Die römische Britannienpolitik. Kritik anhand von Tacitus' "Agricola"


Facharbeit (Schule), 2012

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Rom und Britannien im 1. Jahrhundert n. Chr.
2.1 Britannien
2.2 Römisches Reich
2.2.1 Das Prinzipat
2.2.2 Kaiser Domitian

3. Das römische Verständnis von Außenpolitik und Expansion
3.1 Romanisierung

4. Publius Cornelius Tacitus
4.1 Gesellschaftliche und politische Einordnung

5. Agricola
5.1 Aufbau, Intention und Sprache
5.2 Personendarstellung
5.2.1 Gnaeus Iulius Agricola
5.2.2 Kaiser Domitian
5.3 Kritik

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis
7.1 Buchquellen
7.2 Internetquellen

1 Einleitung

Das Imperium Romanum – das klassische Beispiel eines Weltreiches nach westeuropäischer Vorstellung.

Obwohl dem Römischen Reich mit seiner größten Ausbreitung von 8,3 Mio. km² im Jahr 117 n. Chr. etliche andere Imperien flächenmäßig weit überlegen waren, findet sich kein anderes antikes Weltreich, dessen Traditionen und kulturelles Erbe eine derart langfristige Auswirkung auf unser Zeitalter hat.[1] So beschäftigen sich Historiker der Antike ebenso wie Historiker der Neuzeit immer wieder mit dem Imperium Romanum und der Frage, welchen Stellenwert die römische Außenpolitik innehatte.

Worin liegt der Erfolg und die Langfristigkeit dieses imperium sine fine (Reiches ohne Grenze)[2] begründet? Lässt sich die Ursache wirklich aus dem Streben nach den römischen Idealen wie virtus (Tugend) , gloria (Ruhm) und honos (Ehre) ableiten?[3] Ist eine dynamische Eroberungspolitik das römische Erfolgskonzept oder profitierte das Imperium Romanum von den Konsequenzen einer rein defensiven Außenpolitik?[4]

Diese Facharbeit soll nun die grundlegende außenpolitische Ausrichtung des Römischen Reiches darstellen sowie insbesondere den Inhalt und die politische Ausrichtung in der Britannienpolitik näher erläutern. Basis für alle weiteren Überlegungen ist das Werk Agricola des römischen Geschichtsschreibers Publius Cornelius Tacitus, im Jahre 98 n. Chr. verfasst.

2. Rom und Britannien im 1. Jahrhundert n. Chr.

2.1 Britannien

Britannien war lange Zeit von der expansiven römischen Außenpolitik verschont geblieben und in longa oblivio [5] [Tac. Agr. 13,1] geraten. Durch die mangelnden Kenntnisse der Römer über die Beschaffenheit des Landes, seiner Bewohner und seiner Bodenschätze, empfanden die römischen Kriegsführer vor Caesar eine Invasion Britanniens als nicht lohnenswert.

Die Bewohner Britanniens wurden als Celtae und Galli bezeichnet und umfassten alle keltisch sprechenden Stämme und Völker Britanniens. Ihre gemeinsame Sprache sowie die ähnlichen Sitten und Kulturgüter hatten einen gemeinsamen Ursprung. Dabei lebten sie in Stämmen unabhängig voneinander, allerdings in factionibus et studiis trahuntur [6] [Tac. Agr. 12] . Diese Uneinigkeit machte sich der Feldherr Agricola, von Tacitus in Kap. 12 seines Werkes Agricola erläutert, in seinen späteren Feldzügen zu Nutze.

Das heutige Wissen über die Kelten entstammt größtenteils römischen Quellen, sowie der Analyse von archäologischen Funden. Die Kelten waren Völker, die ihre Tradition, Sprache sowie die Kultur einzig und allein mündlich an die nächste Generation weitergaben[7], was eine Rekonstruktion der historischen und gesellschaftlichen Zustände Britanniens im 1. Jahrhundert stark erschwert. So kann der Bericht in den Kapiteln 10 – 17 über britannische Lebensumstände aus dem Werk Agricola als Quelle dienen.

2.2 Römisches Reich

2.2.1 Das Prinzipat

Im 1. Jahrhundert n. Chr. näherte sich das Römische Reich dem Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung (vgl. Anhang: Abb. 1). Die wohl politisch wichtigste Umstrukturierung des 1. Jahrhunderts war die Einführung des Prinzipats unter Kaiser Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr.). Dieses begründete die endgültige Abkehr von der Republik und die Billigung einer Alleinherrschaft unter einem princeps civitatis (führender Mann des Staates). In ihrer Machts- und Amtsausübung nun zwar stark eingeschränkt, akzeptierten der Senat, der Ritterstand, das Heer und das römisches Volk dennoch Kaiser Augustus, der zwar nicht die Ämter selbst innehatte, aber nomine principis sub imperium accepit [8]. Er brachte dem römischen Volk nach vielen Bürgerkriegen in einer stabilen Regierungszeit den ersehnten pax Augusti.[9]

In seinem Werk Agricola fehlt zwar ein konkreter Hinweis auf das Prinzipat, aber in seinem Werk Annales kritisiert Tacitus Augustus stark. Als Verfechter der alten Republik, des Freiheitsgedankens und der alten römischen Ideale kann Tacitus die Einführung des Prinzipats nicht gutheißen, dessen Notwendigkeit hat er aber erkannt und akzeptiert. Durch die servitu s (Knechtschaft) des ganzen Staates kann das römische Ideal der virtus nicht weiter existieren,[10] sodass Tacitus für dieses corruptissimum saeculum (sehr verdorbene Jahrhundert) keinen Ausweg und keine Besserung mehr prognostiziert.[11]

2.2.2 Kaiser Domitian

Kaiser Domitian, der eine wichtige politische Position in Tacitus Werk Agricola einnimmt, trat 81 n. Chr. die Nachfolge seines verstorbenen Bruders Titus an und wird von den Geschichtsschreibern oft als ein skrupelloser [Tac. Agr. 43,2], misstrauischer, im Inneren um seine Macht fürchtender [Tac. Agr. 39,1], terribilis (schrecklicher), invisus [12] (verhasster) und machtgieriger [Tac. Agr. 42] Einzelgänger beschrieben, der mit vim dominationis [13] (Macht der Gewaltherrschaft) und inopia rapax [14] (reißerischen (Geld)Verschwendung) regierte. Domitian sah sich von den Göttern zum Alleinherrscher ausgewählt und zeigte dies mit dem Tragen einer coronam auream cum effigie Iovis ac Iunonis Minervaeque [15] , sowie mit seinem selbst verliehenen Titel dominus et deus. Seine Missachtung der senatorischen Macht[16], sowie sein überhebliches Verhalten machten ihn zu einem unbeliebten Kaiser, dessen Ermordung vom Volk mit Gleichgültigkeit[17] getragen wurde.

Obwohl er sowohl politische und organisatorische Angelegenheiten, als auch die Rechtsprechung effektiv und konstruktiv verbesserte, überliefert Tacitus in seinem Werk Agricola Kaiser Domitian der Nachwelt als Tyrannen: „ Domitiani vero natura praeceps in iram et quo obscurior (...) [18] “ [Tac. Agr. 42,3].

3. Das römische Verständnis von Außenpolitik und Expansion

Die römische Außenpolitik ist in einem engen Zusammenhang mit dem innenpolitischen Machtgefüge zu sehen. Die Römer, ein Volk von Kriegern, betrachteten Krieg als Anlass, um sich laus (Lob) und gloria zu erkämpfen [Tac. Agr. 46,4] und mit dem Ruhm ihrer Taten ewiges Ansehen zu erlangen, dabei ihre innenpolitische Position zu sichern oder eine höhere zu gewinnen. Dabei stand nicht die Expansion im Vordergrund, sondern primär die Vergrößerung von Macht und Einfluss im Inneren. Hinzu kam der militärische Ruhm, der die dignitas (Würde) vergrößerte. Somit führte die Militarisierung der römischen Gesellschaft dazu, militärische Erfolge als Maßstab für politische und soziale Identität zu betrachten [Tac. Agr. 16f; 19].

Von numine deumelecta [19] strebten schon die maiores (Vorfahren) [Tac. Agr. 13; 15] , hochangesehen bei den Römern, durch Expansion auf langfristige Sicht eine Weltverbesserung an, die von der Verbreitung und dem „Aufzwingen“ der Ideale wie virtus angetrieben wurden.

Ein Eroberungsplan lag der römischen Außenpolitik nicht zugrunde. Wie der Historiker Mommsen ausführt, versuchte der römische Kaiser auf der Basis von Verträgen, Nachbarstaaten an sich zu binden und seine Hegemonialstellung zu wahren[20]. Die Römer selbst haben sich auch nie als Eroberer bezeichnet, sondern sahen sich selbst eher als diejenigen, deren Grenzen bedroht und in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezwungen wurden.

Um auf das Werk Agricola zurückzukommen, ist auch das Motiv der Unterwerfung der Britannier, die Wahrung des Status Quo in Gallien, um so eine Einmischung der Britannier in den Gallischen Krieg zu unterbinden.

Der Feldzug diente also nicht der Eroberung neuer Gebiete.

3.1 Romanisierung

Gehörte ein Land der eine Provinz zum Römischen Reich, so begann der Romanisierungsprozess der dort einheimischen Völker. Die Britannier, die Tacitus als Barbaren von größter Wildheit beschreibt, organisierten mehrere Widerstandskämpfe, denen die Römer unter Gnaeus Iulius Agricola immer standhielten [Tac. Agr. 11; 15]. Agricola hatte in Britannien mit unberechenbaren Umständen zu kämpfen, in denen er seine Kompetenz als hervorragender Feldherr unter Beweis stellen musste, und durch welcher er die Römer öfters vor einer finalen Niederlage bewahrte [Tac. Agr. 18].

Die Britannier mussten sich mit einschneidenden Umstrukturierungen in ihrem Alltag zurechtfinden, wussten die Annehmlichkeiten des römischen Lebensstandards aber schnell zu würdigen und nannten sie laut Tacitus sogar humanitas (hier: Kultur) [Tac. Agr. 21,2]. Sie waren nun Teil einer Hochkultur und hatten sich dem Statthalter zu unterwerfen.

Dabei wird in Tacitus Werk Agricola die Abneigung des Autors gegenüber unterworfenen, in servitutis lebenden Völkern deutlich, die über den Mangel an virtus und fortitudo (Tapferkeit) definiert werden. Dennoch kann er nicht anders als auch deren Durchhaltekraft zum Widerstand lobend zu erwähnen, da genau an diesen Stellen fortitudo zum Ausdruck kommt. Tacitus bemängelt, dass gerade diese Eigenschaft den Römern seines Zeitalters abhandengekommen sei [Tac. Agr. 21; 33] .

4. Publius Cornelius Tacitus

4.1 Gesellschaftliche und politische Einordnung

Über die Person Publius Cornelius Tacitus (55/56 n. Chr. - 120 n. Chr. ) selber ist nur sehr wenig überliefert. Allerdings steht fest, dass er aus dem reichen ordo equester [21] (Ritterstand) einer Provinz stammte. Politische Mitbestimmung und das gesellschaftliche Ansehen waren abhängig von der Höhe der Geldsumme, die der Ritter dem Staat zur Landesverteidigung gewährte[22]. Seine Familie bereitete Tacitus durch eine umfassende Rhetorikausbildung in Rom zielstrebig auf den cursus honorum (politische Ämterlaufbahn) vor[23], sodass er letztendlich als homo novus (Emporkömmling) von dem Ritterstand in den Senatorenstand aufstieg.

Prägend in seinen schriftstellerischen Werken sind die Einflüsse und Auswirkungen der Tyrannei [Ursache für den Verfall der Ideale virtus, libertas (Freiheit) , conscienta (sittliches Bewusstsein) , iustitia (Gerechtigkeit)], die er scharf verurteilt [Tac. Agr. 2]. Aus dem gesamten Verfall der römischen Gesellschaft sticht jedoch einer hervor, dessen vera bona, quae in virtutibus sita sunt [24] und Ruhm so groß waren [Tac. Agr. 44], dass Tacitus ihn, Gnaeus Iulius Agricola, mit einem eigenen Werk würdigte.

5. Agricola

5.1 Aufbau, Intention und Sprache

Tacitus Werk Agricola beginnt mit einem Proömium, das sich über die ersten 3 Kapitel erstreckt. In diesem gibt Tacitus dem Leser einen Einblick in seine Zeit und dessen freihheitsbeschränkende Umstände. Der Nachruf (44 – 46) hebt Agricolas unvergängliche Leistungen [Tac. Agr. 46,4] für das kommende Zeitalter hervor. Proömium und Nachruf sind als Rahmen des Werkes zu betrachten.

In der Mitte des Werkes befindet sich die Darstellung von Agricolas Leistungen (10 - 38), unterbrochen von einer Erläuterung der geographischen Lage Britanniens sowie der britannischen Lebensumstände. Den Höhepunkt des Werkes liefert schließlich die finale Schlacht am Mons Graupius (37 – 38) und das anschließende Aufeinandertreffen Agricolas mit Kaiser Domitian.[25]

[...]


[1] http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_largest_empires

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misches_Reich

[3] Christ, Karl: „Die Römer – Eine Einführung in ihre Geschichte und Zivilisation“, S. 43ff

[4] Heuss, Alfred: „Römische Geschichte“, S. 553f

[5] übersetzt nach Alfons Städele: lange Vergessenheit

[6] übersetzt nach Alfons Städele: in leidenschaftlichem Patrteizwist gespalten

[7] http://www.idsteiner-mittwochsgesellschaft.de/dokumente/2011/20111221.pdf

[8] Tac. Ann. 1: den Staat unter dem Titel Princeps unter seine (alleinige) Herrschaft brachte

[9] Krefeld, Heinrich (Hg.): „Res Romanae – Begleitbuch für die lateinische Lektüre“, S. 9; S. 40

[10] Tac. Ann. 6

[11] Krefeld, Heinrich (Hg.): „Res Romanae – Begleitbuch für die lateinische Lektüre“, S. 110

[12] Suet. Dom. 14

[13] Suet. Dom. 1

[14] Suet. Dom. 3

[15] Suet. Dom. 4 übersetzt: goldenen Krone mit dem Abbild Jupiters und Iunos und Minervas

[16] Suet. Dom. 13

[17] Suet. Dom. 23

[18] übersetzt nach Alfons Städele: Doch Domitians dem Jähzorn verfallenes Wesen, das ihn um so unversöhnlicher machte (...)

[19] Plin. Nat. 3,39 übersetzt: der göttlichen Macht ausgewählt

[20] Albert, Sigrid: „Bellum Iustum – Die Theorie des gerechten Krieges und ihre praktische Bedeutung für die auswärtigen Auseinandersetzungen Roms in republikanischer Zeit“, S. 129ff

[21] http://www.kreienbuehl.ch/lat/latein/kultur/gesellschaft.html

[22] http://www.kreienbuehl.ch/lat/latein/kultur/gesellschaft.html

[23] Krefeld, Heinrich (Hg.): „Res Romanae – Begleitbuch für die lateinische Lektüre“, S. 109

[24] übersetzt nach Alfons Städele: wahre Güter, die in der Tüchtigkeit gelegen sind

[25] Schmal, Stephan: „Tacitus“, S. 25

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die römische Britannienpolitik. Kritik anhand von Tacitus' "Agricola"
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V435009
ISBN (eBook)
9783668762435
ISBN (Buch)
9783668762442
Dateigröße
629 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
britannienpolitik, kritik, tacitus, agricola
Arbeit zitieren
Jenny Streb (Autor:in), 2012, Die römische Britannienpolitik. Kritik anhand von Tacitus' "Agricola", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/435009

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