Die Reformorden des 12. Jahrhunderts - Zur Geschichte der Zisterzienser, Prämonstratenser und Augustiner-Chorherren


Seminararbeit, 1997

21 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1 Einführung in die Entfaltung der christlichen „vita communis“

2 Die Reform (Regulierung) der Kanoniker
2.1 Die Wurzeln der Kanoniker
2.2 Von der Kanonikerreform zu den Augustiner-Chorherren

3 Die Entstehung des Zisterzienserordens

4 Die Prämonstratenser zwischen Mönchtum und Klerus
4.1 Norbert von Xanten und die Gründung von Prémontré
4.2 Das Verhältnis zwischen Prémontré, Magdeburg und Cîteaux

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Anhang
6.1 Abkürzungen
6.2 Bibliographie

1 Einführung in die Entfaltung der christlichen „vita communis“

Die Entwicklung des christlichen Mönchtums begann im 4. Jahrhundert in den Wüsten Ägyptens und Syriens. In jener Zeit fingen Eremiten an, zur Sicherung ihrer Lebensgrundlagen und „ um geistlichen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben zu können.“[1] mit der Bildung von Gemeinschaften an. Sie verzichteten dabei jedoch nicht auf ihre asketische Lebensweise. Meist scharten sie sich um Persönlichkeiten, die als heilig betrachtet wurden, wie Antonius d.Gr., Pachomius und Basilius d.Gr. Dieses Phänomen fand sich später auch bei den Reformorden des 11. und 12. Jahrhunderts[2].

Der hl.Athanasius († 373) brachte die Ideen des östlichen Mönchtums in den Westen des Römischen Reiches, wo seine Schriften nachhaltigen Einfluß auf den hl.Augustinus hatten. Nach und nach verbreitete sich das Mönchtum in den verschiedensten Varianten über Europa (Italien, Gallien, Irland)[3]. Wobei für diese Zeit noch keine scharfe Trennung zwischen Mönchen und Kanonikern anzunehmen ist.

Im frühen 6. Jahrhundert verfaßte schließlich Benedikt v. Nursia (ca. 480-547) für das um 529 von ihm gegründete Kloster Montecassino eine Mönchsregel. Als Vorlagen dienten ihm dabei die Augustinusregel und die sogenannte Magisterregel (Regula Magistri). Seine Regula Sancti Benedicti (RSB) wurde im Mittelalter, dank ihrer weisen Mäßigung, zur wohl bedeutendsten Ordensregel. Nach der Zerstörung Montecassinos (577) geriet die Benediktsregel jedoch fast in Vergessenheit bzw. vermischte sich mit anderen Mönchs- und Kanonikerregeln (z.B. Eugippiusregel, Kolumbans-Regel), was jener Zeitspanne die Bezeichnung als Mischregelzeitalter einbrachte. Erst auf der Aachener Reichssynode von 816/17 kam das Ende für diese Mischformen. Hier setzte der Reformabt Benedikt von Aniane, mit der Unterstützung von Kaiser Ludwig dem Frommen, eine eindeutige Trennung zwischen Mönchen und Kanonikern im Frankenreich durch. Während man für das Mönchtum auf eine möglichst authentische Fassung der Benediktsregel als alleingültige Observanz zurückgriff, wurde für die Kanoniker eine neue Regel (Aachener Regel) zusammengestellt. Die Kanoniker durften im Gegensatz zu den Mönchen „ Eigentum besitzen, linnene Kleidung tragen und Fleisch essen. [...] sollten trotzdem ‘bescheiden gekleidet sein, weder zu vornehm aus Eitelkeit, noch zu schlecht aus Heuchelei’ [...] Obwohl Dormitorium (Schlafsaal) und Refektorium (Speisesaal) auch bei den Kanonikern allen gemeinsam sind, kann jeder einzelne Kanoniker - allerdings innerhalb des Claustrums - außerdem eine eigene Wohnung beanspruchen.“[4] In der Folge wurden Mönche und Kanoniker, wie auch andere Kirchenstrukturen mit Bedrohungen von außen (Ungarn -und Normanneneinfällen) konfrontiert und in den Niedergang des Reiches gezogen. Erst im 10.Jahrhundert konnte diese Kirchenkrise, die zu einem Verfall der klösterlichen Lebensweise führte, durch monastische Reformbewegungen, allen voran Cluny, langsam überwunden werden. Hauptziele der Cluniazensischen Reform waren: „ Strenge Befolgung der Benediktus-Regel in der Tradition Benedikts von Aniane, ein von weltlichen und bischöflichen Einflüssen unabhängiges Klosterleben (Unterstellung unter päpstlichen Schutz), Zentralisation in einem Klosterverband unter der Leitung Cluny’s.“[5] Forderungen, die auch von den nachfolgenden Kirchenreformern übernommen wurden. Neben den Zönobiten (von griech. koinos bios = "gemeinschaftliches Leben") traten nun aber auch die Eremiten mit ihren neu entdeckten Idealen wieder verstärkt auf. Diese Art zu Leben hatte gemeinsam mit dem benediktinischen Mönchtum starken Einfluß auf die Gründer der neu entstehenden Reformorden. Besonders ausgeprägt war diese Mischung bei Kamaldulensern (vor 1027, Romuald v. Ravenna), Vallombrosanern (1037/39, Johannes Gualbertus) und Kartäusern (1084, Bruno v. Köln). Aber auch die Zisterzienser und Teile der Prämonstratenser waren stark von eremitischen Idealen beeinflußt, was sie dazu veranlaßte ihre Klöster in möglichst großer Abgeschiedenheit anzulegen. Die Zisterzienser vertrieben dabei häufig die bereits im Gründungsgebiet ansässige Bauern (Bauernlegen)[6].

Die drei Orden, deren Geschichte hier behandelt werden soll, stellen somit nur einen Teil der kirchlichen und monastischen Erneuerungsbewegung, die ebenso von reformfreudigen Päpsten, Bischöfen und Laien getragen wurde, dar. Sie bildeten aber zweifellos den Höhepunkt des abendländischen Klosterlebens. Besonders den Zisterziensern, aber auch den beiden anderen, gelang es aus der Fülle von Reformansätzen vor ihnen zu schöpfen, sie den Bedürfnissen der Zeit anzupassen und unter Hinzugabe von Neuem erfolgreich zu „vermarkten“. Alte festgefahrene Traditionen wurden zum Teil scharf angegriffen, abgeschafft oder umgestaltet. Cluny, das führende Reformkloster des 10. und 11. Jahrhunderts wurde nun von vielen (z.B. Bernhard v. Clairvaux[7] ) selbst als verweltlicht und vom Geiste der Reform abgekommen, kritisiert.

Da eine umfassende Darstellung der monastischen Reformbewegung, den Umfang dieser Arbeit sprengen würde, soll im Folgenden versucht werden Unterschiede und Parallelen in Entwicklung und Organisation von Augustiner-Chorherren, Prämonstratensern und Zisterziensern aufzuzeigen. Wie der Titel bereits andeutet sollen dabei im wesentlichen die Entwicklungen des 12.Jahrhunderts betrachtet werden. Zwar sind lediglich die Prämonstratenser wirklich in diesem Jahrhundert der Umbrüche gegründet worden, doch bildeten alle drei zu jener Zeit ihre wesentlichen Charakteristika aus. Auch erreichten sie um die Jahrhundertmitte ihre wohl größte Stoßkraft und Blüte.

2 Die Reform (Regulierung) der Kanoniker

2.1 Die Wurzeln der Kanoniker

Bereits unter Bischof Eusebius von Vercelli (†371) gab es erste Ansätze den Stadtklerus, nach dem Vorbild der Mönche, in einer klösterlichen Gemeinschaft zusammenzufassen. Diese Tradition sollte sich später bei den Dom- und Stiftskapiteln fortsetzen. „ Augustinus aber ist der große und überragende Vollender einer Lebensform, die in der Urkirche[8] vorgegeben war und wenigstens im Leben der Priester und Kleriker weiterbestehen sollte. Auf Grund seiner eigenen Lebenserfahrung[9] , die durch seine Bekehrung eine entscheidende Wende und zugleich jenen Impuls erhalten hatte, der zum konsequenten und ernsthaften Vollzug des Christlichen drängte, vertrat Augustinus die Meinung, ‘der ideale Christ sei ein Mönch’[10] - Augustinus stimmt damit mit den meisten östlichen Kirchenvätern und mit Benedikt v. Nursia[11] überein. Selbst Bernhard v. Clairvaux vertrat im 12.Jahrhundert noch diese Ansicht, er sah jedoch die Chance auf Erlösung nur in den strengen Mönchsorden (Zisterzienser, Kartäuser) wirklich gegeben, obwohl er auch den strengen Regularkanonikern relativ wohlwollend gegenüber stand. Im Gegensatz zum späteren benediktinischen Mönchsideal der Abgeschiedenheit, sah Augustinus den Mönch im Lichte des apostolischen Wirkens und reihte ihn damit in den Klerikerstand ein. Somit bildete sich die neue, zwischen Mönch und Weltpriester (Säkularkleriker) angesiedelte Lebensform der Kanoniker (ordo canonicus). Ähnlich den Mönchen pflegten sie das gemeinschaftliches Leben (vita communis) in der Klausur unter Beachtung einer Regel[12]. Mit den Weltpriestern verband sie jedoch ihre Tätigkeit in der Seelsorge, während diese von den Mönchsorden (ordo monasticus) lange Zeit vernachlässigt wurde.

Die erste faßbare, bis in alle Einzelheiten gehende Kanonikerregel war jene, die Bischof Chrodegang von Metz (747-766), in weiten Strecken der Benediktsregel folgend, für sein Domkapitel verfaßte. Auf der Aachener Reichssynode kam es dann, wie bereits erwähnt wurde, zur eindeutigen Scheidung zwischen »ordo monasticus« und »ordo canonicus«, durch Einführung jeweils einer speziellen für das Frankenreich gültigen Regel.

[...]


[1] Jacques Le Goff, Das Hochmittelalter. Fischer Weltgeschichte Bd.11 (Frankfurt a.M. 1994) 147.

[2] vgl. Leben des hl. Benedikt, Gründung von Molesme etc.

[3] Detailierter: Georg Schwaiger, Armut, Keuschheit, Gehorsam. Klöster und Orden - ein Überblick. In: Damals 29/1 (1997) 12-19. — Mönchtum, Orden, Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon, ed.Georg Schwaiger (München 1993) 9-43 {Kurzzit.:Schwaiger, Mönchtum} — Ambrosius Schneider, Die Geschichte der Cistercienser. In: Ambrosius Schneider u.a., Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst . ed. Ambrosius Schneider (Köln 3 1986) 3-17.{Kurzzit.: Schneider, Cistercieser} — Jürgen Sydow, Die Zisterzienser ein Orden in der Blütezeit hochmittelalterlichen Mönchtums. In: Jürgen Sydow u.a., Die Zisterzienser. (Stuttgart - Zürich 2 1991) 11-45 {Kurzzit.: Sydow, Zis} — Gert Wendelborn, Bernhard von Clairvaux. Ein großer Zisterzienser in der ersten Hälfte des 12.Jahrhunderts. (Frankfurt a.M. u.a. 1993) 7-14 {Kuzzit.:Wendelborn, Bernhard}.

[4] Joachim Angerer, Stifte und Klöster in Bayern, Österreich und der Schweiz. (Wien 1987) 197. {Kurzzit.: Angerer, Stifte}

[5] Schwaiger, Mönchtum S.147

[6] Zur Reaktion der Vertriebenen vgl. Georges Duby, Der heilige Bernhard und die Kunst der Zisterzienser {frz.Orginaltitel: L'Art Cistercien (Paris 1979)}.(Frankfurt a.M./Augsburg 1991) 121.: "[...] das Landvolk wen­dete sich als erstes vom Orden ab, der ihm das Land nahm und es aus seinen Weilern ver­trieb. In Germanien erhoben sich ganze Dörfer gegen die Unterdrückung durch die weißen Mönche, und die Bauernbanden, [...] , verbrannten im Vorbeiziehen die Kornspeicher der Zi­sterzienser, jene Symbole ihrer Enteignung."

[7] Ein Brief Bernhards an seinen von Clairvaux nach Cluny übergetretenen Vetter lößte einen Konflikt zwischen ihm und Cluny aus. Im Laufe der Auseinandersetzungen verfaßte Bernhard seine „Apologia ad Guillelmum Sancti Theoderici Abbatum“, die von den Cluniazensern mit teils scharf formulierten Streitschriften beantwortet wurde. (Ausführlicher: Wendelborn, Bernhard S.41-49)

[8] vgl. Apg 4,32

[9] Aurelius Augustinus (Heiliger) wurde 354 in Tagaste geboren und von seiner Mutter Monika christlich erzogen. 385 trennte er sich von einer Frau mit der er einen Sohn hatte. Von der Kirche zunächst enttäuscht, schloß er sich den Manichäern an. In Mailand begegnete er Ambrosius, der ihn nach einem Bekehrungserlebnis (Bek. [8.Buch, XII,28-30]S.214f) 387 taufte. 396 wurde er Bischof von Hippo wo er 430 während einer Belagerung durch die Vandalen starb.

[10] Angerer, Stifte S.184.

[11] u.a. RSB: Prol. 50 (vgl. 2.Tim 2,10-12); 73, bes.8-9

[12] Viele Gemeinschaften hatten eigene den lokalen Bedingungen angepasste und tw. aus mehreren überregionalen Regeln zusammengesetzte Vorschriften (Mischregeln). Dazu gab es bes. bei den Bedediktinern aber auch den Regularkanonikern klostereigene Ausführungsbestimmungen (consuetudines).

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Details

Titel
Die Reformorden des 12. Jahrhunderts - Zur Geschichte der Zisterzienser, Prämonstratenser und Augustiner-Chorherren
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar Mittelalter
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
21
Katalognummer
V4369
ISBN (eBook)
9783638127066
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kirchenreform, Mönchtum, Reformorden, Zisterzienser, Prämonstratenser, Augustiner-Chorherren
Arbeit zitieren
Michael Grundner (Autor:in), 1997, Die Reformorden des 12. Jahrhunderts - Zur Geschichte der Zisterzienser, Prämonstratenser und Augustiner-Chorherren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4369

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