Liberalismus: Die innerstaatliche Präferenzbildung als Determinante für das Außenverhalten des Staates im internationalen Feld


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Neoliberalismus: Vertreter und Kernanannahmen

2 Präferenzbildungsprozess im Staat und Auswirkung auf sein Außenverhalten
2.1 Soziale Akteure und die Gesellschaft als zentrales Kriterium der Präferenzausbildung
2.2 Innergesellschaftliche Repräsentation und staatliche Präferenzbildung
2.2.1 Die Rolle des Staates und der Regierung
2.2.2 Politische Beteiligung: Entscheidungsbildung, Willensbildung und Nationalinteresse
2.2.3 Wirtschaft als Präferenzfaktor
2.2.4 Zivilgesellschaft als innerstaatlicher Akteur
2.3 Internationale Umwelt und Interdependente Präferenzordnung: Das Außenverhalten
2.3.1 Staatspräferenzen und Kooperation
2.3.2 Intergouvernementalismus am Beispiel des Eurpoäischen Einigungs- prozesses
2.3.3 Arten der Präferenzordnung

3 Zusammenfassung

4 Quellen/Literaturverzeichnis

0 Einleitung

In dieser Hausarbeit befasse ich mich mit dem innerstaatlichen Präferenzbildungsprozess im demokratischen System und seinem daraus resultierenden Außenverhalten in der Interaktion mit anderen demokratischen Staaten. Obwohl hierbei innenpolitische Fragen zum Tragen kommen, ist dieses Thema aus liberaler Perspektive dennoch als Gegenstand der Internationalen Beziehungen zu betrachten, da die Innenseite der IB – also innerstaatliche Präferenzausbildung – transnationale soziale, ökonomische und politische Interaktion reflektiert. Wandlungen im internationalen Kontext als Folgeerscheinung innerstaatlicher Präferenzumschwünge ist hierbei eine Prämisse des Liberalismus. Interdependenzen tragen insgesamt dazu bei, dass das Verhalten eines Staates nicht nur durch innenpolitische Faktoren, sondern auch durch außenpolitische Gegebenheiten, also das Verhalten anderer Staaten, beeinflussbar ist. Das Verhältnis zwischen Staaten und Gesellschaften ist also immer auch durch Ideen, Werte und Information bestimmt. Weiterhin betrachtet der Liberalismus die Art und Weise der Produktion von Ergebnissen, die politische Macht im Fokus von sozialen Zwängen und Anforderungen impliziert.

Folglich ist die These, dass Interdependenzen und innerstaatliche Präferenzausbildung das staatliche Verhalten in der internationalen Umwelt bestimmen, zentraler Punkt dieser Abhandlung.

Hierzu gehe ich in einem ersten Punkt auf Vertreter und Kernannahmen des Liberalismus ein, um dann auf den zentralen Punkt dieser Arbeit überzuleiten. Hierbei ist ein erster Blick auf innergesellschaftliche Akteure, und auf die Gesellschaft insgesamt lohnenswert, um die starke Stellung der Gesellschaft im Zusammenhang des Rückzuges der Autoritätsregierung zu betrachten.

Den nächsten Punkt stellen die innergesellschaftliche Repräsentation und die damit verbundene Präferenzausbildung dar. Wie gestaltet sich die Rolle des Staates und der Regierung? Welchen Stellenwert hat die politische Willensbildung im Allgemeinen und wo liegen die Partizipationsmöglichkeiten von Individuen und Gruppen? Auch die Wirtschaft ist ein wichtiger Präferenzfaktor: Druck und Frieden sind dabei Begriffe, auf die ich näher eingehen werde. Des Weiteren stellt auch die Zivilgesellschaft einen wichtigen Präferenzfaktor dar, indem sie Ausgleichsmöglichkeiten zwischen ökonomischen und sozialen Interessen schafft und in bestimmten Fällen in der Lage ist, den Fortbestand demokratischer Werte zu schützen.

In einem weiteren Punkt gehe ich von den innenpolitischen Betrachtungen zum Außenverhalten, also der internationalen Umwelt über. Die Staatspräferenzen und Kooperation nach liberalen Gesichtspunkten sollen hierbei näher betrachtet werden.

Am empirischen Beispiel des Europäischen Einigungsprozesses werde ich in Anlehnung an Andrew Moravcsik den intergouvernementalen Ansatz untersuchen.

Den letzten Punkt dieser Abhandlung stellen die Arten der Präferenzordnung dar.

Zusammenfassend werde ich noch einmal auf die Frage eingehen, ob wirtschaftliche, soziale und politische Faktoren tatsächlich elementare Bedingung für das Außenverhalten eines demokratischen Staates sind.

1 Neoliberalismus: Vertreter und Kernannahmen

Mit dem Ende des Kalten Krieges am Anfang der 90er Jahre erreichte der Liberalismus neue Relevanz: Die USA begannen, internationale Organisationen auszubauen und setzten verstärkt auf Freihandel. Bis dahin galt der Begriff „liberal“ als Inbegriff der klassischen Tradition der Aufklärung. Der Klassische Liberalismus (Smith, Kant, Mill) beschrieb erstmals Zusammenhänge zwischen innerstaatlicher Verfasstheit und dem Verhalten nach außen. Mit der Herausbildung der Schule des Neoliberalismus, zu deren Vertreter Czempiel, Russett und Moravcsik zu zählen sind, erlebte die klassische These, dass staatliches Handeln sich aus gesellschaftlichen Strukturen ableitet, eine Renaissance. Das Ziel war es, eine dynamische Welt zu erfassen, die mit der Funktionsweise des staatlichen Zentralismus nicht mehr zu erklären war. Soziale Realität suchte mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ eine neue Definition und Erklärung.[1]

So stellt auch die Innenpolitik keine „black-box“ mehr dar, sondern vielmehr eine Variable in der transnationalen Interaktion. Ludwig von Mises beschreibt dies folgendermaßen[2]:

„Denn der Liberalismus umspannt in seinem politischen Konzept von vornherein die ganze Welt, und dieselben Ideen, die er im kleinsten Kreis zu verwirklichen sucht, hält er auch für die große Weltpolitik für wichtig.“

So gelten dieselben Grundsätze sowohl für die Außen-, wie auch für die Innenpolitik, denn innere Stabilität bedeutet hier auch äußere Stabilität.

Dabei stehen Werte und die „Wichtigkeit menschlicher Kooperation“[3] im Zentrum, die Interessengegensätze zwischen Nationen überbrückbar macht.

2 Präferenzbildungsprozess im Staat und Auswirkungen auf sein Außenverhalten

2.1 Soziale Akteure und die Gesellschaft als zentrales Kriterium der Präferenzausbildung

In Demokratien stellen individuelle Freiheitsrechte die Voraussetzung für den innergesellschaftlichen Frieden dar. Diesbezüglich agiert die Gesellschaft als zentraler Faktor in der Politik, wobei der Staat als Instrument zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele gebraucht wird.[4] Die Selbstbestimmung wird im Liberalismus als Kern der innergesellschaftlichen Präferenzausbildung betrachtet, da die Kultur, der soziale Umgang und die eigene Gesellschaft maßgeblich durch sie bestimmt werden. Mac Millan[5] hebt die Bedeutung des Begriffes besonders hervor:

„Liberalism has regarded self-determination as crucially about the form of political organization best suited to the development of human freedom: how persons can best develop their capacities and enjoy the value of social intercourse and cultural membership.“

Dabei führte die nationale Selbstbestimmung zur Etablierung von politischen Gemeinschaften, in denen Individuen frei miteinander agieren, um Interessen materieller und ideeller Natur sowohl innerhalb des Staates, als auch im internationalen Bereich durchzusetzen.[6] Gesellschaft ist demnach eine dynamische Interaktion von Gruppen, in denen sich Individuen formieren, um innerhalb des Staates Interessen zu artikulieren, mit dem Ziel, sie mit verbesserten Chancen und vereinten Kräften auch umzusetzen.

Die freie Gruppenbildung in liberal-demokratischen Systemen begünstigt die Herausbildung eines auf diese Gruppe bezogenen Identitätsbewusstseins, was erwarten lässt, dass es keine homogenen Interessen in einer weit ausdifferenzierten Gesellschaft geben kann. Diese nunmehr rationalen „Identitäten“ konkurrieren um den Einfluss an Regierungsentscheidungen, was gemeinhin auch als Wettbewerb der Meinungen bezeichnet werden kann. Je größer die erwartbaren Vorteile sind, desto größer wird auch der Anreiz sein, die Interessen zu artikulieren und über bestimmte Elemente in den politischen Entscheidungsprozess einzuspeisen.[7]

Der Individualismus wird in diesem Zusammenhang als falscher Ansatz deklariert. Zwar soll das Individuum in jeder funktionsfähigen Demokratie einen besonderen Schutz genießen, um die soziale Sphäre von der gesellschaftlichen Sphäre abzugrenzen, doch versteht auch der Liberalismus die Verfolgung von Interessen ohne kollektiven Hintergrund als sinnloses Unterfangen. Francis Fukuyama meint dazu[8]:

„Der liberale Individualismus zerstört Gemeinschaft auf allen Ebenen, von der Familie und der Nachbarschaft bis zum Arbeitsplatz und zum Staat, indem er die Autorität von Institutionen untergräbt und die Kultur- das heißt: den Bereich gemeinsamer Werte und Sinngefüge – auf eine schmale Sphäre reduziert.“

An dieser Stelle kommt auch die Zivilgesellschaft zu ihrer Bedeutung, da sie Möglichkeiten für Gruppen schafft, sich zusammenzuschließen und gemeinsame Interessen zu verfolgen. Dabei schaffen auch sie einen Bereich gemeinsamer Werte, Ordnungen und Spielregeln. Erst so wird es möglich, nicht nur Pflichten wahrzunehmen, sondern auch spezielle Rechte zu erlangen. Richard Norman[9] sagt:

„To the question ‘Why should I carry out my obligations to the group?’, however, the deeper response is not ‘Because if you don’t, you’ll lose your rights’, but ‘Because that’s what you’ll do if you really care about the organization’.”

In einem sogenannten bottom-up-Modell agieren diese Identitätsgemeinschaften von der gesellschaftlichen in die politische Sphäre hinein, was unter Umständen eine lobbyistische Prägung impliziert[10]. Dabei kann es auch zu innergesellschaftlichen divergierenden Wertvorstellungen über das gesellschaftliche Zusammenleben, über Ressourcen oder ungleiche politische Partizipationsmöglichkeiten kommen. Die Ausprägung des politischen Systems bestimmt dabei, wie groß die Chance für Minderheiten oder Eliten ist, politische Macht zu erlangen und wie der innergesellschaftliche Wettbewerb ausgeprägt ist[11]

2.2 Innergesellschaftliche Repräsentation und staatliche Präferenzbildung

Ein Nationalinteresse per se gibt es nach Fred Sondermann[12] wohl kaum, da es sich als schwierig erweist, spezifische Interessen zu einem allgemeinen Interesse zu formulieren. Auf der Bildfläche erscheinen neue Akteure, wie zum Beispiel multinationale Korporationen oder funktionale Organisationen, die neue Themen in der Außenpolitik besetzen und damit Interdependenzen im internationalen Bereich schaffen. So wird sowohl innerstaatlich, als auch außenpolitisch mit einer Vielzahl spezifischer Interessen, die staatliches (Regierungs-)Handeln zu beeinflussen vermögen, zu rechnen sein. Interdependenzen beschreiben allerdings nicht nur Interaktionen zwischen Regierungen, sondern auch zwischen Firmen, NGOs oder internationalen Organisationen. So ist es kein Geheimnis, dass auch große Unternehmen in der Lage sind, Einfluss auf Regierungen zu nehmen, während Organisationen Gruppeninteressen vertreten und um Einfluss im innen- und außenpolitischen Bereich ringen.[13] So sagt Hartmann: „Innergesellschaftliche Gruppen nehmen Einfluss auf das ‚ob’ und das ‚wie’ internationaler Zusammenarbeit.“[14]

[...]


[1] Vgl. Schieder. Neuer Liberalismus. In: Schieder/Spindler (Hg.). Theorien der Internationalen Beziehungen. Opladen 2003. S. 171 f.

[2] Von Mises, Ludwig. Liberalismus. Mit einer Einführung von Hans-Hermann Hoppe. Repr. Der Ausgabe Jena. Sankt Augustin 1994, S.93

[3] ebd.

[4] Vgl. Hartmann, Jürgen. Internationale Beziehungen. Opladen 2001. S. 49

[5] Mac Millan, John. On liberal Peace. Democracy, War and the International Order. London, New York 1998. S. 127

[6] Vgl. Moravcsik, Andrew. Taking Preferences Seriously: A liberal Theory of International Politics. In: International Organization. 51/4. 1997. S. 516.

[7] Vgl. ebd.

[8] Fukuyama, Francis. Ich oder die Gemeinschaft. Zwischen Globalisierung und Individualismus. In: Perger/Assheuer (Hg.). Was wird aus der Demokratie? Opladen 2000. S. 24

[9] Norman, Richard. Citizenship, Politcs and autonomy. In: Milligan/Watts (Hg.). Liberalism, Citizenship, and autonomy. Newcastle 1992. S. 38

[10] a.a.o. vgl. Moravcsik, Andrew (Anm. 6) S. 517

[11] vgl. ebd.

[12] Vgl. Sondermann, Fred. The Theory of National Interest. In:Olson, William Clinton. The Theory of International Relations. New Jersey 1991. S.43-51

[13] vgl. Hartmann, Jürgen. Internationale Beziehungen. Opladen 2001. S.56

[14] ebd. S.57

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Liberalismus: Die innerstaatliche Präferenzbildung als Determinante für das Außenverhalten des Staates im internationalen Feld
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V43591
ISBN (eBook)
9783638413510
ISBN (Buch)
9783638902328
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Hausarbeit befasse ich mich mit dem innerstaatlichen Präferenzbildungsprozess im demokratischen System und seinem daraus resultierenden Außenverhalten in der Interaktion mit anderen demokratischen Staaten. Obwohl hierbei innenpolitische Fragen zum Tragen kommen, ist dieses Thema aus liberaler Perspektive dennoch als Gegenstand der Internationalen Beziehungen zu betrachten.
Schlagworte
Liberalismus, Präferenzbildung, Determinante, Außenverhalten, Staates, Feld
Arbeit zitieren
Adeline Kerekes (Autor:in), 2005, Liberalismus: Die innerstaatliche Präferenzbildung als Determinante für das Außenverhalten des Staates im internationalen Feld, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43591

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