Nordkoreanische Erinnerungsorte im Artikel "Natural Wonders Observed"

Die Übernatürlichkeit eines Führertods


Hausarbeit, 2018

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einführung und Zielsetzung dieser Hausarbeit

2. Natural Wonders Observed

3. Das Konzept der Erinnerungsorte

4. Erinnerungsorte im Artikel ,,Natural Wonders Observed“
4.1 Eine Erinnerungsroute
4.2 Stationen
4.3 Pilgerweg der Trinität

5. Ressourcen der Legitimation
5.1 Juche und Songun
5.2 Das Mandat des Himmels
5.3 Systematik

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung und Zielsetzung dieser Hausarbeit

In dieser Hausarbeit soll der nordkoreanische Zeitungsartikel ,,Natural Wonders Observed“ sowohl unter dem Blickwinkel der Erinnerungsorte nach Assmann und Pierre Nora untersucht werden, als auch unter dem Gesichtspunkt der genutzten Mittel zur Legitimation. Dabei sollen Elemente des Artikels im Hinblick auf ihre historische Bedeutung für das Land und seine Ideologie herausgestellt und als Erinnerungsorte Nordkoreas genauer betrachtet werden.

Ziel ist hierbei, daraus zu erschließen, mit welcher Methodik der Artikel geschrieben worden sein mag und was er den verschiedenen Lesern des Artikels suggeriert. Zunächst wird hierfür der Artikel als solcher vorgestellt und es wird beschrieben, was Assmann und Nora mit dem ,,Konzept der Erinnerungsorte“ bezeichnen. Anschließend wird an dem vorliegenden Text gezeigt, wie verschiedene Erinnerungsorte einer Nation zu einem Narrativ verwoben werden. Daraufhin werden die verschiedenen topographischen Stationen aufgelistet, die in dem Artikel durchlaufen werden und diese werden weiter in ihrer Bedeutung erläutert. Dies soll ihre Bedeutung als Erinnerungsorte konkreter hervorheben. Abschließend wird auf die Methodik des Artikels in Anbetracht der hervorgehobenen Auffälligkeiten eingegangen. Dies wird mit einem Fazit und einer Literaturliste abgeschlossen.

In dieser Hausarbeit wird der Ü bersicht halber die Schreibweise der geographischen Orte Nordkoreas aus dem besprochenen Artikel, sowie in ihrer Schreibweise in internationalen Repr ä sentationen, je nach Zusammenhang ü bernommen.

2. Natural Wonders Observed

In dem Artikel ,,Natural Wonders Observed“1, der am 21. Dezember 2011 durch die Korean Central News Agency (KCNA) in P’yŏngyang veröffentlicht und auch in englischer Sprache international zur Verfügung gestellt wurde, werden beobachtete Naturphänomene um den Berg Paektu vor dem Hintergrund des Versterbens Kim Jong Ils am 17. Dezember 2011 beschrieben.

Natural Wonders Observed2

Pyongyang, December 21 (KCNA) -- Peculiar natural wonders were observed on Mt. Paektu, Jong Il Peak and Tonghung Hill in Hamhung City where the statue of President Kim Il Sung is standing at a time when all Korean people are mourning the demise of leader Kim Jong Il in bitterest sorrow.

On the morning of Dec. 17 layers of ice were broken on Lake Chon on Mt. Paektu, shaking the lake with big noise.

The Group for Comprehensive Exploration of Lake Chon on Mt. Paektu said it was the first time that such big noise was heard from the ridge of Janggun Peak and the lake.

The temperature on Mt. Paektu that day registered 22.4 degrees centigrade below zero and there was strong wind accompanied by snowstorm measuring 18 meters per second.

The snowstorm stopped blowing all of a sudden from dawn of Tuesday and heavy clouds were seen hanging around Hyangdo Peak.

At around 8:05 a.m. the sky began turning red with sunrise on the horizon. The peaks looked like a picture for wide and thick glow.

Kim Jong Il's autographic writings "Mt. Paektu, holy mountain of revolution. Kim Jong Il." carved on the mountain, in particular, were bright with glow.

This phenomenon lasted till 5:00 pm. Glow was seen atop Jong Il Peak for half an hour from 16:50 on Dec. 19 when the nation was shocked by the news of the leader's demise. This was the first of its kind in dozens of years since the observation of the area was started.

A natural wonder was also observed around the statue of the President standing on Tonghung Hill.

At around 21:20 Tuesday a Manchurian crane was seen flying round the statue three times before alighting on a tree. The crane stayed there for quite a long while with its head drooped and flew in the direction of Pyongyang at around 22:00.

Observing this, the director of the Management Office for the Hamhung Revolutionary Site, and others said in union that even the crane seemed to mourn the demise of Kim Jong Il born of Heaven after flying down there at dead of cold night, unable to forget him."

,,Natural Wonders Observed“ wurde international wahrgenommen, wenn auch größtenteils in Form von satirisch kommentierender Betrachtung, die nicht weiter in analytischer Form auf das Material einging. Gerade für die Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der Erinnerungsorte bietet der Artikel jedoch einige untersuchenswerte Punkte.

Der Bericht, dessen spezifischer Autor nicht genannt wird, beschreibt chronologisch der Uhrzeit nach Ereignisse, die sich in der Natur rund um den Berg Paektu abspielen. Hier kommen verschiedene Bereiche des natürlichen Areals vor, an denen sich im Laufe des Tages verschiedene ,Naturwunder' ereignen. Wetter- und Temperaturveränderungen, so wie dramatischer Lichteinfall und das Erscheinen eines symbolträchtigen Tieres bieten jene Auffälligkeiten, deren Zusammenhang mit Kim Jong Ils Ableben hier impliziert wird.

Der Artikel beginnt mit der Bereitstellung eines Ausgangsszenarios für den Leser. Es ist der Morgen des 17. Dezember, der Todestag Kim Jong Ils, an dem das Eis am See Chon mit einem hörbaren Erschüttern bricht. Gleich im nächsten Absatz wird diese Beobachtung durch Hinzunahme eine Autorität bestätigt. Die Group of Comprehensive Exploration of Lake Chon on Mt. Paektu soll nicht nur das Ereignis bestätigt haben, sondern auch versichert haben, dass solch ein Geräusch von dem See und der Janggun Spitze bisher noch nie wahrgenommen werden konnte. Hier wird allgemeinverständlich die Besonderheit eines ersten Aufkommens eines Ereignisses an sich herausgestellt, welches auch noch durch Heranziehen einer scheinbar fachkundigen Autorität hervorgehoben wird. Die Temperatur zum Zeitpunkt dieses Ereignisses wird exakt mit - 22.4 °C benannt und selbst die Windgeschwindigkeit wird an dieser Stelle beziffert.

Eine plötzliche, Stillstand-bringende Veränderung bietet nun einen Einschnitt. Während schwere Wolken um die Hyangdo Spitze hängen, hört der starke Schneesturm auf einmal im Morgengrauen auf. Mit genauer Uhrzeit wird ein malerischer Sonnenaufgang beschrieben, der die Spitzen des Berges schimmern lässt. Die eingemeißelte Handschrift Kim Jong Ils auf dem Berg, die den Paektu als ,,heiligen Berg der Revolution“ bezeichnet, erglüht in diesem Morgenlicht. Der Artikel scheut sich nicht, diesen Anblick als ein ,,Phänomen“ zu bezeichnen, dass bis 17 Uhr andauert.

Solch ein Glühen wird laut dem Artikel auch am 19. Dezember, als das Volk vom Ableben Kims erfährt, für eine halbe Stunde lang um die Jong Il Bergspitze in den frühen Abendstunden wahrgenommen. Auch dieser Anblick soll sich hier das erste Mal geboten haben.

Ein weiteres ,,Wunder der Natur“ wird an der Präsidentenstatue auf dem Tonghung Hügel beobachtet. Ein mandschurischer Kranich soll um 21:20 Uhr drei Mal um die Statue geflogen sein, ehe er sich auf einem Baum niederlässt, um mit gesenktem Kopf dort für eine Zeit zu verweilen. Nun wird wieder eine Drittperson mit Autoritätsposition herangezogen, um den wundersamen Anblick des scheinbar betroffenen Kranichs zu bestätigen und eine Deutung zu implizieren. Es ist der Leiter des Management Office for the Hamhung Revolutionary Site, untermauert von der Bestätigung der Sichtung durch nicht weiter benannten weiteren Personen, der den ungewöhnlich lang verweilenden Kranich als um Kim Jong Il trauernd identifiziert. Fast poetisch wird beschrieben, wie der Kranich ,,scheinbar um das Ableben des vom Himmel geborenen Kim Jong Il trauert, nachdem er in der Eiseskälte der Nacht dort hinab fliegt“.

Hier wechseln sich also Passagen lyrischer Naturbeschreibungen immer wieder mit wissenschaftlichen Datierungen und Messergebnissen, sowie Forschern regelrecht in den Mund gelegten Äußerungen ab, wodurch die Faktizität der Vorkommnisse unterstrichen wird.

3. Das Konzept der Erinnerungsorte

Das ,,Konzept der Erinnerungsorte“ wird von dem französischen Historiker Pierre Nora beschrieben. Hierbei werden geographische Orte mit historischen Ereignissen in Verbindung gebracht und ,,dienen der Konstruktion von räumlichen wie nicht-räumlichen Identitäten“3. Die deutschen Kulturwissenschaftler Jan Assmann und Aleida Assmann sprechen von einem ,,kulturellen Gedächtnis“ und beschreiben damit „die Tradition in uns, die über Generationen, in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausendelanger Wiederholung gehärteten Texte, Bilder und Riten, die unser Zeit- und Geschichtsbewußtsein, unser Selbst- und Weltbild prägen“4, welches besonders anhand von antiker Mythologie herausgestellt werden kann.

4. Erinnerungsorte im Artikel ,,Natural Wonders Observed“

Im Hinblick auf das Konzept der Erinnerungsorte bietet der Artikel ,,Natural Wonders Observed“ sowohl nordkoreanischem Publikum als auch Nordkorea-kundigen,

[...]


1 KCNA.co.jp

http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:TLMcLvxBvyQJ:www.kcna.co.jp/item/2011/201112/news 21/20111221-49ee.html+&cd=1&hl=en&ct=clnk&gl=de <Abrufdatum: 22.09.2016>

2 Ebenda.

3 H/Soz/Kult http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-4716 <Abrufdatum: 22.09.2016>

4 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. In: Derselbe: Thomas Mann und Ägypten. Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen, München 2006, S. 67-75, hier S. 70.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Nordkoreanische Erinnerungsorte im Artikel "Natural Wonders Observed"
Untertitel
Die Übernatürlichkeit eines Führertods
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Ostasienwissenschaften)
Veranstaltung
Literatur- und Geistesgeschichte Koreas
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V436379
ISBN (eBook)
9783668769137
ISBN (Buch)
9783668769144
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nordkorea, Kim Il Sung, Kim Jong Il, Kim Jong Un, Nordkoreanische Zeitungen, Nordkoreanische Spiritualität, Paektu, Paektu-san, Führerkult, Juche
Arbeit zitieren
Birthe Frauendienst (Autor:in), 2018, Nordkoreanische Erinnerungsorte im Artikel "Natural Wonders Observed", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436379

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