Rosalind Hursthouses tugendethische Kritik an der Konzeption des moralischen Status als Kritik an Peter Singers Utilitarismus


Hausarbeit, 2018

21 Seiten, Note: 1,0

Daniel Zimmermann (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der moralische Status

3 Singers Präferenzutilitarismus

4 Der moralische Status in Singers Utilitarismus

5 Hursthouses Tugendethik

6 Hursthouses Kritik am moralischen Status

7 Tugendethische Kritik am Utilitarismus
7.1 Problem der Ersetzbarkeit
7.2 Problem der Parteilichkeit
7.3 Problem des Schwangerschaftsabbruchs

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

Siglenverzeichnis

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der Diskurs über den moralischen Status war stets auch ein Diskurs über den moralisch richtigen Umgang mit dem nicht-menschlichen Tier (hiernach: Tier) und reicht bis in das antike Griechenland zurück. Schon um 500 v. Chr. postulierte Pythagoras die moralische Falschheit des Fleischessens, da Tiere als beseelte Verwandte des Menschen nicht zu töten seien (vgl. Bruers, Born free and equal?, S. 1; Herman (Hg.), Plutarchs moralische Abhandlungen, S. 488).

Doch systematische Ausarbeitungen tierethischer Reflexionen entstanden erst in den 1970er Jahren; als Ryder den Begriff des Speziesismus vorstellte und Singer diesen mit der Publikation von Animal Liberation (1975) öffentlich prägte (vgl. Bruers, Born free and equal?, S. 1). Infolgedessen entstand ein mannigfaltiger, jährlich wachsender Diskurs der Tierethik (vgl. Beauchamp, OHAE, S. 3), der im Falle von Peter Singers utilitaristischer Theorie auf einer Konzeption des moralischen Status der Entitäten basiert.

Demgegenüber vertritt Rosalind Hursthouse eine tugendethische Theorie, die das Konzept des moralischen Status in Gänze verwirft und kontextsensitiv für moralische Berücksichtigung von Tieren argumentiert. „Moral status is a concept that moral philosophy is better off without“ (Hursthouse, VETA, S. 120).

Ebendiese tugendethische Kritik an der Konzeption des moralischen Status bildet das zentrale Thema dieser Arbeit. Ich werde sie über den Kontext der Tierethik hinaus als Kritik am Utilitarismus Peter Singers betrachten und die Frage beantworten, inwieweit Hursthouses Kritik an der Zuschreibung eines moralischen Status zugleich Kritik am Utilitarismus darstellt und ob diese Kritik überzeugen kann.

Ich werde letztlich zu dem Schluss kommen, dass die tugendethische Statuskritik gleichsam eine überzeugende Kritik am Utilitarismus darstellt.

Dazu führe ich in Kapitel 2 zunächst in die Konzeption des moralischen Status ein, um dann in Kapitel 3 Singers Präferenzutilitarismus zu umreißen. Nachfolgend werde ich in Kapitel 4 darlegen, wie Singer im Rahmen seines Utilitarismus den moralischen Status einer Entität ermittelt und welche Funktionen er dort erfüllt. In Kapitel 5 werde ich Hursthouses Tugendethik skizzieren und ihre Kritik am moralischen Status in Kapitel 6 folgen lassen. Anschließend werde ich ihre Kritik in Kapitel 7 auf den Utilitarismus beziehen, indem ich einige utilitaristische Probleme, welche sich aus der Konzeption des moralischen Status ergeben, mittels Hursthouses Tugendethik auflöse. Abschließend werde ich in Kapitel 8 meine Evaluation der Hursthouseschen Kritik formulieren und dabei die Leitfrage beantworten.

2 Der moralische Status

Bevor ich zu spezifischen Erläuterungen des moralischen Status im Kontext von Singers Utilitarismus übergehe, ist es sinnvoll, zunächst allgemein über die Konzeption des moralischen Status zu informieren.

Wie schon in der Einleitung angeführt, basiert eine jede utilitaristische, wie deontologische Moraltheorie auf der Konzeption des moralischen Status von Entitäten. Denn erst vermittelst des moralischen Status definiert die Theorie ihren Anwendungsbereich, d.i. die Gegenstände ihrer Anwendung. Der moralische Status stellt somit die Weiche zwischen moralischer Berücksichtigung und moralischer Nichtigkeit. Zur Verdeutlichung eine Illustration:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sowie ein Beispiel: Zu sagen, dass ein Hund moralischen Status hat, ist zu sagen, dass ein Hund moralische Berücksichtigung verdient. Die Interessen, das Wohlergehen des Hundes sind moralisch relevant und müssen ernstgenommen werden (vgl. DeGrazia, Animal Rights, S. 13). Wie diese Berücksichtigung schließlich ausfällt, bestimmt die jeweilige Moraltheorie. Mehr dazu in Kapitel 4 und 6.

Doch wie ermittelt man den moralischen Status? Die von Jeremy Bentham geprägte und von Singer übernommene Standardmethode dieser Evaluation bildet die Bezugnahme auf eine oder mehrere Eigenschaften der in Frage stehenden Entität. Somit konstituiert der Besitz bestimmter, moralisch relevanter Eigenschaften den moralischen Status, d.i. die moralische Bedeutsamkeit einer Entität.

Einerseits erscheint die Standardmethode, wie auch die Zuschreibung eines moralischen Status, plausibel. Die große Anzahl an Moraltheorien, die sich ebenfalls auf diese Säulen stützen, belegt die Plausibilität.

Andererseits haben diese Theorien Anwendungsprobleme deutlich gemacht (vgl. Beauchamp, OHAE, S. 11) und lassen vermuten, dass die Konzeption des moralischen Status mit Hinblick auf praktische Probleme hinderlich sein könnte.

„ It could be that the objective in theories of moral status of showing which creatures matter morally may not be as fruitful in advancing practical (by contrast to theoretical) issues of how animals should be treated. Perhaps we do not need any kind of account of moral status in order to address the moral problems” (Beauchamp, OHAE, S. 11).

Ist die Konzeption des moralischen Status nützlich ? Darüber Klarheit zu gewinnen, werde ich in den folgenden Kapiteln anstreben und beginne, indem ich zunächst Singers Präferenzutilitarismus umreiße und dann die Funktion des moralischen Status innerhalb seiner Theorie darlege, wie sie in der 2. Auflage seiner Practical Ethics (1993) geschildert wird.

3 Singers Präferenzutilitarismus

Der Präferenzutilitarismus (lt. utilitas: Nutzen, Vorteil) ist eine ethische Theorie, die Handlungen ausschließlich an ihren Konsequenzen bemisst (Konsequenzialismus). Daher ist diejenige Handlung die beste, welche per Saldo die besten Konsequenzen für alle Betroffenen herbeiführt, d.i. den aggregierten Gesamt nutzen maximiert (Nutzenaggregation & -maximierung).

Während die hedonistischen Utilitaristen den Nutzen als “Freude (pleasure) und (…) Vermeidung von Schmerzen bzw. Leid“ (Schroth, Texte zum Utilitarismus, S. 9) definieren, bezeichnet dieser im Falle Singers die Erfüllung von Präferenzen (=Wünsche, Interessen). Das sind alle generellen rationalen und emotionalen Interessen einer Person, wie etwa das grundlegende rationale Lebensinteresse oder auch das Interesse Philosophie zu studieren.

Diese werden gleichwertig im moralischen Kalkül des Präferenzutilitarismus abgewogen (Prinzip der gleichen Interessenabwägung / Universalismus). Heißt: Meine Präferenzen zählen nicht mehr als gleich gewichtige Präferenzen von anderen Personen. Damit wird Singer seinem Anspruch eines universellen, ethischen Prinzips gerecht.

Während seine Theorie in Animal Liberation (1975) noch rein präferenzutiliaristisch war, wurde sie in seiner Practical Ethics (1979) um einen hedonistisch-utilitaristischen Aspekt erweitert.

Dieser ergibt sich aus Singers Erkenntnis, dass die moralische Falschheit des Tötens eines Wesens nicht nur an dessen Empfindungsfähigkeit, sondern besonders an dessen Selbstbewusstsein gekoppelt sein muss.

Das weitere Kriterium des Selbstbewusstseins führt Singer schließlich dazu „insbesondere im Hinblick auf die Tötungsfrage zwischen einem hedonistischen Glückssummen- und einem Präferenzutilitarismus und infolgedessen drei Lebenswertklassen zu unterscheiden“ (Düwell, Hübenthal, Werner (Hg.), Handbuch Ethik, S. 289).

Diese Lebenswertklassen, nachfolgend Kategorien genannt, werde ich im folgenden Kapitel erläutern.

4 Der moralische Status in Singers Utilitarismus

Im Rahmen seiner utilitaristischen Theorie untergliedert Singer die Allheit der Entitäten in drei Kategorien moralischen Status: (1) Personen, (2) bewusste / empfindende Wesen und (3) nicht empfindungsfähige Entitäten (vgl. Flury, MST, S. 114).

Wie gelangt er zu dieser Untergliederung? Für Singer sind (absteigend) Selbstbewusstsein und Bewusstsein / Leidensfähigkeit die moralisch relevanten Eigenschaften. Durch Prüfung der in Frage stehenden Entität hinsichtlich dieser beiden Fähigkeiten, ermittelt Singer den moralischen Status einer Entität und differenziert zwischen drei Kategorien:

(1) Eine Person ist selbstbewusst, d.i. sie ist sich ihrer selbst als einer distinkten Entität bewusst, mit Vergangenheit und Zukunft. Sie verfügt also über in die Zukunft gerichtete Bewusstseinsvorgänge, wie Pläne und Wünsche. Eine Person hat daher den höchsten moralischen Status und ist direkt moralisch zu berücksichtigen (vgl. Singer, PE, S. 145 f.). Zu dieser höchsten Kategorie zählt der gesunde, erwachsene Mensch, aber auch große Menschenaffen, Wale und Delphine, wobei auch Hunde, Katzen und Schweine einbezogen werden können (vgl. Flury, MST, S. 114). So betont Singer, dass es sich „bei den großen Menschenaffen (…) am eindeutigsten [auch] um Personen [handele], aber (…) es auch bei einigen anderen Spezies Anzeichen für das Vorhandensein von in die Zukunft gerichteten Bewusstseinsvorgängen [gebe]“ (Singer, PE, S. 186).

(2) Ein bewusstes / empfindendes Wesen besitzt die Fähigkeit Schmerzen und / oder angenehme Gefühle zu verspüren. Aufgrund dieser hedonistischen Zustände hat das empfindende Wesen die Präferenz nicht leiden zu wollen und gleichsam moralischen Status. Das bloß bewusste Wesen ist daher auch direkt zu berücksichtigen. Zu dieser Kategorie zählt Singer die Säugetiere der heutigen Intensivtierhaltung und die meisten Versuchstiere.

(3) Eine nicht empfindungsfähige Entität ist unfähig Reize als angenehm oder unangenehm zu empfinden. Sie hat entsprechend keinen moralischen Status, kann aber indirekt zu berücksichtigen sein. Zu dieser Kategorie zählen alle niederen Tiere unterhalb der Muschel, sowie alle Pflanzen und die gesamte unbelebte Natur, wie Steine und Artefakte.

Bis hierhin habe ich gezeigt, wie Singer den moralischen Status einer Entität ermittelt und kann nun damit fortschreiten, die Funktion des moralischen Status bei Singer zu erläutern.

Wie in Kapitel 2 beschrieben, erfüllt der moralische Status stets die Funktion einer Weichenstellung zwischen moralischer Berücksichtigung und moralischer Nichtigkeit. Im konkreten Fall Singers heißt dies folgendes:

Entitäten der Kategorie (3) sind für sich genommen moralisch nichtig, da sie keine moralisch relevanten Eigenschaften besitzen. Aber steht eine solche Entität in entscheidender Verbindung mit einer Person (1) oder einem bewussten Wesen (2), so kommt der Entität (3) indirekt moralische Berücksichtigung zu.

Wir stellen uns vor: Ein obdachloser Mensch sucht täglich einen Brunnen auf, um daraus zu trinken. Ohne den Brunnen wird er sterben. Obwohl der Brunnen eine nicht empfindungsfähige Entität, und damit nicht direkt moralisch relevant ist, kommt ihm durch seine entscheidende Verbindung zu einer Person (1) indirekt moralische Relevanz zu. Es wäre somit moralisch falsch, den Brunnen zu zerstören. Nicht aber um des Brunnens willen, sondern weil der obdachlose Mensch sterben würde.

Zur Verdeutlichung ein Schaubild:

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Rosalind Hursthouses tugendethische Kritik an der Konzeption des moralischen Status als Kritik an Peter Singers Utilitarismus
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Philosophisches Seminar)
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
21
Katalognummer
V437393
ISBN (eBook)
9783668775336
ISBN (Buch)
9783668775343
Dateigröße
797 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hursthouse, Tugendethik, Singer, Utilitarismus, Präferenzutilitarismus, moralischer Status, Kritik, Tierethik, Ethik, Praktische Ethik, Angewandte Ethik
Arbeit zitieren
Daniel Zimmermann (Autor:in), 2018, Rosalind Hursthouses tugendethische Kritik an der Konzeption des moralischen Status als Kritik an Peter Singers Utilitarismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437393

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