Die Strukturpolitik der Europäischen Union


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Die Entwicklung der EU-Strukturpolitik
I. Die Anfänge einer regionalen Politik auf europäischer Ebene
1. Vorboten einer aufkommenden Regionalpolitik
2. Die Gründung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
II. Die Einheitliche Europäische Akte und das Delors-1-Paket
1. Die „Integrated Mediterranean Programmes“
2. Die Einheitliche Europäische Akte
3. Das Delors-1-Paket
III. Der Vertrag von Maastricht und das Delors-2-Paket
1. Der Vertrag von Maastricht
2. Das Delors-2-Paket
3. Das „Gerangel“ um Ziel 1-Förderung
IV. Agenda

C. Fazit

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

Die EU-Strukturpolitik ist einer der ehrgeizigsten, komplexesten und missverständlichsten Bereiche der EU-Politik.

Die Strukturpolitik ist gleich nach der Gemeinsamen Agrarpolitik die finanziell umfangreichste distributive Politik der Europäischen Union (EU). Strukturpolitische Maßnahmen nahmen 2003 mit rund 34 Mrd. € ein Drittel der EU-Gesamtausgaben in Anspruch.[1] Sie ist in Hinsicht auf den Haushalt also ein enormer Kostenfaktor.

Die europäische Strukturpolitik hat die vertragliche Intention, regionale Entwicklungsrückständigkeiten in der EU abzubauen, um somit zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt beizutragen. Nachweislich allerdings schafft es diese Politik nicht, regionale Disparitäten zu reduzieren; im Gegenteil nehmen die regionalen Unterschiede in den Mitgliedstaaten sogar zu.[2] Da die EU-Strukturpolitik also wirtschaftlich nicht logisch erklärt werden kann, und dennoch ein großer Teil des Gemeinschaftshaushalts in diesen Politikbereich fließt, erfordert sie eine politische Erklärung. Die zentrale Fragestellung der Hausarbeit beruht auf dieser Ausgangslage und soll diese politische Erklärung für eine europäische Strukturpolitik liefern: Warum sind die Nettozahlerländer bereit, die EU-Strukturpolitik zu finanzieren?

Bei einer näheren Betrachtung der Strukturpolitik ist ferner auffällig, dass die finanzielle Ausstattung der Strukturfonds bis 1999 kontinuierlich angewachsen ist. Daher liegt dieser Hausarbeit eine chronologische Herangehensweise, mit der Frage nach den konkreten Gründen und den Verhandlungen, die zu Erhöhungen der Strukturfondsförderung bzw. der Ausweitung der vertraglichen Verpflichtungen auf Kohäsion, führten, zu Grunde. Dazu wiederum wird die Rolle der Strukturpolitik bei den großen Entscheidungen für die Entwicklung der EG/EU und in den Verhandlungen um die „historic decisions“ herum in dieser Arbeit näher untersucht. Sinnvollerweise dienen diese entscheidenden Schlaglichter in der Gemeinschaftsgeschichte bzw. der Rolle der Strukturpolitik bei der Entscheidungsfindung auch als zentrale Gliederungselemente dieser Arbeit.

Auf andere in der politikwissenschaftlichen Literatur im Zusammenhang mit der Strukturpolitik untersuchte Fragen, wie die nach der Stellung der Kommission im Vergleich zu den Mitgliedstaaten oder die Rolle der subnationalen Ebene bei der Implementierung der Fonds in diesem Politikbereich, wird aufgrund mangelnden Raumes in dieser Arbeit nicht eingegangen werden.

B. Die Entwicklung der EU-Strukturpolitik

B.I. Die Anfänge einer Regionalpolitik auf europäischer Ebene

B.I.1. Vorboten einer aufkommenden Regionalpolitik

Genau genommen gab es schon vor Inkrafttreten der Römischen Verträge 1957, einen ersten, kleinen Schritt in Richtung Strukturpolitik auf europäischer Ebene zu verzeichnen. Mit der Schließung einer Vielzahl wallonischer Zechen in den frühen Fünfziger Jahren, bzw. der damit in den betroffenen Gebieten erforderlich gewordenen wirtschaftlichen Umstrukturierung, war die damalige Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) allein überfordert und bezog die eingespannten Parteien in Verhandlungen mit ein. Als Ergebnis dieser Verhandlungen konnte sich die belgische Regierung über Gemeinschafts-Gelder freuen, die dem Ergreifen sozialer Maßnahmen vor Ort dienten.[3]

Mit den Römischen Verträgen zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), welche von Frankreich, Italien, BR Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg unterzeichnet wurden, wurde erstmals vage die Bestrebung der Mitgliedstaaten, regionale Disparitäten zu reduzieren, im Vertragswerk der EG verankert. Dieses Vorhaben sollte durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), also der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und der progressiven Annäherung der nationalen Wirtschaftspolitiken, verwirklicht werden.[4]

Der Vertrag sah ferner die Schaffung eines Europäischen Sozialfonds (ESF) vor, der hauptsächlich dazu diente, die Migration von Arbeitskräften aus den Regionen südlich von Rom nach Deutschland und Frankreich anzuregen.[5] Ferner machte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) die Errichtung eines Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) erforderlich, wobei die Abteilung Ausrichtung heute zu den Strukturfonds zählt.

Ein Fonds mit spezifischer regionalpolitischer Implikation, also die finanzielle Grundlage für eine wirkliche Regionalpolitik, wurde zwar vehement von der Europäischen Kommission gefordert, vorerst allerdings vergeblich.[6]

B.I.2. Die Gründung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung

In den frühen Siebziger Jahren dann wurde der Wunsch der Kommission nach einem Regionalfonds zur Beseitigung der regionalen Unterschiede, und einer damit verbundenen Ausweitung ihrer Kompetenzen, wahr. Für die Gründung jenes Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 1975 war aber nach Helen Wallace (1977) weniger das Drängen der Europäischen Kommission verantwortlich, sondern vielmehr die wichtige Rolle, die der Fonds dabei spielte, unter den Regierungen der Mitgliedstaaten einen „broad deal“ zu Stande zu bringen, ausschlaggebend.[7] Dieser „Deal“ hatte seinen Ursprung darin, dass die Regierungen auf der Gipfelkonferenz in Den Haag im Dezember 1969 beschlossen, „die Übergangszeit sei mit der Vollendung der Zollunion und des Aufbaus der gemeinschaftlichen Agrarpolitik sowie ersten Schritten zum gemeinsamen Markt einschließlich gemeinsamer Wettbewerbspolitik erfolgreich abgeschlossen und es gelte nun, die Gemeinschaft zu vertiefen und zu erweitern “(meine Hervorhebung).[8]

Um den Zusammenhang zwischen der Gründung des Fonds und der Erweiterung der Gemeinschaft plastisch zu machen, eignen sich die Beitritte 1973 sehr gut. Eine besondere Stellung hatte dabei die britische Regierung inne, für die bereits 1973 klar war, dass die Gemeinsame Agrarpolitik für sie erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringen würde. Um diese Verluste abzufedern, regte die britische Regierung das Aufbauen eines neuen Politikbereiches an. Es sollte eine Politik entwickelt werden, die Gemeinschaftsgelder in ärmere bzw. altindustrielle (unverkennbar die britische Handschrift) Regionen umverteilt. Die Gemeinschafts-Förderung an regionale Kriterien zu koppeln, stieß natürlich insbesondere bei dem EG-Land mit den größten regionalen Unterschieden, Italien, auf Wohlwollen und sicherte den Briten die italienische Unterstützung in diesem Vorhaben. Die anderen Mitgliedstaaten, vor allem die Nettozahlerländer wie Deutschland, hatten andere Gründe, dem britischen Vorschlag zuzustimmen. Sie wollten den Prozess der Vertiefung der EG beschleunigen. Es lag also durchaus im Interesse der Zahlerländer, die Bedenken in ärmeren Regionen, zum Beispiel in Bezug auf die in den frühen Siebziger Jahren erstmals konkret gewordenen Gedanken an eine Wirtschafts- und Währungsunion, mit Zahlungen aus dem Regionalfonds aus dem Weg zu räumen.[9]

Dieser kleine Beginn einer innergemeinschaftlichen Umverteilung in Regionen hatte also eher einen politischen als einen ökonomischen Zweck. Die Rolle, welche die finanzielle Aufstockung der Strukturfonds für die Entwicklung der Gemeinschaft spielte, sollte immer im Zusammenhang mit Erweiterungen und Vertiefungen (besonders natürlich das Binnenmarkt-Projekt und die WWU) gesehen werden.[10] Noch deutlicher als bei der Gründung des EFRE wird dies an grundlegenderen Reformen, die später folgten.

Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass der Regionalfonds in seinem finanziellen Umfang keine bedeutsame Rolle spielte; 1975 flossen gerade einmal 5 % der Gesamtausgaben der Gemeinschaft in diesen Fonds. David Allen führt dies weiter, indem er erkennt: „The fund was too small to have a significant impact on regional disparities, and thus cannot be seen either as the basis for a real common regional policy or as a significant contribution towards the economic convergence that would have facilitated EMU.“[11]

Es wurde also mit der Gründung des Fonds ein erster kleiner Schritt in Richtung Reduzierung regionaler Disparitäten gegangen, der jedoch keinesfalls überbewertet werden darf. Dennoch darf im Hinblick auf meine Forschungsfrage in Bezug auf die Gründung des EFRE nicht vernachlässigt werden, dass, wie mit dem Beispiel des britischen Beitritts nachgewiesen, politische Interessen der Nettozahlerländer, durchaus eine Rolle spielten.

Ein offensiveres Angehen des Projekts des Gemeinsamen Marktes stand jedoch erst noch bevor, das Projekt der WWU ist 1973 vorerst gescheitert und die Unterschiede innerhalb der Gemeinschaft waren längst noch nicht so groß wie nach den Beitritten Griechenlands (1981), Spaniens und Portugals (1986).[12] Deutlich ärmere Staaten (von Irland einmal abgesehen), die eine Blockadehaltung gegenüber zukünftigen Vertiefungsschritten hätten einnehmen können, waren somit zu der Zeit der Gründung des EFRE noch gar nicht Mitglieder der Gemeinschaft. Folglich fehlte noch ein Stimulus, der stark genug gewesen wäre, um eine komplexere, ausgabenintensivere Strukturpolitik entstehen zu lassen.[13]

[...]


[1] Quelle: United Soft Media (2003), Fischer Weltalmanach 2004, „EU-Haushaltsplan 2003“, CD-ROM, München.

[2] Maßstab ist das regionale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf; Quelle: EUROSTAT Pressemitteilung Januar 2003.

[3] Tarschys, Daniel, Reinventing Cohesion – The Future of European Structural Policy, Stockholm 2003, S.20.

[4] Allen, David, Cohesion and the Structural Funds – Transfers and Trade-Offs, in: Policy-Making in the European Union, Oxford 2000, S.243-264, S.247.

[5] Tarschys, Daniel, 2003, S.20.

[6] Allen, David, 2000, S.247.

[7] Vgl. Wallace, Helen, 1977, in: Policy-making in the European Communities, London.

[8] Hrebek, Rudolf, 2000, Europäische Union, in: Woyke, Wichard (Hrsg.), „Handwörterbuch Internationale Politik“, Bonn 2000, S.89-109, S.92.

[9] Tarschys, Daniel, 2003, S.21f.

[10] Allen, David, Cohesion and the Structural Funds – Transfers and Trade-Offs, in: Policy-Making in the European Union, Oxford 2000,S.243-264, S.247.

[11] Ibid, S.247.

[12] Hrebek, Rudolf, 2000, S.94.

[13] Allen, David, 2000, S.249.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Strukturpolitik der Europäischen Union
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Das politische System der Europäischen Union
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V43883
ISBN (eBook)
9783638415798
ISBN (Buch)
9783640385379
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturpolitik, Europäischen, Union, System, Europäischen, Union
Arbeit zitieren
Pierre Dombrowski (Autor:in), 2003, Die Strukturpolitik der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43883

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