Möglichkeiten zur Förderung der freien Interaktion im Englischunterricht in der Oberstufe


Examensarbeit, 2004

43 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Ziele des Englischunterrichts

3 Die Mechanismen des Spracherwerbs in der Schule
3.1 Der gesteuerte L2-Erwerb
3.2 Kommunikationsstrategien

4 Die Förderung der communicative skills
4.1 Task-Charakteristika

5 Möglichkeiten zur Förderung der freien Interaktion
5.1 Ein Beispiel einer Aufgabe aus dem Lehrbuch
5.2 Das Spontantheater
5.3 Der Thought-Cluster
5.4 Der Bildimpuls
5.5 Die Talkshow
5.6 Zusammenfassung
5.7 Die Umsetzung von Tasks in der Praxis

6 Abschließende Bemerkungen

1 Einleitung

Dieser Comic verdeutlicht ein Problem, das sicherlich alle Englischlehrerinnen und Englisch-lehrer in der Oberstufe gut kennen: die Schülerinnen und Schüler haben in der Unter- und Mittelstufe bereits die englische Grammatik erschlossen und angewendet, aber im Unterricht bei mündlichen Beiträgen häufen sich die Grammatikfehler selbst bei vermeintlich einfachen Strukturen. Hier zeigt sich deutlich ein Unterschied zwischen der sprachlichen Kompetenz und der Performanz[1]. Diese Diskrepanz wird in der Regel noch deutlicher, wenn die Schülerinnen und Schüler in einer authentischen Sprechsituation in der Fremdsprache kommunizieren müssen. In dieser Arbeit sollen nun Möglichkeiten erörtert werden, wie Englischlehrerinnen und Englischlehrer mit Hilfe einer Auswahl geeigneter Methoden und Unterrichtsformen dieses Problem angehen können. Die Notwendigkeit, dieser Schwäche in der Performanz entgegenzuwirken, wird im folgenden Kapitel deutlich werden, wenn die sprachlichen Ziele des Englischunterrichts in der Oberstufe anhand der Richtlinien festgestellt werden. Anschließend soll das Problem zunächst aus sprachwissenschaftlicher Sicht beleuchtet werden, um festzustellen, wie diese große Diskrepanz zwischen der Kompetenz und der Performanz zu Stande kommen und welche Ansätze zur Verbesserung der Performanz wissenschaftlich sinnvoll erscheinen. Im 4. Kapitel werden dann Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Ansätze erörtert. In Kapitel 5 werden diese Möglichkeiten anhand einiger Beispiele aus dem methodischen Bereich konkretisiert und in Reflektion meiner eigenen Erfahrungen mit diesen Methoden und im Hinblick auf die in der Arbeit erläuterte Zielsetzung evaluiert.

2 Die Ziele des Englischunterrichts

„Die zunehmende Globalisierung der Lebens- und Wirtschaftsräume, die vielfältigen medialen Möglichkeiten grenzüberschreitender Kontakte und des Austausches von Informationen, das hohe Maß an privater und beruflicher Mobilität machen Fähigkeiten, sich in der Welt zu verständigen, zu einer unabweisbaren Notwendigkeit. In diesem Sinne hat Unterricht in den modernen Fremdsprachen der gymnasialen Oberstufe zur zentralen Aufgabe, jungen Menschen für eine mehrsprachige Le­benswelt diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die sie über die Grenzen ihrer eigenen Sprache hinweg handlungsfähig machen. Interkulturelle Handlungsfähigkeit ist daher Leitziel des modernen Fremdsprachenunterrichts.“ (MSWWF 1999: 7).

Schon an dieser Stelle der Richtlinien wird bereits deutlich, dass im Rahmen des Englischunterrichts in der Oberstufe ein großer Schwerpunkt darauf gesetzt wird, dass die Schülerinnen und Schüler die Anforderungen durch die moderne Kommunikationsgesellschaft[2] an sie außerhalb der Schule zu bewältigen lernen sollen:

Handlungsfähigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass junge Menschen sich sprachliche Mittel und kommunikative Fertigkeiten in der englischen Sprache mit dem Ziel aneignen, damit solche Aufgaben und Anforderungen zu bewältigen, die sich in der Lebenswirklichkeit komplex und differenziert stellen. (ebd., S. 7)

Daraus ergeben sich natürlich auch die sprachlichen Anforderungen an den Englischunterricht: „In der gymnasialen Oberstufe kommt dem fortgeschrittenen Spracherwerb eine zentrale Bedeutung zu.“ (ebd., S. 13). Der Spracherwerb als wissenschaftlicher Begriff ist an dieser Stelle als zentral zu betrachten. Stephen Krashen zu Folge ist der Spracherwerb die unbewusste Internalisierung von Regeln, die dem Lerner letztendlich nicht bewusst werden, während das Sprachlernen eine bewusste Operation ist, nach der der Lerner die Regeln benennen kann (vgl. Felix 1982: 279). In den Richtlinien wird dieser Begriff im Englischen mit language learning angewandt, der durch language use operationalisiert wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier wird die Rolle des Lerners im Englischunterricht deutlich. Die drei Aufgabenfelder, in denen sich die Schülerinnen und Schüler bewegen, schließen dabei sowohl den Spracherwerb (Learner as communicator) als auch das Sprachlernen (Learner as learner) ein. Wie in Kapitel 2 deutlich werden wird, ist für diese Arbeit vor allem der Learner as communicator relevant, da gerade authentische Sprechsituationen den Spracherwerb fördern und durch den Spracherwerb die bereits in der Einleitung beschriebene Diskrepanz zwischen der sprachlichen Kompetenz und der Performanz nivelliert werden kann. Daher steht in dieser Arbeit der Learner as communicator im Vordergrund. Der Learner as explorer/analyst/experimenter bewegt sich auf einer für den Spracherwerb gegenüber dem Sprachlernen irrelevanten Ebene, denn an dieser Stelle wird eher der Inhalt der Kommunikation wichtig für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Selbstverständlich wirkt sich der Inhalt der Kommunikation auch auf den Spracherwerbsprozess aus. Allerdings bleibt er ohne Konsequenz für die Mechanismen, die bei dem Spracherwerb eine Rolle spielen.

3 Die Mechanismen des Spracherwerbs in der Schule

In diesem Abschnitt sollen die sprachwissenschaftlichen Grundlagen für den Spracherwerb und die sich daraus für den Unterricht ergebenden Konsequenzen untersucht werden. Erst seit 1965, als Noam Chomsky die Theorie der Universal Grammar entwickelte, wurden plausible und fundierte Erkenntnisse für den Spracherwerbsprozess gefunden. Nach und nach wurden vor allem behaviouristische Modelle abgelöst und Sprache als eigenständige mentale Operatoren anstatt als habit definiert. In dieser linguistischen Disziplin haben sich vor allem die Richtungen Erstspracherwerb (im Folgenden L1), der natürliche Zweitspracherwerb (im Folgenden nL2) und der gesteuerte Fremdspracherwerb (im Folgenden L2) als Forschungsrichtungen herauskristallisiert. Für Untersuchungen zum Spracherwerb im Kontext Englischunterricht in der Schule ist dabei der L2 Erwerb entscheidend.

3.1 Der gesteuerte L2-Erwerb

Viele Studien der modernen Spracherwerbsforschung zielen darauf ab, festzustellen, ob in dem Kontext „Fremdsprachen in der Schule“ Spracherwerb stattfindet und ob dieser Spracherwerb ähnlichen Mechanismen folgt wie der L1-Erwerb. Zunächst einmal sprechen viele Faktoren gegen diese Annahme, wie das Alter der Schülerinnen und Schüler oder die Tatsache, dass alle Schülerinnen und Schüler bereits eine Muttersprache erworben haben. Des Weiteren ist die Zeit, in der die Schülerinnen und Schüler mit der Fremdsprache Kontakt haben, wesentlich kürzer als im Rahmen des L1-Erwerbs[3]. Verstärkend kommt dazu, dass im Klassenverband unterrichtet wird, also die Zeit für Sprachproduktion noch einmal drastisch reduziert ist. Auf der anderen Seite werden Schüleraussagen in der Schule korrigiert, so dass die Schülerinnen und Schüler so genannte negative Evidenz erhalten. Folglich werden im Gegensatz zu L1 Lernern[4] grammatische Regeln den Schülerinnen und Schüler bewusst gemacht. Deutliche Unterschiede lassen sich auch an den Ergebnissen, also der Sprachproduktion seitens der Lerner, feststellen: Während der L1 Lerner schon früh aktiv an Kommunikation teilnehmen kann, scheint der Lerner im L2 Erwerb oft sogar unfähig dazu zu sein, die bereits „gelernten“ Strukturen spontan zu verwenden[5]. Trotz dieser offensichtlichen Unterschiede geht die moderne Spracherwerbsforschung mittlerweile davon aus, dass die Mechanismen der Universalgrammatik auch im L2-Erwerb greifen und dass der Spracherwerb so auf sehr ähnliche Weise wie bei L1 stattfindet[6]. Ein deutliches Indiz dafür hat z.B. Vivian Cook herausgefunden: „The poverty of stimulus argument applies equally to L2 learning” (1988: 176).

Es bleibt die Frage zu klären, weshalb sich die Produktion der Sprache in den Fällen L1 / L2 Erwerb so drastisch unterscheiden. Einige Ursachen für diese Unterschiede liegen zunächst einmal auf der Hand: L1 Lerner sind intrinsisch motiviert, die Sprache zu erwerben, um überhaupt kommunizieren zu können, während L2 Lerner bereits eine L1 erworben haben, in der sie kommunizieren können. Die Motivation, die L2 als Medium zur Kommunikation zu benutzen, ist also bei L2 Lernern geringer. Motivation und Erfolg im Spracherwerb hängen allerdings eng voneinander ab[7].

Oft ist es für Sprachlerner auch problematisch, in der Fremdsprache zu kommunizieren, weil es in vielen Fällen aufgrund mangelnder Kenntnisse in den Bereichen Lexik, Syntax oder Pragmatik nur schwer mit dem Kommunikationspartner auf eine Bedeutung einer Aussage einigen kann (negotiation of meaning, im Deutschen Vermittlung). L1 oder nL2 Lerner sind in ihrem Alltag oft auf die Strategie negotiation of meaning angewiesen, weil sie keine andere Kommunikationsmöglichkeit haben. Schülerinnen und Schüler dagegen könnten ihre Kommunikationsprobleme in ihrer L1 einfach lösen. Die Strategie negotiation of meaning gilt in der Spracherwerbsforschung als eine den Erwerbsprozess unterstützende Kommunikationsform: Snow und Hoefnagel-Höhle (1978) waren der Ansicht, dass negotiation sogar besser sei als Vereinfachung der Sprache (vgl. Ellis 1984: 93). Auch Ellis (1994) sieht negotiation of meaning als effektiver für den Spracherwerbsprozess als formale Anpassung (1994: 893)[8] an. Er versteht negotiation als eine Art Feedback auf die eigene Sprachproduktion, bei dem der Lehrer keine entscheidende Rolle spielt (Ellis 2003: 79). So eröffnen sich Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten, unbewusst die eigene interlanguage[9] in einem angstfreien Raum zu testen und weitere Hypothesen über die Fremdsprache aufzustellen. Allerdings ist es nicht einfach, eine solche Art der Kommunikation im Klassenraum herzustellen, weil in einer derartigen Situation ein Sprachlehrer immer belastend wirkt[10].

Daraus ergibt sich eine weitere Erklärung für die Unterschiede in der Sprachproduktion, die sozial-affektive Situation für die Schülerinnen und Schüler im Klassenraum. Die sprachliche Leistung der Schülerinnen und Schüler wird beurteilt, wobei Fehler grundsätzlich als Leistungsschwäche angesehen und sogar auf mangelnde Intelligenz oder Faulheit zurückgeführt werden[11]. Die Konsequenzen daraus sind vielfältig. Zum einen können Schülerinnen und Schüler sich unter Druck gesetzt fühlen, keine Fehler zu machen. Zum anderen stehen die Schülerinnen und Schüler untereinander in einem Konkurrenzkampf. Daher können Schülerinnen und Schüler vielfach nicht angstfrei in der Fremdsprache kommunizieren und wenden Fehlervermeidungstechniken an. Zusammenhänge zwischen einer positiven emotionalen Bindung zu einer Fremdsprache und einer Beschleunigung des Erwerbsprozesses sind mehrfach nachgewiesen worden[12].

Darüber hinaus wirken sich Fehlervermeidungstechniken negativ auf den Spracherwerbsprozess aus. Stephen Krashen formte den Begriff monitor für eine mentale Instanz, die Sprache auf formale Korrektheit überprüft. Er differenziert zwischen monitor-under-user und monitor-over-user. Ein monitor-under-user benutzt die Sprache oft spontan, relativ flüssig und inhaltsorientiert und macht Fehler, die den Fehlern von L1-Lernern ähnlich sind. Ein monitor-over-user hingegen achtet mehr auf die Sprache selber als auf den Kommunikationsinhalt[13]. Felix (1982) warnt dabei vor allem, dass sich monitor-over-user meistens nur auf Teilbereiche der Sprache konzentrieren können und daher auch nur Teilkompetenzen erreicht werden können (vgl. Felix 1982: 289).

Diese Anpassung der eigenen Sprache wird auch als styles bezeichnet. Rod Ellis (1994) unterscheidet dabei den vernacular style, der in informellen Kommunikationssituationen vorherrscht und den careful style, der in Situationen eingesetzt wird, in denen sprachliche Korrektheit wichtig erscheint. Wenn der vernacular style vorherrscht, unterlaufen den Sprachlernern in der Regel sehr viele Fehler[14], weil die Kommunikationspartner eher auf den Inhalt der Kommunikation als auf die Sprache selber achten[15]. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sollte gerade das Sprechen im vernacular style gefördert werden. Peltzer-Karpf und Zangl (1998) fanden heraus, dass inhaltsorientierte statt sprachorientierte Kommunikation deutlich effizienter für den Prozess des Spracherwerbs sei als sinnentleerte Übungen (vgl. Peltzer-Karpf und Zangl 1998: 33)[16].

Insgesamt stellt sich die L2 Spracherwerbssituation für Schülerinnen und Schüler im Unterricht als schwierig dar. Neben den äußeren Bedingungen wie Klassenstärke, Zeit und Alter wirkt sich auch an vielen Stellen die klasseninterne Unterrichtssituation wenig förderlich auf den Spracherwerbsprozess aus. Zum einen fehlt Schülerinnen und Schülern die intrinsische Motivation, die Fremdsprache lernen zu müssen, denn sie verfügen in ihrem Alltag bereits über ihre L1, die ihre Kommunikationsbedürfnisse befriedigt. Darüber hinaus führt das Wissen darum, dass sich Fehler schlecht auf die Beurteilung der eigenen Leistung auswirken, oft dazu, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht eher auf sprachliche Richtigkeit als auf den Inhalt einer Aussage achten. In Folge dessen bauen sie in vielen Fällen ein eher negatives affektives Verhältnis zur Fremdsprache auf. Diese den Spracherwerb hemmenden Faktoren führen zu einer Diskrepanz zwischen der Kompetenz der Schülerinnen und Schüler, also dem Wissen um die Grammatik, und ihrer Performanz, der Anwendung der Grammatik.

3.1.1 Die Rolle der Korrektur im gesteuerten L2- Erwerb

Spracherwerbsforscher haben gerade in neuerer Zeit die Rolle der Korrektur im Fremdsprachenlernen, einen wichtigen Teil der Steuerung im L2-Erwerb, auf ihre Effektivität untersucht. Klar wurde dabei, dass Korrekturen im Allgemeinen einen positiven Einfluss auf den Spracherwerb haben[17]. Allerdings haben diese Untersuchungen auch gezeigt, dass die Art der Korrektur und die Situation, in der korrigiert wird, unterschiedliche Wirkung auf den Spracherwerb haben. So wurde deutlich, dass Korrekturen am erfolgreichsten sind, wenn „... die Lerner aktiv an der Richtigstellung beteiligt sind oder, als zweitbeste Lösung, die richtige Form wiederholen.“ (Havranek 2002: 209). Zudem sind Korrekturen in Situationen mit sprachlichem Schwerpunkt effektiver als in Situationen, in denen der Kommunikationsinhalt im Vordergrund steht. Darüber hinaus zeigte sich, dass vor allem Korrekturen im Bereich des Wortschatzes effektiver sind als Korrekturen von Grammatikstrukturen. Die Korrektur der Aussprache zeigte sich als am wenigsten effektiv (vgl. Havranek 2002).

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Fehlerkorrektur ist die Art des Fehlers. Corder (1967) hat bereits die Unterscheidung zwischen error und mistake getroffen, die bis heute Akzeptanz findet[18]. Mistakes als Performanzfehler durch z.B. Versprecher können selbst korrigiert werden. Im Gegensatz dazu entsprechen errors der individuellen interlanguage der Lernerin oder des Lerners und werden so von den Lernern unbewusst als richtig empfunden. Daher sind sie nicht für extern initiierte Selbstkorrekturen empfänglich, sondern können nur durch Intervention von außen korrigiert werden. Damit können die Lerner nicht mehr aktiv an der Richtigstellung beteiligt sein und so verliert die Korrektur ihren Erfolg. Intern initiierte Selbstkorrekturen von errors finden lediglich kurz vor dem Erwerb der Zielstruktur statt.

Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich, dass in sprachlich orientierten Unterrichtsphasen effektive Korrektur im Fremdsprachenunterricht in den Bereichen Wortschatz oder Grammatik stattfinden kann. In inhaltsorientierten Phasen ist die Korrektur insgesamt weniger sinnvoll. Mistakes lassen sich in diesen Phasen in der Regel auf Verarbeitungsprobleme und nicht auf Wissenslücken zurückführen, während errors oft nicht aktiv selbst korrigiert werden können.

3.2 Kommunikationsstrategien

Die Differenz zwischen der Kompetenz und der Performanz ist allerdings nicht allein auf die schwierige Erwerbssituation zurückzuführen. Zu den in den Richtlinien genannten communicative skills (MSWWF: 13) gehört neben dem Spracherwerb auch die Fähigkeit, Kommunikationsstrategien anzuwenden. Kommunikationsstrategien werden von Kaper und Kellerman (1997: 2) definiert als „a form of self-help that did not have to engage the interlocutor’s support for resolution“. Sie helfen also dem Sprecher selber, Kommunikationsprobleme auch ohne negotiation zu überwinden. Die wichtigsten Strategien sind (vgl. Ellis 2003: 74):

1. Reduktionsstrategien, in denen der Lerner aufgibt, einen Inhalt oder eine Botschaft kommunizieren zu wollen

2. Erfolgsstrategien, in denen der Lerner versucht, trotz insuffizienter Möglichkeiten ein Kommunikationsziel zu erreichen:

a) Approximation: Die Substitution eines Wortes durch ein ähnliches
b) Paraphrase: Ein unbekanntes Lexem wird umschrieben
c) Wortschöpfung: z.B. „picture place“ für „gallery“
d) Bewusster Transfer: Die bewusste Benutzung von L1-Wörtern oder die exakte Übersetzung von L1-Ausdrucksweisen
e) Bitte um Unterstützung
f) Pantomime

Erfolgsstrategien werden von Lernern mehr oder minder bewusst eingesetzt, wenn die Kommunikation trotz Schwierigkeiten aufrechterhalten werden soll. Natürlich wäre es sehr wünschenswert, wenn Lerner in allen Fällen versuchten, Erfolgsstrategien anzuwenden[19]. Dazu muss allerdings erstens ein konkreter Anreiz gegeben sein, denn natürlich ist es immer „leichter“, aufzugeben, und zweitens müssen dem Lerner die Strategien bekannt sein. Einige dieser Strategien sind allen Sprachlernern spätestens aus dem L1-Erwerb bekannt[20]. Allerdings ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht der Gebrauch von Kommunikationsstrategien wünschenswert[21], und daher ist die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler hin zur vermehrten Benutzung von Erfolgsstrategien sicherlich ein kommunikatives Ziel im Fremdsprachenunterricht[22]. Kommunikationsstrategien können auch bei sprachlichen Schwierigkeiten die Kommunikation erfolgreich aufrechterhalten und fördern auf diese Weise die geforderten communicative skills.

4 Die Förderung der communicative skills

In diesem Kapitel wird untersucht, wie ein didaktisches Modell aussehen könnte, das unter Beachtung der oben genannten sprachwissenschaftlichen Faktoren zur Förderung speziell der communicative skills geeignet ist. Gerade die Fremdsprachenerwerbsforschung der letzten Jahre hat sich verstärkt auch mit didaktischen Modellen auseinandergesetzt. Es wurde erkannt, dass „...if learners are to develop the competence they need to use a second language easily and effectively in the kinds of situations they meet outside the classroom they need to experience how language is used as a tool for communication inside it.” (Ellis 2003: IX). Dazu wurde der Begriff des task[23] geschaffen, der folgendermaßen definiert werden kann:

„A task is a workplan that requires learners to process language pragmatically in order to achieve an outcome that can be evaluated in terms of whether the correct or appropriate propositional content has been conveyed. To this end, it requires them to give primary attention to meaning and to make use of their own linguistic resources, although the design of the task may predispose them to choose particular forms. A task is intended to result in language use that bears a resemblance, direct or indirect, to the way language is used in the real world. Like other language activities, a task can engage productive or receptive, and oral or written skills, and also various cognitive processes.” (Ellis 2003: 16)[24]

Daraus ergeben sich sechs zentrale Konditionen eines tasks:

1. Ein task ist eine geplante Aktivität, die sich aus vorbereitetem Material oder spontan aus dem Unterrichtsverlauf ergeben kann.
2. Der Fokus eines tasks liegt bei der Benutzung der Sprache mit inhaltlichem Schwerpunkt.
3. Ein task beinhaltet Sprachprozesse, die in der Welt außerhalb des Klassenraumes wiederzufinden sind.
4. Ein task kann alle vier language skills, also Leseverständnis, Hörverständnis, Schreiben und Lesen, beinhalten.
5. Ein task spricht kognitive Prozesse an.
6. Ein task hat ein klar definiertes outcome. Outcome steht hier für die Sprache, die die Lerner produzieren. Zusätzlich zu dem outcome können tasks auch weitere pädagogische Ziele verfolgen.[25].

[...]


[1] „We thus make a fundamental distinction between competence (the speaker-hearer’s knowledge of his language) and performance (the actual use of language in concrete situations).“ (Chomsky 1965: 4)

[2] „Die Schülerinnen und Schüler sollen innerhalb und außerhalb der Schule sprachlich handlungsfähig sein in komplexen, für sie bedeutsamen Begegnungssituationen mit englisch sprechenden Menschen und den anglophonen Kulturen“ (MSWWF 1999: 8)

[3] Wilfried Weigl hat errechnet, dass Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in ihrer gesamten „Karriere“ als Fremdsprachenlerner insgesamt 880 Zeitstunden lang Fremdsprachenunterricht bekommen, während ein Kleinkind diese Zahl schon innerhalb eines Jahres bei nur 4 Stunden täglich um 580 Stunden überschreitet.

[4] Damit sind „Spracherwerber“ gemeint; bei der Bezeichnung von Personen soll hier aus Gründen der Lesbarkeit nicht zwischen „Lernern“ und „Erwerbern“ unterschieden werden. Gemeint ist in jedem Falle der „Erwerber“.

[5] vgl. Felix 1982.

[6] „L2 Erwerb ist – wie der L1 Erwerb – kein imitativ-reproduktiver (behaviouristischer) Prozess, sondern eine Verbindung von Konstruktionen nach z.T. eigenständigen, nicht modellgerechten Regeln.“ (Felix 1982:59);

„In conclusion, there is no empirical evidence to suggest that UG has lost its significance as a learning device. L2 learners come up with linguistic Systems which are consistently defined by specific options of UG and there is unambiguous empirical evidence that L2 learners have access to UG parameter values other than those of their L1, which have generated some structures which cannot be accounted for in any other (explanatory) way. (…) They substantiate the claim that UG does not atrophy with age: there is no empirical evidence to suggest that UG is no longer accessible in L2 acquisition.“ (Krosse 1992: 113); vgl. Ellis 1994: 21.

[7] „To sum up, an integrative motivation has been shown to be strongly related to L2 achievement.” (Ellis 1994: 513); „It is likely that the relationship between motivation and achievement as an interactive one. A high level of motivation does stimulate learning, but perceived success in achieving L2 goals (Kommunikationsziele, d.A.) can help maintain existing motivation and even create new types. Conversely, a vicious circle of low motivation = low achievement = lower motivation can develop.” (Ellis 1994: 515)

[8] „Interaction contributes to development because it is the means by which the learner is able to crack the code. This takes place when the learner can infer what is said even though the message contains linguistic items that are not yet part of his competence and when the learner can use the discourse to help him modify or supplement the linguistic knowledge he has already used in production” (Ellis 1994: 895);

[9] Als interlanguage wird dabei die erworbene Teilgrammatik der L2 Lerner bezeichnet, die sich aus neuen L2-Elementen und L1-Elementen zusammensetzt und sich progressiv der Zielgrammatik der L2 annähert.

[10] „When mothers act as conversational partners plentiful negotiation takes place, but when they adopt a tutorial role it is inhibited.” (Wells and Montgomery (1981), cited in Ellis (1994: 261))

[11] vgl. Kurz (2001): 54.

[12] „Covering several measures of proficiency, in several different samples, and even an in somewhat different conceptual frameworks, it has been shown that anxiety negatively effects performance in the second language. In some cases, anxiety provides some of the highest simple correlations of attitudes with achievements.“ (MacIntyre und Gardner, zitiert in: Ellis 1994: 482)

[13] „Reiss (1985) found that ‘monitoring’ and ‘attending to form’ came out as the most common strategies used by learners whom teachers picked out as ‘good’. Reiss comments that ‘it is surprising that attending to meaning was of less importance than attending to form’.” (Ellis 1994: 546)

[14] Corder behauptet sogar, dass das kognitive Wissen um grammatische Regeln überhaupt keinen Einfluss auf die Sprache des vernacular style habe: ‘Learners do not use their interlanguage very often in the classroom for what we call 'normal' or authentic communicative purposes The greater part of interlanguage data in the classroom is produced as a result of formal exercises and bears the same relation to spontaneous communicative use of language as the practising of tennis strokes to playing tennis.’ (1976: 68, zitiert in Ellis 1984: 5)

[15] Widdowson (1978) bezeichnet die styles als usage und use. Use entspricht dem vorherrschenden vernacular style, während usage bezeichnet wird als ‘that aspect of performance which makes evident the extent to which the language user demonstrates his knowledge of linguistic rules.’ (1978: 3, zitiert in Ellis 1994: 13) Usage hingegen zeichnet sich nach Widdowson eher durch weniger kommunikativen Inhalt, längere Pausen und insgesamt langsameres Sprechen aus. Dafür sei die Sprache aber eher konform mit der Zielform und würde akkurater eingesetzt.

[16] Der enge Zusammenhang zwischen den verschiedenen styles wird auch in einer Studie von Ellis (1987b) deutlich, in der er herausfand, dass sich bewusstes Lernen und Üben grammatischer Strukturen fast ausschließlich auf den careful style auswirkt.

[17] Vgl. Ellis 1994; „Die Frage nach der Nützlichkeit korrigierender Rückmeldungen kann hingegen mit einem eindeutigen JA beantwortet werden.“ (Havranek 2002: 212)

[18] Corder (1967) unterscheidet zwischen error als „lack of competence“ und mistake als „failure to perform competence“. In der Spracherwerbsforschung werden errors als positive Erscheinung angesehen: “Perhaps, above all, it (Das Konzept der kreativen Lernersprache, d.A.) helped to make errors respectable – to force recognition that errors were not something to be avoided but were an inevitable feature of the learning process. Indeed, the very concept of “error” came to be challenged on the grounds that learners act systematically in accordance with the mental grammars they have constructed and that their utterances are well – formed in terms of these grammars.” (Corder 1971, zitiert in Ellis 1994: 70)

[19] vgl. Ellis 2003: 74

[20] Es ist bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen, ob Kommunikationsstrategien neu erlernt oder aus dem L1-Erwerb übernommen werden können (vgl. Ellis 1994: 402)

[21] „..., CSs (Kommunikationsstrategien, d.A.) in general keep the channel open and thus secure more input for the learner” (Ellis 1994: 403)

[22] „Bachman (1990) sees strategic competence (Kompetenz in der Benutzung von Kommunikationsstrategien, d.A.) as central to all communication. ... . It enables learners to integrate their encyclopaedic knowledge and language competence in performance.“ (Ellis 2003: 76)

[23] Task wird hier als bewusste Abrenzung gegenüber exercise verwendet; Als exercise kann auch eine Aufgabe wie die einfache Anwendungen neu kognitivierter grammatikalischer / morphologischer Regeln bezeichnet werden. Vgl. Ellis 2003, 15ff.

[24] Weitere Definitionen vgl. Ellis 2003: 4.

[25] Piepho (2003) spricht dabei von einer Szenariendidaktik. Diese sollte mit dem Akronym SMART beschrieben werden können (significant, meaningful, achievable, relevant, time-related). Vgl. Anhang B.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten zur Förderung der freien Interaktion im Englischunterricht in der Oberstufe
Hochschule
Studienseminar für Lehrämter an Schulen Detmold
Veranstaltung
Fachseminar Englisch
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
43
Katalognummer
V43579
ISBN (eBook)
9783638413411
Dateigröße
579 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Examensarbeit zum 2. Staatsexamen bespricht einen neuartigen Zugang zur Didaktik des Englischunterrichts in der Oberstufe. Das Stigma sprachlicher Fehler und die Sichtweise der "Language before Content" behindern sowohl den Spracherwerb als auch die Förderung der Kommunikationsstrategien. Der zugang über Tasks soll dieses nachhaltig verbessern. Die Arbeit setzt sich sowohl mit den theoretischen Voraussetzungen eines solchen Zugangs sowie mit der konkreten Umsetzung auseinander.
Schlagworte
Möglichkeiten, Förderung, Interaktion, Englischunterricht, Oberstufe, Fachseminar, Englisch
Arbeit zitieren
Stefan Prahl (Autor:in), 2004, Möglichkeiten zur Förderung der freien Interaktion im Englischunterricht in der Oberstufe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43579

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