Der Psalter - Klagelieder des Einzelnen


Hausarbeit, 2003

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort

1. Einleitung: Das alttestamentliche Menschen- und Weltbild

2. Krankheit und Todesverständnis im alten Israel

3. Woher kommt der Name Psalm?

4. Entstehung und Funktion des Psalters

5. Inhalt und Aufbau des Psalters

6. Die „Davidisierung“ des Psalters

7. Die Sprache der Psalmen - Stereometrie des Gedankenausdrucks
7.1 Parallelismus membrorum
7.2 Überlagerung der Bilder und Motive
7.3 Metaphorisierung und Symbolisierung
7.4 Die Vorteile der Psalmensprache

8. Die Hauptgattungen des Psalters

9. Die Klagelieder
9.1 Die Klagelieder des Einzelnen
9.2 Krankheits- und Unschuldspsalmen
9.3 Aufbau der Klagelieder

10. Beispielpsalm 13
10.1 Der klagende Beter
10.2 Bitte um Heilung
10.3 Vertrauensbekenntnis und Lobgelübde
10.4 Das Phänomen des „Stimmungsumschwungs“
10.5 Fazit zu Psalm 13

11. Beispielpsalm 88
11.1 Form und Inhalt
11.2 Die Figur des Beters in Psalm 88
11.3 Die Wirkung des Mittelteils
11.4 Fazit zu Psalm 88

12. Beispielpsalm 130
12.1 Form und Inhalt
12.2 Fazit zu Psalm 130

13. Beispielpsalm 140
13.1 Form und Inhalt
13.2 Fazit zu Psalm 140

14. Beispielpsalm 6
14.1 Form und Inhalt
14.2 Fazit zu Psalm 6

15. Beispielpsalm 22
15.1 Form und Inhalt
15.1.1 Erster Teil: Das Klagelied des Einzelnen
15.1.2 Zweiter Teil: Das Danklied
15.2 Fazit zu Psalm 22

16. Schluss: Zur heutigen Relevanz des Psalters

17. Literaturverzeichnis

18. Anlage: Rekonstruktion des biblischen Weltbildes

0. Vorwort

Psalmen konfrontieren den modernen Leser mit einer ihm zunächst völlig fremd erscheinenden Welt. Insbesondere die Klagelieder des Einzelnen, denen ich mich in diese Ausarbeitung intensiver widmen möchte, beschreiben ein Leben voller Feindschaft, Krankheit und Gewalt, in der die Psalmenbeter selbst Gott als Feind anklagen.

Im Folgenden möchte ich mich zunächst mit Entstehung, Funktion, Inhalt, Aufbau und Sprache des Psalters im Allgemeinen beschäftigen, um anschließend insbesondere auf die Klagelieder des Einzelnen eingehen zu können, wobei ich mich exemplarisch auf mehrere Beispielpsalmen (Psalm 13, 88, 130, 140, 6, 22) beziehen möchte.

1. Einleitung: Das alttestamentliche Menschen- und Weltbild

Um die Situation der Psalmenbeter besser verstehen zu können, muss man sich zunächst mit dem historischen Kontext und dem alttestamentlichen Menschen- und Weltbild vertraut machen. Die biblischen Psalmen verdeutlichen Erfahrungen und Verhaltensweisen, die den Beter in Grenzsituation der menschlichen Existenz zeigen. Das Bild des Menschen unterliegt jedoch dem historischen Wandel und lässt sich nicht objektivieren. Dem Alten Testament liegt keine einheitliche Lehre vom Menschen zugrunde, das Fehlen eines einheitlichen Menschenbildes wird jedoch durch den Dialog des Menschen mit Gott und Gottes mit dem Menschen aufgewogen („Konfliktgespräche mit Gott“). Deshalb können die Psalmen auch als „Antwort Israels“[1] auf Jahwes Wirken in Israel verstanden werden. Der alttestamentliche Mensch ist angewiesen auf ein „unendliches, nicht endliches, jenseitiges Gegenüber“[2] und somit welt- und gottoffen.[3]

Nach alttestamentlichem Verständnis können Himmel, Ober- und Unterwelt nicht in strenger Abgrenzung zueinander gesehen werden, denn es liegt eine große Durchlässigkeit zwischen Ober- und Unterwelt vor (siehe Anlage). Das Fundament der Schöpfung besteht in der göttlichen Weisheit (5), die durch eine Torarolle mit zwei Armen dargestellt wird. Sie tragen die Säulen bzw. Grundfesten der Erde und sorgen somit für Weltstabilität. Der gehörnte Schlangen- bzw. Chaosdrache (4) steht für das Unverfügbare in der Welt und kann Einfluss auf die Oberwelt nehmen. Er symbolisiert die ständige Bedrohung der Weltstabilität durch das Chaos, nach alttestamentlichem Verständnis durch die Urflut. Der Kerubenthron Jahwes (2) mit den beiden geflügelten Seraphen (3) stellt das Bollwerk gegen die Chaosfluten dar, während die Flügelsonne (1) als Licht des Himmels die Herrlichkeit Gottes symbolisiert. Die alttestamentlichen Menschen mussten somit die Spannung zwischen Weltordnung und Unordnung bewältigen.[4]

2. Krankheit und Todesverständnis im alten Israel

Da Gott als der Gott des Lebens angesehen wurde, bedeutete der Tod für die Menschen im alten Israel nicht den Beginn eines neuen Lebens, sondern Distanz zu Gott, der strikt von den Toten getrennt war. Durch die „göttliche Kompetenzausweitung“[5] aufgrund Gottes Allmächtigkeit wurde das Sterben jedoch allmählich mit Gott verbunden.

Lebensbedrohliche Krankheiten galten als Bestrafung Gottes für die schweren Sünden, die ein Mensch begangen hatte. Auf eine Krankheit konnte man nur mit einem umfassenden Schuldenbekenntnis, Gebeten und der Bitte um Vergebung der Schuld reagieren. Da die Grenze zwischen Leben und Tod im Alten Orient viel durchlässiger war, führte eine schwere Krankheit bereits in das Totenreich. Einen schwerkranken Menschen zählte man teilweise schon zu den Toten, wobei das eigentliche Problem darin bestand, dass der Beter durch die Berührung der Unterwelt für seine soziale Umgebung kultisch unrein wurde, was wiederum zu sozialer Desintegration führte.[6]

3. Woher kommt der Name Psalm?

Die Bezeichnung „Psalm“ kommt von psalmos (griech.) und bedeutet „Saiteninstrument“, psallein (griech.) meint „die Saiten spielen“. Der Psalter besteht aus den 150 Psalmen der Bibel, bei denen es sich um Gebete (hebr.: tefillot) handelt. Die hebräische Bezeichnung für das heutige Psalmenbuch lautet „sefer tehillim“ und bedeutet „Buch der Preislieder / Lobpreisungen“. Obwohl das Buch das Psalmen aus weitaus mehr Klageliedern besteht, kann man vom Psalter als Lobspreis des Gottes Israels sprechen, da auch die Klagepsalmen mit einer positiven Bekenntnisaussage schließen. Bei den Überschriften der Psalmen handelt es sich um nachträglich ergänzte, redaktionelle Zusammenfassungen.[7]

4. Entstehung und Funktion des Psalters

Psalmtexte wurden während des täglichen Opfers und an besonderen Festtagen von einem Levitenchor vorgetragen. Die Gemeinde sang nur den Refrain oder einen Kurzvers mit, bestimmte Texte, z.B. Volksklagepsalmen wurden nur bei Klage- und Bußliturgien am Tempel von allen chorisch vorgetragen.

Es gibt jedoch keine eindeutigen Hinweise darauf, dass das Psalmenbuch für die Teilnahme am Tempelkult entstanden ist, da in den Synagogen Israels unterschiedliche Konzepte existierten und man nicht davon ausgehen kann, dass das Psalmenbuch zu den gemeinsamen strukturellen Elementen gehörte. Psalmen könnten auch in privaten gottesdienstlichen Versammlungen und christlichen Hausgottesdiensten als Texte der „persönlichen, meditativen Frömmigkeit und messianischen Hoffnung“[8] eine Rolle gespielt haben.

Die bekannten Psalmenforscher Gunkel und Mowinkel vertreten unterschiedliche Thesen zur Beantwortung der Frage nach der Funktion der Psalmen. Gunkel geht davon aus, dass die Mehrzahl der Psalmen als geistliche Dichtungen für den privaten Tempelgebrauch verfasst wurden und keine Funktion für den Tempelkult hatten, sondern private Gebete darstellten, die im Umfeld des Tempels entstanden. Mowinkel dagegen ist der Meinung, dass die Psalmen von Kultträgern verfasst wurden und als kultische Texte dienten.

Die primäre Existenzform der Psalmen war jedoch der mündliche Vortrag bzw. Sprechgesang durch Saiteninstrumente instrumental begleitet. Der im Kanon überlieferte Psalter entstand in der nachexilischen Zeit, als die Gebete für kultische Feste und gottesdienstliche Gelegenheiten niedergeschrieben wurden, wobei es zu bestimmten Sprachformeln kam (z.B. Reimbildung, Assonanz, Alliterationen, usw.).[9]

Das Psalmenbuch stellte das Lebensbuch der Armen, Frommen und Gerechten dar, die auf der Suche nach Trost, Hoffnung und Lebensweisung waren. Man kann von einer allgemeinen Vertrautheit mit dem Psalmenbuch als „Lieblingsbuch des entstehenden Christentums“[10] ausgehen. Auch viele Zitate im Neuen Testament stammen aus dem Psalter. Der Psalter entstand als „Gebets- und Meditationsbuch“[11], wobei die gezielte Mischung verschiedener Gattungen als „Spiegel der widersprüchlichen Vielfalt des Lebens selbst“[12] diente.[13]

5. Inhalt und Aufbau des Psalters

Bei den Psalmen handelt es sich um 150 poetische Texte unterschiedlicher Gattung, Herkunft und Zeit, sie stammen aus ca. 8 Jahrhunderten. Auch außerhalb des Psalmenbuches finden sich in der Bibel weitere Psalmen (z.B. Jona 2,3-10). Die griechische Zählweise unterscheidet sich dabei von der hebräischen, denn die Septuaginta (LXX) zählt mehrere Einzelpsalmen anders als das hebräische Psalmenbuch. Sie fasst Psalm 9 und 10 und Psalm 114 und 115 zu je einem Psalm zusammen und zerlegt Psalm 116 und 147 in je zwei Psalmen. Die hebräische Zählweise wird meist in Klammern angegeben.

Der Psalter entstand aus einzelnen Teilsammlungen, die bewusst zusammengestellt und durch nachträglich ergänzte Überschriften zu Gruppen geordnet wurden. Diese Sammlungen lagen bereits als abgeschlossene Kompositionen vor und entstanden in der Exilszeit. Anfang und Ende des Psalters erhalten eine besondere Gewichtung, da sie zentrale Aussagen enthalten.[14]

Der Psalter lässt sich in fünf Bücher unterteilen, wobei vier „doxologische Schlussformeln“[15], die nicht Bestandteil des jeweils vorausgehenden Psalms sind, die jeweiligen Einschnitte kennzeichnen. Die Strukturierung in fünf Teile bzw. Bücher war im Alten Orient beliebt und programmatisch.

Die planvolle, gezielte Buchkomposition verdeutlicht, dass es sich nicht um eine zufällige Aneinanderreihung von Einzelgebeten handelt, sondern die Einzelpsalmen im Zusammenhang des ganzen Buches eine theologische Aussage erhalten, die ihren Einzelsinn übersteigt. Zwischen unmittelbar aufeinander folgenden Psalmen ergeben sich häufig semantische, inhaltliche oder formale Zusammenhänge, die von der Redaktion intendiert wurden. Psalmen können sich gegenseitig auslegen, ergänzen oder relativieren.[16]

6. Die „Davidisierung“ des Psalters

73 der 150 Psalmen werden mit dem Leben Davids verbunden („von David“). Ursprünglich verwiesen sie auf bestimmte Lebenssituationen Davids, galten als Identifikationsangebote und wurden erst später als Autorenangaben konzipiert. Der ganze Psalter gilt als „geistliches Tagebuch Davids“[17]. Die Parallelisierung mit Mose und die Aussage „Mose gab den Israeliten die 5 Bücher Mose, David gab ihnen die 5 Bücher der Psalmen“[18] verdeutlicht Davids Autorität als König von Israel, obwohl nicht alle Psalmen, die ihm zugeschrieben werden, tatsächlich von David stammen können. Dennoch hat die jüdische Tradition das ganze Psalmenbuch David als Verfasser zugeschrieben und die Psalmen als „Gebete der messianischen Hoffnung auf den wiederkehrenden David“[19] verstanden. Es ist historisch unwahrscheinlich, dass alle Davidspalmen tatsächlich von David verfasst wurden, literarisch jedoch nachvollziehbar, da David als Psalmendichter und Psalmenbeter bekannt war.[20]

7. Die Sprache der Psalmen - Stereometrie des Gedankenausdrucks

Stereometrie bzw. Multiperspektivität entsteht zum einen durch den Parallelismus der Vergleichsglieder („parallelismus membrorum“) und zum anderen durch die Überlagerung der Bilder und Motive.

7.1 Parallelismus membrorum

Der Parallelismus der Vergleichsglieder („Gedankenreim“) ist typisch für die hebräische Poesie. Ihm liegt die „Idee der symmetrischen Vollständigkeit“[21] zugrunde, die besagt, dass das Ganze immer aus der Vielheit seiner Einzelteile besteht. Nach antiker Vorstellung stellt zudem erst ein Doppeltes eine Ganzheit dar. Das „Prinzip der paarweisen Anordnung“[22] in der hebräischen Poesie entspricht somit antiken Vorstellungen und meint, dass die beiden parallelen Satzglieder einen Sachverhalt oder ein Phänomen aus zwei oder mehr Perspektiven betrachten. Der „antithetische Parallelismus“ bringt das Ganze von den gegensätzlichen Aspekten her zum Ausdruck, beim „synonymen Parallelismus“ dagegen umschreiben die parallelen Vergleichsglieder den gleichen Sachverhalt, wobei sich der Wortlaut ändert. Der „explizierend-synthetische Parallelismus“ baut aus den Einzelteilen eine Aussage auf, die sich nur ergibt, wenn beide Verszeilen zusammen gelesen werden. Durch die Dopplung der Gedankenführung wird zwar die Klarheit und Eindeutigkeit der Aussage beeinträchtigt, der Gedankenfortschritt ist dabei jedoch nicht so wichtig wie die Umschreibung eines Sachverhalts.[23]

7.2 Überlagerung der Bilder und Motive

Multiperspektivität der Aussage entsteht auch durch Überlagerung der Bilder und Motive. Der Begriff „Leben“ steht dabei z.B. für die Vitalität und Lebenskraft, der „Leib“ und das „Fleisch“ für die Vergänglichkeit, das „Herz“ für die Vernunft. Körperorgane wie Herz oder Nieren werden häufig mit emotionalen oder kognitiven Vorgängen verbunden, umgekehrt können Konflikte wie Anfeindung, Verbitterung bestimmte Körperorgane wie Herz und Nieren in Mitleidenschaft ziehen.[24]

Es entsteht eine „produktive Unschärfe und Plastizität der Aussage“[25], wobei die Worte durchsichtig werden und so gegenseitig ihren Sinn erschließen. Begriffe für Körperorgane (Herz) bezeichnen zugleich Fähigkeiten (Vernunft) – umgekehrt ziehen psychische Erfahrungen die Körperorgane (z.B. die Nieren) in Mitleidenschaft. Es besteht somit ein enger Zusammenhang von Körperorgan und Lebensfunktion. Das Herz z.B. stellt nach alttestamentlichem Verständnis das innere Erkenntnisorgan und das Zentrum der Persönlichkeit des Menschen dar, das sich dem äußeren Zugriff entzieht und nur Gott einsichtig ist (Ort der Begegnung mit Gott).

7.3 Metaphorisierung und Symbolisierung

Metaphorisierung meint die bildhafte Übertragung aufgrund eines Vergleichs. Auch die Psalmen enthalten oft ungewohnte Wortkombinationen und Bilder, die über das Alltägliche hinausweisen. Das übertragene Bild muss mit der konkreten Bedeutung übereinstimmen, sie darf nicht verloren gehen, d.h. dass der der Zusammenhang zwischen dem Konkretem und dem Abstrakten gewahrt bleiben muss. Symbolisierung bezeichnet die Verbindung des Abstrakten mit dem Konkreten (z.B. Baum - Leben, Thron - Königreich, Berg - Ort Gottes). Auch Symbole verweisen auf über ihre konkrete Bedeutung Hinausliegendes und können auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen werden, auf der visuellen oder der sprachlichen Ebene. Metaphorische Sprache unterbricht die Alltäglichkeit und ermöglicht Selbsterfahrung. Gefühle und Stimmungen können durch metaphorische Sprache besser zum Ausdruck kommen. Es muss hierbei zwischen der Real- und der Bildebene unterschieden werden. Der Begriff „Tiefe“ umschreibt zum einem die Situation der Verlorenheit bzw. die seelischen Abgründe eines Menschen oder wird dem mit Totenreich in Verbindung gebracht (Bildebene), zum anderen steht der Begriff „Tiefe“ für das Versinken in einem Brunnen oder in einer Zisterne bzw. in Wasser- und Meerestiefen (Realebene), da das Sterben nach alttestamentlichem Verständnis als Versinken beschrieben werden kann.[26]

7.4 Die Vorteile der Psalmensprache

Psalmensprache ermöglicht die „religiöse Daseinsaneignung“[27], da sich der Beter intensiv als Teil dieser Welt und seine Existenz aus verschiedenen Aspekten wahrnehmen kann. Die Psalmensprache eröffnet somit Identifikationsmöglichkeiten. Mittels dieser bildhaften Sprache können Grenzerfahrungen der menschlichen Existenz ausgedrückt werden, die man mit konkreten Worten gar nicht zum Ausdruck bringen kann.

8. Die Hauptgattungen des Psalters

Es lassen sich insgesamt vier Hauptgattungen unterscheiden und zwar 1. die Klagelieder (des Einzelnen und des Volkes), 2. die Bittpsalmen, 3. die Hymnen bzw. Loblieder und 4. die Danklieder. Manche Psalmen wurden nur für bestimmte Gelegenheiten genutzt. Wallfahrts- und Zionslieder lassen sich mit der Tradition der Erwählung des Zions als des Gottesberges in Verbindungen bringen. Segenspsalmen bezogen sich auf Pilger, die zum Heiligtum kamen und zum Abschied den Segen empfingen. Königspsalmen gehörten zur Thronbesteigung des Königs und sagten ihm Sieg, Gelingen und Gottes Beistand zu. Weisheitspsalmen beinhalten Weisheitssprüche über das gemeinsame Leben und bestehen meist aus einer Gegenüberstellung von Frommen und Gottlosen.[28]

9. Die Klagelieder

Die Gattung der Klagelieder lässt sich in vier Unterarten unterteilen. Volksklagelieder, die an den Kultus gebunden waren und wahrscheinlich von Kultträger verfasst wurden, stehen den Klageliedern des Einzelnen gegenüber, die sich wiederum in Krankheitspsalmen und Unschuldpsalmen unterteilen. Die Vertrauenslieder des Volkes oder des Einzelnen (z.B. Psalm 23) entstanden durch die Verselbständigung des Vertrauensmotivs der Klagelieder.[29] Ich möchte im Folgenden insbesondere auf die Klagelieder des Einzelnen eingehen und werde mich dabei zunächst am idealtypischen Aufbau von Psalm 13 orientieren.

9.1 Die Klagelieder des Einzelnen

Die Klagepsalmen stellen die im Psalter am häufigsten vertretene Gattung dar. In der kirchlichen Praxis besteht jedoch noch immer ein Defizit der Klage, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der Klage nicht um eine angemessene Art und Weise der Kontaktaufnahme mit Gott handelt und Gott nicht angeklagt werden darf. Nach alttestamentlicher Tradition stellt die Klage vor Gott jedoch ein wichtiges und grundlegendes Element des Glaubens und der Beziehung des Menschen zu Gott dar. In der Klage wendet sich der Beter direkt an Gott und reagiert somit auf extreme Notsituationen. Auch die Bitte spielt dabei eine wichtige Rolle, so dass man von einer Grundbewegung von der Klage über die Bitte zum Lob sprechen kann. Die Erlebnisrichtung führt von „unten nach oben, d.h. der Beter weiß sich aus einer tiefer gelegenen Existenzsituation von JHWHs Hand herausgezogen“[30]. Die Klage hat ihren Sinn dabei nicht in sich selbst, es geht nicht um Selbstdarstellung oder Selbstbemitleidung, sondern um den Appell an Gott. Typische Notsituationen bestehen z.B. in der sozialen Isolierung, dem Ausschluss aus der Gemeinschaft, Anfeindung, Verbitterung, Krankheit oder Missachtung. Gottes- und Menschenferne bzw. die Erfahrung des „sozialen Todes mitten im Leben“[31] führen letztlich auch zum biologischen Tod.[32]

Das konkrete Leid des Einzelnen ist meist nicht erkennbar, da „das Individuelle, Einmalige völlig aufgegangen ist im Typischen“[33] und die Psalmen somit die Sorgen und den Kummer vieler verschiedener Menschen ansprechen können. Auch die Feinde werden typisiert, es handelt sich jedoch meist um böse, gottlose Menschen.[34]

[...]


[1] Janowski, Konfliktgespräche, S.10.

[2] Janowski, Konfliktgespräche, S.12.

[3] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.1ff.

[4] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.27f.

[5] Janowski, Konfliktgespräche, S.230.

[6] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.225ff.

[7] vgl. Zenger, Einleitung, S.244.

[8] Zenger, Einleitung, S.250.

[9] vgl. Seybold, Psalmen, S.1ff.

[10] Zenger, Einleitung, S.250.

[11] Zenger, Einleitung, S.251.

[12] Zenger, Einleitung, S.252.

[13] vgl. Zenger, Einleitung, S.249ff.

[14] vgl. Zenger, Einleitung, S.243f.

[15] Zenger, Einleitung, S.247.

[16] vgl. Zenger, Einleitung, S.244f.

[17] Zenger, Einleitung, S.247.

[18] Zenger, Einleitung, S.247.

[19] Zenger, Einleitung, S.253.

[20] vgl. Zenger, Einleitung, S.252f.

[21] Janowski, Konfliktgespräche, S.13.

[22] Janowski, Konfliktgespräche, S.14.

[23] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.14.

[24] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.8f.

[25] Janowski, Konfliktgespräche, S.18.

[26] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.21ff.

[27] Janowski, Konfliktgespräche, S.35.

[28] Westermann, Bibelkunde, S.114ff.

[29] vgl. Fohrer, Psalmen, S.137ff.

[30] Janowski, Konfliktgespräche, S.49.

[31] Janowski, Konfliktgespräche, S.48.

[32] vgl. Janowski, Konfliktgespräche, S.36ff.

[33] Westermann, Bibelkunde, S.116.

[34] vgl. Westermann, Bibelkunde, S.116f.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Der Psalter - Klagelieder des Einzelnen
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
31
Katalognummer
V43554
ISBN (eBook)
9783638413213
Dateigröße
704 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psalter, Klagelieder, Einzelnen
Arbeit zitieren
Kathrin Morawietz (Autor:in), 2003, Der Psalter - Klagelieder des Einzelnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43554

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