Elemente der Demokratie in der gemischten Verfassung bei Aristoteles und Cicero


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Biographische Informationen
a. Aristoteles
b. M. Tullius Cicero

3. Ideologische Grundlagen beider Autoren
a. Ihr Demokratieverständnis
b. Zur Idee der gemischten Verfassung

4. Der Status der Demokratie in der gemischten Verfassung

5. Ausgewählte Elemente der Demokratie
a. Der Begriff des „Bürgers“
b. Wahl oder Los? Die Frage der Repräsentation
c. Pfeiler der Verfassung: die Rechtsprechung

6. Zusammenfassung

7. Literatur

1. Einleitung

„Der Staat ist für die Menschen und nicht die Menschen für den Staat“, so Albert Einstein – im Einstein-Jahr 2005 findet sich fast zu jeder Gelegenheit ein mehr oder weniger passendes Zitat des zurzeit besonders präsenten Genies. Auch wenn seine Forschungen sich vielmehr auf die Relativitäts- als auf die Demokratietheorie richteten, so lässt sich in diesem Zitat doch das Demokratieverständnis Einsteins orten. Einsteins Forschungen beeinflussen seit etwa hundert Jahren die moderne Physik – noch älter sind die Wurzeln der Staatsform, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik garantiert wird: Die Demokratie, praktisch im Athen ab dem 5. Jh. vor unserer Zeit zu finden, beschäftigt auch als Teil der politischen Philosophie seit etwa 2500 Jahren die Menschheit.

Ausgehend vom antiken Griechenland hat insbesondere Platons Politeia als philosophische Schrift über den besten Staat über römische Republik und frühe Neuzeit hinweg bis in die Gegenwart gewirkt. Auf Platon beziehen sich, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise und mit verschieden gewichteter Motivation, beide Autoren, denen diese Hausarbeit im Wesentlichen gewidmet ist. Aristoteles als kritischer Schüler Platons begründete mit seiner sechsbändigen Politik eben diese als Verknüpfung philosophischer und ethischer Grundsätze – Cicero schuf mit seiner Schrift De re publica, die allerdings nur sehr fragmentarisch überliefert ist, auch mit dieser Intention ein lateinisches Gegenwerk zu Platons Staat. Weiterhin gemeinsam ist beiden Schriften, dass sie eine Typologie der Verfassungsformen und ein Kreislaufmodell der Verfassungen entwickeln und die Idee von der Mischverfassung als der stabilsten Variation aufnehmen. Diese Hausarbeit wird sich in erster Linie allerdings weniger mit diesen Mischverfassungstheorien als solche befassen, sondern vielmehr darauf abzielen, inwiefern in diesen Modellen Elemente der Demokratie zu finden sind.

Einleitende biographische Informationen zu beiden Autoren werden vor der Beantwortung dieser Fragestellung stehen, zusätzlich wird ein als kurzer Überblick geplanter Vorspann über das Demokratieverständnis der Autoren im Allgemeinen und die Idee der Mischverfassung aus historischer Sicht vorweg einige für das Verständnis notwendige Informationen liefern. Bevor anschließend drei grundlegende Elemente der Demokratie auf ihre Rolle in der gemischten Verfassung hin untersucht werden, dient ein allgemeiner Überblick zur Stellung der Demokratie in dieser Verfassungsform zur ersten Orientierung.

Als drei wesentliche Punkte der Demokratie stehen der Begriff des Bürgers, die Frage der Repräsentation durch Wahl oder Losverfahren und schließlich die Rechtsprechung als ein wichtiger Pfeiler der Verfassung im Vordergrund. Dabei soll neben der Erörterung von Aristoteles’ und Ciceros Theoriebildung auch die Realität, wie sie von beiden Autoren in Athen resp. Rom beobachtet worden sind, Erwähnung finden. Auf diese Art und Weise fließen in der Zusammenfassung sowohl Demokratieverständnis als auch philosophische Grundlagen beider Autoren ein, die sicherlich auch in den Geschehnissen in Athen bzw. Rom ihre Begründung finden.

Die Literaturlage zu beiden Autoren ist ebenso dicht wie speziell. Insbesondere die Schriften des Aristoteles sind vom juristischen wie auch vom philosophischen und politischen Standpunkt aus eingehend analysiert worden. Besonders hilfreich waren für diese Arbeit insbesondere die Arbeiten von Spahn und Mueller-Goldingen, eine Antwort auf spezifische Schwerpunkte gaben die Beiträge von Eucken und Zumsteg. Eine erste Grundlage für die Bearbeitung und das Verständnis der Schriften beider Autoren lieferten die Überblickswerke von Ottmann, Schmidt, Vorländer und Weber-Schäfer sowie die jeweiligen Einleitungen in beide Werke durch Büchner bzw. Kullmann. Als Interpretationshilfe für Ciceros De re publica dienten in erster Linie der Aufsatz von Lintott sowie die Monographien von Radford und Christ. Zum Vergleich beider Autoren zog ich die Arbeit Pöschls heran, bei dem insbesondere die beiden Quasi-Verbindungsglieder Platon und Polybios eine große Berücksichtigung erfahren.

Soweit nicht anders bezeichnet, sind alle Zeitangaben vor Christus einzuordnen. Kursiv gedruckt sind Begriffe und Sätze, die wortwörtlich den Originalschriften entnommen wurden, in Anführungszeichen zitiert sind die Übersetzungen sowie die Sekundärliteratur.

2. Biographische Informationen

a. Aristoteles

Aristoteles wurde 384 in Stagira[1], einer kleinen Polis auf der Chalkidike, geboren. Da sein Vater Arzt war und auch seine Mutter aus einer Arztfamilie stammte, wuchs er in einem wissenschaftlich interessierten Milieu auf. Mit 17 Jahren kam Aristoteles nach Athen und trat in die Akademie Platons ein, wo er bis zu dessen Tod 348/7 auch blieb. Dort hielt er, über die Diskussion mit Platon hinausgehend, auch selbst Vorlesungen, die Manuskripte dafür bildeten die Grundlage für die uns überlieferten Schriften.[2] Nach Platons Tod verließ Aristoteles Athen wieder, in erster Linie aus politischen Gründen. Die verschärften Spannungen zwischen Makedonien und Athen zwangen den Metöken Aristoteles, der von Haus aus (sein Vater war Leibarzt des Großvaters von Alexander dem Großen) freundschaftliche Beziehungen mit dem makedonischen Hof führte, Athen zu verlassen, da er sich dort vermehrt Anfeindungen ausgesetzt sah.

In den folgenden Jahren war sein Leben durch wechselnde Aufenthalte außerhalb Athens gekennzeichnet. Zunächst siedelte er auf Einladung des dortigen Herrschers Hermias nach Assos in Kleinasien über, wo es den Akademiemitgliedern ermöglicht wurde, ihre Forschungen auch weiterhin zu betreiben.[3] Von dort aus zog es ihn ab 345/4 auf die Insel Lesbos, wo er seine Zusammenarbeit mit seinem bedeutendsten Schüler Theophrast begann. Etwa zwei Jahre später gelangte er dann nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in seiner Geburtsstadt auf Einladung des Makedonierkönigs Philipp nach Pella, wo er mit der Erziehung des damals 13-jährigen Alexanders beauftragt wurde. In dieser dreijährigen Tätigkeit bestand seine Aufgabe in erster Linie darin, den Königssohn mit der griechischen Kultur und Literatur bekannt zu machen.[4] Eine mögliche Beeinflussung von dessen späterer Politik soll hier nun allerdings nicht zur Diskussion stehen.

Mit der Rückkehr nach Athen nach den erfolgten Siegen Philipps über Theben und Athen 335/4 nahm Aristoteles im Lykeion, einem öffentlichen Gymnasium, seine Lehrtätigkeit auf, kehrte also nicht mehr an die Akademie zurück und begründete de facto, wenn auch nicht juristisch, seine eigene Schule. In dieser dritten Lebensperiode entstand der Großteil seiner Werke. Es waren jedoch wiederum politische Gründe, die Aristoteles nach dem Tod Alexanders im Juni 323 zwangen, Athen ein zweites Mal zu verlassen. Er begab sich daher in das nahe gelegene Chalkis auf Euboia, woher seine Mutter stammte, und verstarb dort wenig später im Alter von 62 Jahren.[5]

Die von Aristoteles selbst veröffentlichten Schriften – fast ausnahmslos Dialoge – sind nicht erhalten.[6] Die uns bekannten überlieferten Werke, ursprünglich für den eigenen Gebrauch des Philosophen und für die Schule abgefasst, zeigen jedoch die schöpferische Bandbreite dieses Mannes: Schriften zur Logik, zu den Naturwissenschaften, zu Ethik, Politik und Ökonomie und schließlich die Rhetorica und Poetica. Aristoteles versteht Politik als eng zusammenhängend mit der Ethik und ordnet beide zusammen unter dem Obergriff der „politischen Wissenschaft“ als praktische Wissenschaft ein. Seine Lehre zielte also, wie er es selbst radikal formuliert, nicht in erster Linie auf Erkenntnis, sondern auf Handeln. Aufgrund des vielschichtigen Charakters und der unbekannten Entstehungsgeschichte lässt sich das Werk jedoch nicht mit einer punktuellen historischen Situation verbinden.[7] Es liegt jedoch nahe, Aristoteles’ Sichtweise auf das Athen des 4. Jh. zu beziehen – einige Parallelen deuten darauf hin, so beispielsweise der Vorwurf, dass in einer Demokratie nicht Gesetze, sondern vielmehr die Volksbeschlüsse regieren.[8]

b. M. Tullius Cicero

Cicero wurde 106 in Arpinum (Latium) geboren. Er stammte aus dem Ritterstand (den equites) und studierte schon in sehr jungen Jahren intensiv Rhetorik, Jura und vor allem Philosophie, wodurch er sich vor Gericht und auf dem Forum schon bald einen Ruf als umfassend gebildeter Mann machte. Als homo novus, denn diese Karriere war für einen Mann seines Standes keineswegs typisch, durchlief er die Ämterlaufbahn, den cursus honorum, suo anno, zum jeweils frühst möglichen Zeitpunkt – und dies (im Gegensatz zu beispielsweise Caesar) völlig im Rahmen der Legalität. In seinem Konsulatsjahr 63 schlug er erfolgreich die Verschwörung des Catilina nieder, machte sich damit aber auch viele Feinde.[9] Einer von ihnen sorgte dafür, dass Cicero 58 ins Exil gehen musste.

Für den Republikaner Cicero ist die Zeit in der Verbannung kaum erträglich, wie seine zahlreichen Briefe bezeugen, die zwischen Ertränkung in Selbstmitleid und politischen Aufrufen schwanken. Das sich erneuernde Triumvirat 56 (nach dem ersten 60) festigt praktisch eine Alleinherrschaft dreier Männer (Crassus, Caesar und Pompeius) und führt dazu, dass Cicero die Fronten wechselt und im Senat als Fürsprecher für Caesar eintritt. 52 wird Pompeius consul sine collega und Cicero schlägt sich nach Ausbruch des Bürgerkrieges, für den er Caesar verantwortlich macht, im Jahr 49 auf dessen Seite, ohne von seiner Politik völlig überzeugt zu sein. Wiederum gefällt er sich wie auch schon im Exil „im Jammern, im Klagen und im besserwisserischen Rückblick auf die Ereignisse“[10].

[...]


[1] „Stagira“ nach Kullmann und Horster, „Stageira“ nach Spahn.

[2] Vgl. Spahn 1988, S. 401.

[3] Vgl. ebda.

[4] Vgl. ebda.

[5] Vgl. Spahn 1988, S. 402.

[6] Vgl. Horster 1989, S. 46.

[7] Vgl. Spahn 1988, S. 434.

[8] Vgl. Politik IV, 1292a; übernommen von Eucken 1990, S. 287.

[9] Vgl. Ottmann 2002, S. 81.

[10] Ottmann 2002, S. 82.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Elemente der Demokratie in der gemischten Verfassung bei Aristoteles und Cicero
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Klassische Altertumswissenschaften/ Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Demokratientheorien im historischen Prozess
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V43544
ISBN (eBook)
9783638413121
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Arbeit ist in einem Seminar entstanden, das gemeinsam von einem Althistoriker und einem Politiktheoretiker gehalten wurde. Nach einer Kurzbiographie Aristoteles' und Ciceros wird zunächst auf deren generelles Demokratieverständnis in ihren Schriften "Politik" und "De re publica" eingegangen. Den Hauptteil der Arbei bildet jedoch die Untersuchung einzelner demokratischer Elemente (Begriff des Bürgers, Frage der Repräsentation, Rechtsprechung als Pfeiler der Verfassung) ebenda.
Schlagworte
Elemente, Demokratie, Verfassung, Aristoteles, Cicero, Demokratientheorien
Arbeit zitieren
Sandra Holtermann (Autor:in), 2005, Elemente der Demokratie in der gemischten Verfassung bei Aristoteles und Cicero, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43544

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