Der Streit zwischen der theologischen und der philosophischen Fakultät

Friedens-Abschluss und Beilegung des "Streits der Facultäten" bei Kant


Seminararbeit, 2015

19 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Bildung durch Wissenschaft als Lebensform

3 Der Zensurkonflikt

4 Auslegung der ausgewählten Text-Passagen

5 Schlussbemerkung

6 Textgrundlage

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Seminar wurde am Beispiel der von Kant in seiner späten Abhandlung "Der Streit der Fakultäten" von 1798 vorgelegten philosophischen Grundsätze der Auslegung heiliger Schriften die an den Prinzipien der Aufklärung orientierte Thematisierung des Streits "zwischen der theologischen und philosophischen Fakultät" untersucht. Die Schrift Kants erwies sich dabei in mehrfacher Hinsicht als eine auch für gegenwärtige Debatten höchst aktuelle.

Neben dem vergleichsweise kurzen Haupttext, der genau analysiert wurde, wurden auch - thematisch nahe liegende - andere Texte Kants herangezogen. In der vorliegenden Arbeit wurde der Teil „Friedens-Abschluss und Beilegung des Streits der Facultäten“, der den Abschluss des ersten Abschnitts von Kants Schrift bildet, analysiert und interpretiert.

Das Kapitel „Auslegung der ausgewählten Text-Passagen“ bildet daher das Zentrum der vorliegenden Arbeit. Vorangestellt habe ich zwei Kapitel, in denen die historischen Rahmenbedingungen des Entstehens von Kants Schrift beleuchtet werden. Eines davon nimmt den Zensurkonflikt mit der preußischen Obrigkeit unter die Lupe, der zweifellos ein einschneidendes Ereignis in Kants Leben darstellt.

2 Bildung durch Wissenschaft als Lebensform

Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der Gründung der Humboldt-Universität zu Berlin veranstaltete die Theologische Fakultät im Jahre 2010 eine Veranstaltungsreihe von vier Konferenzen zum Thema „Bildung durch Wissenschaft oder die Idee der Universität“. Die vier Konferenzen widmeten sich folgenden Themen: 1.) die Schlüsselgestalt Alberts des Großen und der mittelalterliche Anfang der Institution Universität; 2.) der Beitrag Friedrich Daniel Schleiermachers zur Gründung der Berliner Universität; 3.) die Universität als Ort der Bildung zwischen Lebenswelt und Wissenschaften im Anschluss an Kants Ideen im „Streit der Fakultäten“; und 4.) die Frage der Einheit und Differenz der heutigen Wissenschaftskulturen.[1]

Die Themen der vier Konferenzen spannen einen Bogen, der sich von der Pariser Universität des 13. Jahrhunderts bis in die Gegenwart spannt. Der inhaltliche Zusammenhang liegt darin, dass Wilhelm von Humboldt, Friedrich Daniel Schleiermacher und ihre akademischen Zeitgenossen ihr Universitätsprojekt „als eine ‚Reform‘, d.h. als Wiederherstellung und Neufassung einer ursprünglichen Idee“[2] betrachteten. Diese Ursprungsidee, die aus dem 11. und 12. Jahrhundert stammt, „war ein gutes Jahrzehnt vor Humboldt durch Immanuel Kant in seiner Schrift ‚Der Streit der Fakultäten‘ in Erinnerung gerufen und der bestehenden Universität als Maßstab kritisch entgegengehalten worden.“[3]

Kant hielt den „Streit der Fakultäten“ für die Quintessenz des an die höheren Fakultäten zu stellenden Anspruchs auf Wissenschaftlichkeit. Bereits an der Pariser Universität des 13. Jahrhunderts „konfrontierte die Fakultät der Artes die höheren Fakultäten mit einer Erwartung an Wissenschaftlichkeit, wie sie der Wiederentdeckung des aristotelischen Netzwerks der Wissenschaften und seiner Transformation durch Albert den Großen entsprang.“[4]

Dieser an die Universität zu stellende Anspruch der Wissenschaftlichkeit verlangt, dass an ihr nicht bloß reproduzierbares Anwendungswissen vermittelt wird, sondern „Wissen, das sich einem Prozess der Forschung, also der Frage nach den maßgeblichen Gründen und Ursachen, verdankt.“[5] Wenn wir Kant folgen, gingen nur so aus ihr „die Juristen, Mediziner und Theologen hervor, die ihre Verantwortung im republikanischen Gemeinwesen aus fachlicher Kompetenz und wissendem Selbstverständnis wahrnehmen.“[6] Für Kant sind sohin, wie schon für die mittelalterliche Universität des Pariser Typs, „nicht nur das durch Forschung zu gewinnende Wissen, sondern die durch Wissenschaft und Forschung zu gewinnende Bildung - oder um Humboldts Stichwort ‚Bildung durch Wissenschaft‘ zu gebrauchen - die ausschlaggebenden Ziele.“[7]

Die Universität, für Kant ein „gelehrtes gemeines Wesen“, besteht aus seinen „öffentlichen Lehrern“, den Professoren.[8] Dem Anspruch nach „sind alle Gebiete der Wissenschaft an der Universität vertreten, und je nach Fachgebiet gehören Professoren verschiedenen akademischen Gesellschaften an, Fakultäten. Ihnen obliegen Aufnahme und Ausbildung der Studierenden, aus denen sich natürlich - was Kant nicht explizit anspricht - wiederum zukünftige Hochschullehrer rekrutieren. Sonst werden Studierende entweder zu ‚freien Lehrern‘ mit allgemein anerkanntem, von den Fakultäten verliehenem Doktorgrad oder zu Absolventen, die selbst keine Gelehrten sind und bei Kant, der Sprache der Zeit gemäß, ‚Literaten‘ heißen.[9] Durch diese ‚Geschäftsleute‘ - oder ‚Werkkundigen der Gelehrsamkeit‘, wie Kant sie wenig später nennt - haben Theologie, Jurisprudenz und Medizin Einfluß auf das außeruniversitäre Volk.“[10]

Der erste Satz der Schrift Kants suggeriert einen öffentlichen Gründungsakt der Universität. Kant stellt die Universitätsgründung so dar, als ob ein einzelner Mensch („kein übeler Einfall desjenigen, der zuerst den Gedanken faßte …“) einen klugen Einfall hatte und auf dessen Vorschlag hin die öffentliche Hand die Universität eingerichtet habe. Jürgen Mittelstraß weist darauf hin, dass es sich bei der Wendung „kein übeler Einfall“ um einen Witz handelt, den Kant ernst nahm und auch mit ernster Miene vortrug. Kants Witz „war subtil, nie laut, der Ironie näher als dem Humor. Eben davon zeugt auch die Streitschrift. Sie ist durchzogen von einem tiefen philosophischen Ernst - schließlich geht es […] um die Stellung der Vernunft und der Philosophie im Wissenschaftssystem -, aber auch von ironischer Distanz. Kant vertritt […] mit Nachdruck das Interesse der Philosophischen Fakultät, für ihn ein Vernunftinteresse, aber er läßt sich nicht in die konstatierten Interessenkonflikte zwischen den Fakultäten hineinziehen. Seine Analyse bleibt dem Wesentlichen verbunden, doch nicht in der distanzlosen Nähe des für seine Sache Werbenden, sondern in der kühlen Distanz eines dozierenden Richters, als der hier die Vernunft selbst auftritt.“[11]

Richtig an der Formulierung Kants ist jedenfalls, dass die Universitäten zu seiner Zeit Staatsanstalten waren. Dass die ersten Universitäten in Europa zunächst freie akademische Gemeinschaften waren und nicht von der Obrigkeit geschaffen wurden, dass in weiterer Folge Universitäten oftmals unter kirchlicher Trägerschaft standen, dass man bei Neugründungen einfach die Fakultätsstruktur der Pariser Universität übernahm, das alles interessiert Kant überhaupt nicht. Es geht ihm nicht um die Universitäten in Deutschland oder in Europa und ihre historischen Wurzeln. Vielmehr liefert er eine Art Gründungsmythos der staatlichen Universität in ihrer damaligen Form, „der die raison d’être dieser Institution mit ihren vier Fakultäten freilegt; dann um mögliche normative Folgen dieser Idee.“[12]

Bis heute konnte nicht genau geklärt werden, weshalb an der Pariser Universität die vier geläufigen Fakultäten für Theologie, Recht, Medizin und die Freien Künste entstanden. Die Philosophie gehörte am Anfang zur Artistenfakultät, die sich mit der Auslagerung der Artes an die Gymnasien zur philosophischen Fakultät zu entwickeln begann. Eine bescheidene Vergangenheit also, die Kant nicht zu interessieren scheint.[13]

Auch waren nicht alle Universitäten vollständige Universitäten mit vier Fakultäten, an den Jesuitenkollegien stritten sich nur Theologie und Philosophie, an anderen gab es zeitweilig zwei juridische Fakultäten, für kanonisches Recht und für Zivilrecht. Kant hatte die typische deutsche Universität am Beispiel der Königsberger Albertina kennengelernt, die ihre Existenz einer höchst komplexen historischen Entwicklung verdankte, die auch ganz anders hätte verlaufen können.[14]

Kant ist anderer Meinung. Für ihn ist es bei der Gründung der Universität keinesfalls willkürlich oder zufällig zugegangen: Denn es gibt die Vernunftidee der Universität. Die Einteilung in Fakultäten in die drei oberen der Theologie, der Jurisprudenz und der Medizin sowie die vierte, untere, philosophische Fakultät wurde „nach irgend einem in der Vernunft, wenn gleich nur dunkel, liegenden Prinzip und darauf gegründeten Plan versucht […], der eine gewisse Einteilung notwendig macht.“[15] „Sie scheint also nur rein empirischen Ursprungs zu sein. Es ist die Aufgabe der Philosophie, dieses Prinzip zu offenbaren.“[16]

Wir unterbrechen die Überlegungen zur Universität an dieser Stelle und halten als Zwischenergebnis fest, dass die Universität für Kant eine Vernunftsache ist. Das trifft im Übrigen auch auf die Religion zu: Nicht zufällig schließt das Kapitel „Auslegung der ausgewählten Text-Passagen mit dem Zitat: „ […] weil Religion eine reine Vernunftsache ist“. Doch zuvor wollen wir noch einen Seitenblick auf einen Konflikt werfen, in den der Königsberger Professor unseligerweise verwickelt wurde.

[...]


[1] Olbertz, Jan-Hendrik, Grußwort, in: Ludger Honnefelder (Hrsg.), Kants „Streit der Fakultäten“ oder der Ort der Bildung zwischen Lebenswelt und Wissenschaften, Berlin 2012, [9]-11, 9f.

[2] Olbertz, Grußwort, 10.

[3] Ebda.

[4] Ebda.

[5] Ebda.

[6] Ebda.

[7] Ebda.

[8] Vgl. AA, VII:17.

[9] Vgl. AA, VII:18.

[10] Timmermann, Jens, Kants „Streit“ und die Universität von morgen, in: Kant im Streit der Fakultäten, Herausgegeben von Volker Gerhardt, Berlin 2005, [61]-83, 63.

[11] Mittelstraß, Jürgen, Der Streit der Fakultäten und die Philosophie, in: Kant im Streit der Fakultäten, Herausgegeben von Volker Gerhardt, Berlin 2005, [39]-60, 42.

[12] Timmermann, „Streit“, 63f.

[13] Timmermann, „Streit“, 64.

[14] Ebda.

[15] AA, VII:21.

[16] Timmermann, „Streit“, 64.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Streit zwischen der theologischen und der philosophischen Fakultät
Untertitel
Friedens-Abschluss und Beilegung des "Streits der Facultäten" bei Kant
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Christliche Philosophie)
Veranstaltung
Seminar: Immanuel Kant: "Der Streit der Fakultäten" - "Der Streit zwischen der theologischen und der philosophischen Fakultät"
Note
1,00
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V438691
ISBN (eBook)
9783668787568
ISBN (Buch)
9783668787575
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wissenschaft als Lebensform, Zensurkonflikt, Bildung, Artistenfakultät, Vernunftidee, Inspiration, Skepsis, Kant
Arbeit zitieren
Mag. Siegfried Höfinger (Autor:in), 2015, Der Streit zwischen der theologischen und der philosophischen Fakultät, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438691

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