sich als Tater des Lebens und Schopfer der Wirklichkeit erkennen (Hel- wig, 1958, Kap. F u. G). In Anlehnung an das Wertequadrat stellt Helwig (1961, Kap. A I) fest, dass das menschliche Handeln um gegensatzliche Fahigkeiten und um die Fahigkeit zur Loslosung von alten Verhaltensmustern erweitert werden musse, damit einseitige Orientierungen vermieden werden. Dabei konne mit neuen Polarisierungen einer Stagnation im Verhaltensrepertoire entgegengewirkt werden. Nach Helwig (1964, Kap. A III) schlieRe jede Auspragungsform von Werten sowohl Chancen als auch Risiken ein und beinhalte zugleich ein Spannungsphanomen, indem sich Werte gegensatzlich zueinander auspragten. Jeder Wert benotige zum Erhalt des Werthaften einen Gegenwert, wobei das vorgestellte Wertequadrat die Statik der Werte durch dynamische Einordnung und Bezugsherstellung aufhebe.

2.3 Entwicklungsquadratische Kompetenzprofile - eine Uberblicksdarstellung

In diesem Kapitel wird der theoretische Rahmen anhand einer ausfuhrlichen Uber­blicksdarstellung entwicklungsquadratischer Kompetenzprofile aus der recherchier- ten Fachliteratur erweitert. Ausgehend von der Kompetenzdefinition und der skiz- zierten Tatigkeit des Diagnostikers nach Kapitel 2.1.2 schlieRen sich die Fragen an, inwiefern sich das in Kapitel 2.2 vorgestellte Entwicklungsquadrat, basierend auf den Ausfuhrungen in Kapitel 1, als anwendungsorientiertes Praxis-Instrument fur FK und Manager in alltaglichen Arbeits- und Fuhrungssituationen eignet. Daraus leitet sich die Frage ab, inwiefern sich dieses Instrument fur die Teilaspekte der Anforderungsanalyse unter Berucksichtigung ggf. vorhandener UN-Kompetenz- modelle als Fragebogeninstrument zur Kompetenzeinschatzung (vgl. Abb. 3 Punkt 6) und als Beurteilungs- und Feedbackgrundlage (vgl. Kapitel 2.1.3 und 2.1.4) fur den Diagnostiker und den Kandidaten im Einzel-AC eignet. Hinsichtlich Saamans (2016g) Position des Erfordernisses einer stetigen Anpassung und Modellpflege von aufgestellten UN-Kompetenzmodellen und Leitbildern nach Kapitel 2.1.2 soil ergrundet werden, inwiefern sich stattdessen die Definierung bipolarer Spannungs- felder als Verhaltensbandbreiten und zugleich Anker fur Manager, FK und MA emp- fiehlt, um folglich die Eindimensionalitat und Starrheit vieler UN-Kompetenzmodelle aufheben zu konnen. Die Uberblicksdarstellung des Kapitels 2.3 dient daruber hin- aus zur Ableitung managementbezogener Schlusselkompetenzbereiche in Kapitel

2.4 (vgl. Anhang 21 und Anhang 23), der Entwicklung konkreter Forschungsfragen in Kapitel 3 sowie als Korpus zur Ableitung von spezifischen Interviewfragen (vgl. Anhang 24) fur die sich anschlieRende qualitative Forschung durch Experteninter- views, die gefuhrt werden sollen.

2.3.1 Perspektive der Kompetenzbereiche

Das Verstandnis der Management-Diagnostik als integrativer Prozess im Zusam- menwirken von Diagnostiker und Kandidat wurde bereits von Westermann (1997) sowie Sarges und Stracke (2005) beschrieben. Als wesentlich gilt dabei das Ge- winnen und AufschlieRen des Kandidaten fur einen Dialog (Westermann, 2007a), um einer Unbeholfenheit im Feedback-Prozess und entstehender Verunsicherung bei den Beteiligten entgegenzuwirken, wie dies von Doppler und Lauterberg (2005) als Gefahr der kollektiven Milieuschadigung beschrieben wird. Zur Aufdeckung von blinden Flecken in der Selbstwahrnehmung und dem Auslosen von Lernimpulsen nennt Westermann (2007b) differenzierte Feedback-Prozeduren als Grundlage: Der Feedback-Prozess sollte durch situationsgerechte Wahrnehmungshilfen, die qualitativ dynamisch anwendbar sein sollten, untermauert werden, um ein entwick- lungsorientiertes und beratungsintensives Feedbackgesprach zwischen den Pro- zessbeteiligten zu ermoglichen. Hierbei wird eine inhaltliche Nahe zu den evaluier- ten Forschungsergebnissen und Empfehlungen von Gunkel (2014) gem. der Abb. 7 Punkt 2 und 3 des Kapitels 2.1.4 bezuglich spezifischer Bedingungen entwicklungs- forderlicher Wirkungen von Feedback erkennbar. Westermann (2007a) greift auf die Grundsystematik des Wertequadrates nach Helwig (1948) zuruck und kreiert ein sog. Entwicklungsquadrat, auf dessen Basis er ein dialektisches Kompetenz- profil entwickelt, das aus 12 fur das FK-Handeln von Managern als relevant einge- schatzten bipolaren Spannungsfeldern (SF) besteht. Ausgehend vom Entwick- lungsaspekt zielt Westermann (2007b) mithilfe der Kompetenzprofile darauf ab, sowohl das Verhalten als auch spezifische Management-Fahigkeiten zu erkennen, die der Kandidat in der Folge auch fur die eigene personliche Weiterentwicklung nach Abb. 2 des Kapitels 2.1.1 im Anschluss an ein Einzel-AC nutzen kann. Als wesentlich werden die sozialen Kompetenzen, das Verhaltensrepertoire im Bereich der Menschenfuhrung, das Innovationsvermogen sowie die Problembewaltigungs- strategien im unternehmerischen Kontext identifiziert und in die definierten 12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10. Manager-Kompetenzprofil zur Verhaltensbeurteilung in 12 Kompe- tenzbereichen (Eigene Darstellung nach Westermann, 2007a, S. 16 f.).

In der grafischen Darstellung des Arbeitsbogens von Westermann (2007a), der in Anhang 3 abgebildet ist, wurden pro Kompetenzbereich die sich in einem positiven Spannungsfeld befindlichen bipolaren Tugenden mittig angeordnet. Die zugehori- gen Uberzeichnungen in Form entwertender Ubertreibungen wurden aufgeklappt und jeweils rechts bzw. links neben die Tugenden gesetzt, urn „den gesamten (bi­polar angelegten) Verhaltensraum sichtbar zu machen" (Westermann, 2007b, S. 60). Damit soil der Anwendbarkeit und der Handhabbarkeit dieses Instrumentes in der Beratungspraxis Rechnung getragen werden, ohne auf die ursprungliche Grundsystematik des Wertequadrates in Abb. 9 nach Helwig (1948) zu verzichten. Die 12 benannten Kompetenzfelder sollen zur vertiefenden Verhaltensbeurteilung genutzt werden, urn damit das Manager-Handeln im Kontext einer Situation bipolar zu erfassen. Destruktiven Dynamiken im Feedback-Prozess (vgl. Kapitel 2.1.4) kann durch die definierten Entwicklungsquadrate entgegengewirkt werden, da sie inhaltlich im Sinne einer Systematisierungshilfe einen positiven Resonanzboden bilden und damit einen offenen Rahmen in der Diskussion schaffen. Der in Abb. 3 des Kapitels 2.1.3 genannte Teilbereich der Selbst- und Fremdeinschatzung sollte nach Westermann (2007b) konstruktiv erlebbar gemacht werden: Widerstande konnen positiv aufgenommen werden, urn ihre berechtigte Existenz in das Kompe- tenzprofil, z.B. als entwertende Ubertreibung, einzuordnen und den positiven Kern ihrer Nutzungsmoglichkeit herauszustellen, ohne dabei auf die wunschenswerten Entwicklungsrichtungen verzichten zu mussen. Inwiefern dieser Ansatz von West- ermann Gunkels (2014) Forderung nach Aufnahme von Feedback-Inhalt und Feedback-Botschaft in zukunftige Untersuchungen inhaltlich fullt, soil uber die auf- zustellenden Forschungsfragen in Kapitel 3 und die aus dem theoretischen Rah- men abzuleitenden Interviewfragen im Verlauf dieser Master-Thesis weiter ergrun- det werden. Westermann (2007a) beschreibt die Selbstwahrnehmung und das Wissen um die Wirkung auf Organisationsmitglieder als wesentliche Bestandteile eines Manager-Erfolgsweges, um das eigene Verhalten bewusster zu steuern und eigene Starken selbstbewusster zu nutzen. Im Kompetenz-Profil offen bleibende Verhaltensfelder zeigen mogliche Entwicklungsfelder auf, um das eigene Verhal- tensrepertoire gezielt zu erweitern. Das „vertrauliche Feedback [... stellt somit ei- nen] Konigsweg personlichen Lernens" (Westermann, 2007a, S. 9) dar. Als metho- dische Qualitatsmerkmale sieht Westermann eine hohe Akzeptanz bei den Kandi- daten, die durch Transparenz, individuellen Zuschnitt und Nutzenorientierung er- zeugt werden kann. Zentrale Anforderungskriterien seien zudem die Resonanzfa- higkeit und Kontextsensibilitat des diagnostischen Werkzeuges, um Schlusselsitua- tionen im Manager-Handeln „fokaldiagnostisch zu erfassen [... und damit] ein quali- tativ-dynamisches Verlaufs- und Entwicklungsmodell [... zu kreieren, das] Ma- nagement-Kompatibilitat fur die konkrete Vielfalt des Fuhrungskraftehandelns" (Westermann, 2007a, S. 10) eroffnet. Den Rahmen entwicklungsquadratischer Kompetenzfelder im Sinne phanomenologischer Fenster stellen somit die Ankopp- lungsfahigkeit und die Offenheit in der konkreten Anwendung des Instrumentes dar, die es durch die Experteninterviews in der Folge in Kapitel 5 naher zu uberprufen gilt.

2.3.2 Perspektive der Kompetenzmodelle auf Basis des Wertequadrates

Sarges, Scheffer und Schmitz (2010) messen Kompetenzmodellen in Organisatio- nen eine Schlusselfunktion in der strategischen Steuerung bei. Dabei kann die Sys- tematik des Wertequadrates dazu dienen, eingeubte und subjektiv bewahrte Ver- haltensmuster aufzubrechen und mit neuen dialektischen Denk- und Verhaltens- mustern zu erganzen. Ausgehend vom Flow-Modell nach Csikszentmihalyi (1990) und der Passung zwischen Beruf und Person (vgl. Assouline & Meir, 1987; Holland, 1996) fokussieren sie komplementare Kompetenzen (kK), die in Abb. 11 zusam- mengefasst sind. In Anhang 4 sind die komplementaren Kompetenzen, ihre inhaltli- chen Bestimmungen und die entwertenden Ubertreibungen abgebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11. Komplementare Kompetenzen (Eigene Darstellung nach Sarges, Scheffer & Schmitz, 2010, S. 13f.).

Sarges et al. (2010) zielen darauf ab, ein organisationsweites Kompetenzmodell zu implementieren, um aktuelle und zukunftige Change-Prozesse aus der Perspektive der Personalentwicklung fundiert zu unterstutzen, und erganzen damit qualitativ- inhaltlich die Kompetenzdefinition nach Kapitel 2.1.2.

2.3.3 Perspektive der BFWQ-Methode

Einen anderen Ansatz verfolgt Gloor (2007a), indem er in einem ersten Entwurf den Big Five-Ansatz (BF) (vgl. Barrick & Mount, 1991; Stemmier, Hagemann, Ame- lang & Spinath, 2016, Kap. 7), dessen weitere historische Entwicklung und Helwigs fruhe Bezugnahme darauf in Kapitel 2.2.3 vorgestellt wurden, mit dem Wertequad- rat (WQ) zu verbinden versucht und in der Folge als BFWQ-Methode bezeichnet. GemaR Judge, Colbert & Hies (2004) ,,sind die besten Schatzungen zwischen den funf basalen Faktoren der Personlichkeit und MaRen des Fuhrungserfolgs: Neuroti- zismus (-.24), Extraversion (.31), Offenheit fur Erfahrung (.24), Vertraglichkeit (.08) und Gewissenhaftigkeit (.28)“ (Moser & Schuler, 2013, S. 41). Gestutzt auf die Iso- lierung von Einzelmerkmalen der Big Five nach Paulus (1999), gelangte Gloor (2007a) zu der Erkenntnis, dass die ..positive Seite jedes Big Five-Faktors [...] stets mit viel umfangreicheren Merkmalslisten in Erscheinung [tritt] als die jeweils negati­ve" (Gloor, 2007a, S. 35). Als weiteres Problem benannte er, dass die funf Fakto­ren des Big Five-Konzeptes stets aus zwei sich gegenseitig ausschlieRenden Polen bestunden. Hieraus schloss er, dass die starre Entweder-oder-Polarisierung des Big Five-Ansatzes der dynamischen Sowohl-als-auch-Balance des Wertequadrates entgegenstehe. In der Folge integrierte Gloor (2007a) die isolierten Merkmalsbe- schreibungen in die Struktur des Wertequadrates und nahm redaktionelle Anpas- sungen, geleitet von einem semantischen und hermeneutischen Bestreben, vor, um das Modell fur AC-Verfahren im Rahmen der Beobachtung und Beurteilung von Kandidaten handhabbar zu machen. Der Arbeitsbogen ist in Anhang 5 abgebildet, die nachfolgende Abb. 12 fasst die Kompetenzbereiche (KB) und die zugeordneten Schwestertugenden (ST) derfunf Merkmals-Cluster zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12. Uberfuhrung des Big Five-Ansatzes in funf Wertequadrate (Eigene Darstellung nach Gloor, 2007a, S. 40).

2.3.4 Perspektive der Personlichkeitseinschatzung

Birkhan und Reitzig (2007) stellen erganzend ein einzeldiagnostisches Verfahren der Personlichkeitsdiagnostik vor, das nicht der Personalauswahl dient, sondern auf die Personalentwicklung fokussiert ist. Die Starken- und Schwachenanalyse und die Ableitung von realistischen und aufgabenbezogenen EntwicklungsmaR- nahmen bilden den Kern des Verfahrens. Der anwendende Diagnostiker nimmt mithilfe einer personlichen Standortbestimmung (PSB) eine Einschatzung zu be- rufsrelevanten Schlusselkompetenzen des Managers vor, aus denen realistische Entwicklungsziele abgeleitet und der diagnostizierten Person in Form eines aus- fuhrlichen Feedbacks und eines umfassenden Gutachtens (vgl. Abb. 2 und 6) zu- ruckgemeldet werden. Als Anlasse nennen Birkhan und Reitzig neben dem allge- meinen Bedarf an aussagekraftigen Ruckmeldungen das Ziehen einer beruflichen Zwischenbilanz, bevorstehende Aufgabenwechsel und vorhandene Probleme im beruflichen Kontext. Gerade die eigene Rollenwahrnehmung und Tatigkeit des Ma­nagers, uber unterstellte Organisationsmitglieder zu urteilen, diese zu fordern und im Sinne der Organisationsziele zu lenken, steigert vielfach den Bedarf nach einer eigenen PSB, da das organisationsbezogene Umfeld des Managers diese Funktion i.d.R. nicht ubernimmt bzw. aufgrund eines organisational bedingten Uber- und Unterordnungsverhaltnisses nicht ubernehmen kann. Als Verfahrensbesonderheit nennen die Autoren den Ansatz der Entwicklungspfade, die sich an machbaren und nutzlichen Optionen orientieren und nicht an abstrakten Idealnormen der Organisa­tion, in der der Manager aktuell beruflich tatig ist. Birkhan und Reitzig greifen hier auf ein bipolares Skalenmodell zuruck, das aus Kriterienbundeln (KBd), Kriterien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13. Kriterienmatrix (Eigene Darstellung nach Birkhan & Reitzig, 2007, S.

86; md Gesellschaft furManagement-DiagnostikmbH, 1998, S. 1-6).

Auf einer neunstufigen Skala werden die Auspragungen der jeweiligen Antagonis- tenpaare bewertet, wobei die Pole in Form der bT positiv formuliert wurden. Die

Skalenmitte druckt aus, dass das Verhaltensrepertoire des Managers beide Eigen- schaftsvarianten umfasst und eine situationsgerechte Anwendung erfolgt, wie in Anhang 6 exemplarisch grafisch dargestellt ist. Die Pole offenbaren einseitige Ubertreibungen, die zugleich den Entwicklungsbedarf hervorheben. Damit stellen Birkhan und Reitzig fest, dass es sich bei der PSB um ein Modell des Kandidaten uber sich selbst handle, indem kriterienorientierte Personlichkeitsbilder beschrieben werden und Entwicklungszusammenhange situationsabhangig ruckgemeldet wer- den konnen. Als vorteilhaft sehen Birkhan und Reitzig, wenn im Feedback bei der Thematisierung einer Schwache mit der antagonistischen Starke begonnen werden kann und sich Gegensatze aufdecken lassen, um ein Erkennen der Ursachen und ein Lernen bei den Kandidaten zu ermoglichen, damit sich in der Folge entwick- lungsorientiert vorhandene Schwachen minimieren lassen.

2.3.5 Perspektive der Komplementaren Verhaltenskriterien

Bei der Einschatzung von Management-Kompetenzen nach Kapitel 2.1.2 benennt Briefs (2007) als Grundlage fur Personalentscheidungen drei Kern-Tatigkeitsfelder, die er mit komplementaren Verhaltenskriterien (kV) erganzt. Dies ermoglicht ihm, das Verhaltensrepertoire der Kandidaten zu erfassen und mit den im Vorfeld defi- nierten Kriterien der zu besetzenden Position sowie der Leistungserwartung der Auftraggeber abzugleichen, um eine Besetzungsempfehlung aussprechen zu kon­nen. Briefs benennt als Grundlage seiner Uberlegungen das Entwicklungsquadrat, mit dessen Grundsystematik er uber eine Einschatzungs-Matrix soziale, methodi- sche und personliche Kompetenzen (Kp) erhebt, wie die Abb. 14 naher zeigt. Das System von 20 Dimensioned das in Anhang 7 abgebildet ist, ermoglicht es Briefs, die konkrete Tatigkeit eines Managers und dessen gezeigtes Verhalten in einer Arbeits- und Fuhrungssituation zu erfassen, indem er eine siebenstufige Skala nutzt, die die Auspragungsgrade zwischen den positiven und negativen Verhal- tensweisen als Mischungsverhaltnisse abbildet und in die das gezeigte Kandida- tenverhalten eingetragen wird, wie der Anhang 8 zeigt. Als Vorteil sieht Briefs, dass sein Ansatz ein breites Spektrum von Verhalten alltaglicher Arbeits- und Fuhrungs- situationen wertneutral erfassen kann. Die Gegenuberstellung von 20 positiven Verhaltensweisen und deren zugeordneten negativen Ubertreibungen nutzt Briefs (2007) auch zur Unterstutzung der Auftraggeber, um im Sinne einer Zielklarung im Vorfeld Unscharfen bei der Formulierung von konkreten Stellenanforderungen, die sich aus UN-Kompetenzmodellen nach Kapitel 2.1.2 ableiten lassen, seitens der Auftraggeber auszuraumen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14. Komplementare Verhaltenskriterien (Eigene Darstellung nach Briefs, 2007, S. 72).

Im diagnostischen Prozess nach Abb. 2 des Kapitels 2.1.1 nutzt Briefs im Teilbe- reich des Interviews (vgl. Kapitel 2.1.3.1) unterschiedliche Themen, situative Fra- gen und Kurzubungen mit dem Kandidaten, die im Sinne der in Kapitel 2.1.3.2 vor- gestellten Stimulusmehrdeutigkeit so formuliert und eingeleitet werden, dass sie beide Seiten einer Verhaltensdimension ansprechen und beide Verhaltensmoglich- keiten vom Kandidaten als gleichwertig wahrgenommen werden. Damit versucht Briefs, dem Phanomen dersozialen Erwunschtheit (vgl. Kapitel 2.1.3) entgegenzu- wirken und „globale Anforderungen mit dem prazisen, funktionsbedingten Verhal- ten“ (Briefs, 2007, S. 76) eines Managers zu verbinden. In der Anwendung wird das sichtbare Kandidatenverhalten auf das zuvor definierte Anforderungsprofil (vgl. Ka­pitel 2.1.2) projiziert, urn Ubereinstimmungen und Abweichungen festzustellen. Da- raus leitet Briefs ein Starken- und Schwachenprofil ab, urn Hinweise zu Entwick- lungsrichtungen gegenuber den Kandidaten geben zu konnen, wie von Gunkel (2014) durch Verknupfung von Diagnose und Entwicklung gefordert wird (vgl. Abb. 7 Punkt 3).

2.3.6 Perspektive der Komplementaren Einschatzungs-Hilfen

Das System der Komplementaren Einschatzung-Hilfen (KEH) wurde von Eberle und Hartwich (1995) im Kontext der Personlichkeitseinschatzungen veroffentlicht.

Anwendung erfuhr das KEH-System auch im Rahmen von Interviewverfahren in der Personaleinstellung (Eberle, 2007a) sowie bei internen Coachings in Organisa- tionen (Eberle, 2007b).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15. Personlichkeitseinschatzung (Eigene Darstellung nach Eberle & Hartwich, 1995, S. 110f.).

Eberle und Hartwich (1995) sehen das MA-Potenzial als Erfolgsfaktor fur Organisa- tionen, dem besondere Aufmerksamkeit zu schenken sei. Neben dem Abgleich von Stellenanforderungen und den MA-Potenzialen ist es wesentliche Aufgabe der FK, den MA-Einsatz und die Entwicklung bzw. Forderung von MA zu fokussieren. Eber­le wahlt als Ausgangspunkt die MA-Eigenschaften, die thematisch auch von Neu- berger (1983) aufgegriffen wurden, wie im nachfolgenden Kapitel 2.3.7 weiter vor- gestellt wird. Eberle dienen diese als Beschreibungselemente der Personlichkeit (vgl. Kapitel 2.1.3). Diese spezifischen Eigenschaften bestehen fur Eberle aus einer Kombination von inneren Strebungen, Orientierungen und Wesenszugen sowie aus eingeubten Verhaltensweisen; Personlichkeit wird demnach uber die Oberflache des Verhaltens sichtbar. Als Charakter beschreiben Eberle und Hartwich hervor- stechende Eigenschaften, die das Profilbild der Personlichkeit erkennen lassen. Um dem Realbild der Personlichkeit naherkommen zu konnen, ist ein Abgleich von Selbst- und Fremdbild erforderlich, dem aber allzu oft die Problematik der Ein- schatzungskompetenz entgegenstehe, mithilfe des KEH-Systems jedoch begegnet werden konne. Dabei festgestellte Potenziale (vgl. Kapitel 2.1.2) beschreiben Eber­le und Hartwich als Eigenschaften, die durch Fahigkeiten unterfuttert sind und aus

Sicht von Organisationen nur im Zusammenhang mit der aktuellen Oder der zukunf- tig vorgesehenen Aufgabe des MA sinnvoll beurteilt werden konnen. In der Folge haben Eberle und Hartwich ein System der KEH gebildet, das die Abb. 15 zusam- mengefasst. Eberle (2007a) beschreibt die darin benannten Personlichkeitskriterien (PK) als besonders fur Fuhrungsaufgaben relevante Eigenschaften. Polaritaten gelten als Bewusstsein zur Erfassung der Welt durch polar angelegte Gegensatz- lichkeiten, denen eine Einheit zugrunde liege, indem Menschen oftmals uber beide Elemente einer Polaritat als Verhaltenskontinuum verfugten, wie bereits Helwig (1961, Kap. F u. G; Helwig, 1964, Kap. A III) erkannte und in Kapitel 2.2.3 vorge- stellt wurde. Einer einseitig betonten Schwache liege eine potenzielle Starke zu­grunde, die mithilfe des KEH-Modells, das vollstandig in Anhang 9 abgebildet ist, aufgedeckt, visualisiert und bewertet werden konne.

2.3.7 Perspektive des Fuhrungskraftehandelns

Sowohl Neuberger (1983) als auch Westermann (2007a) beleuchten Fuhrung auch aus der Perspektive eines widerspruchlichen Handelns. Neuberger kennzeichnet Fuhrung als Mittel des Werterhalts in Organisationen und zur Ahndung von abwei- chendem Verhalten ihrer Mitglieder. Fuhrung als Institution beinhalte neben ihrer Zielerreichung „strukturerhaltende, integrative, identitatsstiftende, realitatsdefinie- rende und anpassende" (Neuberger, 1983, S. 22) Funktionen. Diese Facette offen- bart eine Parallele zur Position von Sarges (2013c), der als Erfolgsfaktor des Ma- nager-Handelns eine konsistente Zielorientierung im ansonsten inkonsistenten Ma- nager-Verhalten sieht (vgl. Kapitel 2.1.3). Fur Neuberger (1983) bedeutet die Re- duzierung auf eine Polaritat in der Folge vielfaltige Widerspruche: Die von FK an- gestrebten Ideale fuhrten oftmals zu einer Verengung des Verhaltensrepertoires und seien damit tendenziell realitatsfern. FK stunden vor dem grundsatzlichen Di­lemma der geleichzeitigen Bewahrung und Veranderung im taglichen Handeln. Neuberger spricht von einer inneren Zwiespaltigkeit des Fuhrens, indem von der FK im Kontext der Situation und der Rahmenbedingungen ein SchlieRen von Kom- promissen zwischen Alternativen gefordert werde, in dem Wissen, dass auf die jeweils andere Alternative nicht verzichtet werden konne, da eine Vernachlassigung eines Aspektes und die Uberbetonung des anderen langfristig zu einem Scheitern der FK in ihrem Wirken fuhren wurde. Dazu hat Neuberger (1983) insgesamt 14 Dilemmata (D) mit zugeordneten Polaritaten (P) definiert, die aus seiner Sicht un- terschiedliche Aspekte des FK-Handelns beschreiben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16. 14 Dilemmata der Fuhrung (Eigene Darstellung nach Neuberger, 1983, S. 24-26).

Zugleich sieht Neuberger in den aufgestellten Dilemmata auch die Gefahr einer zu starken Abstraktion, in der sich das eigentliche FK-Handeln nicht mehr wiederer- kennen lieRe, wie in Kapitel 2.1.2 von Sarges (2013b) als Vielfaltigkeit und Unein- deutigkeit von Jobanforderungen und organisationalen Erwartungen sowie einer herausfordernden Anforderungsdefinierung beschrieben wurde. Der Begriff der polaren Spannung wird von Neuberger erstmals bei Dilemmata 14 formuliert und weist damit eine sprachliche Nahe zum Wertequadrat-Ansatz nach Helwig (1948) auf, ohne dass Neuberger sich direkt auf Helwig bezieht, ihn im Quellenverzeichnis auffuhrt Oder thematisch das Wertequadrat benennt. Hierdurch entsteht der Ein- druck, dass Neubergers Uberlegungen unabhangig von Helwigs Arbeiten entstan- den sein konnten. Neuberger schlieRt seine Ausfuhrungen zu den aufgestellten Dilemmata mit der Feststellung, dass diese ,,zweifellos nicht begrenzt [seien] auf die Vorgesetzten-Unterstellten-Situation in wirtschaftlichen Organisationen, son- dern [sie wurden ...] Grundmerkmale aller strukturierten Sozialbeziehungen (z.B. Lehrer-Schuler, Arzt-Patient, Eltern-Kind, Ehepartner usw.)“ (Neuberger, 1983, S. 26) umfassen. Neben der Gefahr einer zu starken Abstraktion wirft Neuberger im Spiegel der Fuhrungstheorie und Praxis der Entstehungszeit seines Artikels die Frage auf, ob sich die aufgestellten Dilemmata auf eine geringere Dimensionsmen- ge reduzieren lieRen und inwiefern eine grundsatzliche typologische Ordnung be- stehe, die eine Zusammenfassung zu einer Stil-Variante ermogliche, wie in Kapitel 2.1.2 als Frage nach einem homogenen Anforderungsprofil fur alle Management- Positionen aufgeworfen wurde. Dieser Aspekt, den auch Helwig (1951, darstellen- derTeil, Kap. 1) als Frage nach einer moglichen Gruppierung von psychologischen Eigenschaften formulierte (vgl. Kapitel 2.2.3), ist thematischer Bezugspunkt in Kapi­tel 2.4 und wird in der Folge in die aufzustellenden Forschungsfragen in Kapitel 3 mit einflieRen. Neuberger geht dieser Frage nicht weiter nach, erganzt aber als Kritik an damals vorherrschenden FK-Theorien und Modellen von Fiedler (1967), Blake und Mouton (1968), Hersey und Blanchard (1977) sowie Vroom und Yetton (1973), dass sie aus seiner Sicht oftmals zu globalen nichtssagenden Durschnitts- aussagen fuhren wurden. Es sei nicht Aufgabe der FK, sich zwischen zwei Varian- ten zu entscheiden, sondern vielfach beides in einem breiten Verhaltensrepertoire zu realisieren, das zudem noch situationsbezogen abgestimmt und wandelbar sein musse. Damit impliziert Neuberger das Erfordernis von bipolaren Verhaltensmus- tern bzw. Tugenden, wie einleitend im Ansatz von Westermann (2007a) in Kapitel 2.3.1 vorgestellt wurde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 266 Seiten

Details

Titel
Entwicklungsquadratische Innovationspotenziale im Einzel-Assessment. Neue Wege der Optimierung
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinnützige GmbH, Hochschulstudienzentrum Hamburg
Note
1,1
Autor
Jahr
2018
Seiten
266
Katalognummer
V439454
ISBN (eBook)
9783668803251
ISBN (Buch)
9783668803268
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Manager, Einzel-Assessment, psychometrische Tests, situative Verfahren, Interview, Entwicklungsquadrat, managementbezogene Schlüsselkompetenzbereiche, entwicklungsquadratische Anwendungsmöglichkeiten
Arbeit zitieren
Jan-Uwe Kastning (Autor:in), 2018, Entwicklungsquadratische Innovationspotenziale im Einzel-Assessment. Neue Wege der Optimierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439454

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