Die Kritik Janusz Korczaks gegenüber dem herkömmlichen pädagogischen Umgang mit Kindern und Elemente der Pädagogik Janusz Korczaks nach Korczaks "Recht des Kindes auf Achtung"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

13 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

A. Kritik Korczaks gegenüber dem herkömmlichen pädagogischen Umgang mit Kindern
1. Missachtung des Kindes; Misstrauen gegenüber dem Kind
2. Unwillen, die Eigenheiten der Kinder hinzunehmen
3. Das Recht auf Achtung
4. Das Recht des Kindes, zu sein, was es ist

B. Elemente der Pädagogik Janusz Korczaks
1. Mit den Kindern fühlen
2. Die Kinder begleiten
3. Aus eigenen Fehlern lernen

4. Die Rechte der Kinder achten
C. Schlussbetrachtung
D. Literaturangaben

A. Kritik Korczaks gegenüber dem herkömmlichen pädagogischen Umgang mit Kindern:

„Lasst uns Achtung haben, wenn nicht Demut, vor der hellen, klaren, unbefleckten, heiligen Kindheit.“1

In seinem Werk „Das Recht des Kindes auf Achtung äußert Korczak anhand von vielen Beispielen aus dem Alltag, die sicherlich jeder kennt, Kritik an den gängigen Einstellungen und Vorgehensweisen von Erwachsenen gegenüber Kindern. Mit einem Satz kann man sagen, Korczak fordert Gerechtigkeit für das benachteiligte Kind.2 Er kritisiert, dass Kinder nicht als gleichwertige Menschen angesehen werden. Das Werk ist in vier Kapitel unterteilt:

1. Missachtung - Misstrauen
2. Unwillen
3. Das Recht auf Achtung
4. Das Recht des Kindes, zu sein, was es ist

Im Folgenden möchte ich die von Korczak im oben genannten Werk geäußerte Kritik darstellen.

1. Missachtung des Kindes; Misstrauen gegenüber dem Kind.

Jeder kennt das: Kinder wollen etwas wissen, aber bekommen gesagt: „Das ist noch nichts für dich, das geht dich noch nichts an.“ Ein Verhalten, das man nur gegenüber Kindern anwendet. Kinder sind klein, sie können kaum etwas selbst tun, weil sie noch nicht groß genug sind. Man nimmt sie nicht ernst und übersieht sie. Sie haben keinerlei Bedeutung. Was etwas bedeutet, muss groß sein, nicht zu übersehen. Kinder sind schwach, deshalb sind sie den stärkeren Erwachsenen schutzlos ausgeliefert. „Wer wagt es als Kind, einen Erwachsenen zu schubsen, anzugreifen, zu schlagen, wann, unter welchen Umständen? Aber wie alltäglich und unschuldig ist der Klaps, den das Kind bekommt, wie heftig nimmt man es an der Hand und zieht es hinterdrein, wie schmerzhaft kann diese erdrückende Zärtlichkeit sein.“3 Das Kind ist also ohnmächtig den Launen der Erwachsenen ausgeliefert, sie können mit ihm machen, was sie wollen, ohne dass es sich dagegen wehren kann. Dies ist nur deshalb möglich, weil die Erwachsenen stärker sind. Korcak sieht dies aber nicht nur im Verhältnis Kinder- Erwachsene so, er ist der Meinung, dass grundsätzlich die Ohnmacht des Schwächeren zur Verehrung der Stärke führt. Jeder Stärkere kann somit seine Unzufriedenheit am Schwächeren auslassen, von ihm fordern, was er will und Gehorsam erzwingen.4 Korczak ist der Meinung, dass die Erwachsenen so die Kinder dazu bringen, später auch alles, was schwächer ist als sie, zu verachten. Eine für ihn unzulässige Vorgehensweise. „Durch unser Beispiel lehren wir zu verachten, was schwächer ist. Eine schlechte Schule, eine finstere Prognose.“5

Ebenfalls werden die Kinder missachtet, weil sie noch nichts wissen, noch keine Erfahrung haben. Sie können noch nicht bei den Dingen, die den Erwachsenen wichtig erscheinen, mitreden. Sie nach ihrer Meinung zu fragen, wäre naiv. Zusammenfassend kann man sagen, die Erwachsenen werden den Kindern vorgezogen, sie gelten mehr, während die Kinder nicht als gleichwertige Menschen angesehen werden. Die Erwachsenen investieren viel Mühe und Zeit, um das Kind so zu machen, wie sie sind. Sie befehlen ihm, was es tun soll, maßregeln es, wo sie können, um eine Kopie von sich selbst zu schaffen. „Es ist nichts, wir sind alles.“6 Das Kind besitzt nur, was man ihm gibt, und es wird erwartet, dass es damit zufrieden ist, es hat über nichts freie Verfügung. „Der Bettler verfügt nach Belieben über das Almosen; das Kind muss über jeden Gegenstand Rechenschaft ablegen, den es umsonst bekommen hat.“7 Die Erwachsenen machen das Kind so von sich abhängig. Korczak sieht durch diese Armut des Kindes, das ja ganz auf die Gnade der Erwachsenen angewiesen ist, das Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen als verdorben an.

Korczak kritisiert also, dass das Kind noch gar nicht als ein richtiger Mensch angesehen wird, sondern erst einer wird. „Das Junge hat einen schlechten Marktwert.“8 Dieses Kind, das noch kein Mensch ist, wird ständig überwacht und kontrolliert, belehrt, ermahnt; es wird ständig überwacht, damit es sich keinen Schaden zufügt - und auch niemand anders. Man traut dem Kind nichts zu. Alles, was es von sich aus tut, wird mit Misstrauen gesehen. Was es selbst empfindet oder denkt, ist uninteressant. Ihm wird also die Achtung, die Älteren gegenüber erbracht wird, vorenthalten. Korczak ist der Meinung, dass Kinder auch gleichwertige Menschen sind und auch so behandelt werden sollten, d.h. sie sollten auch ernst genommen werden, auch Rechte haben, auch die Welt, in der sie leben, sollte etwas wert sein. Stattdessen wird das Kind als etwas angesehen, das erst noch zu einem richtigen Mensch gemacht werden muss. Dabei werden die Empfindungen und Bedürfnisse des Kindes während der Kindheit missachtet, weil die Erwachsenen diese für unwichtig bzw. auch für gefährlich halten, werden sie für nichtig erklärt.

2. Unwillen, die Eigenheiten der Kinder hinzunehmen.

Das Zusammenleben mit Kindern ist oft nicht erfreulich. Sie bereiten viel Mühe und Umstände, sorgen für Unordnung, müssen aber trotzdem mit Sorgfalt behandelt werden, da es sonst zu noch mehr Unannehmlichkeiten kommt. Also eine Last. Das Kind macht, was es will, es ist laut, neugierig und unvernünftig. Dies wird oft als Bosheit, Heuchelei, Verlogenheit ausgelegt. Ein Erzieher reagiert darauf mit Strafen, Ärger, Verboten, Zwang. Mit zunehmendem Alter steigt der eigene Wille des Kindes, und es fügt sich immer weniger dem, was der Erzieher verlangt, worauf dieser zu immer strengeren Mitteln greift. Korczak dagegen ist der Meinung, man solle den Verhaltensweisen des Kindes nicht mit Unverständnis und immer härteren Strafen gegenübertreten, sondern man sollte, um mehr zu erreichen, Verständnis und Güte für die vermeintlichen Untaten des Kindes entgegenbringen, verzeihen, beraten, mit dem Kind reden, auf jeden Fall sollte man das Kind nicht „von oben herab“, wie etwas minderwertiges , behandeln. „Seltener sind wir Berater und Tröster, aber häufiger strenge Richter. Das rasche Urteil und die Strafe bewirken nur eines: Die Exzesse von Langeweile und Rebellion werden seltener, aber dafür heftiger und verbitterter.

Also muss man die Aufsicht verstärken, den Widerstand brechen, sich gegen Überraschungen absichern. Das bringt den Erzieher zu Fall: Er verachtet, misstraut, verdächtigt, verfolgt, erwischt, tadelt, klagt an und bestraft, er sucht geeignete Mittel zur Vorbeugung; immer häufiger spricht er Verbote aus und übt immer rücksichtsloser Zwang aus; er sieht nicht die Anstrengungen des Kindes, ein Blatt Papier oder ein Stundenblatt seines Lebens sorgfältig zu beschreiben; er behauptet kalt, es sei schlecht. Selten zeigt sich das Himmelblau des Verzeihens, häufig das Scharlachrot des Ärgers und der Entrüstung.“9

Dies trifft noch in stärkerem Maße zu, wenn ein Erzieher damit beauftragt ist, eine Schar von Kindern, z.B. eine Schulklasse, zu erziehen. Da die Menge von Kindern stärker ist als der einzelne Erzieher, greift dieser zu noch strengeren, heimtückischeren Mitteln der Unterdrückung und Unterwerfung. Er würde niemals zugeben, dass er schwächer ist als die Menge der Kinder. Er benutzt hinterhältige tricks, verhängt Strafen, ob sie gerecht sind oder nicht, wenn sie nur etwas bewirken. Andere Erzieher, die gütig sind, das Gespräch mit den Kindern suchen, und sie achten, werden oft als unfähig bezeichnet. Korczak vertritt auch hier wieder den Standpunkt, dass dies die falsche Vorgehensweise ist und dass man als Erzieher zu den Kindern ein Verhältnis des Vertrauens, der Achtung und der Zuneigung aufbauen muss und eine fröhliche Atmosphäre herrschen sollte. Trotzdem kann es auch dann gelegentlich, wenn auch nicht oft, zu plötzlichen Ausbrüchen von Undiszipliniertheit und Unruhe kommen. Korczak findet dafür mehrere mögliche Gründe, einer scheint ihm jedoch am sinnvollsten: Die Kinder sind manchmal plötzlich regelrecht ausgelassen, Korczak bezeichnet dies als eine Art Rausch oder Trunkenheit, bewirkt durch den Sauerstoff der Luft. „das Kind kann sich am Sauerstoff der Luft so berauschen wie der Erwachsene am Wodka. - Erregung, Verlust aller Kontrolle, Hasardspiel, Verfinsterung“10 Diese Aussage Korczaks würde ich nicht so deuten, dass die Luft auf Kinder eine berauschende Wirkung ähnlich wie Alkohol hat, sondern dass es einfach zum natürlichen Verhalten eines Kindes gehört, gelegentlich ausgelassen zu sein und sich chaotisch aufzuführen. Dieses natürliche Verhalten, das sonst aufs äußerste verhindert und getadelt wird, soll man nach Korczak dulden, denn es bringt Erwachsene und Kinder näher. „Tadelt sie nicht: Diese klare Trunkenheit der Kinder weckt Rührung und Ehrfurcht; sie rückt uns nicht fern und unterscheidet sie nicht von uns, sondern sie bringt sie uns näher und macht sie zu unseren Verbündeten.“ 11

Eigene Fehler geben die Erwachsenen nie zu. Sie würden es nie gestatten, dass Kinder an ihnen Kritik üben. Man erwartet, dass die Älteren bedingungslos geehrt werden, obwohl sie auch nicht alle vollkommen sind. Die Kinder werden jedoch nicht geehrt, man nimmt nur die kriminellen unter ihnen wahr, sie bestimmen das allgemeine Bild der Kinder. Alles, was Kinder betrifft, wird von Erwachsenen bestimmt, ohne dass die Kinder etwas mitbestimmen dürfen. Korczak hat dies selbst anders gehandhabt. In einem von ihm geführten Waisenhaus gab es sogar ein Gericht, in dem Kinder auch als Richter fungierten. Sogar Korczak selbst stand einmal als Angeklagter vor diesem Gericht.

3. Das Recht auf Achtung.

Hier kritisiert Korczak, dass Kinder noch nicht als gleichwertige Menschen angesehen werden. Es wird zwischen zwei Arten von Menschen unterschieden, auf der einen Seite die Erwachsenen, die geachtet und ernst genommen werden, und auf der anderen Seite die Kinder, die zwar geduldet werden, aber weniger wert sind. Sie gelten als Menschen, die noch keine richtigen Menschen sind. Sie sind die zukünftigen Menschen, die zukünftigen Arbeitskräfte, die zukünftigen Staatsbürger, sie beginnen erst später, wirklich zu sein. 12 Diese Kinder sind oft im Weg, sie sind hinderlich, stören. Früher durfte man sie sogar töten, oder auch an Bettler verkaufen, wenn man sie nicht gebrauchen konnte. Des Weiteren werden die Kinder völlig aus dem wirklichen Leben ausgeschlossen. Die Erwachsenen verwenden ihren gesamten Besitz und Reichtum nur für sich selbst, die Kinder bekommen so gut wie nichts davon. Auch in der Schule wird den Kindern keinerlei Achtung entgegengebracht. Auch dort haben sie keine Rechte. Die Eltern tadeln zwar das Kind wegen Anschuldigungen, die in der Schule gemacht wurden, auf der anderen Seite vernachlässigen sie aber die Aufsichtspflicht, die ihnen von der Schule aufgetragen wurde.13 Des Weiteren werden Kinder von den meisten Erwachsenen als dumm und unvernünftig angesehen. Deswegen werden sie ständig überwacht, ihnen werden Befehle erteilt, mit denen sie oft nichts anzufangen wissen und die oft unüberlegt und sinnlos sind. Korczak vertritt hier den Standpunkt, dass Kinder nicht dümmer sind als Erwachsene, „Das Kind ist nicht dumm; es gibt unter den Kindern nicht mehr Dummköpfe als unter den Erwachsenen.“14, sondern die Kinder sind noch unwissend. Sie müssen noch lernen, das hat nichts mit Dummheit zu tun. „Es erinnert sich und vergisst, nicht anders als wir, es schätzt und missachtet, kann logisch denken - und es irrt sich aus Unwissenheit.“15 Wenn ein Kind nach einer Auskunft fragt, so tut es dies, um Wissen zu erlangen, das es noch nicht hat. Wenn ein Kind etwas anstellt, wird oft nur der entstandene materielle Schaden gesehen, wenn das Kind selbst sich dabei verletzt und sich Schmerz zufügt, wird das nicht für ernst und wichtig genommen, manchmal wird sogar darüber gelacht, wenn das Kind schreit. Dieses Schreien ist aber ein Ausdruck davon, dass das Kind vernachlässigt wird, ein „verzweifelte(r) Versuch des Protests, ein Hilferuf, eine klage über die Vernachlässigung, ein Zeichen dafür, das man die Kinder einengt und zwingt, Zeichen eines schlechten Befindens und immer ein Leid.“16 Auch diesen Hilferufen sollte man nach Korczak mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Kinder haben nichts, besitzen nichts, sie haben kein Eigentum. Alles, was sie brauchen, wird als finanzielle Belastung angesehen. Korczak meint, die Kinder müssten mehr bekommen. Er erklärt sich auch so die Tatsache, dass das von minderjährigen am häufigsten begangene Verbrechen Diebstahl ist.

Zusammenfassend kann man sagen, man muss dem Kind ein Recht auf seine Kindheit, auf den jetzigen Moment, zugestehen. Auch die Kindheit ist ein Abschnitt des Lebens des Menschen. Dieser Abschnitt darf nicht als unwichtig, unbedeutend missachtet werden. Korczak ist der Meinung, dass man Kinder gleichwertig mit Erwachsenen behandeln sollte, statt sie zu benachteiligen.

[...]


1 Korczak, Janusz: Das Recht des Kindes auf Achtung und fröhliche Pädagogik. Gütersloh 2002, S.44

2 Vgl. Kluge, K.-J., Plum, H., Schnell, I.: Eine kindgerechte Umwelt schaffen. München 1981

3 Korczak, J.: S.11

4 Vgl. Korczak, S.11

5 Korczak: S.11

6 Ebd.: S.13

7 Ebd.: S.14

8 Ebd.: S.13

9 Ebd.: S. 21/22

10 Ebd.: S.25

11 Ebd.: S.25/26

12 Vgl. Ebd.: S. 27/28

13 Vgl. Ebd.: S.29

14 Ebd.: S.30

15 Ebd.: S.30

16 Ebd.: S.31

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Kritik Janusz Korczaks gegenüber dem herkömmlichen pädagogischen Umgang mit Kindern und Elemente der Pädagogik Janusz Korczaks nach Korczaks "Recht des Kindes auf Achtung"
Hochschule
Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Note
gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
13
Katalognummer
V43543
ISBN (eBook)
9783638413114
ISBN (Buch)
9783638763332
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Grundlage: J. Korczak, Das Recht des Kindes auf Achtung. Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand.
Schlagworte
Kritik, Janusz, Korczaks, Umgang, Kindern, Elemente, Pädagogik, Janusz, Korczaks, Recht, Kindes, Achtung
Arbeit zitieren
Hans Mai (Autor:in), 2003, Die Kritik Janusz Korczaks gegenüber dem herkömmlichen pädagogischen Umgang mit Kindern und Elemente der Pädagogik Janusz Korczaks nach Korczaks "Recht des Kindes auf Achtung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43543

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