Rechtschreibreform und Öffentlichkeit


Hausarbeit, 2003

23 Seiten, Note: sehr gut (1,0)


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

1. Der lange Weg zur Rechtschreibreform im Spiegel der Öffentlichkeit und der Medien
1.1 Wer ist die Öffentlichkeit ?
1.2 Die Beschlüsse von 1876
1.3 Reaktion der Presse auf die Beschlüsse von 1901
1.4 Die Presse und die Reformbemühungen zwischen den beiden Weltkriegen
1.5 Die Reformbemühungen in der Nachkriegszeit
1.6 Die Rechtschreibreform in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren

2. Reaktion der Öffentlichkeit auf die Rechtschreibreform in den Jahren 1995-1997
2.1 Die Rechtschreibreform in der öffentlichen Diskussion
2.1.1 Die Berichterstattung in den Printmedien

3. Die Laien-Experten-Eskalation
3.1 Das Schema der Laien-Experten-Eskalation
3.2 Gründe für die Laien – Experten – Eskalation

4. Beobachtung des Presseechos fünf Jahre nach der Einführung der neuen Rechtschreibung

Nachwort

Bibliografie

Vorwort

Die Rechtschreibreform hat bis zu ihrem offiziellen Inkrafttreten am 1.August 1998 eine 122jährige Geschichte hinter sich gebracht. Immer wieder hat es in diesem Zeitraum Vorschläge zur Reform der deutschen Orthographie gegeben. Aber immer wieder sind diese Vorschläge öffentlichen, politischen Diskussionen zum Opfer gefallen. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess kommt der Presse zu, die nicht nur als Spiegel der öffentlichen Meinung gilt, sondern Reformgegnern und Reformbefürwortern ein Forum bietet. Mehr als einmal wird daraus ein Schlachtfeld, auf dem man die Rechtschreibreform niedermetzelt.

Diese Arbeit soll nun die Reaktionen der Öffentlichkeit darstellen, von den ersten Reformversuchen des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis hin zu Gegenwart. Ähnlichkeiten und Parallelen sollen heraus gearbeitet und analysiert werden. Mit Hilfe dieser Analyse kann man die Gründe für die Reaktionen in der Presse finden und erklären. Es sollte allerdings nicht die Aufgabe dieser Arbeit sein, eine umfassende Darstellung der Geschichte der Rechtschreibreform oder eine linguistische Auseinandersetzung mit den Inhalten der einzelnen Vorschläge, zu liefern. Wie bereits erwähnt geht es um die Reaktionen der Öffentlichkeit. Es geht aber auch darum, die Reflektion der Sprache und der Rechtschreibung in der Öffentlichkeit zu dokumentieren. In einem Artikel der Zeitung Die Welt heißt es dazu:

“ Das Schlimmste der Rechtschreibreform, die heute vor fünf Jahren die Schulen und vor vier Jahren die Zeitungen erreichte, ist der Stil der Debatte um sie. Doch gleichzeitig ist diese Diskussion das Kostbarste, das diese Reform gebracht hat, denn sie hat die Rechtschreibung wieder zum Gegenstand persönlichen Nachdenkens gemacht.“

Da nun die Debatten und Diskussionen um die Rechtschreibreform und eben nicht die Inhalte derselben Gegenstand dieser Arbeit sind, ist diese Arbeit zumindest nach dem Regelwerk von 1998 verfasst. Möglicherweise trägt die praktische Anwendung der neuen Rechtschreibregeln zu einem besseren Verständnis für die Argumentation beider Seiten bei.

1. Der lange Weg zur Rechtschreibreform im Spiegel der Öffentlichkeit und der Medien

Der Weg der Rechtschreibreform und ihrer kritischen Beobachtungen durch die Medien, also die Öffentlichkeit beginnt bereits am Ende des 19. Jahrhunderts. Grundlage für die Darstellung dieses Weges ist das Buch „Orthografiereform und Öffentlichkeit “, in dem Hans-Georg Küppers ein detaillierte Analyse der Medienresonanz in dem Zeitraum von 1876-1982 vorgelegt hat. Um die Reaktionen aus der Öffentlichkeit beschreiben und einordnen zu können, muss zuerst der Begriff der Öffentlichkeit im Bezug auf die Rechtschreibreform genauer definiert werden.

1.1 Wer ist die Öffentlichkeit ?

Bezogen auf die Orthografie umfasst der Begriff der Öffentlichkeit diejenigen, die lesen und schreiben können. Allerdings ist nicht jeder, der der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig ist, ist auch an der Diskussion um die Rechtschreibreform interessiert. Darum wird im Folgenden der Begriff Öffentlichkeit für die an der Orthografie Interessierten verwendet. Diese „interessierte Öffentlichkeit“ läßt sich weiter in verschiedene Gruppen unterscheiden, die wiederum ganz unterschiedlich Interessen am Gegenstand der Rechtschreibung und damit auch unterschiedliche Meinungen und Einstellungen zum Thema Rechtschreibreform haben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die interessierte Öffentlichkeit umfasst vor allem Gruppen, die in ihrem Alltag besonders viel mit Sprache zu tun haben und sich deswegen mit den neuen Regelungen besonders befassen müssen, z.B. Lehrer (oder generell Beamte), Schüler, deren Eltern und Publizisten. Aber auch die Gruppe, die hier als interessierte Laien bezeichnet wird, hat ein besonderes Interesse an Sprache. Hier sind diejenigen gemeint, die gerne lesen und schreiben oder sich als Hobbylinguisten betätigen. Menschen also, die oft einen sehr emotionalen Bezug zur Sprache haben, die die Sprache lieben.

1.2 Die Beschlüsse von 1876

1876 findet die 1. Orthografische Konferenz in Berlin statt. Zu diesem Zeitpunkt wird das Reformvorhaben in den Medien noch überwiegend positiv bewertet. Dazu muss natürlich angemerkt werden, dass die Rechtschreibung in jener Zeit keineswegs zu vergleichen ist mit der Rechtschreibsituation vor 1998. Es gibt keinerlei amtliche Regelungen, die für Deutschland als Ganzes gelten, statt dessen aber ein Fülle von Einzelregelungen in den verschiedenen Ländern. Man ist sich dieses Mangels sehr wohl bewusst, vor allem auch im Hinblick auf die Stellung des Reiches in der Welt und unter dem aufkommenden nationalistischen Blickwinkel.

„`das Beispiel eines Volkes, das mit sich uneins, wie es seinen Namen schreiben soll, ob Deutsch oder Teutsch (...) in der Weltgeschichte vereinzelt darstehen (...)´ dürfte.“[1]

Andererseits gibt es auch zu diesem frühen Zeitpunkt schon Zweifel, die bis heute immer wieder thematisiert und in den Mittelpunkt der Kritik gerückt werden. Die Frage nach der Legitimation der Reformer und der Legitimität der Reform sind Kritikpunkte der ersten Stunde. Auch damals ist es bereits ein großer Schwachpunkt der Reformbewegung, dass die Funktion der Expertenkommission nicht genau geklärt ist und die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit Raum für Spekulationen bietet. Das bemängelt selbst die Kölnische Zeitung, die sich ansonsten hinter die Reformbemühungen stellt. Die erste Konferenz führt nach ihrem Abschluß zu einem großen Medienecho, wobei die Zeitungen einerseits loben, dass der vorherrschenden Zerrissenheit der Orthografie eine Vereinheitlichung entgegengesetzt wird, andererseits wird der Konferenz auch vorgeworfen, man habe sich zu sehr auf das Ziel der Vereinheitlichung begrenzt.

„`War es nun die alleinige Aufgabe der Conferenz die schwankenden und strittigen Punkte zu regeln? Erwartete das Publikum nicht mehr von ihr? Ich glaube nach zahlreichen öffentlichen und privaten Mitteilungen sagen zu dürfen: Ja, man erwartete mehr; man erwartete wirkliche Reformen unserer Rechtschreibung. Diese Reformen konnten aber nur dahin gehen, die in unserem Publikum selbst unkennbar vorhandene Strömung zu fördern und weiter zu lenken. Die Strömung geht nach Vereinfachung, nach Berichtigung des Unnützen und Entbehrlichen.´“[2]

Der Vorwurf, einen Reformvorschlag gemacht zu haben, der nicht weit genug reicht, ist auch einem modernen Rechtschreibreformer des 21. Jahrhunderts sicherlich nicht fremd. Zufrieden mit den Ergebnissen von 1876 sind weder die Befürworter, noch die Gegner der Reform. Den Ersten geht die Reform nicht weit genug, den Zweiten ist die nicht eindeutig geklärte Legitimationsfrage ein Dorn im Auge. Emotionale Reaktionen von Seiten der Reformgegner begleiten die Reform ebenfalls von Beginn an.

1.3 Reaktion der Presse auf die Beschlüsse von 1901

Nachdem 1880 die „preußische Schulorthographie“ vorgelegt wird und heftige Kritik erntet, setzt sich die kritische Haltung der Öffentlichkeit nach der 2. Orthografischen Konferenz in Berlin 1901 fort. Die Reformbemühungen werden einerseits als schulbürokratische Bevormundungssucht bezeichnet, andererseits wächst der Zwiespalt zwischen Schul- und Behördenorthografie und den verschiedenen Hausorthografien der Zeitungen und Verlage so stark an, dass in Presse auch Stimmen laut werden, die eine einheitliche Regelung für das ganze Reich fordern. Dennoch hat die Kölnische Zeitung bereits im Vorfeld der Konferenz kritisiert, es seien zu wenige Sachverständige und Vertreter der Presse zu den Beratungen hinzugezogen worden. Die Presse pocht also auf ein Mitspracherecht und plädiert auf ihre Sachkenntnis.

Obwohl ein großer Teil der Bevölkerung gegen die Reform ist, schalten sich die Lobbyisten der Druck- und Verlagsindustrie in die Diskussionen ein und befürworten die Reform aus ökonomischen Gründen ausdrücklich. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bedingungen für eine Reform 1901 sehr gut sind. Das Stimmungsbild ist überwiegend positiv. Auch die Schärfe und Unsachlichkeit der Pressereaktionen hat gegenüber den vorangegangenen Jahren deutlich abgenommen.

In den folgenden Jahren stehen für die Presse das Erreichen der Einheitlichkeit in der Rechtschreibung deutlich im Vordergrund. Die Sprache und die Rechtschreibung geraten immer mehr in das Blickfeld des Nationalismus.

„Zeitungen und Zeitschriften nahmen nur sehr sporadisch an der Rechtschreibdiskussion teil. Ihre Hauptargumente für eine Reform waren meist nationaler Art, d.h. sie sahen in der Vereinfachung der Orthographie eine Möglichkeit, das `Deutschtum´ im Auslande weiter zu verbreiten.“[3]

1.4 Die Presse und die Reformbemühungen zwischen den beiden Weltkriegen

In den zwanziger Jahren versucht man erneut eine Reform der Rechtschreibung zumindest für die Schulen umzusetzen. Die Vorschläge stoßen jedoch in der Presse auf heftigen Protest. Die Öffentlichkeit sieht nach dem gerade verlorenen Weltkrieg und der damit verbundenen innen- und außenpolitisch schwierigen Phase dringlichere Probleme, als die Regelung der Rechtschreibung. Sogar Medien, die die Reform immer begrüßt und unterstützt haben, wie die Kölnische Zeitung, wenden sich jetzt gegen sie.

„Haben wir in der gegenwärtigen kaiserlosen Zeit, die wahrhaftig eine schreckliche Zeit ist, nicht eine Fülle anderer Aufgaben als die, darüber hin und her zu streiten, ob kaiserlos nicht besser mit ei und schrecklich mit kk geschrieben würde?“[4]

Diese Argumentation ist erstaunlicher Weise immer noch aktuell. Unterscheidet sie sich doch kaum von der Argumentation in den neunziger Jahren, bei der viele wichtigere Reformen in der Warteschlange des Reformstaus gesehen haben, als ausgerechnet die Rechtschreibreform.

Die Rechtschreibfrage wird in den zwanziger Jahren auch mehr und mehr zum Politikum. In einer insgesamt emotional sehr aufgeheizten Zeit, wird auch die Diskussion um die Rechtschreibreform wieder hitziger. Die Notwendigkeit der Reform und ihr Nutzen für die Allgemeinheit wird zum ersten Mal in ihrer Geschichte in Frage gestellt. Die Vereinfachung der Reform würde nur denjenigen nützen, die ohnehin zu den Bildungsschwachen zählen. „Schwachsinnige(n), die nicht die elementartsten Dinge begreifen“.[5]

In der Zeit von 1921 bis 1933 sind nur wenige Vorschläge zur Rechtschreibreform zu beobachten. Dementsprechend sind auch Zeitungsartikel zur Orthografiereform relativ selten, nur Lehrer und Pädagogen versuchen das Thema wach zu halten. Anfang der dreißiger Jahre wird der Vorschlag einbracht, die Groß- und Kleinsschreibung an die international üblichen Regelungen anzupassen. Dies wird zum einen aus ästhetischen Gründen und zum anderen aus völkisch-nationalen Gründen abgelehnt. In der Zeit des Nazi-Regimes wird die Rechtschreibung und die Sprache als ideologischen Keule mißbraucht und zum Heiligtum des Deutschen erklärt

„`Blut, Boden und Sprache sind die geheimnisvolle Dreieinigkeit des Volksturms. (...) Allein die Sprache noch reicht für uns Deutsche in jene Bezirke, wo unser angestammter Boden, wo unser unverfälschtes Blut seine Kraft verloren hat ()´. Die Sprache ist `(...) die höchste Offenbarung der Rasse in der Geisteswelt.´“[6]

[...]


[1] Küppers, H.-G. : Orthographie und Öffentlichkeit, 1984, S.65

[2] Küppers, H.-G.: Orthograohiereform und Öffentlichkeit, 1982, S. 67

[3] Küppers, H.-G.: Orthographiereform und Öffentlichkeit, 1982, S.98

[4] Ders., S. 101

[5] Küppers, H.-G.: Orthograohiereform und Öffentlichkeit, 1982 , S.102

[6] Ders., S.109

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Rechtschreibreform und Öffentlichkeit
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Einführung in die deutsche Orthographie
Note
sehr gut (1,0)
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V43468
ISBN (eBook)
9783638412483
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtschreibreform, Einführung, Orthographie
Arbeit zitieren
Katrin Weisenburger (Autor:in), 2003, Rechtschreibreform und Öffentlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43468

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