Das Scheitern der Sprache und der Kommunikation in Heinrich von Kleists 'Der zerbrochne Krug'


Seminararbeit, 2005

15 Seiten, Note: 2-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprache und Kommunikation

3. Das Verhältnis Heinrich von Kleists zur Sprache

4. Namensymbolik im Zerbrochenen Krug

5. Dorfrichter Adam

6. Resümee

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sprache dient dazu sich zu verständigen, sich mitzuteilen, Dinge zu beschreiben, Sachverhalte aufzuklären oder diese - in ihrer negativen Umkehr - zu verschleiern. Im zerbrochenen Krug versucht die Hauptfigur, der Dorfrichter Adam, sich aus seiner misslichen Lage mit Verwirrung stiftenden gar fantastischen Erklärungen und Geschichten, einfach gesagt mit Lügen, zu winden. Dem Leser oder dem Zuschauer wird aber sehr schnell klar, dass Adam, je mehr er versucht sich aus der Situation herauszuwinden, immer mehr ins „straucheln" gerät und letztendlich fällt. Schon die erste Szene gibt einen Ausblick auf den Fortgang des Lustspiels:

Licht: Ei, was zum Henker, sagt Gevatter Adam!

Was ist mit euch geschehen? wie seht ihr aus?

Adam: Ja, seht. Zum Straucheln braucht's doch nichts als Füße.

Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?

Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt“ (…)[1]

Die Zweideutigkeit der Sprache, die sich hier offenbart, ist bezeichnend für das gesamte Stück. Kleist verwendet die Sprache um die Problematik aufzuzeigen, die in der ihr selbst liegt. Um diese Problematik dreht es sich in den folgenden Ausführungen.

Liegt es tatsächlich in der Sprache selbst, dass sie scheitert oder ist das Scheitern der Sprache und der Kommunikation gewolltes Mittel Adams seine Schuld im Dunkeln zu lassen und sich den Konsequenzen seiner Tat an Eve Rull zu entziehen? Was führt zum Scheitern der Sprache? Diese und ähnliche Fragen sind es, die sich stellen, wenn man sich mit diesem Thema in Kleists Lustspiel auseinandersetzt.

Das Stück ist kein einfaches. Allein schon die Tatsache, dass es zwei Fassungen gibt, die 1811 gedruckte Kurzfassung und die 1808 von Goethe inszenierte Langfassung, die Kleist als Variant der kürzeren beifügte, macht die Komplexität dieses Stückes deutlich. Hier soll nur auf die kurze Fassung eingegangen werden. Aus den unzähligen Interpretationen, die sich in der Kleist Forschung aufgetan haben und zum Teil sehr widersprüchlich sind, lässt sich herauslesen, dass eine alles aufdeckende Deutung offensichtlich bisher noch keinem gelungen ist und wahrscheinlich auch nicht gelingen wird. Deshalb soll lediglich ein Ausblick auf die möglichen Interpretationsansätze gegeben werden, die sich hinsichtlich dieses Themas ergeben.

Dieser Ausblick klärt zunächst einmal die Begriffe Sprache und Kommunikation und wirft ein Licht auf das Verhältnis Heinrich von Kleists zur Sprache. Die Symbolik, die Kleist den Namen seiner Figuren beigemessen hat, ist ein weiterer Untersuchungsgegenstand. Schließlich werde ich am Beispiel Adams und seiner Gegenspieler die Problematik der Sprache und Kommunikation im „zerbrochenen Krug" verdeutlichen um schließlich ein Resümee der gewonnenen Ergebnisse und Einblicke zu ziehen.

2. Sprache und Kommunikation

Die Definition der Begriffe Sprache und Kommunikation ist grundlegend für die weitere Untersuchung dieser Elemente im „zerbrochnen Krug". Um mit anderen zu kommunizieren, verwenden wir Sprache. Sie ist aber nur ein Teil unseres Ideenaustausches. Sprache vollzieht sich mündlich, festgehalten in schriftlicher Form oder geistig und ist das bewährte Mittel um seine Gedankenwelt auszudrücken. Darüber hinaus dient sie dem Menschen gesammeltes Wissen festzuhalten.

Um mit anderen Kommunikation betreiben zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen für die jeweilige Sprechergemeinschaft vorhanden sein. Das heißt, es müssen alle die gleiche Sprache, zum Beispiel Deutsch, sprechen oder zumindest verstehen können und die Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem muss für jeden klar definiert sein. Wie kann es nun zum Scheitern der Sprache und der Kommunikation kommen? Die einfachste Erklärung wäre, die Personen im „zerbrochnen Krug" sprechen alle eine andere Sprache. Wer das Stück liest, wird schnell feststellen, dass dies nicht der Fall ist.

Ordnet man Sprache eine soziale und gesellschaftsbildende Funktion zu, so könnte sich eine Antwort daraus lesen lassen. Denn hier drücken sich mit der Sprache eine Gruppenzugehörigkeit und die gleichzeitige Abgrenzung von anderen sozialen Gruppen aus. Im „zerbrochnen Krug" treffen verschiedene solcher sozialen Gruppen aufeinander. Da sind zum einen Dorfrichter Adam, Gerichtsschreiber Licht und der Gerichtsrat Walter, die drei Vertreter von Recht und Ordnung im Dienstes des Staates stehend. Zum anderen verfolgen in der Gerichtskammer die Kläger Marthe Rull und ihre Tochter Eve sowie der Angeklagte Ruprecht Tümpel und dessen Vater Veit das Geschehen. Staat und Volk, Herrschende und Beherrschte, gebildete Staatsbeamte gegen einfache Arbeiter und Bauern ohne schulische Bildung. Diese Gegensätze sind die entscheidenden Merkmale für die Kommunikation und der Sprache im „zerbrochnen Krug".

Hinzu kommt der Versuch Adams, seine Tat an Eve Rull aus niederen Beweggründen zu verschleiern. Adam nutzt seine Redekunst um von seiner Schuld abzulenken. Seine wirren Ausführungen mit der er sich aus dieser Bredouille zu winden versucht, bewirken allerdings das Gegenteilige. Seine Lügen entlarven ihn als Täter. Bezeichnet dieser Umstand das Scheitern der Sprache in diesem Lustspiel?

3. Das Verhältnis Heinrich von Kleists zur Sprache

„Tumultös", „lebensgefährlich", „schauerlich", „grauenvoll", „unheimlich", „gräßlich", „krass", so bezeichnet Thomas Mann die Erzählungen Kleists in dessen Essay. Er spricht von einem „Extremismus der Sprache".[2] Gehört die Sprache in Kleists Prosa „zum Besten (...), was je in deutscher Sprache geschrieben worden" ist, so ist die „Notwendigkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der in den Novellen die Wirklichkeit zur Sprache kommt", in seinen Dramentexten „verflogen".[3] Das Scheitern der Sprache ist in diesen Texten charakteristisch. Die Figuren sind nicht in der Lage sich der Sprache derart zu bedienen, dass sie ihre Gedanken, ihre Absichten in die richtigen Worte fassen.

Im „zerbrochnen Krug" gerät die Hauptfigur, Dorfrichter Adam, ins „straucheln", weil sie an der Sprache scheitert. „Wirklichkeit und Wort decken sich nicht mehr".[4] Die Probleme ergeben sich aus der Sprache selbst und die Formulierung der Gedanken in Worte wird von den Empfängern dieser Worte fehl gedeutet und endet im Missverständnis. Somit wird der gesellschaftsbildenden Funktion der Sprache, die im vorigen Kapitel angesprochen wurde, der Boden entzogen. Wie soll sich eine Gemeinschaft bilden, wenn das entscheidende Mittel nicht mehr funktioniert? Die Konsequenz ist der Rückzug des Menschen in sich selbst. Ohne Sprache gibt es keine Gemeinschaft mit der sich Gefühle, Gedanken und Zuneigung austauschen lassen. Heinrich von Kleist, der mit zehn Jahren seinen Vater und fünf Jahre später auch seine Mutter verlor und lange als Einzelgänger galt, kannte die Einsamkeit und sah letztendlich nur im Freitod seine Erlösung.

[...]


[1] Heinrich von Kleist: "Der Zerbrochenen Krug". Reclam Ausgabe. Stuttgart, 2001. Z. 1ff.

[2] Thomas Mann nach: Hans Heinz Holz: Macht und Ohnmacht der Sprache. Untersuchungen zum Sprachverständnis und Stil Heinrich von Kleists. Frankfurt a. Main/Bonn, 1962. S.23

[3] Ebd. S.23

[4] Ebd. S.23

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Scheitern der Sprache und der Kommunikation in Heinrich von Kleists 'Der zerbrochne Krug'
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Note
2-
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V43794
ISBN (eBook)
9783638415187
ISBN (Buch)
9783638790987
Dateigröße
667 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Scheitern, Sprache, Kommunikation, Heinrich, Kleists, Krug
Arbeit zitieren
Frank Jakobs (Autor:in), 2005, Das Scheitern der Sprache und der Kommunikation in Heinrich von Kleists 'Der zerbrochne Krug', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43794

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